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Daitya

Es mag sein, dass sich die meisten Geschichten aus der Zeit der Jahrhundertwende von Ariton mit den Götteropfern beschäftigen, die kurz vor dem achten Jahrhundert aritonischer Zeit von den Völkern ausgesucht wurden um die lange Reise zum Tempel von Deux anzutreten. Und es mag sein, dass diese Ereignisse für den Fortbestand der Völker wesentlich waren. Viel wesentlicher als alles Andere. Doch neben all den Erzählungen gibt es so unendlich viele Erlebnisse, die für den einen oder anderen Betroffenen ebenfalls wichtig sind und sich fest in die Erinnerung eingebrannt haben. Nicht alles prägt die gesamten Völker und ganz Ariton. Manche Dinge sind so unscheinbar für das große Ganze, dass die Geschichtenerzähler hierfür nur ein müdes Lächeln übrighaben. Doch für den einen oder anderen sind diese kleinen Dinge in ihrem eigenen Leben nicht nur wichtig, sondern manchmal beeinflussen sie das gesamte Schicksal. So eine Geschichte erzählt man sich von Rebecca, einer manischen Händlerstochter. Ihre Geschichte mag zweifelsohne nicht so interessant und wichtig sein wie die von den sieben Götteropfern. Von Hedda oder zum Beispiel Katharina. Ja, ihre Geschichte ist für ganz Ariton bedeutend. Das heißt jedoch nicht, dass andere Erlebnisse nicht erzählenswert sind.

Unsere Geschichte beginnt gut dreißig aritonische Tage bevor die kleine Siedlung Tornheim im Ewigen Eis angegriffen wurde. Ein Ereignis, das für das Volk der Ragni von großer Bedeutung werden sollte. Viele hundert Kilometer südlich bekam man von dem Schicksal im Ewigen Eis nichts mit. Und trotz der zahlreichen Erzählungen über die Götteropfer und ihren steinigen Weg, würden die meisten davon auch nie erfahren. Auch Rebecca bekam, von dem was Hedda im Ewigen Eis erlebte, nichts mit.

Rebecca war keineswegs eine rotzfreche Göre, wie ihr Vater oft behauptete. Ganz im Gegenteil. Sie war ein normales Mädchen, das ab und zu Mal einfach etwas erleben wollte. Und das war hier auf hoher See kaum möglich. Ein paar alte abgetakelte Seeleute, ihr Vater und sie. Mehr gab es hier nicht. Seit gut fünf Tagen stritten sie sich unentwegt. Jetzt wo es auf Daitya zuging war die Stimmung noch einmal mehr angespannt. Rebecca wollte unbedingt an Land. Sie wollte die Stadt sehen. Aber ihr Vater erlaubte es nicht. Bernhard wollte seine Geschäfte erledigen, über Nacht dann im Hafen liegen bleiben und schließlich am nächsten Tag nach Hingston zurückkehren. Endlich zurück. Denn sie waren schon lange unterwegs. Erst hatten sie die Hasting Inseln angesteuert. Dort waren sie sogar ein paar Monate geblieben. Hatten Rohstoffe eingekauft. Dreimal war das Schiff nach Hingston zurückgekehrt. Rebecca hatte auf den Inseln Kleider der Arbeiter geflickt. Und schließlich war es dann nach Daitya gegangen.

«Das Volk der Shiva ist nichts für eine junge Mani!», sagte er: «Du bleibst lieber an Bord!»

«Ich habe noch nie einen Shiva gesehen!», erwiderte sie enttäuscht. Rebecca war eine Schönheit. Sie hatte langes blondes Haar, war schlank und hatte ein hübsches Gesicht. Das Volk mit der goldbraunen Hautfarbe war in der Tat anders als die Mani aus dem Norden. Bisher hatte sie nur Geschichten gehört. Gesehen hatte sie noch nie solche Aritoner.

Ariton, das war die Heimat der insgesamt sieben Völker. Da waren im Ewigen Eis die Ragni. Auf einer Inselgruppe südöstlich davon lebten die Noaten, ein Seefahrervolk, und auf dem großen Festland südlich des Ewigen Eises die Mani, aus dessen Volk Rebecca stammte. Alle drei Völker hatten helle bis sehr helle Haut. Die Ragni waren fast schon elfenbeinfarben. Hier auf dem größten Kontinent, wo sie gerade mit dem Schiff in den Hafen einer der Städte einfuhren, lebten dunkelhäutigere Völker. Die goldbraunen Shiva, die kleinen dunkelbraunen Pravin und ganz im Süden die Nehataner mit einer Hautfarbe schwarz wie Ebenholz.

«Du wirst hierbleiben!», betonte Bernhard noch einmal und schaute dann über die Reling. Im Hafen der Hauptstadt der Shiva war einiges los. Und die Queen Rose, auf der sie von Hingston hierhergesegelt waren, war nicht das einzige manische Schiff. Vor Anker lag auch die Queen Mary. Vor allem Wein wurde eingekauft und dann nach Hingston, der Hauptstadt der Mani, gebracht.

Ihr Vater ging von Bord, als das Schiff anlegte. Es war nicht sein eigenes Schiff. Er hatte es mitsamt der Besatzung gemietet. Ein lohnendes Geschäft. Er hatte sich auf Stoffe spezialisiert. Neben dem Wein ein weiteres beliebtes Gut bei den Shiva.

Der Händler aus Mani ging schnurstracks Richtung Stadt. Es war nicht das erste Mal, dass er hier in Daitya war. Er wollte den dortigen Großhändler treffen. Anschließend heuerte er ein paar billige Träger an und brachte den Stoff schließlich zum Schiff. Die Besatzung des gemieteten Schiffes half dabei nicht. Es war nicht ihre Angelegenheit. Dennoch verließen auch sie das Schiff um in einer nahegelegenen Taverne etwas zu trinken. An diesem Tag ging es ohnehin nicht zurück. Erst am nächsten Morgen würden sie wieder in See stechen.

Rebecca blieb nicht ganz alleine zurück. Der Kapitän und zwei Wachleute waren an Bord. Natürlich konnte man das Schiff nicht unbeaufsichtigt lassen. Einige räuberische Banden strichen durch den Hafen um unbeaufsichtigtes Gut sofort abzugreifen. Ein leeres Schiff wäre fast schon eine Einladung sich zu bedienen. Und wer glaubte da wäre nichts zu holen, der täuschte sich. Der Kapitän hatte vor vielen Jahren sogar mal erlebt, dass man die Segel geklaut hatte. Vor den Augen der besoffenen Crew. Wobei die meisten vermutlich tief und fest geschlafen hatten.

«Du schaust so traurig?», fragte der Kapitän.

Sie schüttelte den Kopf: «Alles okay. Ich wollte eigentlich wenigstens mal in die Stadt. Mal was anderes als nur Hingston sehen. Da fährt man mit dem Schiff so weit und darf es doch nicht verlassen!»

«Es ist schon spät!», meinte er: «Um die Zeit kann eine junge Dame nicht einfach herumspazieren. Nicht in dieser Stadt und nicht alleine!»

«Ihr könntet mich begleiten!»

«Oh nein, ich muss auf das Schiff aufpassen, Kleines!», sagte er: «Hier läuft übles Gesindel herum. Siehst du die schwarzen Männer dort?»

Sie nickte: «Das sind keine Shiva, oder?»

«Nein. Das sind Nehataner. Vermutlich Sklavenhändler. Ist das zu fassen? Sie bringen aus ihrem eigenen Land Männer und Frauen hierher und verkaufen sie teuer! Manchmal kaufen sie wiederrum andere Sklaven hier. Für manche scheint es einen Reiz zu haben einen Sklaven aus einem anderen Volk zu besitzen.»

«Ihre eigenen Landsleute?», fragte sie schockiert.

«Ja, wenn ich es dir sage!», grummelte er: «Von allen Völkern sind die Nehataner das Primitivste und Schlimmste.»

«Wie schwarz sie sind!», meinte Rebecca schockiert, als die Männer am Steg entlanggingen. Sie waren fast nackt, trugen nur den traditionellen Lendenschurz. Ihre Haare waren kahl. Sie lachten und machten Späße. Einer schaute rüber und blieb dann interessiert stehen. Er zeigte auf Rebecca. Die anderen grinsten. Dann gingen sie weiter.

«Siehst du!», meinte der Kapitän: «Wenn du dort draußen bist, dann bist du Freiwild für sie. Also bleib lieber auf dem Schiff!»

Das leuchtete ihr ein. Sie nickte und setzte sich dann auf eines der Fässer. Von dort beobachtete sie die Stadt. Es wurde langsam dunkel. Hier und da zündete man Fackeln oder Öllampen an. Von einer Taverne erklang Musik.

Zur gleichen Zeit stand ihr Vater Bernhard im Haus des Händlers und starrte auf den feinsten Stoff, den er je gesehen hatte.

«Die Hüter des alten Wissens haben diesen Stoff hergestellt!», sagte der shivanische Händler: «Ihr werdet es nicht glauben. Aber er ist aus den Fasern des Kokons einer Raupe hergestellt. Aufwendiger geht es gar nicht.»

«Einer Raupe?», fragte der Mani überrascht.

«Nicht nur einer Raupe!», grinste der Shiva: «Von vielen Rauben!»

«Ich muss diesen Stoff haben!»

«Nun. Das kostet Euch! Drei Mal so viel wie der andere Stoff, den ihr euch ausgesucht habt!»

«Und den brauche ich auch. Meine Kunden warten darauf. Aber dieser Stoff. Er könnte direkt an den Hof des Königs gehen. Ich bezahle, wenn ich in einem Monat wiederkomme!»

«Nein!», grinste der Shiva: «Das geht nicht!»

«Bei den Göttern. Ich könnte reich damit werden. Die Königin zahlt mir Unsummen für diesen Stoff. Davon bin ich überzeugt!»

«Auch unser König ist davon angetan. Wie gesagt. Ihr kennt den Preis!»

«Ich schwöre Euch. Ihr werdet eure Silberlinge bekommen!»

«Pah! Was, wenn Euer Schiff nie in Hingston ankommt? Was, wenn Ihr krank werdet? Oder eben Euch entscheidet nie wieder zu kommen, weil Euch andere Geschäfte rufen? Nein. Entweder ihr zahlt gleich oder ihr bekommt keine Ware!»

Bernhard war missmutig. Er rief die Träger, die er angeheuert hatte, und ließ sie die Stoffe zum Schiff bringen. Zweifelsohne gute Stoffe, die ihm einen stolzen Preis einbringen würden. Doch nicht vergleichbar mit dem Stoff, den er noch gesehen hatte. Er würde der erste manische Händler sein, der solch feingegarntes Material nach Hingston bringen würde. Dafür konnte er fast schon Unsummen verlangen. Und auch wenn aufgrund der schweren Beschaffung sich der Preis so einpendeln würde, dass der kostbare Stoff nur den Adeligen vorbehalten war, so würde er doch nie mehr den Preis verlangen können wie jetzt.

Der manische Händler folgte seinen Trägern zum Schiff und beobachtete, wie sie Kiste für Kiste an Deck brachten.

Der Kapitän blickte ein wenig mürrisch drein. Allgemein hatte er ein Problem damit, dass so viele fremde Männer sein Boot betraten. Allerdings war er selbst schuld. Er und seine Männer hatten sich nicht bereit erklärt die Ware vom Händler hierher zum Hafen und schließlich auf das Schiff zu bringen. So waren es shivanische Arbeiter, die diesen Job erledigten.

Auch Rebecca schaute zu. Bewundernd betrachtete sie die Shiva. Männer mit goldbrauner Hautfarbe und exotischem Aussehen. Keiner dieser Männer war tatsächlich ansehnlich. Schmutzige, dreckige Arbeiter, die für einen Hungerlohn Kisten schleppten. Und doch waren sie für die junge Frau interessant. Weil es die ersten Shiva waren, die sie je zu Gesicht bekam.

«Glotz nicht so!», meinte ihr Vater sauer. Im Grunde war es ihm egal, ob sie starrte oder nicht. Aber sie lenkte die Shiva von ihrer Arbeit ab. Eine schöne Tochter eines Mani sah man hier selten.

Bernhard schaute sich den in der Zwischenzeit fast leeren Beutel an, den er in der Tasche hatte. Er hatte nur noch ein paar wenige Silberlinge und entschied damit in die Taverne zu gehen. Auf der einen Seite um die Ware, die er erworben hatte zu feiern. Auf der anderen Seite jedoch auch um zu bedauern, dass er den wertvollen Stoff, denn der shivanische Händler Seide nannte, nicht haben konnte. Er musste nach Hingston, dort seine Geschäfte abschließen und schließlich zurückkehren. Zu gerne hätte er den Stoff gleich mitgenommen. Und die Gefahr, dass bald ein anderer Händler kam und damit als erster das teuer gesponnene Material importierte, war groß.

Die «Taverne zum Seemann» war, wie der Name schon sagte, ein Gasthaus, das vor allem von Seeleuten genutzt wurde. Bernhard war nicht der einzige Mani. An einem Tisch saßen zwei Männer. Vom Aussehen Söldner. Am gleichen Tisch saßen zudem drei Shiva. Sie spielten Karten.

«Bernhard. Bist du das?», fragte plötzlich einer der Mani.

Bernhard schaute hin und erblickte einen Jugendfreund aus Hingston: «Gernot? Das man dich hier weitab von der Heimat sieht. Was tust du hier?»

Der Söldner winkte Bernhard zu sich: «Du warst immer ein guter Spieler. Warum setzt du dich nicht und spielst mit uns eine Runde?»

Der manische Händler nickte und ging dann zum Tisch, an dem die fünf Männer saßen. Er schaute auf den großen Haufen Münzen in der Mitte. Zu verlieren hatte er nichts. Und er war tatsächlich ein guter Spieler. Vielleicht konnte er ein paar Silberlinge gewinnen und vielleicht sogar zumindest ein wenig des teuren Stoffes doch noch erwerben.

Rebecca saß an Deck der Queen Rose und flickte ein Segeltuch. Ihr Vater hatte dies befohlen. Er hatte dies dem Kapitän angeboten um den Preis zu drücken und dieser hatte zugestimmt. Allgemein behandelte Bernhard seine Tochter nicht gerade liebevoll und schaute stets danach ihr irgendwelche Aufgaben zu geben. Bernhard lebte mit seiner Tochter seit nunmehr vier aritonischen Jahren alleine. Seine Frau war an einer schweren Krankheit gestorben. Das Problem jedoch war, dass er bis zum heutigen Tag glaubte, dass sie nicht seine Tochter war. Denn im Grunde war es gar nicht möglich. Zumindest aus seiner Sicht. Er hatte sich immer ein Kind gewünscht und sie hatten es so oft versucht. Lange war seine Frau kinderlos geblieben, bis sie schließlich doch schwanger wurde. Er vermutete, dass sie es mit dem Samen eines anderen Mannes probiert hatte um aus dem Teufelskreis auszubrechen. Beweisen hatte er es jedoch nie können.

«Deine Tochter hat Mist gebaut!», sagte der Kapitän und zeigte auf eines der Segeltücher: «Sie hat sie falsch zusammengenäht!»

«Was für eine doofe Kuh bist du nur!», fauchte Bernhard. Er hatte was getrunken. Das konnte man sehen. Doch er schenkte seiner Tochter nicht allzu viel Beachtung und meinte zum Kapitän: «Ihr müsst mir ein paar Silberlinge leihen. Ist das möglich?»

«Wieso?», fragte der Kapitän: «Ihr schuldet mir ohnehin noch Einiges! Jetzt kommt ein neues Segeltuch dazu. Sie kann es zwar reparieren. Aber ich brauche irgendwann ein Neues. Das sieht doch grausam aus!»

«Ich habe gerade eine Glücksträhne!», sagte Bernhard.

«Ihr spielt?», fragte der Kapitän und schüttelte dann den Kopf: «Nein, tut mir leid! Dafür kann ich Euch nichts geben!»

«Ich bin mir sicher, dass ich gewinne!»

«Ach herrje. Wenn Ihr Euch so sicher seid“, grinste der Kapitän: «dann setzt doch Euer Leben.»

«Ihr seid ein Narr!», meinte Bernhard: «Wie soll ich mein eigenes Leben setzen?»

«Nun, sie suchen immer Sklaven für die großen Bergwerke im Osten. Bietet euch dafür an!», der Kapitän lachte und ging dann in den hinteren Bereich um sich mehr Wein einzuschenken.

Die Idee war idiotisch. Das wusste Bernhard. Doch dann fiel sein Blick auf Rebecca. Und schlagartig war ihm bewusst, dass er mit ihr ein noch viel größeres Gut hatte.

Er ging zu ihr: «Du wolltest doch in die Stadt, oder?»

Sie nickte überrascht: «Ja, natürlich!»

«Dann komm mit!»

Serva Chroniken II

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