Читать книгу Esper - ArminasResevoir - Страница 3
(Kapitel 1)
ОглавлениеArc 1
1441, Winter
Vor ihnen lagen Grabsteine. Viele davon waren teils von Moos bedeckt, einzelne waren noch in nacktem Grau. Die Steinplatten waren ins Gras eingebettet und schienen wie Matratzen.
Nur schliefen nicht die Lebenden auf ihnen, sondern die Toten darunter.
Die Steine verdeckten normalerweise das Bett der Schlafenden, doch sie waren verschoben worden.
Geöffnet.
Der Schnee häufte sich neben den Steinen und es befanden sich Grasbüschel in den kleinen Anhäufungen. Diese Spuren der geöffneten Särge würden zu sehen sein, wenn sie schon bald alle wieder verschlossen waren.
Der kleine Friedhof lag auf einem Hügel, der der Nachbar eines kleinen Dorfes war. Dieses lag hinter ihnen.
Er sah zu, wie sich einige von ihnen auf den Weg in das Dorf machten.
Während die Dämmerung über der Szenerie lag und alles nach und nach mehr in Dunkelheit hüllte, wurde das Dorf heller. Es war so alt, dass sie wenig Technik besaßen. Die Glühbirnen, die über den Straßen nackt an den Girlanden hingen, erleuchteten den Weg für die Besucher, die weiß gekleideten Verstorbenen, die für diesen Abend nach Hause kamen.
Sie hielt in ihrer Hand immer noch ihr SenEm. Neben der Zeit zeigte es eigentlich Nachrichten an. Doch jeder, von dem sie etwas hören wollte, war anwesend.
Ihr Blick blieb bei der Person die sich nicht auf den Weg gemacht hatte.
„Saliah.“
Sie nickte bei den Worten ihres Freundes, der vor ihr und ihrem Begleiter stand, ganz in weiß gekleidet.
Das Totenhemd ließ ihn nur noch blasser wirken. Als würden seine ohnehin helle Haut und das hellblonde Haar, das ihm auf die Schulter fiel, ihm nicht sowieso das Antlitz eines Verstorben verleihen. Doch bei eingehender Betrachtung schienen auch diese fader.
Tränen standen ihr in den Augen, doch keine davon floss über ihre Wangen.
Er öffnete seinen Mund ein zweites Mal, um die Aufmerksamkeit seines anderen Freundes zu erlangen.
„Kilian...“
Ihr Begleiter drehte sich nun zu den beiden hin und nickte ihm zu.
„Taavi.“
Die Bewohner der Kleinstadt begrüßten ihre verstorbenen Familienmitglieder, Freunde und Nachbarn. Sie fielen einander in die Arme, lachten, weinten, und baten die Besucher in ihre Häuser. Dort warteten Musik, Getränke und wohlwollende Wärme. Sie kamen nach Hause. In all dieser Kälte, hieß das Herzliche der Zurückgebliebenen die Verstorben willkommen.
Alle vier Jahre öffnete sich an diesem Ort der Nyrkus. Der Schleier trennte die Toten von den Lebenden. Doch in Souhir, jeder der in diesem Dorf gestorben war, konnte für die längste Nacht des Jahres zu seinen Angehörigen zurückkehren.
Weder Saliah, Kilian, noch Taavi kamen aus diesem Ort. Doch hier war Tavvi vor etwa einem Jahr gestorben, als ihn nichts mehr hatte retten können.
„Jetzt beweg dich mal, damit wir uns nicht ganz so verrückt vorkommen.“
Kilian öffnete seine Arme und Taavi stolperte ihm, noch ganz schwach auf den Beinen, entgegen und fiel dann in die geöffneten Arme. Saliah beobachtete die beiden dabei. Sie unterschieden sich kaum von ihrer Körpergröße, doch jeder sah, dass Kilian Taavi überragte. Immer. In Allem.
Taavis offene Haare wurden bei der Umarmung eingeklemmt, so dass sich dieser nicht bewegen konnte ohne sich dabei wehzutun. Im Leben hatte er sein blondes Haar immer zu einem Zopf getragen, doch als Toter fiel es ihm auf die Schultern. Die Haare waren verblichen und nicht mehr länger blond. Genauso wie seine Haut blass wie der Schnee war. So hell war sie im Leben nicht gewesen. Seine weiße Kleidung, sein Totenhemd, bestand aus leichten Stoffen und hüllte ihn sanft ein. Der Tod umarmte ihn auch in diesen Stunden, in denen er ein Besucher in dieser Welt war.
„Ist dir nicht kalt?“, fragte Saliah ihn.
„Ich spüre keine Kälte.“
Wahrscheinlich weil er tot ist, dachte sie.
„Ist gar nicht mal so schlecht, oder?“, meinte Kilian.
Er ließ für einen Moment ein freches Grinsen in seinem Gesicht aufblitzen, ehe er seine Emotionen wieder verbarg. Doch Saliah war nun lange genug mit ihm bekannt, sodass sie in seinen dunklen schwarzen Augen trotzdem das Strahlen seiner Freude über die Rückkehr ihres Freundes sehen konnte.
In Taavis Augen sah sie nur einen kalten Grauton, der nun nur eine bittere Untermalung seines Zustandes war. Es war kein Zeichen von Leben in ihnen zu sehen.
Die beiden jungen Männer sahen aus wie Tag und Nacht. Während Taavi ein helles und sanftes Erscheinungsbild hatte, erschien Kilian dunkel. Seine kurzgeschorenen Haare, sein Schal der ihm bei Bedarf die Bedeckung seines halben Gesichtes bot und die Kleidung, die aus mehreren Schichten bestand, spiegelten seine Persönlichkeit wider. Einfach und vielschichtig zugleich. Nicht dass Kilian jemals einfach gewesen wäre, aber er war klar. Man musste nur durch viele Schichten hindurch verstehen, wieso er welche Worte als Antwort wählte.
Bei Kilian war sich Saliah sicher, dass es das Leben war, dass ihn so hatte werden lassen. Wie lange auch immer er gelebt hatte, wie viele Leben es auch waren, ein Ruhhil war sicher niemals gänzlich zu verstehen. Und wenn sie das schon meinte, musste es etwas bedeuten. Saliah war mit ihm durch einen Blutschwur verbunden. Sie waren Partner. Ihre Symbiose funktionierte über ihre tiefe Verbindung und verknüpfte ihre Energiequellen. Keiner von Beiden bereute, dass sie diese Bindung eingegangen waren. Weder Saliah, die dem Ruhhil Zugriff auf ihre Magie gab, noch Kilian, der ihr sein Wort gegeben hatte.
„Saliah.“
Taavi holte sie zurück zu ihnen. Sie hatte sich nicht gerührt und spürte nun den Blick der Beiden auf sich. Sie wusste nicht wie sie sich gegenüber ihrem toten Freund verhalten sollte.
Kilian ignorierte das angespannte Haltung die Saliah gegenüber Taavi annahm und zog sie mit in die Gruppenumarmung.
Für Taavi roch Saliah nach Leben. Die Kälte hatte ihren Duft überdeckt, doch die Note von Gräsern und Feldern war schwach vorhanden. Ihr langes, leicht welliges, kastanienbraunes Haar trug sie, anders als vor einem Jahr, offen und es fiel ihr bis unter die Schulterblätter. Ihr saphirblauer Mantel verhüllte ihre ganze Figur, sodass Taavi nicht erkennen konnte, ob sie ein ruhiges Jahr gehabt und viel gegessen hatte oder ob es anstrengend gewesen war. Ihre Augen hatten dieselbe Farbe wie der Mantel, die besonders im Winter ein schönes natürliches Strahlen hatten.
Sie lebte.
Und er war gerade bei ihnen und konnte eine Nacht lang Teil von ihrem Leben sein.
„Wir Drei, verbunden auch durch den Nyrkus und den Tod, für immer.“
*
Im Dorf Souhir hatten sich die Bewohner nach der Dämmerung aus ihren Häusern begeben und im Stadtkern zusammengefunden. Während sie bei Einbruch der Nacht in ihren engen Kreisen waren, so bildete nun das ganze Dorf eine große Gemeinschaft und feierte das Wiedersehen mit den Verstorbenen. Heizstrahler umrundeten den Platz und kein Schnee berührte diesen warmen Ort des Wiedersehens. Es wurde getanzt, gesungen und gelacht.
Während Saliah und Kilian am Rand der Tanzfläche auf Kisten saßen und sich das selbstgemachte Gebräu des Dorfes einflößten, tanzte Taavi mit der Menge. Er drehte sich im Kreis. Mittlerweile war er wieder leichtfüßig und sprang von einen Bein auf das andere und drehte sich immer wieder. Die Lagen seiner Kleidung umkreisten ihn und sein Lachen klang hell wie Glocken.
Seine Freunde beobachteten ihn. Sie sahen all diesen Leuten zu. Wie sich immer wieder neue Gespräche auftaten, wie Leute in den Armen anderer lagen und weinten, wie sie lachten und andere in die Mitte des Platzes zogen und tanzten.
„Das tat gut.“
Taavi lehnte sich an die Häuserwand, die sich neben den Kisten seiner Freunde befand und schnappte sich Kilians Flasche und nahm einen großen Schluck.
Kilian selbst stand auf und ging sich zwei neue Flaschen holen, die er allein für sich selbst besorgte. Taavi ließ sich neben Saliah auf die Kiste nieder und wagte es gar nicht erst, Kilian noch etwas streitig zu machen.
„Er hat sich also nicht verändert?“
Saliah blickte ihn über ihre Schulter an und schüttelte dann den Kopf. Die Antwort kannte Taavi eigentlich auch schon. Wieso sollte ein uralter Ruhhil sich innerhalb eines Jahres ändern.
Taavis Blick streifte die Menge. Er ließ Kilian wieder Platz nehmen und Saliah Scherze erzählen, zu denen die beiden jungen Männer grinsten und lachten. Doch er sah sie beide dabei nicht an. Er wollte ihre Nähe spüren, aber sie zu sehen machte ihm nur noch mehr bewusst, dass dieser Moment flüchtig war.
Eine kleine Frau schritt zwischen den Tanzenden hindurch. Niemand schien sie wahrzunehmen und doch stieß niemand gegen sie. Sie war zierlich, hatte langes platinblondes Haar, das über ihr Gewand gefächert fiel. Jede Strähne und jedes Kleidungsstück schienen genau da zu sitzen, wo sie es haben wollte. Und kein Wind oder Wetter schien darauf Einfluss zu nehmen.
Als wäre das noch nicht genug, so ließen der weiße Kimono und die vielen Unterröcke sie noch mächtiger, rein und weise aussehen. Als wäre sie eine Priesterin aus einer alten Zeit. Was hinsichtlich der weißen Kleidung durchaus möglich war.
Taavis Blick lag auf ihr. Um ihn herum lachten seine Freunde, doch er verstand nicht mehr, über was sie scherzten. Seine Konzentration lag ganz bei der kleinen Frau.
Sie kam bei den dreien entlang und als sie fast vorbei gegangen war, fiel ihr Blick auf ihn.
Taavi stockte kurz, doch sie sah nicht ihn an, sondern Kilian. Dieser spürte ihren Blick und lächelte höflich. Doch ihre Miene wurde ernst.
„Was macht ein Ruhhil hier?“
Taavi schluckte schwer, Saliah sprang von ihrem Sitz auf und stellte sich schützend vor Kilian, der anfing zu lachen. Verdutzt hielten Saliah und Taavi inne und warteten auf eine Erklärung für sein Verhalten.
„Und was macht eine uralte Dame wie du hier?“
Kilians Freunde sahen ihn verwundert an. Die kleine Frau sieht nicht alt aus. Oder meinte er, dass sie vor Ewigkeit gestorben sein muss?
Er zuckte nur mit den Schultern und die beiden drehten sich wieder ihr zu.
„Er meint es sicher nicht so...“, versuchte Saliah höflich abzulenken.
„Sag mir junge Dame, was ist dein Vergehen?“
Verwundert sah Saliah die Frau an. Sie streifte ihr über ihr linkes Schulterblatt bis hin zum mittleren Rücken. Dort wo sich ihr Mal befand. Das Abbild ihrer Verurteilung.
„Wer sind Sie?“
Während Saliah ihr die Frage stellte, schob sich Taavi zwischen die Frauen.
„Bei allem Respekt, aber rühren Sie meine Freunde nie wieder an.“
Nun, zum ersten Mal, fasste sie auch Taavi in ihren Blick. Sie sah ihn sich an. Ihr Blick wanderte über ihn und am Ende sah sie ihm in die Augen.
„Du bist tot“, stellte sie trocken fest.
Verärgert ballte er seine Hände zu Fäusten: „Wenn Sie meinen, deswegen könnte ich nichts gegen Sie unternehmen, täuschen Sie sich aber gewaltig!“
Sie lächelte schelmisch und tippte ihm gegen die Stirn. Kilian sprang auf und fing Taavi auf, ehe ihm die Beine ganz wegsackten. Seine Augen waren geschlossen.
„Nicht weil du tot bist, hast du keine Chance gegen mich.“
*
Kilian hatte sich Taavi über die Schulter geworfen und die beiden Frauen waren ihm gefolgt. In einer Hütte am Rande des Dorfes zogen sie sich zurück. Heuballen lagen auf dem Boden und nicht weit vom Eingang entfernt waren einige von ihnen zu einem Kreis angeordnet. Glut befand sich in einer Feuerstelle, in der Mitte des Kreises, und die weiß gekleidete Frau entfachte sie zu einem Feuer.
„Sie sind eine Esper?“, fragte Saliah.
Eine Esper. Eine Person mit magischen Fähigkeiten. Wie Saliah selbst eine war.
„Solltest du mich nicht zuerst fragen, ob ich tot bin?“
Daran hatte sie gar nicht gedacht. Saliah sah zu Kilian, der sich auf einen Heuballen niederließ und offenbar Taavi bereits woanders abgelegt hatte.
„Sie ist nicht tot. Sie ist uralt.“
Saliah nickte. Sie hatte Kilian schon vor Minuten verstanden. Und trotz der weißen Kleidung der Frau, hatte sie nicht angenommen, dass diese tot sein könnte. Vielleicht war es das Band zu Kilian, was Saliah nicht daran hatte glauben lassen.
„Ich bin eine Esper. Eine, die vor etlichen Jahren ein Vergehen beging und seitdem eine Resynd ist.“
Kilian wusste ganz genau, was diese kleine Frau war und was dieser Titel bedeutete. Ihre Zeit wurde ihr damals genommen. Ihr Leben hielt an und sie bekam eine Aufgabe über die Zeitalter hinweg. Ein Resynd war dazu bestimmt ein sehr langes Leben zu führen. Er konnte nicht sagen, welche Aufgabe sie trug, aber unberührt von der Zeit wandelte sie zwischen den Orten, um einer Aufgabe nachzugehen, die weitaus mehr Zeit in Anspruch nahm als ein Leben.
„Ich weiß nicht so genau, was das bedeutet,“ gab Saliah zu.
„Das werde ich dir und dem Ruhhil auch nicht erläutern.“
*
Taavi spürte ein leichtes Kratzen im Gesicht und strich mit seinen Händen über den Untergrund. Dann roch er das Heu und öffnete schlagartig die Augen.
Wo bin ich?
Er drehte sich um seine eigene Achse und sah dann in die Gesichter der drei Leute, die um das Feuer saßen.
„Wo sind wir hier?“
Er fasste sich an den Kopf, der dröhnte. Während sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, versuchte er sich selbst die Frage zu beantworten.
Ein Lagerfeuer umkreist von Heuballen. Eine große Tür, die einen Spalt geöffnet war. Schnee fiel hindurch und machte die trockene Luft wieder feuchter. Taavi drehte sich auf den Heuballen nun endgültig zu seinen Freunden hin, während Kilian aufstand und ihm einen Becher Wasser reichte.
„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit mit dir. Taavi...“, Kilian beugte sich zu ihm und flüstert ihm ins Ohr, „bitte geh mit Saliah eine Runde spazieren und sprich mit ihr über ihre Schuldgefühle.“
Verwirrt sah Taavi Kilian an. Als er dann zu ihr sah, nickte er. Das war seine Chance ihr beizustehen. Er musste nicht vorher wissen, worum es ging. Hauptsache er konnte Teil ihres Lebens sein.
Kilian ging zurück zum Feuer und nahm dabei eine Jacke auf, die er Saliah gab und dann bedeutete er ihr, mit Taavi an die frische Luft zu gehen. Er selbst blieb mit der kleinen Frau zurück und eröffnete ein neues Gespräch.
*
Sie waren nicht wie Tag und Nacht. Im Vergleich waren sie keine klaren Gegensätze. Vielleicht standen sie gerade für das Leben und den Tod, doch sie waren beide zu nah beim Anderen gewesen, um es als Kontrast zu bezeichnen. Zwischen ihnen gab es diesen Spalt der Stille, unberührt. Er trennte und verband sie zugleich.
Der Schnee fiel vom dunklen Nachthimmel herab. Am Tag war er spielerisch, doch nun in der Nacht tröstete er die Einsamen.
In der kalten Luft war ihr Atem erkenntlich. Ihr Mantel bot ihr Wärme und schützte sie vor der Kälte. Ihre Wangen und die Nase waren rot. Die Temperaturen setzten ihre Zeichen bei einer Lebenden.
Die Fußstapfen die sie beide hinterließen, würden am nächsten Morgen sicher nicht mehr zu sehen sein.
„Sal, wieso redet Kilian von Schuldgefühlen? Von was für einer Schuld? Wer empfindet so und warum?“
Sie sah ihn mit ihrem traurigen Gesicht an. Er hatte es extra so formuliert, dass die Fragen möglichst offen klangen, doch er bemerkte ihre Sorge, unter der schmerzlichen Trauer.
Es waren ihre Schuldgefühle, ganz eindeutig.
Sie seufzte und lächelte dann wehmütig.
„Taavi... Ich denke, er meint, dass ich mich schuldig für deinen Tod fühle. Denn wenn ich zu dem Zeitpunkt wenigstens genug Magie gehabt hätte, um dich zu retten, würdest du vielleicht noch leben.“
Er hielt abrupt an und fasste sie an ihrem Arm.
Sie musste ebenfalls stehen bleiben und erwiderte seinen Blick.
„Du trägst keine Schuld. Wir haben alle unser Bestes gegeben und verloren.“
Sie schüttelte ihren Kopf und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Taavi schmerzte sein Herz. Saliah war eigentlich nicht so nah am Wasser gebaut, aber seitdem er zurück war, schien er ihr nur Leid zuzufügen.
Sie öffnete ihre rechte Handfläche und rief ein wenig Magie hervor, die sich als ein Ball formte, der die ganze Zeit rotierte.
„Ich habe davon wieder mehr zurückgewonnen...“
Er nahm ihre Hand und schloss mit ihren Fingern den Ball ein und hielt ihre Hand auch noch als die Magie wieder erloschen war.
„Dann haben wir nicht nur was verloren, sondern trotz allem etwas gewonnen.“
„Aber nicht rechtzeitig!“
Verzweifelt stiegen Saliah noch mehr Tränen in die Augen. Taavi nahm sie in seine Arme und drückte sie an seine Brust. Sie fing an zu schluchzen und Tränen rannen ihr über die Wangen.
„Es lag nicht an deiner Magie. Ihr habt euer Bestes für mich getan. Du. Und sogar Kilian.
Saliah, du bist keine Superheldin, die alle retten muss, noch kann. Du bist nicht verantwortlich...
Es tut mir leid, dass ich es nicht überlebt habe. Ich wünschte, ich könnte bei euch bleiben.“
*
Durch das geöffnete Tor der Scheune strömte die Kälte in den warmen Raum und frischte die trockene Luft auf. Taavi hielt bei ihrer Rückkehr Saliahs Hand. Kilian und die kleine Frau saßen immer noch am Feuer.
Der Ruhhil sah sofort die geröteten Augen seiner Blutpartnerin. Doch er sprang weder von seiner Sitzgelegenheit auf, noch sagte er irgendwas. Er sah die Dinge, aber er brauchte sie nicht zu kommentieren. Wie immer. Saliah störte sich daran nicht. Doch Taavi fragte sich, nun wo er nicht mehr bei ihnen war, ob jemand anderes als sie selbst, für Saliah laut wurde.
„Tut mir leid, falls wir Sie aufgehalten haben,“ sagte Saliah zu der Frau und verbeugte sich respektvoll. Taavi wunderte sich darüber und musste sich fragen, ob er etwas verpasst hatte.
„Ach Kind... Erheb dich wieder. Dein Blutpartner hat mir einiges über euch erzählt-“
„Kilian“, schimpfte Taavi, doch dieser hob nur seine Schultern und sah wieder zu der kleinen Frau.
„Er scheint euch sehr gerne zu haben. Euch beide. Ein Ruhhil, der sich für Menschen einsetzt ist eine Seltenheit. Ihr habt damit einen wahren Freund gefunden. Jemand, der für die Ewigkeit an eurer Seite sein wird. Und du, meine Liebe...“, sie stand auf und ging zu Saliah, „du scheinst eine wahrhaftige Magierin zu sein. Denn, auch wenn du noch nicht deine gesamte Magie wiederhast, so hast du dem Zeichen getrotzt und eines Tages wird jeder anerkennen müssen, dass du mit jedem Recht eine Esper bist.“
Die kleine Frau sah ihr in die blauen Augen.
„Aber Kind, das hat noch Zeit. Du bist gerade erwachsen geworden. Deswegen musst du aber noch nicht all diese Last tragen.“
Sie fuhr mit ihren Fingern wieder über Saliahs Rücken und wandte sich dann mit einem schelmischen Lächeln an Taavi.
„Und? Werde ich es nun bereuen?“
Er sah stur und mit erhobenem Blick auf sie herab, ehe er ihr antwortet: „Nein. Sal scheint es diesmal nicht gestört zu haben und Kilian hat auch nicht gezuckt. Ich vertraue den beiden vollkommen.“
Diesmal lächelte die kleine Frau sanftmütig und ein helles Lachen ertönte.
„Eine mächtige Freundschaft. Zwei mächtige Wesen. Und was ist mit dir?“
„Ich bin tot, aber ich werde immer bei ihnen sein, egal ob sie mich sehen können oder auch nicht.“
Die kleine Frau streckte Taavi die Hand entgegen.
„Möchtest du für immer bei ihnen bleiben? Solange sie leben werden? Und würdest du auch nach ihrem Tod in dieser Welt verweilen und ihr Erbe schützen?“
„Habe ich das nicht gerade gesagt?“
Seine Augenbrauen verzogen sich und er sah weiterhin herab, aber es fühlte sich nicht mehr so erhoben an.
„Möchtest du, wenn du könntest, leben, zumindest wenn man es so nennen möchte, um bei ihnen zu sein? Selbst wenn es bedeuten würde, dass du noch lange nach ihrem Tod in dieser Welt sein müsstest?“
Er sah zu seinen Freunden. Saliah zuckte mit den Schultern.
Sie versteht wohl genauso wenig von dem was gerade vor sich geht.
Kilian starrte ins Feuer.
Was hatte der Ruhhil denn nun wieder erzählt und ausgehandelt?
„Möchtest du Macht, um bei ihnen bleiben zu können?“
Taavi sah auf ihre Hand, die sie ihm hinhielt.
Bereit dafür, dass er etwas besiegelte, was ihm einen Platz auf dieser Welt bieten konnte.