Читать книгу Ein unheimlicher Mann - Anton Schaller - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеDer kleine Ferienort in den Bergen war voller Touristen. Diese kauften fleißig in den Geschäften ein. Markus und Thomas, zwei Brüder, warteten voller Ungeduld in einem Lebensmittelladen, bis sie an die Reihe kamen.
Als sich die beiden Jungen vordrängen wollten, begann eine dicke Frau sogleich zu schimpfen: „Seht euch diese Bengel an! Keine Manieren! Anstatt sich hinten anzustellen ...“
„Wir wollen nur ein Eis kaufen!“, meinte Markus und strich über seine struppigen, blonden Haare.
„Das ist mir egal!“, schimpfte die aufgeregte Frau. „Ich war zuerst da. Nur das zählt! Wo kämen wir denn da hin ...?“
Plötzlich verstummten alle Gespräche. Kein Mensch interessierte sich mehr für die beiden Jungen.
Die Tür war aufgegangen. Ein Mann stand im Eingang. Groß, mager, mit langen, weißen Haaren. Sein Gesicht war von Falten überzogen. Die großen Augen blickten starr. Bekleidet war der Mann mit einem alten, schwarzen Anzug. Das Hemd war schmutzig und die Krawatte saß schief.
Die Leute wichen verängstigt zurück. Der sonderbare Mann schritt mit steifen Bewegungen durch das Geschäft. Die Sohlen seiner Schuhe quietschten bei jedem Schritt.
Markus und Thomas blickten gespannt auf den sonderbaren Mann.
„Das ist Herr Böse!“, tuschelte eine ältere Dame neben ihnen und zuckte dabei nervös mit ihren Augenlidern. „Vor diesem Mann fürchtet sich hier jeder. Er ist allen unheimlich!“
Die alte Dame stockte plötzlich. Ihre linke Hand fuhr erschrocken zu ihrem Mund.
Herr Böse blickte nämlich gerade in ihre Richtung. Hatte er etwas verstanden? Sein Gesicht blieb starr. Die Lippen waren fest zusammengepresst.
Der Unheimliche legte einen kleinen Zettel auf die Glasplatte des Verkaufstisches. Eine der beiden Verkäuferinnen eilte sofort herbei und suchte die Dinge zusammen, die auf dem Zettel notiert waren.
Dabei blickte sie immer wieder furchtsam in das runzelige Gesicht von Herrn Böse, der da stand, ohne sich zu bewegen.
„So, das wäre alles!“, murmelte die Verkäuferin dann leise und rechnete alles zusammen.
Der unheimliche Mann bezahlte, packte die Waren in seine mitgebrachte Strohtasche und verließ langsam das Geschäft. Die Tür schlug hinter ihm zu.
Sofort begannen die Leute aufgeregt miteinander zu reden.
Thomas und Markus wurden gleich bedient. Die anderen Kunden hatten es plötzlich gar nicht mehr so eilig, an die Reihe zu kommen. Es war jetzt viel wichtiger, über Herrn Böse zu sprechen.
„Dass der sich wieder hier blicken lässt ...“
„Diesen Mann sollte man endlich einsperren ...“
„Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher ...“
So sprachen die Leute aufgeregt miteinander, während die beiden Jungen auf ihr Schokolade-Eis warteten. Die Verkäuferin drückte ihnen die Tüten in die Hand und sogleich stürmten Markus und Thomas aus dem Geschäft.
„Du, Thomas!“, rief Markus ganz aufgeregt, als sie auf der Straße standen. „Glaubst du, dass dieser Mann ein Verbrecher ist?“
„Mit Sicherheit“, meinte Thomas und warf seine langen, blonden Haare mit Schwung nach hinten. „Der sah so unheimlich aus ...“
„Und was die Leute über ihn gesagt haben ...“
„Muss ja nicht alles stimmen ...“
„Und wenn doch?“ Erwartungsvoll blickte Thomas seinen Bruder an, dann leckte er das Eis von seinen Fingern und wischte diese in seiner ausgefransten Jeans ab.
„Dann werden die Ferien, die so langweilig angefangen haben, doch noch recht spannend werden ...“
„Glaubst du?“
„Warum nicht? Hast du nicht Lust, hinter das Geheimnis dieses sonderbaren Mannes zu kommen?“
„Natürlich! Du kennst mich ja!“, lachte Thomas und schob seine sportliche Sonnenbrille auf die Nasenwurzel zurück.
„Dann sind wir uns einig! Wir beide trauen uns doch! Oder?“
„Natürlich! Ich habe keine Angst!“ Thomas reckte seine Brust. „Wann soll’s losgehen?“
„Am besten heute Nachmittag. Einverstanden?“
„Ich bin dabei!“, strahlte der Junge und seine blauen Augen funkelten unternehmungslustig. „Aber vorher möchte ich gerne mehr über diesen Mann erfahren ...“
„Dann gehen wir am besten zur Frau vom Minigolfplatz. Die war immer sehr nett zu uns. Und die kennt sich aus, weil sie hier geboren ist ...“
Wenig später betraten die beiden Brüder den Minigolfplatz, der von großen, alten Bäumen umgeben war, und begrüßten die Besitzerin. Die ältere Frau mit dem gutmütigen Gesicht sagte erfreut: „Ah, die Meisterspieler aus der Stadt. Kommt nur herein, ihr beiden, ich hole gleich, was ihr braucht ...“
„Sehr nett von Ihnen, aber heute hätten wir nur gern ein paar Auskünfte“, lächelte Markus und zupfte an seinem goldenen Ohrring. „Morgen kommen wir ganz bestimmt wieder zum Spielen. Schließlich sind wir noch fast zwei Wochen hier ...“
„Was für Auskünfte?“, fragte die freundliche Dame verblüfft.
„Wir würden gerne Näheres über Herrn Böse erfahren ...“, begann Markus zu sprechen, doch sofort verschloss sich das gutmütige Gesicht der älteren Frau. Ihre Augen begannen nervös zu blinzeln und ihre Finger verkrampften sich ineinander.
„Was - was soll ich euch da sagen? Ich kenne den Mann nicht näher ...“
„Aber sicher besser als wir. Wir haben ihn heute zum ersten Mal gesehen. Die Leute im Dorf haben ganz sonderbar reagiert. Der Mann strahlt etwas Geheimnisvolles aus“, sagte Markus und die ältere Frau atmete tief durch. Anscheinend hatte sie sich entschlossen, den beiden Jungen gegenüber die Wahrheit zu sagen.
„Böse ist natürlich nicht sein richtiger Name!", sagte die Frau nach einer kleinen Pause. „Die Leute im Dorf haben ihn nur so genannt, weil er immer so finster aussieht. Er redet mit keinem Menschen und lebt ganz allein ..."
„Wo?“
„In einem alten Schloss! Einem finsteren Gebäude ...“
„Ist Herr Böse ein Verbrecher?“, wollte Thomas wissen.
„Ich glaube nicht, auch wenn das von manchen Leuten behauptet wird! Aber Gerüchte gibt es viele. So soll er in seinem Schloss einen großen Schatz bewachen ...“
„Tatsächlich?“, entfuhr es den beiden Jungen fast gleichzeitig und sie spürten, wie ihre Abenteuerlust erwachte.
Die ältere Frau lächelte. „Wie gesagt, es sind nur Gerüchte. Kein Mensch weiß, ob an ihnen was dran ist ...“
„Wir möchten uns das Schloss gerne ansehen. Wo liegt es denn?“
„Ich möchte nicht, dass ihr euch unnötig in Gefahr begebt. Außerdem wäre eure Mühe umsonst. Ihr kommt mit Sicherheit nicht ins Schloss hinein. Herr Böse will mit keinem Menschen was zu tun haben. Er jagt jeden fort, der sich seinem Schloss nähert."
„Aber wir möchten es trotzdem versuchen“, zeigte sich Markus hartnäckig, und nachdem die beiden Brüder noch länger auf die ältere Frau eingeredet hatten, verriet diese ihnen endlich, wo Herr Böse wohnte.