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3.

Orsaidd

Im Garten

Zwischen den Kugelsegmenten der Wohnhäuser Orsaidds ballten sich Wolken aus Wasserdampf. Automaten bewegten sich über die Spiegelfläche des Tsumdaik-Platzes und versprühten das heiße Gemisch. Es breitete sich als weiß schimmernder Teppich aus und blähte sich zu dicken Wolkengebilden auf.

Das Panarchiv regelte die Menge nach der Größe der Gefahr.

Dieses Mal bestand höchste Gefahrenstufe, höher als an jedem anderen Einsatzort. Die Einnebelung begann früher und intensiver.

Dupa Emuladsu wusste, was es bedeutete. Das Sternenrad – mächtigstes Potenzial im Friedensbund – war erneut an einem Etappenziel seines weiten Weges angekommen.

Von den Begleiterscheinungen spürten sie auf Ecaitan nicht mehr als üblich. Die Schutzanlagen dämmten jeden physikalischen und hyperphysikalischen Einfluss. Die Folgen ließen sich jedoch erkennen. Risse im Boden, Sinklöcher und Veränderungen in der Tektonik.

Dupa Emuladsu betrat die dritte Ebene der Gartenanlage und ging zwischen den Alleen der makrobiotischen Pflanzen entlang. Sie schwenkten die Zweige in ihre Richtung. Die äußeren Blätter fächelten ihr warme Luft zu.

Die Cairanerin blieb kurz stehen und genoss die leichte Massage ihrer Kopfhaut durch die herabhängenden Zweige. Dann setzte sie den Weg ans Geländer an der Peripherie fort, wo der Park endete und es steil abwärtsging zum verspiegelten Platz.

Hin und wieder nahm sie winzige Lichtblitze wahr, mit denen die Sonden der Parkaufsicht ihre Positionen signalisierten. Manche Lichter blendeten.

Dupa schloss ihre Pupillen ein Stück.

»Dupa Emuladsu«, hörte sie eine Stimme aus dem Blätterwerk. »Deine Kinder spielen sich in Gefahr. Arsla hat vorgeschlagen, hinunter auf den Platz zu springen.«

Ein Energieschlag hätte die Cairanerin nicht schlimmer treffen können. Sie spurtete los. Ihre langen Beine trugen sie in kurzer Zeit bis zum Geländer. Mit Mühe bremste sie rechtzeitig und fing den letzten Schwung an der Haltestange ab.

Auf dem komplett verspiegelten Platz unter ihr bewegten sich zwei ihrer Kinder. Dupa identifizierte die beiden an ihren Bewegungen. Mit einem leichten Schlag ihrer linken Außenhand aktivierte sie den Individualfunk.

»Pelga, Omla, was ist mit euch? Wo sind die anderen?«

»Wir spielen Gesichterfangen, Dupa«, erhielt sie zur Antwort. »Wo die anderen sind, wissen wir nicht.«

Die Sicherheitssysteme ließen nicht zu, dass etwas passierte. Dennoch reichte es aus, Dupa Emuladsu in inneren Aufruhr zu versetzen.

»Aufseher!«, rief sie laut. »Wo sind meine Kinder?«

»In den unteren Etagen der Wohnkugel. Sie suchen nach Aipu.«

Die gelassene Stimme des Roboters besänftigte die Kosmopsychologin ein wenig.

»Das ist gut. Hilf ihnen, den Jungen zu finden.«

Sie schaute weiter hinab auf die spielenden Mädchen. Gesichterfangen nannten Cairaner die Jagd nach den wiederkehrenden Abbildern ihrer Köpfe in den quadratischen Spiegelflächen des Platzes.

In diesen Momenten ballten sich die Wolken aus Wasserdampf über dem Boden, von den Spiegeln vervielfacht. Sie verwandelten den Platz in einen flauschigen Teppich.

Dazwischen ragten die schlanken Stiele der Gebäude auf, hin und wieder unterbrochen von Quadern und Kugeln. Deren Streben trugen ebenfalls Spiegel, die in unterschiedlichen Winkeln das Licht der Bodenspiegel aufnahmen und es an die Umgebung weiterreichten. Pelga und Omla nutzten diesen Effekt und brachten ihre Gesichter durch schnelle Bewegungen in immer neue Positionen. Die schwenkbaren Spiegel der Gebäude nahmen die Bilder auf und schickten sie zum Boden zurück.

Die Mädchen brachten ihre vier Hände dazwischen. Jeder Teil eines Gesichts auf einer Hand zählte. Die Automaten der Platzaufsicht bildeten die Treffer in einer Spedd-Holokugel dreidimensional ab. Ziel des Gesichterfangens war ein sanftes und oft unbemerktes Heranführen an schnelleres Denken und gutes Merken.

Die Erwachsenen wussten es und beobachteten die Entwicklung ihres Nachwuchses voller Zuneigung.

Dupa sah ihnen eine ganze Weile zu. Die beiden Kugelhälften des Garten-Hauses empfingen ebenfalls Bilder in der dritten oder vierten Spiegelung und aus unterschiedlichen Richtungen.

Sie entdeckte die anderen Jungen und Mädchen. Ein paar Darstellungen wurden seitenverkehrt in den Einschnitt der Gartenebenen übertragen. Die Automaten des Steuersystems bemerkten es ebenso schnell wie Dupa und korrigierten den Laufweg der Bilder.

»Parko!«, sagte Dupa. »Habt ihr eine Spur von Aipu?«

»Bisher nicht. Er hat sein Funkmodul abgeschaltet. Warum?«

»Er beschäftigt sich mehr mit den Gedanken in seinem Kopf als mit der Welt draußen.«

»Nicht beim Funk. Jemand hat ihm gesagt, wie er damit umgehen muss.«

»Das war ich, Parko.«

»Mutter, du bist Spezialistin und weißt, was du tust.«

Ein Spiegel unter der Decke drehte sich. Die Steuerung erzeugte ein Aufmerksamkeitssignal. Einen Augenblick sah Dupa Emuladsu den Rücken einer kleinen, huschenden Gestalt. Aipu!

»Wo ist das?« rief sie.

»In der obersten Ebene der Gärten, bei den Kondensatoren der Wasserkulturen.«

»Ich komme. Parko, nehmt den Außenring! Dort sind die Aufgänge übersichtlich. Ich nehme die andere Seite.«

Innen führten Wendelgänge um die Stützpfeiler, die den Stiel des Hauses stabilisierten.

Manche Hoch-Häuser besaßen einen leichten Knick im Stiel, ein besonderer Service der Architekten. Andere hielten sich an die strengen Vorschriften und drückten die Vollkommenheit der cairanischen Kultur aus, kugelrunde Häuser, exakt rechteckige oder ovale Innenräume, sich zur halben Höhe hin verschlankende und nach oben wieder verdickende Stiele.

Es hatte mit der Natur zu tun, wie Cairaner sie sahen.

Dupa hatte sich nie mit der Psychologie von Pflanzen auseinandergesetzt, aber eines Tages würde sie es tun. Dann, wenn überall Frieden herrschte und ihr berufliches Geschick nicht mehr zur Bändigung fremder Völker benötigt wurde.

Pelga und Omla tauchten auf. Sie befanden sich inzwischen im Kommunikationsverbund der Familie, vom System des Turmhauses zusammengeschaltet.

Die beiden Mädchen nahmen den Schnellweg im Zentrum des Stiels bis in die mittlere Ebene der Gartenanlage. Als sie den Vakuschacht verließen, sah Dupa sie zwei Etagen unter sich. Sie gab ihnen Handzeichen. Vor ihr baute sich eine Spiegelprojektion auf und zeigte wieder Aipu – diesmal von vorne. Er hielt die Augen geschlossen.

Dupa Emuladsus Gedanken stockten für einen Moment. Sie versuchte Sprechkontakt zu ihm herzustellen, aber es gelang ihr nicht. Sein Chip sendete jedes Mal ein Störsignal.

»Ich muss das ändern«, sagte sie leise zu sich selbst. Im nächsten Augenblick verwarf sie den Vorsatz. Sie hatte es selbst so entworfen.

Aipu verhielt sich anders als seine Geschwister. Er war anders.

Dupa war fest entschlossen, sich an die Absprachen mit den Medikern zu halten. Und sie ahnte, dass eine Änderung viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Neue Versuche, neue Behandlungen und neue Verhaltensregeln. Eines wollte Dupa auf keinen Fall: Aipu von der Familie getrennt in einem Heim. Das würde die Kosmopsychologin nie erlauben.

Der Chip an ihrem Gürtel flüsterte Positionsdaten ihres Jüngsten. Der Haussteuerung war es offensichtlich gelungen, das Modul anzumessen. Aipu bewegte sich hoch über ihr durch den Wald aus Esspflanzen. Er tat es gemütlich, ohne eine Spur von Hast.

Manchmal stieg Angst in ihr hoch, wenn sie daran dachte, wie sich Aipus Gehirn mit der Zeit entwickeln würde. Das Organoid löste die Effekte aus, das hatten die Mediker recht schnell herausgefunden. Bei allen anderen jungen Cairanern war das nicht der Fall.

Zumindest galt das in Orsaidd.

Dupa lief los. Aipu erreichte eine der Rampen nach unten. Für endlos scheinende Augenblicke verschwand er aus dem Bereich des Spiegelsystems. Im Zentrum der Plantagen ließ der Pflanzenwuchs keine umfassende optische Überwachung zu.

Die Kosmopsychologin blieb stehen und lehnte sich über den Rand des Wendelgangs. »Aipu, komm zu mir!«

Es raschelte irgendwo im Pflanzengewirr.

Er kam den Weg herab auf sie zu.

Sie sah ihn immer wieder zwischen den Pflanzen und gewann den Eindruck, dass er sich ihr absichtlich zeigte. Dupa wartete vergeblich auf eine verbale Rückmeldung ihres Sohnes. Das war sie gewöhnt.

Aipu bewegte sich lautlos und schweigend. Manche Cairaner in Orsaidd glaubten, dass er stumm wäre.

Dupa Emuladsu wusste es besser.

*

Die Süßblätterstauden in den Hochbeeten standen in geometrischer Anordnung und in exakt gleich großen Abständen zueinander. Kein Roboter hätte es besser hinbekommen. Die Kinder hatten die Beete angelegt und die Setzlinge gesteckt. Angesichts der eigenen Leistung machten sie jedes Mal einen respektvollen Bogen um das Areal.

Nur Aipu nicht. Er setzte sich über Gepflogenheiten und Rücksichten hinweg.

Dupa fragte sich, ob er es in seinem Zustand nicht mehr wusste oder bewusst gegen Regeln verstieß. Die schwankenden Halme und die raschelnden Blätter verrieten ihr, wo er sich entlangbewegte. Sie beschloss, ihm den Weg abzuschneiden.

Er änderte die Richtung. Sie wandte sich nach links, er kehrte um und wurde schneller.

Dupa ging geradeaus. Für jeden Schritt, den sie machte, brauchte Aipu drei. Er merkte, dass sie näher kam und bog erneut ab.

Als Kosmopsychologin forschte Dupa Emuladsu selten in der Genetik von Cairanern oder anderen Völkern. In diesem Fall erlaubte sie sich eine Ausnahme. Die Einflüsse von Korrektiv-Organoiden ließen sich ziemlich genau feststellen und vorhersagen. Störungen zählten zu den großen Geheimnissen des Weltenlaufs, und sie lagen in der Skala ganz unten. Grafisch konnte man sie kaum darstellen.

Dupa wollte die Sensoren ihrer Geräte genau da ansetzen, wo die neuronalen Knoten im Körper ihres Sohnes steckten. Winzige, kaum wahrnehmbare Energieströme messen, Lichtblitze aufzeichnen, die von Entladungen kündeten und mit etwas Glück neue Nervenfunktionen entdecken, die bisher nicht bekannt gewesen waren oder keine Rolle spielten. All das beschäftigte ihre Gedanken auf der Suche nach einer Lösung. Wie konnte sie Aipu helfen?

Von dem Korrektiv-Organoid hatte sie sich Erfolg versprochen. Zu ihrer Enttäuschung waren keine Verbesserungen in Aipus Zustand erfolgt. Es gab weitere Störungen. Die Sonnenphysiker hätten von Protuberanzen gesprochen, Ausbrüchen von Energie an Sonnenoberflächen. Bei Aipu diagnostizierten sie das Gegenteil: Einbrüche. Das Organoid wirkte in entgegengesetzter Richtung. Es half dem Jungen nicht, lebhafter und kommunikativer zu werden, um wenigstens annähernd mit seinen Geschwistern Schritt zu halten.

Dupa kannte ihren Sohn. Er bog gerne ab, er wich aus. Nach einer Weile – manchmal sehr rasch, manchmal erst nach Stunden – wurde er des Spiels überdrüssig. Dann kam er auf sie zu. Auf sie allein. Er akzeptierte sie als einzige Kontaktperson, als Hafen, in den ein Schiff einlief, wenn sich ein Sturm ankündigte.

Ganz in der Nähe bewegten sich die Stauden.

Dupa suchte nach seiner Gestalt, dem glänzenden Fleckenkopf. In weiten Sprüngen jagte sie auf die Stelle zu und stieß ins Leere.

Ein leichter Windhauch umwehte sie. Er trug seine Stimme zu ihr. »Mu...er!«

»Aipu?«

Er wartete auf sie. 20 Schritte entfernt stand er in der Schneise, die sie gerade entlanggekommen war. Sie hatte ihn nicht bemerkt, obwohl sie ihn an Körpergröße um das Dreifache überragte.

Aipu hielt ein paar Blätter der süßen Stauden in der Hand und kaute genüsslich darauf.

»Da bist du ja endlich!«, sagte sie sanft.

Er schaute sie mit einem Blick an, als wollte er ihr etwas mitteilen. Fast gleichzeitig wanderten die schmalen Schlitze seiner Pupillen zur Seite.

Sie kannte das. Er nahm sie in diesem Augenblick gar nicht wahr.

»Komm!«, sagte sie. »Wir gehen spielen oder essen. Was möchtest du am liebsten?«

»Dupa, ich ...«

Die Kosmopsychologin hatte das Gefühl, als würde sie etwas Wichtiges erfahren. Sie blieb stehen und streckte die Arme nach ihm aus.

Es sollte wohl nicht sein. Zwischen den Stauden rauschte und zischte es. Wie eine Horde Insekten brachen die Geschwister über Aipu herein. Dupa Emuladsu sah, wie er sich vor Schreck zu Boden warf und anfing, mit den Armen zu rudern. Dann verdeckten die Körper der Kinder ihr die Sicht.

»Aufhören!« Sie arbeitete sich zu ihrem Jüngsten vor. »Loslassen!«

Wie so oft, wenn sie sich in etwas hineingesteigert hatten, brauchten die Kleinen eine Weile, um ihre Mutter zu hören und zu reagieren. Dupa konnte nicht so lange warten. Sie grabschte nach Armen, Beinen und Körpern, riss die Jungen und Mädchen zur Seite und warf sie zu Boden. Dabei ging sie wenig sanft mit ihnen um.

Sie beugte sich über Aipu, klopfte ihm das Erdreich aus dem Anzug und hob ihn hoch. Sie barg ihn zwischen den Armen und trug ihn davon.

»Dupa ...«, begann er wieder, aber etwas in seinem Kopf schien zu verhindern, dass er den Satz vollendete. Wenn sie ihn später fragte, nachdem er sich beruhigt hatte, wusste er wahrscheinlich nicht einmal mehr, was er sagen wollte. Das Beste war, ihn nicht zu fragen.

Sie brachte Aipu in Sicherheit. Der Vakuschacht im Stiel trug sie beide hinauf in die Wohnanlagen. Aipus gegenwärtiges Lieblingszimmer war der Schutzraum unter dem Boden der kleinen Robotküche. Dort verkroch er sich.

Dupa Emuladsu sah ihm zu, wie er das Licht löschte, die Luke schloss und sie verriegelte.

»Schlaf gut, Aipu!«

*

Die Wellenrutsche füllte den wichtigsten Raum der Wohnung komplett aus. Die Emuladsu-Kinder saßen rundherum auf dem obersten Rand.

Dupa gesellte sich zu ihnen.

»Zwei Dinge sollt ihr euch merken«, sagte sie. »Erstens: Aipu ist gerne für sich allein. Es gibt Zeiten in seinem Tagesablauf, da stört ihn die Nähe anderer, und sie macht ihn möglicherweise krank. Nehmt darauf Rücksicht!«

Sie sah die Jungen und Mädchen der Reihe nach an und gab jedem einen Wink. Sie stießen sich von der Welle ab, auf der sie saßen, ließen sich in das Wellental rutschen und nahmen auf der nächsten Welle Platz.

»Das Zweite ist genauso wichtig. Ecaitan wurde so wie alle Planeten des Sternenrads von Beben und Gravitationsstößen heimgesucht. Wir haben nichts davon mitbekommen, weil unsere Maschinen Katastrophen verhindern. Im Sternenrad sind wir vollkommen sicher.«

Die Kinder hörten es nicht zum ersten Mal. Das Sternenrad war der einzige Ort im Universum, der ihnen Sicherheit und Geborgenheit gab. Es schützte sie vor Verfolgung und Tod und trat, wenn es gar nicht anders ging, mit ihnen die Flucht an. Daneben hatte das Sternenrad ein paar andere Vorzüge wie die Möglichkeit, eine große Flotte dorthin zu transportieren, wo die Cairaner Vorsorge treffen mussten.

Andere Völker davon abzuhalten, Krieg zu führen, war eine der wichtigsten Aufgaben.

»Auch zukünftig wird es zu Begegnungen kommen, die unseren vollen Einsatz erfordern«, sagte Dupa. »Ich werde dann ein paar Tage abwesend sein, vielleicht auch ganz viele Tage. Dann liegt es an euch, die Familie zu behüten. Vor allem Aipu. Er ist der Jüngste und braucht eure Obhut.«

Parko hob zwei Hände. »Wir sind zu schwach, Mutter!«

»Aus dem Garten in die Tiefe zu springen, dazu seid ihr aber stark genug?«

Sie schwiegen beschämt, denn sie erkannten, was Dupa meinte. Die eigenen Hände zu schädigen durfte nicht sein. Wie hatte sie es genannt? Selbstverstümmelung!

Die Kinder richteten ihre Gespürhände auf sie. Instinktiv erwarteten sie eine wichtige Botschaft von ihr, eine Hilfestellung. Es wurde nichts daraus. Die Sitzflächen der Wellenrutsche vibrierten. Etwas Wichtiges kündigte sich an.

»Dupa Emuladsu, du bekommst Besuch!«, meldete die Steuereinheit ihrer Wohnkugel. »Ein Mediker macht dir seine Aufwartung.«

»Führ ihn herein!«

Es rauschte im Vakuschacht. Dupa stieß sich von der Sitzfläche ab und rutschte die Wellen hinab bis zum Boden. Fast gleichzeitig mit der Ankunft des Besuchers kam sie unten an. Der Schacht öffnete sich, ein Shenpadri wand sich heraus und glitt über den Boden.

Der Körper des schlangenartigen Wesens war mit weißem Gefieder bedeckt, durch das sich ein rubinrotes Muster zog. In dem schmalen Mund schillerten Zähne. Hinter dem Kopf trug der Shenpadri einen Ring aus Metall mit verschiedenen Instrumenten, die ihn als Mediker auswiesen. Zwei schwarze Flecken an der Stirn verrieten Dupa, mit wem sie es zu tun hatte.

»Willkommen in unserem Heim, Shandertul«, empfing sie ihn.

Der Mediker nahm eine Maske vom Instrumentenring und stülpte sie sich über den spitzen Mund. Sie transformierte die Ultraschallwellen, mit denen die Shenpadri untereinander kommunizierten, in für Cairaner hörbare Laute.

»Ich grüße dich und deine stattliche Kinderzahl.« Der Mediker blickte nach oben in die Runde.

Dupa hatte ihre Emuladsus gut erzogen. Sie grüßten einzeln und nacheinander zurück.

Der Shenpadri wandte sich ihr zu. »Ich vermisse Aipu.«

»Er ist dabei.« Dupa deutete nach oben an den Saum der Wellenrutsche. Im Schatten der Wandbehänge stand halb versteckt der Junge.

Aipu kannte den Mediker nicht von Angesicht zu Angesicht. Shandertul hatte ihm das Korrektiv-Organoid implantiert, um sein Handicap zu beseitigen. Zu wesentlichen Verbesserungen hatte es nicht geführt. Eher zum Gegenteil.

»Wir müssen reden«, sagte der Shenpadri. »Noch ist Zeit.«

Dupa verstand ihn so, als müssten sie sich beeilen.

»Komm mit!«

Sie geleitete ihn zu einer schmalen Rampe, die hinab zu den persönlichen Räumen der Familienmitglieder führte. Davor lag ein Zimmer mit reinweißen Polstern und Kissen. Dupa bot dem Shenpadri einen Platz an. Er legte sich darauf und drehte sich zusammen, bis er in eine der Kuhlen passte.

»Wie viel Geröll liegt in deinen Händen?«, fragte sie.

»Ich kann es kaum tragen«, antwortete der Mediker. Es blieb so schrecklich wenig Zeit für Aipu und dessen Probleme.

»Hängt es mit dem Ort zusammen, den wir erreicht haben?«

»Ja und nein.«

Dupa Emuladsu erfuhr, dass sie in M 13 angekommen waren, einem Kugelsternhaufen in der Galaxis Milchstraße, die in den Datenbanken des Sternenrads als besonders gefährlich eingestuft wurde.

In der Milchstraße lebten Völker wie Terraner und Arkoniden, die den Frieden gefährdeten oder sogar aktiv zerstörten. Deshalb kamen die Cairaner persönlich zur Bleisphäre, die das Panarchiv von Aithuriad als wichtigstes Ziel der Mission auswies. Dupa als Kosmopsychologin gehörte zu den wichtigsten Cairanern und Cairanerinnen im Fall einer Konfrontation. Dann musste sie sich nicht nur um die Angehörigen von Fremdvölkern auf Ecaitan kümmern, sondern auch um das Ruhigstellen aggressiver Arkonidenkämpfer im Bereich der Bleisphäre.

»Die Kommunikation mit Aipu nähert sich einem kritischen Punkt. Er ist verschlossen, ängstlich und in sich gekehrt. Seine Geschwister sind allesamt aufgeweckt.«

»Das war der Grund für die Implantation des Korrektiv-Organoids«, erinnerte Dupa den Mediker. »Wie bewertest du den Erfolg?«

Der Shenpadri gab einige Laute von sich, die sie nicht recht zu deuten wusste, und bewegte den schmalen Kopf hin und her. Hatte sie ihn mit dieser Frage in die Enge getrieben?

»Es war ein Versuch«, lenkte er ein. »Das Ergebnis ist so und so. Er ist weltzugewandter als vorher, aber er agiert und reagiert unberechenbar. Mal so und mal so.«

»Wenn du weißt, wie du das Problem lösen kannst, sag es jetzt!«

»Einen Gesichtspunkt habe ich noch nicht erwähnt, Dupa. Wir bekommen Besuch. Draußen vor dem Schirm sammeln sich Flotten unterschiedlicher Milchstraßenvölker. Das Erscheinen des Sternenrads wird weitere auf den Plan rufen. Sie werden versuchen, auf unseren Planeten zu landen. Und da kommt Aipu ins Spiel. Seine Reaktionen sind nicht vorhersehbar. Wird er Eindringlingen den Untergang bringen oder ihnen helfen? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, was nicht geschehen darf.«

»Ihm darf nichts geschehen. Löse das Problem!« Dupa wurde ungeduldig.

»Die Mediker Orsaidds haben mehrere Stunden diskutiert. Sie empfehlen die Implantation eines weiteren Korrektiv-Organoids. Es würde das Persönlichkeitsbild des Jungen tief greifender ändern als das erste. Er wäre dann ein Kind, so wunderbar wie alle deine Kinder.«

Mehr sagte er nicht.

»Wo ist der Haken, Shandertul?«

Der Shenpadri zögerte kurz. »Er wäre nicht länger der Aipu, den du kennst.«

Ein Kind wie alle seine Geschwister oder jedes Mal ein Spiegelbild des Kindes, mit dem er sich gerade unterhielt – Dupa Emuladsu erkannte, dass die Familie ärmer würde mit jedem Blick und jeder Handbewegung, die fehlten.

Nein, sie würde keines ihrer Kinder in einem opfern, selbst dann nicht, wenn es einem übergeordneten Ziel dienlich wäre.

Sie verschwieg es dem Mediker, aber das Organoid hatte in Aipu auch noch andere Dinge ausgelöst. Dupa nannte es bei sich einen »Hauch von Anderswie«. Hin und wieder hörte im Haushalt ein Gerät auf zu arbeiten, ohne eine technische Erklärung. Und zwei-, dreimal hatte sie erlebt, dass ein Gerät außer Betrieb wieder anfing zu arbeiten, nachdem Aipu es angefasst hatte.

»Ich lehne den Vorschlag ab. Es findet kein weiterer neurochirurgischer Eingriff statt. Vielleicht später.«

Sie erhob sich. Die Unterhaltung war für sie beendet. Der Mediker verabschiedete sich, und Dupa ging hinüber zu der runden Öffnung, hinter der sich der Ruheraum ihres Jüngsten befand.

Perry Rhodan 3076: Inmitten der Lichtfülle

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