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Autobiographische Einblicke

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Wenn ich meine Lebensintention auf eine Kurzformel bringen wollte, würde ich mich im Kern als religiösen Sucher bezeichnen. Die zentrale Devise meines Lebens ist in dem Satz Jesu enthalten: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch dazugegeben werden.“ Da ich im katholischen Oberbayern aufgewachsen bin, war ich als Kind überzeugt, dass es eigentlich den meisten Menschen darum ging, denn das war ja die Botschaft Jesu. Die vielen Menschen, die in die Kirche gingen, würden wohl seiner Botschaft zu folgen versuchen, so dachte ich. Erst allmählich begriff ich, dass es den meisten recht ferne lag, die Botschaft Jesu so ernst zu nehmen und sie in ihrem Leben umzusetzen. Für mich stellte sich als junger Mensch konsequenterweise die Frage, ob ich diesen Weg nur in einem Kloster oder auch in einem normalen Leben verwirklichen kann und mir ahnte, dass man dem konkreten Leben nicht ausweichen dürfe, dass man seinen Glauben in diesem konkreten Lebensalltag unter Beweis stellen müsse.

Ich war, wie ich annehme, dass es eigentlich jeder Mensch ist, auf der Suche nach Erfüllung. Ein erstes Schlüsselerlebnis in diesem Verlangen nach Glück lag schon in meiner Kindheit, etwa in meinem 7. Lebensjahr. Als ich mir zu Weihnachten eine Mundharmonika wünschte und kaum zu hoffen wagte, sie auch zu bekommen – es war die Nachkriegszeit - und ich meinen Augen nicht traute, als sie unter dem Weihnachtsbaum lag, empfand ich mich als den glücklichsten Menschen der Welt. Ich konnte es nicht begreifen, als wenige Wochen später die Mundharmonika achtlos in der Ecke lag. Wie konnte es sein, dass etwas, was man sich so sehnlichst wünscht, auf das man sich hinstreckt und das für einen den Inbegriff an Glückseligkeit darstellte, nach so kurzer Zeit so bedeutungslos geworden war? Was war da schief gelaufen? Diese Frage wurde für mich zu einem großen Rätsel des Lebens. Später las ich bei Sigmund Freud, dass das Glücksverlangen illusorisch sei; er lieferte auch gleich Verhaltensweisen dazu, wie man damit umgehen sollte: Man sollte die Glückserwartung nicht zu hoch hängen, sollte nicht nur von einem Gebiet das Glück erwarten, sondern klug verteilen, so wie man seine Aktien streuen soll, damit beim Zusammenbruch eines Unternehmens nicht gleich alles verloren wäre, und man soll sich klar machen, dass die Glückserwartung sowieso eine Illusion sei und überhaupt nicht erfüllbar wäre. Das habe ich nie glauben können. Gäbe es Durst, wenn es kein Wasser gäbe oder Hunger, wenn es nichts gäbe, was ihn stillen könnte? Ich kann es mir nicht vorstellen; mir liegt es viel näher zu glauben, dass wir einfach an der falschen Stelle suchen. Mich hat immer schon nachdenklich gemacht, dass die Selbstmordzahl nicht in den armen Ländern am höchsten ist, sondern in den reichen. Wir glauben doch alle, dass wenn wir all die schönen Dinge haben, die das Leben angenehm, bequem und leicht machen, wir dann umso glücklicher seien. Warum erstrebten wir sie denn? Es wäre nicht verwunderlich, dass Menschen verzweifeln, die nicht wissen, wovon sie am nächsten Tag leben und wovon sie ihre Kinder satt bekommen sollen – aber gerade hier zeigt sich ein Überlebenswille, der denen scheinbar fehlt, die im Überfluss leben. Ist das nicht eine verkehrte Welt?

Was läuft eigentlich schief in dem Unternehmen „Mensch sein“, dass wir nicht fähig sind, in Frieden miteinander zu leben, dass langjährige Partnerschaften kaum noch möglich, von vielen überhaupt nicht mehr gewünscht sind, dass wir unfähig sind, glücklich zu werden?


Später suchte ich diese Erfüllung – ich glaube, auch darin keine Ausnahme zu sein -, in der Sexualität. Aber auch da merkte ich, dass die Erwartung – die absolute Erfüllung -, ausblieb, und mir wurde klar, dass sich die Erwartung nicht auf die konkrete Frau richtet, sondern auf ein Bild der Frau, auf etwas, wofür die Frau nur Symbol ist. Die Frau repräsentiert das Weibliche als solches, und davon ist der Mann fasziniert. Das Weibliche fasziniert und wird in einer Frau erlebt. Es ist das, was Jung mit Anima bezeichnet. Als ich darüber bei Jung gelesen habe, war es mir völlig klar. Die Anima lockt, verführt und lässt einen enttäuscht zurück. Dieses Spiel wiederholt sich tausendfach, bis man begreift, dass das, wovon der Mann fasziniert ist, in der eigenen Seele liegt, und deshalb kann die Erfüllung von keiner konkreten Frau kommen. Dass mir das schon früh klar wurde, hat mich sicher davor bewahrt, eine ähnliche Dummheit zu begehen, wie sie vielen Männern passiert, die in einer festen Partnerschaft leben. Ich bin sicher, dass mir dieses Wissen geholfen hat, nicht diesen Fehler zu begehen; dennoch war es ein harter Kampf, sich das Verlangen nach anderen Frauen aus dem Herzen zu reißen. Aber mir war absolut klar, dass, wenn ich Erfüllung erlangen wollte, das nur dadurch zu erreichen war. Bei Jung kann man nachlesen, welch ungeheure moralische Kraftanstrengung es bedeutet, sich mit der Anima auseinander zu setzen und sie als das zu erkennen, was sie ist: nämlich ein Urbild in der eigenen Seele. Damit muss sich das Verlangen nicht mehr auf eine Frau richten, sondern auf das Einswerden mit der eigenen Seele. Aber wie ist das zu bewerkstelligen?



Es wird nicht verwundern, dass ich als Beruf Religionslehrer wählte, eine Möglichkeit, die sich in den 60er Jahren erst allmählich für Laientheologen eröffnete. So konnte ich das, wovon ich überzeugt war, an junge Menschen herantragen in einer Zeit, in der die Religion zunehmend aus dem öffentlichen Leben und Bewusstsein entschwand.

Ich war wohl kein sehr guter katholischer Religionslehrer, jedenfalls nicht in den Augen der kirchlichen Obrigkeit. Schon früh (mit etwa 17 Jahren) beschäftigte ich mich mit Zen-Buddhismus, fühlte mich von Meister Eckehart – der von der Kirche exkommuniziert wurde - angesprochen und später vom Taoismus. Mein Horizont war damit echt katholisch, das heißt allumfassend. Es ging mir ganz zentral um die unmittelbare Beziehung zu Gott, und Anleitungen dazu fand ich im Zen-Buddhismus mehr als im traditionellen Christentum. Sehr wohl aber fand ich im Neuen Testament gleiche Elemente, wie sie auch in anderen Religionen, gerade in den mystischen Richtungen, zu finden waren. Das „Es schießt“ von Eugen Herrigel in der „Kunst des Bogenschießens“ war für mich gleichbedeutend mit „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ eines Paulus. Diesen Zustand zu erreichen, war mir Lebensziel.

Ich bewunderte Zen-Schüler, die ihr Leben damit verbrachten, tagaus tagein vor einer Wand zu sitzen und sich dem Lösen von Koans zu widmen. Ich war überzeugt, dass es dabei um die Überwindung unseres normalen Denkens ging, dass ein Durchbruch zum wahren Sein nur erfolgen könnte, wenn das normale Bewusstsein überstiegen würde.

Mit Koans aber konnte ich mich nicht anfreunden, ich versuchte es mit Meditations- und Konzentrationsübungen und merkte, wie unfähig ich war, auch nur eine Sekunde „gedankenlos“ zu sein. Immer stand ich im Mittelpunkt des Handelns, ich war es, der die Absicht hatte, absichtslos zu werden und damit war immer ein Teil meines Geistes außerhalb. Es war immer ein Beobachter vorhanden, der mich anhielt, antrieb und mahnte, wohl das, was S. Freud als Über-Ich bezeichnen würde. Und der Beobachter stand immer außerhalb des Vorgangs und mir war klar, dass volle Konzentration nur zu erreichen war, wenn es keinen Beobachter mehr gäbe. Aber wie war das zu erreichen?



Ich bin sicher ein introvertierter Typ (nach C. G. Jung), d. h. mich interessierte das Innenleben viel mehr als das Außen, die Welt. Der Introvertierte ist sehr mit sich beschäftigt, die Welt und der andere Mensch interessieren ihn nicht wirklich. Ich kenne keine Untersuchung, die den Anteil der Introvertierten an der Schizophrenie aufzeigt; ich würde meinen, dass er sehr hoch ist. Der Introvertierte kennt und erlebt die Tiefe; Oberflächlichkeit ist ihm verhasst. Die Welt und ihr Getriebe ängstigen ihn und bleiben ihm fremd. Genau das sind wichtige Kennzeichen in der Schizophrenie: Es sind in der Regel Menschen, die Probleme in der Sozialisation haben, die als Kind lieber allein spielen, sich zurückziehen und Einzelgänger sind. Sie fühlen sich fremd in dieser Welt.

Als Introvertierter läuft man Gefahr, von der eigenen Tiefe verschlungen zu werden. Seine Aufgabe ist es, in die Welt hinauszutreten, und das erfordert ein ungeheures Kämpfen.

Als ich mit 40 Jahren eine Depression hatte, wo ich noch überhaupt nichts begriff und mir auch vom Hausarzt Psychopharmaka verschreiben ließ, nahm mich bei der ersten Attacke meine Frau mit auf den Balkon – es war Nacht – und sagte zu mir: „Schau den Sternenhimmel an.“ Intuitiv hat sie genau das Richtige gewusst: Der Introvertierte muss sich hinausbegeben in die Welt, muss offen sein für den anderen Menschen. Es muss die Einheit zwischen Innen und Außen hergestellt werden, nur dann ist der Mensch ganz.

Beim Extravertierten ist genau der umgekehrte Weg richtig. Der Extravertierte lebt in der Welt und fühlt sich in ihr heimisch, aber ihm fehlt die Tiefe, das Leben bleibt oberflächlich. Er muss die Tiefe, das Innen hinzugewinnen.

Dass aus der Introversion Schizophrenie entsteht, scheint mir fast unausweichlich, da mit ihr eine starke Selbstbespiegelung Hand in Hand geht, eine nahezu ausschließliche Beschäftigung mit sich selbst. Ob auch der Extravertierte davon betroffen wird, würde mich interessieren.


Zunehmend merkte ich, wie sehr ich in allem um mich selbst kreiste und mir war von der Religion her klar, dass es genau darum ging, dieses Um-sich-selbst-Kreisen, diese Egozentriertheit, zu überwinden. Es dauerte lange, bis ich mir eingestand, dass ich in meinem Bemühen, den religiösen Weg zur Ichlosigkeit zu gehen und zu lehren, sehr ichhaft war, dass dies meine Weise war, das Ich zu leben und ins Spiel zu bringen. Ich wollte andere bekehren, war überzeugt davon, dass nur religiöses Leben richtiges Leben ist, und entdeckte, dass genau dies die Weise war, in der mein Ich zur Geltung kam. Ich wirkte auf andere missionarisch, beinahe fanatisch. Ich habe es der Liebe zu meiner Frau zu verdanken, dass ich von dieser dem Fanatismus nahen Einstellung befreit wurde, was nur dadurch gelang, dass ich sie in ihrem ganz andersartigen Denken ernst nahm und dadurch gezwungen war, meine starre, fanatische Haltung zu hinterfragen. Ich halte es für äußerst schwierig, einen fanatischen Menschen aus seinem Fanatismus zu befreien. Er ist dermaßen eingeengt in seiner Sicht der Dinge und von deren Richtigkeit so sehr überzeugt, dass wohl nur eine außerordentliche innere oder äußere Erschütterung ihn davon befreien kann.


Ich fühlte mich eigentlich nie wohl in dieser Welt. Wenn ich für mich allein in meinem Zimmer saß und mir über Gott und die Welt und die Menschen und über mich selbst Gedanken machte, war meine Welt in Ordnung, sobald ich aber sozusagen hinaus in die Welt, unter Menschen ging, merkte ich meine Unfähigkeit, mit anderen zu plaudern. Ich konnte tiefsinnige Gespräche führen, wenn sich die Gelegenheit bot, aber wo Menschen locker plauderten und lachten, fühlte ich mich fehl am Platz. Ich beneidete die, die so leichtfüßig durchs Leben gingen, für mich war immer alles ernst und tiefsinnig. Vielleicht lag es daran, dass ich mit 10 Jahren eine Augenkrankheit hatte, die mich vier Monate im Krankenhaus festhielt und durch die ich damit rechnen musste, blind zu werden. Damit musste ich mich auseinandersetzen. Ich glaube aber eher, dass es mein introvertiertes Naturell ist, das es mir so schwer macht, Kontakt zum Außen aufzunehmen. Durch ein Kaufhaus zu gehen war mir lange Zeit eine Qual. Durch die Vielzahl der Eindrücke verlor ich mich selbst, ich wurde richtig aus mir herausgezogen, ich erlebte eine regelrechte psychische Desorientiertheit.

Ich hatte auch immer das Gefühl, dass ich keinen unmittelbaren Kontakt zu den Menschen und Dingen hatte. Früh erlebte ich, dass mir alles durchs Denken vermittelt ist. Ich sah nicht einen Ball, sondern ich dachte, dass ich einen Ball sehe. Mir wurde früh klar, dass ich dadurch auch nicht erlebte. Ich war in meinem Denken eingeschlossen.

Das ist jetzt keine nachträgliche Interpretation aus der Rückschau auf meine Jugendzeit und meinem jetzigen Wissen, sondern ich habe das damals so empfunden und auch geäußert, wobei ich merkte, dass ich eigentlich kaum verstanden wurde.

Ich fühlte mich abgeschnitten vom konkreten Leben, mir fehlte die Unmittelbarkeit zu Mensch und Welt. Wenn eine Schizophrene über ihr Leben berichtet und ihr Buch „Die Glasglocke“ betitelt, dann gibt das treffend meinen früheren Zustand wieder.

Ich kam mir unter den Menschen immer als Fremder vor und fragte mich, ob es den anderen auch so ginge und sie es sich nur nicht anmerken ließen.


Ich studierte Theologie und wurde Lehrer für Religion und Deutsch am Gymnasium. Im Außen verlief mein Leben sehr geordnet, die Unordnung im Inneren war umso größer.


Da war die Sache mit der Musik in meinem Inneren. Ich weiß nicht, wie viele Jahre es schon ging, als mir meine „Krankheit“ so richtig zu Bewusstsein kam. Ich bezeichnete es als Krankheit, auch wenn ich damit nicht zum Arzt gehen musste. Aber ich ging zu meinem Religionslehrer. Einmal, als er Pausenaufsicht hatte, sprach ich ihn darauf hin an. Er war der einzige, von dem ich dachte, dass ich mich ihm anvertrauen könnte. Ich hielt ja immer schon große Stücke auf ihn und glaubte, dass, wenn irgendwer, er es sei, der mir helfen könnte. So versuchte ich ihm zu schildern, was mich plagte. Es war die Musik in meinem Kopf. Völlig gleich, ob es Lieder waren, die ich gehört hatte oder klassische Musik, Opernmelodien oder Schlager, immer wieder drängten sich Musik oder Gesang in mein Gehirn, und zwar gegen jeden Willen und jede Absicht. Es konnten die blödesten Lieder sein wie „Marie, do liegt a toter Fisch im Wasser, den mach ma hi“ oder das „Halleluja“ aus dem Messias, Beethovens 5. Symphonie oder ein Schlager, der gerade im Radio gespielt wurde. Ob ich für die Schule arbeitete oder spazieren ging, immer wieder drängten sich Lieder auf und ich fand kein Mittel, sie loszuwerden.

Auf seine Antwort war ich sehr gespannt: Würde er mir helfen können, kannte er so etwas und fand dafür eine Erklärung und einen Hinweis, wie ich damit umgehen könnte?

„Wenn es religiöse Lieder sind, dann ist es gut, und wenn es dumme Schlager sind, dann ist es schlecht“, war seine lapidare Antwort. Da stand ich nun, und über eines war ich mir sicher: Er hatte keine Ahnung! Ich stand da mit der betrüblichen Erkenntnis: Meine Probleme muss ich selber lösen. Diese Erkenntnis war es vielleicht auch, die mich später, als es mir so schlecht ging, dazu bewog, weder einen Psychotherapeuten noch einen Psychiater ins Vertrauen zu ziehen.

Auch meine Unfähigkeit, mich zu konzentrieren, einfach längere Zeit, d. h. lediglich eine Minute lang nur eine einzige Sache im Bewusstsein zu haben, auf die ich mich konzentrieren wollte, z. B. mein Meditationsbild, eine Fensterrosette von Chartre, belastete mich sehr. Es zeigte mir, dass in meiner Tiefe eine große Unruhe war, ohne dass ich wusste, wie ich dagegen ankämpfen könnte. Es gelang mir nicht, mich auch nur eine einzige Minute auf eine Sache zu konzentrieren, ohne dass unentwegt störende Gedanken in mich eindrangen. Das merkte ich auch beim Zuhören: Ich merkte, dass ich unfähig war, einem anderen ganz einfach zuzuhören, ohne dass ständig störende Gedanken sich einmengten.

Ich sah es auch bei anderen, dass sie nicht gut zuhören konnten, dass sie immer wieder von eigenen Gedanken oder äußeren Ereignissen vom Zuhören abgelenkt wurden.

Ich musste den Menschen auf den Mund schauen, dann konnte ich mich einigermaßen konzentrieren, schaute ich ihnen in die Augen, dann war ich so abgelenkt, dass ich den Sinn des Gesagten kaum erfassen konnte.


Mir wurde dadurch klar, dass ständig im Hintergrund Bewegung war. Wenn ich heute bei C. G. Jung lese, dass er es für möglich hält, dass Träumen nicht nur eine Sache ist, die sich in der Nacht abspielt, sondern dass möglicherweise auch tagsüber ständig im Hintergrund Traumgeschehen abläuft, nur dass das hintergründige Geschehen vom Tagesbewusstsein überstrahlt wird, glaube ich das sofort. Ich glaube auch, dass das Bedürfnis vieler Menschen, sich ständig von Musik berieseln zu lassen, Ausdruck dieses ständigen Hintergrundrauschens ist, das durch Musikhören gebunden wird. Ich hatte meine Musik in mir, ich brauchte keine von außen! Ich litt sehr darunter. Aus heutiger Sicht begreife ich es als unentwegte Tätigkeit des Unbewussten, das ständig aktiv ist und das Leben vorantreibt, im Guten wie im Bösen.



Ich erlebte eine große Unordnung in mir. Ich hatte auch einen entsprechenden Traum: Ich befand mich in einer völlig unaufgeräumte Werkstatt. Als ich den Traum Bekannten erzählte, kam prompt die Antwort: Ja, da musst du aufräumen. Aber ich wusste nicht, was das in meinem konkreten Leben bedeuten sollte, was ich tun musste, um „aufzuräumen“. Diesen Traum hatte ich mit etwa 18 Jahren!


Wenn jemand glücklich verheiratet ist und er eine attraktive Frau sieht und ein Begehren in ihm hochkommt – da ist die Seele, das Innere des Menschen ungeordnet. Auch damit musste ich mich gründlich auseinandersetzen. Wer in einer Sucht gefangen ist und versucht, davon frei zu werden, der merkt ganz deutlich, welchen verschiedenen, entgegengesetzten Strebungen er ausgesetzt ist – auch daran sieht man das Ungeordnete im Seelenleben der meisten Menschen, denn wenn man zusammenrechnet, wie viele Süchten unterworfen sind, sei es Nikotin, Alkohol, Drogen, Spielleidenschaft, Essstörungen, Computer oder Fernsehen - ob sie es als Sucht wahrhaben wollen oder nicht -, dann bleiben nicht viele eines Volkes übrig, die nicht von einem ungeordneten Seelenleben betroffen sind.


In diesem Zustand lebte ich eigentlich viele Jahre, ohne dass sich viel bewegte, außer, dass diese Verhärtung in der Körpermitte immer mehr zunahm. Ich wollte es aushalten, solange es eben ging und war gespannt, wie es weitergehen würde. Eine Ahnung, welche Bewandtnis es damit hätte, hatte ich zu dieser Zeit nicht. Dass dies eine solche Tragweite hätte und solche Konsequenzen, hätte ich niemals für möglich gehalten.



Ich möchte ja hier nicht mein ganzes Leben darlegen, sondern nur einige Akzente setzen, die verstehbar machen, warum ich in einen Zustand geriet, den man wohl als Schizophrenie bezeichnen muss. Als ich mich mit Schizophrenie beschäftigte, weil ich deutliche Anzeichen bei mir dafür sah, zeigte sich, dass eine ganze Reihe von Merkmalen, die letztlich dann zur Schizophrenie führen, bei mir vorhanden waren: Schwierigkeit im sozialen Kontakt, Vulnerabilität, also Verletzlichkeit, die bei mir in einer Überempfindlichkeit gegenüber Kritik besonders sichtbar wurde, Angst, Depression und Wahnvorstellungen.















Mein Weg aus der Ausweglosigkeit

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