Читать книгу Die Sklavenmädchen von Wiesbaden - Arne Hoffmann - Страница 7

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Wiesbaden, das schwarze Herz des Taunus. Ein Ort, wo ein Menschenleben billig war und die Unschuld gratis. Es kauerte zwischen den Taunusbergen und dem Rhein wie ein wütender Gott, der sein regelmäßiges Opfer an Fleisch und Blut verlangte.

Warum hatte er sich nur dazu breitschlagen lassen, ausgerechnet hierher zu kommen!

Frank Silbig stand am Fenster des kleinen Büros und starrte nach draußen. Dort flirrte schon seit einigen Tagen eine Hitze, wie sie für den Hochsommer typisch gewesen wäre. Schon jetzt, am frühen Morgen, war es drückend schwül. Gelegentlich trieb ein bösartiger, trockener Wind den Dreck der Straße durch die Luft, traf ab und an fast wie bewusst gezielt ein menschliches Auge und brachte es zum Weinen. An die vor Schmutz strotzende Wand gegenüber hatte jemand mit riesigen schwarzen Lettern WIR SIND PAPST! gesprüht. Im Zusammenhang mit dieser Stadt wirkte der Satz wie eine gigantische Obszönität. Silbig spürte, wie sich seine Brust zusammenschnürte.

Hinter ihm öffnete sich die Tür. Er wandte sich um und sah Kerk eintreten: einen hochgewachsenen Mann, der ihn vom Aussehen her ein wenig an den Schauspieler Christopher Walken erinnerte. In seinen weniger sympathischen Rollen. Kerk, in einen schwarzgrauen Anzug gekleidet, fletschte die Zähne, was wohl ein Lächeln darstellen sollte, und reichte Silbig die Hand. Sein Griff war wie eine Schraubzwinge, so fest und so kalt.

»Es freut mich sehr, dass Sie doch noch erschienen sind«, sagte Kerk und nahm hinter einem Mahagonischreibtisch Platz. Die Heiserkeit seiner Stimme ließ seine Worte fast zu einem Flüstern werden. Mit einer Handbewegung wies er Silbig einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches zu. Sein Zähnefletschen wurde breiter.

Silbig setzte sich. Aus irgendeinem Grund war seine Kehle wie ausgedorrt. Er hatte immer noch ein verdammt schlechtes Gefühl bei dieser ganzen Angelegenheit. Mit kaum merklich zitternden Händen öffnete er seinen schmalen Aktenkoffer und zog eine Mappe heraus. Als er zu sprechen begann, merkte er, wie sehr ihm sein trockener Mund dabei Mühe machte.

»Ich habe natürlich alles gründlich gelesen, was Sie unserer Agentur zugeschickt haben …«

»Das habe ich erwartet«, bemerkte Kerk.

»… und ich muss sagen, ich bin nach wie vor nicht vollkommen überzeugt. Allerdings würde ich gerne mit Herrn Thum selbst darüber sprechen; schließlich handelt es sich doch um sein ganz persönliches Projekt. Oder irre ich mich da?«

Kerk musterte ihn mit ausdruckslosem Blick. »Thum ist durch eine unerwartete Entwicklung ein wenig aufgehalten worden. Sobald er eingetroffen ist, führe ich Sie in sein Büro. Er wird alle Einzelheiten mit Ihnen durchsprechen. Bis dahin ist es meine Aufgabe, erst einmal die Grundsätzlichkeiten zu klären. Darf ich fragen, welche Bedenken Sie noch mit sich herumtragen?«

»N-na ja gut …« Silbig stellte fest, dass er begann zu stottern. Die eisige Ausstrahlung, die von Kerk ausging, machte es ihm nicht gerade leichter, seine innere Anspannung zurückzudrängen. »Also, da ist natürlich immer noch der moralische Aspekt, bei dieser ganzen Angelegenheit … Ich meine, wir geben Ihnen dadurch ja auch ein Podium …« Er verhaspelte sich, beschloss, diese Problematik besser zu überspringen, und blätterte fahrig in seiner Mappe herum. »Und dann gibt es in den Aufzeichnungen, die uns bislang vorliegen, auch einige Passagen, die auf Außenstehende etwas unglaubwürdig wirken könnten …«

Jetzt wurden Kerks Gesichtszüge ein klein wenig süffisant. »Als da wären?«

»Na ja, zum Beispiel … hier: Sadomasochistische Exzesse und Lustsklavinnen als unfreiwillige Sexspielzeuge der Wiesbadener Oberschicht? Ich habe ein wenig Schwierigkeiten, daran zu glauben … so wie das hier geschildert wird …«

Kerk pfiff leise durch die Zähne. Silbig fragte sich, ob dieser Laut einen Ausdruck der Missbilligung darstellen sollte, als sich ein weiteres Mal die Tür öffnete. Ein schlankes, sehr attraktives Mädchen, das um die 19 sein mochte, vielleicht jünger, schob ein Teewägelchen hinein. Die wie ein Model wirkende Blonde trug nichts weiter an ihrem Körper als ein schwarzes Halsband und mit einer silbernen Kette verbundene Armmanschetten aus Leder. Silbig konnte seinen Blick kaum von ihr lösen, als sie ihm und Kerk mit unterwürfig geneigtem Kopf den Tee einschenkte. Dann reichte sie jedem der beiden seine Tasse, verabschiedete sich mit einem Knicks und rollte den Wagen wieder nach draußen.

Kerk hatte seinen Gast während dieser kleinen Prozedur amüsiert beobachtet. Jetzt beugte er sich vor, stützte seine Ellbogen auf den Schreibtisch und legte die Handflächen aneinander. Er starrte Silbig fest in die Augen. »Es existiert«, flüsterte er.

Und wieder blitzten seine Zähne.

Die Sklavenmädchen von Wiesbaden

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