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Die Insel des ewigen Frühlings – Teneriffa
ОглавлениеTeneriffa ist die größte der sieben Hauptinseln, die den Archipel der Kanaren bilden. Im Atlantik gelegen, im kühlen Kanarenstrom, südlicher als Kairo, finden Sie ganzjährig ein mildes Klima vor. Normalerweise liegen die Temperaturen zwischen 20 und 28 Grad, der Wind ist moderat, meist als Passat aus Nordost. Es regnet nicht sehr häufig, und wenn, dann meist nur im Winter. Natürlich ist der Klimawandel hier auch zu bemerken, und es gibt das ganze Jahr über auch mal Abweichungen. Aber das ist anderswo auch nicht besser.
Eine Besonderheit sind die verschiedenen Klimazonen, die sich durch die Höhe ergeben. Denn auf Teneriffa findet sich der höchste Berg Spaniens, der Pico del Teide, mit 3.718 Metern. Hier können sie unter Palmen am Strand liegen, durch schier endlose Nadelwälder wandern, oder im Hochgebirge die wilde, raue Schönheit der Natur genießen. Die vulkanische Entstehungsgeschichte der Insel ist überall zu sehen, und noch immer ist der Untergrund mehr oder weniger aktiv – was allerdings hier niemandem besondere Kopfschmerzen bereitet. Der Teide zählt sogar zu den am besten überwachten Vulkanen der Erde.
Die Vegetation ist sehr abwechslungsreich. Im Norden und Südwesten finden sich viele landwirtschaftlich genutzte Anbauflächen, und ab etwa 1000 Höhenmetern beginnt der Waldgürtel, der die gesamte Insel umrundet. Diese corona forestal ist beeindruckend. Sie besteht meist aus der Kanarischen Kiefer, dem pino canario. Dieser Baum zeichnet sich vor allem durch seine langen Nadeln aus, die aus den Wolken jede Menge Feuchtigkeit melken. Zwei Drittel des Wassers auf der Insel sollen diesen hervorragend angepassten Nadelbäumen zu verdanken sein. Außerdem ist die Kanarische Kiefer sehr robust gegen Waldbrände. Obwohl die Nadeln verbrennen und sich die Stämme schwarz färben, erholen sich die Bäume erstaunlich schnell und gut, und treiben schon bald wieder aus.
Der Süden ist dagegen eher karg, denn der ständige Wind trocknet das hier flachere Land deutlich mehr aus. Landwirtschaftliche Flächen sind deshalb häufig unter „Gewächshäusern“ aus Plastikplanen verhüllt. Hier spielt dafür der Tourismus die größere Rolle, und die Infrastruktur und das Angebot sind darauf ausgerichtet.
Neben vielen kleinen Sport- und Fischereihäfen, spielt der Hafen von Santa Cruz de Tenerife die Hauptrolle im Warenverkehr mit dem Festland, Europa und dem Rest der Welt. In Granadilla im Süden ist ein weiterer umstrittener Industriehafen in Planung, aber wegen der aktuellen Wirtschaftskrise geht es hier nur sehr schleppend voran.
Die Insel verfügt über zwei Flughäfen, im Norden Los Rodeos, der hauptsächlich für die Flüge zum Festland und zwischen den Inseln von zentraler Bedeutung ist, und im Süden Reina Sofía, über den fast alle Charterflüge und auch einige Linienflüge abgewickelt werden. Beide Flughäfen sind durch eine Autobahn miteinander gut verbunden. Die Autobahn reicht im Süden weiter bis Armeñime, im Norden bis Los Realejos. Ab diesen Orten ist die Straße zweispurig ausgebaut, aber zwischen Icod de los Vinos im Norden und Guía de Isora im Süden ist der Ring noch nicht geschlossen, obwohl auch hier schon viel gebaut wurde. Die Krise hat aber den Ausbau verzögert, und so führt die Straße in schier endlosen Serpentinen über den Pass von Los Erjos.
Ansonsten ist das Straßennetz recht gut ausgebaut, und die Hauptstrecken sind in einem guten Zustand. Es gibt ein sehr gut ausgebautes öffentliches Busnetz, das in fast jeden Winkel der Insel führt. Die Preise sind sehr günstig, und werden durch die Benutzung des Bono Bus, einer Mehrfachfahrtenkarte, nochmal um etwa ein Drittel günstiger. Auch Taxifahren ist auf Teneriffa vergleichsweise billig. Allerdings wird auch verschiedentlich von dreisten Taxifahrern berichtet, die Neuankömmlinge mit Umwegen regelrecht abzocken, vor allem bei kurzen Wegen in der Stadt.
Die Amtssprache ist Spanisch, oder genauer Kastilisch, castellano. Über die Aussprache und den Wortschatz will ich hier nicht weiter schreiben; darüber gibt es schon genug Fachliteratur. Eine Besonderheit auf den Kanaren ist die Aussprache. Fast immer werden die Konsonanten am Wortende verschluckt, und das kann schon mal zu Missverständnissen führen. Denn im kanarischen Dialekt hört sich für den Ungeübten dos (zwei) und doce (zwölf) zum Verwechseln ähnlich an. Da Canarios gerne ziemlich schnell und generell eher undeutlich sprechen, kann es gerade am Anfang Schwierigkeiten bereiten, sich in die Sprache hineinzuhören. Dazu kommen – wie in anderen Sprachen auch – die regionalen Besonderheiten: Wörter, die nur hier verwendet werden. Sie kennen das vielleicht aus Deutschland mit den Krapfen, die in Hessen auch Kreppel heißen, sonst aber Berliner genannt werden – außer in Berlin, da heißen sie Pfannkuchen. Auf den Kanaren heißt der Bus la guagua, während er auf dem Festland el autobus genannt wird. Außer in Katalonien, da ist es el autocar.
Hierzu eine nette Anekdote, wie der Bus auf den Kanaren zu seiner Bezeichnung kam. Früher, als die Busse noch Holzspeichenräder hatten, waren sie mit einer einfachen Ballhorn-Hupe ausgestattet. Wenn sich der Bus dem Ort näherte, hupte der Fahrer. Gua Gua tönte diese Hupe, und daraus wurde die Bezeichnung la guagua, die sich bis heute gehalten hat.
Da die Kanaren zu Spanien gehören, ist der Euro die offizielle Währung. Doch Vorsicht: Obwohl Spanien EU-Mitgliedsstaat ist, genießen die Kanaren einen Sonderstatus. Das ist in etwa so, wie bei Helgoland. Diese Nordseeinsel gehört zwar zu Deutschland, ist aber dennoch Freihandelszone, gehört also nicht zum Zollgebiet der Europäischen Union. Und das ist auf den Kanaren ähnlich geregelt. Das hat – bei Helgoland wie bei den Kanaren – zur Folge, dass hier Einfuhrsteuern und Zölle anfallen können, wenn Sie Waren von oder nach Teneriffa transportieren. Das gleicht sich aber dadurch aus, dass hier eine deutlich geringere Mehrwertsteuer (hier I.G.I.C., Impuesto General Índirecto de Canarias) anfällt. Und das hat ja auch sein Gutes…
Die Insel lebt hauptsächlich vom Tourismus. Früher war die Landwirtschaft ebenfalls ein wichtiger Erwerbszweig, aber wegen der kleinen und schwierig zu bearbeitenden Flächen ist die Produktion heute gegenüber der Konkurrenz vom Festland und aus Marokko kaum noch konkurrenzfähig. Auch der Bausektor, lange Jahre ein Hauptmotor des Wirtschaftswachstums, liegt am Boden. Nennenswerte Industrie gibt es hier nicht. Die Krise hat Spanien immer noch fest im Griff, und auf den Kanaren ist sie besonders stark zu spüren. Das sieht man auch an den vielen leer stehenden Wohnungen und Ladenlokalen, die einem oft ins Auge fallen. Doch gerade der Tourismus-Sektor ist es nun, der ein Abflauen der Krise bringen könnte, denn die Unruhen im Zuge des „arabischen Frühlings“ spülten viele Gäste gerade auf die Kanaren. Die Hauptsaison ist von November bis Ostern, und in den drei Monaten der spanischen Sommerferien kommen viele Gäste vom Festland, de península, wie die Spanier sagen.
Canarios essen, trinken und feiern gern – vor allem mit der Familie und den Freunden. Entsprechend groß und vielfältig ist das Angebot an Restaurants, Bars (in denen man herrlich lecker frühstucken kann), Cafés und Tapas-Bars (die vor allem abends ein reichhaltiges Angebot an kleinen herzhaften Speisen bieten). Hier findet sich eigentlich für jeden Geschmack etwas. Und wer mehr Wert auf wirklich kanarische Küche legt, der sollte darauf achten, wo die Einheimischen hingehen. Ja, von außen sieht der Laden vielleicht aus wie eine Lkw-Garage, aber die vielen vor dem Haus geparkten Gelände- und Kleinwagen (die offensichtlich keine Mietautos sind, denn sie haben Radkappen) zeigt an, dass es sich hier preiswert und gut essen lässt.
Sowohl das Bier als auch der Wein von Teneriffa sind wirklich lecker. Probieren Sie sich durch die vielen Angebote, und finden Sie heraus, was Ihnen persönlich am besten schmeckt. Lassen Sie sich auf keinen Fall einen Besuch in einer der guachinches entgehen. Die sind ähnlich der Straußenwirtschaften, die man von Deutschland her kennt. Hier wird der eigene Wein ausgeschenkt, zusammen mit einigen wenigen kleinen Gerichten – solange eben noch eigener Wein auf Lager ist.
Neben den nationalen Feiertagen (1.1. Neujahr, 6.1. Dreikönigstag, Karfreitag, 15.8. Maria Himmelfahrt, 12.10. Nationalfeiertag, 1.11. Allerheiligen und 6.12. Tag der spanischen Verfassung) gibt es in jeder Autonomen Region noch weitere Feiertage. In der Comunidad Canarias ist das der Gründonnerstag, der Tag der Arbeit am 1. Mai, der Día de Canarias am 30. Mai, und der Weihnachtsfeiertag am 25. Dezember. Außerdem hat jede Insel noch ihren eigenen Feiertag. In Teneriffa ist das der Día de Nuestra Señora de la Candelaria, der tinerfenischen Schutzheiligen, am 2. Februar. Dazu kommen noch zwei lokale Feiertage. Am 24.12. (Heiligabend) und 31.12. (Sylvester) wird in den Behörden und Schulen gar nicht, in vielen Betrieben nur verkürzt gearbeitet. Die Feiertage gehen oft mit lautem und farbenprächtigem Feuerwerk einher.
Einige besondere Festivitäten finden sogar nur alle vier oder fünf Jahre statt. So z.B. die sehenswerten Feiern, die an den Vulkanausbruch erinnern, der die Stadt Garachico am 5. Mai 1706 in Schutt und Asche legte. Nur die Kirche und das Kloster blieben verschont, als die Lava den Ort verschlang. Ein gigantisches Spektakel nach Einbruch der Dunkelheit erinnert an dieses Ereignis, und lockt Tausende Besucher von der ganzen Insel an.
Teneriffa, gerne auch „Miniaturkontinent“ genannt, ist die abwechslungsreichste der Kanareninseln. Aufgrund der Landschaft bietet sich die Insel nicht nur zum Baden und Sonnen an, sondern auch zum Wandern. Das Wegenetz ist gut ausgebaut und beschildert, und es finden sich wunderschöne Routen aller Schwierigkeitsgrade. Überall auf der Insel, sowohl entlang der Hauptstraßen als auch mitten in den Wäldern, finden Sie Grillplätze. Sie sind mit meist dem Hinweis „Zona Recreativa“ ausgeschildert. Hier darf jeder kostenlos eine Feuerstelle nutzen, und meistens gibt es Wasser, Toiletten, Spielgeräte für Kinder, und manchmal sogar Feuerholz – alles gratis. Letzteres allerdings in Form von Baumstämmen und Ästen, die man sich erst noch selbst zurecht sägen und spalten muss. An Wochenenden und Feiertagen sind diese Grillplätze meist schon früh am Tag voll. Fast immer feiert jemand dort einen Kindergeburtstag, und das ist ja auch wirklich praktisch so. Wer mehr Action sucht, findet in den Touristenzentren das entsprechende Angebot an Parks (hier vor allem der Loro Parque im Norden, und der Siam Park im Süden), Diskotheken, Kartbahnen, Tauchen, Bootsausflüge; Paragliding usw.
Es gibt auch fast alles zu kaufen, irgendwo auf Teneriffa. Die Versorgung ist sehr gut, und nur sehr selten kam es in den letzten 15 Jahren mal vor, dass durch Streik oder Unwetter eine bestimmte Ware vorübergehend mal nicht verfügbar war. Allerdings muss man natürlich auf die Preise achten, denn was von Deutschland oder England kommt, ist – bedingt durch die Transportkosten – teurer, als man es von der Heimat her gewohnt ist.
Ebenso ist die medizinische Versorgung auf der Insel hervorragend. Selbst Lebertransplantationen werden in der Uniklinik in La Laguna vorgenommen. Nur ist der Gesundheitsdienst anders organisiert als in Deutschland, und das schafft bei Touristen und Einwanderern schon mal Verwirrung. Dazu aber mehr im entsprechenden Kapitel dieses Buches.
Gerade auf Teneriffa mit der Provinzhauptstadt Santa Cruz de Tenerife sind alle öffentlichen Dienste, Behörden, die Versicherungen und die Banken vertreten. Hier muss man nicht erst reisen, um seine Angelegenheiten zu regeln. Während Versicherungen und Banken oft auch deutschsprachiges Personal beschäftigen, muss man bei Behörden normalerweise einen Dolmetscher mitbringen, wenn man die Landessprache nicht ausreichend beherrscht. Allerdings ist im Monat August traditionell fast jeder im Urlaub. Auf den Behörden herrscht faktisch Stillstand. Das gleiche gilt für die Zeit zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige.
Die Canarios sind ein sehr fremdenfreundliches Völkchen, geduldig, nachsichtig, aber auch stolz auf ihre Sprache, Kultur und Herkunft. Wer sich wie ein Kolonialherr aufführt, wird mit einem freundlichen Lächeln kurzerhand aufs Abstellgleis komplementiert – und dann konsequent ignoriert, solange es nur irgend geht. Zeigen Sie dagegen Freundlichkeit und zumindest das rudimentäre Bestreben, wenigstens in Ansätzen die spanische Sprache erlernen zu wollen, dann erleben Sie eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, selbst von wildfremden Menschen, die Sie mindestens so warm umfängt, wie die Abendsonne am Strand.
Kurz gesagt – hier lässt es sich leben! Und das nicht nur für Canarios. Kein Wunder also, dass Teneriffa ein beliebtes Ziel für deutsche Urlauber und eben auch Auswanderer ist. Aber ein, zwei Wochen Urlaub im Hotel, fernab vom Alltagstrubel, sind etwas ganz anderes, als fest hier zu leben. Denn den Einwanderer packt natürlich sofort der Alltag, und der ist einfach anders als der Urlaub. Trotz Sonne, Palmen, Strand und Meer. Wenn Sie hier einwandern wollen, stehen Sie schon nach wenigen Tagen in den Amtsstuben der kanarischen Behörden, sehen eine Menge für Sie unverständlicher Formulare, umständliche Prozeduren, und natürlich einen ganzen Berg von Papieren und Dokumenten, die Sie in unzähligen Fotokopien immer wieder vorlegen müssen. Und dabei ist das in den letzten 15 Jahren schon Stück für Stück besser geworden. Damals brauchte man noch ganze A4-Bögen mit Fotos im Ausweisformat, für die Ausländerbehörde, für die Schule, für das Rathaus, für…
Nun also, nachdem Sie aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz nach Teneriffa ausgewandert sind, beginnt das Abenteuer. Denn nun wollen Sie einwandern. Sie wollen Fuß fassen, sich hier heimisch, zu Hause fühlen. Ankommen. Freunde finden, leben, glücklich werden. Hier sind leider viele Auswanderer-Ratgeber schon zu Ende. Und hier will ich mit diesem Buch anfangen, Ihnen die Anleitung geben, damit Sie sich selbst helfen können – oder auch Ihrem professionellen Helfer vor Ort, ihrem Einwanderungscoach, mal auf die Finger schauen können. So sehen Sie, wofür Sie ihn bezahlen, was er für Sie erreicht und erledigt.
Doch zuerst müssen wir etwas zurück gehen, an den Anfang Ihres Entschlusses zum Auswandern. Denn eine gute Vorbereitung schon in der alten Heimat erleichtert Ihnen das Einleben in der neuen.