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Zweites Abenteuer

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Der erste Film der Prinzessin Fantoche

Der aufmerksame Leser hat ohne Zweifel bemerkt, daß vor und nach dem ersten Kapitel dieser Geschichte je ein Paar geheimnisvoller Anführungszeichen Wache stand. Die Erzählung, mit der unser Buch begann, ist nämlich wörtlich dem Morgenblatt des »Caffaro« vom 2. April jenes Jahres entnommen. Ein feuilletonistisch begabter Mitarbeiter des großen Genueser Blattes hatte die kriminalistische Sensation des letzten Abends recht geschickt in eine fließende kleine Erzählung eingekleidet. Hier und da war wohl ein Detail etwas ausgeschmückt, aber im ganzen stimmte der Bericht nur zu genau mit dem überein, was das Opfer dieser tragikomischen Affäre, der so niederträchtig ausgeplünderte Bankier Ippoliti, selbst ausgesagt hatte: daß unter der Maske einer Kinoschauspielerin eine Abenteurerin sich in das Haus eingeschlichen, ihn unter dem Vorwand, ein Filmdrama aufzuführen, gefesselt und aus seinem Kassenschrank 750.000 Lire gestohlen habe.

Commendatore Testaccia, der Polizeichef von Genua, warf das Zeitungsblatt wütend auf den Tisch seines Bureaus. Die Affäre hatte ihm noch gefehlt! Das sah ja geradezu wie eine Verhöhnung der Polizei aus! Und keine Spur von der Bande! Und ganz Genua in heller Aufregung über den unerhörten Streich! Kein Mensch sprach heute von etwas anderem. Und alle Welt lächelte, lachte – –!

Wütend schlug der Commendatore mit der Faust auf den Tisch. Daß doch alles schief gehen mußte! Sein Sohn Eugenio war ein Tagedieb, dem nur dumme Liebeleien im Kopf steckten, statt der Jura und der Polizeikarriere, der Minister des Innern steckte die Nase in alles, was ihn nichts anging, die Verbrecher in Genua wurden immer unverschämter und ließen sich nicht fassen – kurz, es war rein zum Wahnsinnigwerden!

Der Polizeipräfekt fluchte leise vor sich hin. Er hätte ja bei seinem Vermögen die verfluchte Schinderei längst aufgeben können, dem Minister was malen, den Verbrechern den Gefallen tun und verschwinden – aber der Commendatore Testaccia konnte sich ein Leben außerhalb der Polizeipräfektur überhaupt nicht vorstellen. Sein Beruf war diesem verknöcherten, alternden Mann eine tief eingewurzelte Leidenschaft, an der er mit ganzer Seele hing wie andere am Alkohol oder an der Liebe. Daß sein Sohn Eugenio so gar kein kriminalistisches Talent hatte, sondern gern Schauspieler geworden wäre, das war der große Schmerz des alten Polizisten, den nichts im Leben reizte als die unerhört verfeinerten Aufregungen der Menschenjagd. In dem Zorn, den der Commendatore über die Affäre Ippoliti fühlte, lag doch ein guter Teil Freude über den prächtigen »Fall«. Die Gauner waren jedenfalls sehr gerieben. Aber desto besser, man würde sie schon überlisten, die Schwefelbande.

Der Präfekt nahm die Nummer des »Caffaro« wieder auf und vertiefte sich in die Einzelheiten des Berichtes. Ein leises Räuspern unterbrach ihn in der Lektüre. In der offenen Tür des Nebenraumes stand sein Sekretär und suchte sich bemerkbar zu machen.

»Entschuldigen Sie, Herr Präfekt!« sagte der junge Beamte. »Aber die Kino-Zensurstelle telephoniert an: sie ersucht den Herrn Präfekten, sich in einer dringenden Angelegenheit hinüber bemühen zu wollen.«

Sein hoher Vorgesetzter sah ihn wütend an: »Sind Sie verrückt, Signor Negri? Haben Sie den Herren nicht klargemacht, daß ich heute weiß Gott etwas besseres zu tun habe, als mich um die Lappalien der Film-Zensur zu kümmern? Die Herren verbieten ja auch sonst alle guten Films, ohne mich zu fragen, warum gerade heute, wo ich die Affäre Ippoliti auf dem Halse habe? Sie sollen den betreffenden Film konfiszieren und gut!«

Der Commendatore Testaccia war kein besonderer Freund der Zensorpflichten, die er als Chef der Polizeibehörde auszuüben hatte. Ihn interessierte die Vebrecherjagd und nichts weiter.

Der Sekretär blieb stehen, obwohl ihm sein Chef Entlassung zuwinkte. »Ich bitte um Entschuldigung, Präfekt; aber der Cavaliere Paoli sagt, daß es sich gerade um die Affäre Ippoliti handelt!«

»Und das sagen Sie erst jetzt!« schrie der Präfekt in höchster Aufregung seinen armen Untergebenen an. »Herr! Das ist ja unglaublich!«

Schon hatte der cholerische alte Herr die Türe aufgerissen und rannte mit langen Schritten durch die endlosen Korridore des weitläufigen Amtsgebäudes. Er beachtete den ehrfürchtigen Gruß der Beamten und Schutzleute nicht, denen er begegnete, und sie sahen ihm erstaunt nach. So erregt hatte man den Gewaltigen schon lange nicht gesehen.

»Selbstverständlich verbieten«, sagte eine schrille Stimme, als der Polizeipräfekt die Tür des in eine Art behördlichen Kinotheaters umgewandelten Amtsraumes aufriß, in der der Filmzensor Paoli seines Amtes waltete. Paoli, ein kleines eingeschrumpftes Männchen mit einem farblosen Spitzbart und dem aschgrauen Gesicht, war augenscheinlich hochgradig wütend. Er grüßte seinen Vorgesetzten kaum, sondern schrie ihm, mit den zu langen Armen fuchtelnd, entgegen: »Herr Präfekt, wir haben da einen Film – der muß unbedingt verboten werden!«

Commendatore Testaccia maß den aufgeregten Zensor mit einem ironischen Blick. »Bezähmen Sie Ihre Leidenschaft noch ein bißchen!« sagte er kühl, »und sagen Sie mir lieber zuerst, warum ich Hals über Kopf zu ihnen kommen mußte? Doch nicht, um Ihnen einen mehr oder minder unmoralischen Film verbieten zu helfen?«

Der Zensor klappte unter der offenbaren Ungnade seines Chefs sichtlich zusammen. »Ich – ich bitte vielmals um Verzeihung, daß ich Sie bemühen mußte, Herr Präfekt. Aber – uns ist da ein Film zur Zensurierung eingereicht worden – man muß ihn konfiszieren selbstverständlich – es ist unerhört – es zeigt sich wieder, wohin man heutzutage gelangt – «

»Cavaliere«, sagte der Präfekt ruhig. »Ich sehe, Sie können keine klare und verständliche Meldung erstatten. Unsere Polizei hat viele Intelligenzen, die größten aber verwalten natürlich die Zensorstellen. Also, wenn Sie nicht vernünftig reden können, dann zeigen Sie schon einmal den fürchterlichen Film, obwohl mir heute gar nicht nach Kino zumute ist. Aber wehe Ihnen, wenn Sie mich umsonst belästigt haben!«

Während der arme Paoli ganz verdutzt zusammenhanglose Worte stammelte, wurde auf einen Wink des Präfekten der Raum verdunkelt, und ein als Operateur ausgebildeter Subalternbeamter setzte den Vorführungsapparat der Zensurstelle in Tätigkeit. Der Präfekt setzte sich auf einen Stuhl und starrte grimmig auf die weiße Wand, die aus dem Dunkel des großen, kahlen Zimmers hervorleuchtete.

Wie gewöhnlich erschien auf der weißen Fläche zuerst eine Art lebender Fabrikmarke. Es war eine nett gezeichnete Marionette, eine Frauenfigur, die einige tanzende Bewegungen ausführte und dann verschwand.

Der Präfekt nickte verständnisvoll mit dem Kopf. »Fantoche«, sagte er laut, ohne sich aber an Paoli zu wenden, »Fantoche bedeutet soviel wie Marionette. Ich hatte den Streich erwartet. Aber die Dame wird sich die Finger verbrennen; sie ist zu frech!«

Richtig, jetzt stand auf der weißen Wand in großen Buchstaben zu lesen: »Der erste Film der Prinzessin Fantoche: Die Geburtstagsüberraschung des Bankiers Ippoliti.«

Die Inschrift verschwand, und es erschien von der hellsten Rivierasonne beschienen, die Villa des Bankiers Ippoliti in San Francesco d’Albaro. Man sah das vergoldete Gittertor und dahinter die Palmen und Zypressen des herrlichen Parkes. Ein kleines, zweisitziges Auto erschien in rasendem Tempo vor dem Tor. Eine schwarz gekleidete Dame stieg aus und drückte auf den Knopf der elektrischen Torglocke. Ein Lakai erschien, öffnete das Tor und ließ die Dame ein.

Kaum war die Dame mit dem Lakaien im Hause verschwunden, als der Chauffeur der Voiturette abstieg und seine Kappe sowie seine große Autobrille abnahm, unter der aber nicht sein Gesicht, sondern eine schwarze Halbmaske zum Vorschein kam. Der Pseudochauffeur zog ein Bündel Dietriche aus der Tasche, öffnete das Tor und schlüpfte in den Park. Man sah, wie er sich in einer dichten Myrthenhecke unweit der Hauswand versteckte.

Und nun wechselte der Schauplatz. Man sah das Arbeitszimmer des Bankiers Ippoliti, und in greifbarer Deutlichkeit rollten sich die Szenen ab, die der Operateur der Prinzessin Fantoche am vorigen Tage aufgenommen hatte. Man sah den Bankier, der ungeschickt genug freudige Erwartung mimte, den Eintritt der »Prinzessin«, die Entlassung der Dienerschaft. Man sah den verlarvten Mann durch das Fenster klettern, sah, wie der Bankier gefesselt wurde, und bemerkte, wie er dabei ein heimliches Lächeln zu verbergen gesucht hatte. Dann folgte der freche Kassenraub. Ja, sogar die Abfahrt der beiden Verbrecher war aufgenommen worden. Mit wachsendem Erstaunen verfolgten die Anwesenden das Auto auf seinem Weg.

»Na«, sagte der Präfekt sarkastisch, »wenn die Heimfahrt der famosen Prinzessin ganz auf den Film gekommen ist, erfahren wir ja die Adresse. Aber Donnerwetter, was ist denn – «

Er sprang erregt auf, und das, was der Apparat eben auf die Wand projizierte, war wirklich seltsam genug.

Man sah, wie sich die Voiturette einem wenig einladenden Hause näherte. Es war, wie der Präfekt sofort erkannte, das Polizeikommisariat von San Francesco d’Albaro. Ein Polizeibeamter, der in voller Uniform von der Tür stand, winkte dem Chauffeur, und dieser hielt sofort das Auto an. Die tief verschleierte Dame beugte sich aus dem Auto und führte ein Gespräch mit dem Kommissär, der dabei freundlich lächelte, sich den Bart strich und den Schwerenöter zu spielen schien. Auch der Chauffeur beteiligte sich an dem Gespräch. Er nahm die Brille ab und zeigte auf seine schwarze Larve. Dann ging der Kommissär ins Haus hinein und kam mit einigen Polizisten wieder, die lachend ihre Säbel und Revolver zogen und scheinbar auf das kleine Auto eindrangen. Wie ein Blitz fuhr die Voiturette davon. Die Polizisten schossen ihre Revolver ab, der Kommissär rannte mit drohenden Gebärden ein Stück nach – und der merkwürdige Film war zu Ende.

»Licht!« sagte der Präfekt kurz.

»Man muß diesen Film unbedingt verbieten!« sagte der Zensor Paoli mit klagender Stimme.

Ohne auf ihn zu achten, ging der Präfekt zum Haustelephon, das an der Wand befestigt war, und rief seinen Sekretär an: »Hallo, Signor Negri! Hören Sie? Ist der Kommissär Depretis schon in der Präfektur? Gut, er soll sofort zu mir herüberkommen. Ja, in der Filmzensur!«

Wenige Minuten darauf stand der Polizeikommissär von San Francesco d’Albaro vor seinem Chef.

»Signor Depretis«, sagte der Präfekt streng. »Ich habe Sie in die Präfektur beschieden, um Ihren ausführlichen Rapport anzuhören. Aber vor allem sagen Sie mir, was bedeutet das?«

Er gab dem Mann am Projektionsapparat den Befehl, den letzten Teil des Films noch einmal vorzuführen. Es geschah, und dann zuckte das elektrische Licht wieder auf.

Der Cavaliere Depretis war rot wie ein Krebs und zitterte an allen Gliedern. »Herr Präfekt, ich sehe, ich habe eine furchtbare Dummheit gemacht! Aber wer konnte ahnen – – Ich kenne den Herrn Ippoliti genau, und er hatte mir telephonisch gesagt, daß nur eine Kinoaufnahme gemacht werden sollte. Und dann fuhren die Leute an mir vorbei, der Operateur auf dem Motorrad hinterdrein und da – und da – «

»Und da«, ergänzte der Präfekt, »haben Sie sich von der schönen Unbekannten bestimmen lassen, dem Film einen effektvollen Schluß zu geben.«

Depretis nickte zerknirscht. »Ja, sie bat mich, das Auto doch zum Spaß zu verfolgen. Und – da haben wir eben ein paar blinde Schüsse abgegeben. Verzeihen Sie, Herr Präfekt, es war nicht ganz korrekt – es war unverzeihlich, aber – «

»Schon gut!« sagte der Präfekt. »Ihre Entschuldigungen helfen uns jetzt nichts. Wir sind schön blamiert. Einen Orden kann ich Ihnen wirklich nicht dafür verleihen. Kommen Sie, wir bringen Ihre Aussagen zu Protokoll. Sie haben auch noch zu berichten, wie sie dann nachher den Ippoliti gefunden und befreit haben.«

Er wandte sich zum Gehen, gefolgt von dem gänzlich vernichteten Kommissär. Aber der Beamte, der den Apparat bedient hatte, hielt ihn zurück. »Herr Präfekt, es sind noch Streifen mit einer langen Inschrift da!«

Der Präfekt zeigte ein Lächeln voll grimmigen Galgenhumors. »Das kann ja gut werden. Los!«

Es war tatsächlich eine lange Inschrift, die in großen Lettern auf der Wand erschien, und mehrmals mußte ein neuer Streifen vor das Objekt geschoben werden. Die Inschrift aber lautete:

»Verehrlicher Herr Polizeipräfekt!

Ich hoffe, mein Film hat Ihnen eine angenehme halbe Stunde bereitet. Zu ergötzen und die Zeit zu vertreiben, ist ja die edelste Aufgabe der Kinematographie, die Sie und besonders Ihr Freund, der Zensor Paoli, so gern fördern. Ich habe während meiner allzu kurzen Dienstzeit bei der OCI von dem Herrn sehr viel Gutes sprechen gehört.«

»Verbieten!« fauchte der gekränkte Zensor. Der Präfekt gebot Ruhe und man las weiter:

»Ich bezweifle nicht, daß mein erster Film beim Publikum einen ganz ungeheuren Erfolg haben wird. Aber ich kenne die Schwächen dieser Erstlingsarbeit und werde mich bemühen, in Hinkunft noch viel sensationellere Aufnahmen zu liefern. Ich denke, ich werde jeden Mittwoch einen neuen Fantoche-Film auf den Markt bringen und den vollsten Beifall aller Kinobesucher erringen können, aber nur, wenn mir die Polizei wie bisher ihre vollste Unterstützung angedeihen läßt.

Die Vervielfältigung und den Vertrieb meiner Films gedenke ich aus alter Freundschaft der bewährten OCI zu übertragen. Ich bin, was Herr Ippoliti auch sagen mag, keine Materialistin, der es nur auf das Geld ankommt. Außerdem genügt mir vorläufig die dreiviertel Million, die mir Herr Ippoliti so freundlich geborgt hat. (Hoffentlich muß er jetzt seinen Geburtstagsgästen nicht wirklich nur Makkaroni und sauren Wein vorsetzen.) Ich will Herrn Ippoliti sogar gern die entliehene Summe zurückerstatten. Aber nicht heute, ich habe nicht gewechselt. Sondern ich überlasse der OCI, deren Hauptinhaber er ja ist, meinen sensationellen Schlager vorläufig vollkommen gratis, bis der kleine Schaden gedeckt ist.

Das kann nicht lange dauern, denn mit Hilfe einer hohen Polizei gedenke ich wirklich nur ganz Außergewöhnliches zu bieten, so daß das Publikum in Scharen herbeieilen wird. Schon der nächste Film, den ich Mittwoch herausgebe, wird eine großartige Novität. Er soll heißen: »Wochenrevue der Prinzessin Fantoche«. Ich werde gewiß nicht verfehlen, den Film ordnungsgemäß der löblichen Zensur einzureichen. Ich bin, Herr Polizeipräfekt, Ihre aufrichtig ergebene Prinzessin Fantoche.«

Die tanzende Marionette tauchte wieder auf, gleichsam als Siegel dieses unverschämten Briefes.

Der Commendatore sah seine Untergebenen an: »Nun, was sagen Sie jetzt, meine Herren?«

Der Zensor Paoli machte ein nachdenkliches Gesicht. Schließlich sagte er im Tone eines Menschen, der eine Idee hat: »Wir werden natürlich die öffentliche Vorführung dieses unverschämten, unmoralischen Films verbieten. Und wenn dieses Weib weiterhin ähnliche Produkte einschickt – «

»Dann werden wir sie zu einer Geldstrafe von sieben Lire fünfzig verknacksen!« sagte der Präfekt mit unverhohlener Verachtung. »Signor Paoli, Sie hat Gott im Zorn zum Polizeibeamten gemacht. Natürlich werden wir nicht erlauben, daß das Zeug da zum Gaudium von ganz Genua in jedem Kino zu sehen ist.

Aber das Konfiszieren hilft uns doch nicht weiter. Fangen Sie die Person, Sie Stiefbruder der heiligen Hermandad, und erlauben Sie dann meinetwegen diesen Film und alle künftigen Films der Prinzessin Fantoche!«

»Das ist auch meine Ansicht!« sagte der Polizeikommissär von San Francesco. Der Commendatore warf einen kalten Blick auf ihn.

»Herr Depretis, Ihre Ansichten sind mir nicht weiter interessant. Sie werden Ihren Rapport zu Protokoll geben und das andere wird sich finden.«

Depretis wurde rot vor Aufregung. Er begriff, daß es sich in diesen Minuten um seine Karriere, sein ganzes Leben handelte. Das machte ihn kühn. Er sagte mit lauter Stimme: »Herr Präfekt, ich habe einen Bock geschossen und möchte daher gern verhindern, daß ein zweiter geschossen wird. Warum wollen Sie dem Kollegen Paoli nachgeben und diesen Film konfiszieren? Genua lacht schon heute über die Polizei und es handelt sich doch nur darum, wer zuletzt lacht. Aber das werden wir schon sein; diese Verbrecherin ist sicher sehr kühn und geschickt, aber sie hat einen Fehler: Sie erlaubt sich überflüssige Scherze, sie ist romantisch, sie spielt mit dem Feuer. Herr Präfekt, wollen wir das Feuer auslöschen, an dem sie sich über kurz oder lang die Finger verbrennen muß?«

»Hm!« sagte der Präfekt. »Weiter, lieber Depretis.«

Depretis atmete erleichtert auf. »Herr Präfekt, wenn wir jetzt diesen Film verbieten, packt die Dame einfach ihre dreiviertel Million zusammen und verduftet. Aber wenn wir diesen Film in jeder Straße von Genua aufführen lassen, wette ich mein Ritterkreuz gegen eine Tomate, daß das Weib aus Ehrgeiz eine Dummheit macht und sich verhaften läßt, während sie einen recht guten zweiten oder dritten Film dieser angenehmen Art fabrizieren will.«

Zappelnd und wütend drängte sich der kleine Paoli in den Vordergrund. »Nein, das ist ganz ausgeschlossen. Wohin sollen wir kommen, wenn die Kinos so einen Film aufführen dürfen? Da dürfte man in Zukunft gar nichts mehr konfiszieren!«

Depretis fuhr fort, ohne auf den Zensor zu achten. »Wenn diese verdammte Prinzessin, oder was sie ist, durchaus so großen Wert darauf legt, daß ihr lebendes Bild jedem Menschen in Genua und in ganz Italien eingeprägt wird – warum wollen wir ihr das Vergnügen rauben? Wir ersparen einen Steckbrief, wenn wir den Film freigeben.«

Der Polizeipräfekt trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum und dachte nach. Was der Unglücksmensch da sagte, das hatte Hand und Fuß. Vor allem aber: dem Minister Ghezzi konnte man die Filmaffäre doch nicht verheimlichen. Der ließ sich den Film bestimmt kommen und lachte sich tot darüber. Vielleicht konnte dem Minister ein Bluff imponieren. Er schrieb sowieso unter jeden Bericht: »Mehr Geist im Polizeibetrieb, mehr Freiheit, weniger bureaukratische Beschränktheit!« Der Commendatore sprang mit einem Ruck auf. Sein Beschluß war gefaßt.

»Depretis«, sagte er, »Sie können nicht mehr in San Francesco d’Albaro bleiben. Ich kann keinen Polizeikommissär brauchen, über den das ganze Stadtviertel lachen muß, wenn er sich auf der Straße zeigt.«

Der Cavaliere Depretis wurde bleich wie die Wand. Paoli, der ihm seinen Vorschlag nicht verziehen hatte, freute sich sichtlich. Der Präfekt weidete sich einen Augenblick an seiner Macht und sprach dann weiter: »Die Prinzessin Fantoche hat Ihnen einen bösen Streich gespielt; Sie müssen die Dame nicht wenig hassen. Gut, ich liebe es, wenn meine Beamten eine persönliche Ranküne gegen einen Verbrecher haben. Ich gebe Ihnen die Gelegenheit, sich zu rehabilitieren: nehmen Sie die Verfolgung der Bande auf. Und danken Sie Gott, daß Sie einen guten Einfall gehabt haben, der mich wieder an Ihre Fähigkeiten glauben läßt.«

Er wandte sich zu Paoli und sagte scharf: »Der Film wird nicht konfisziert, sondern sofort der OCI zugeschickt. Ich werde selbst mit dem Ippoliti sprechen. Ich wünsche ausdrücklich, daß dieser kinematographische Steckbrief möglichst weit verbreitet werde. Und wenn Sie eine ähnliche Sendung erhalten sollten, benachrichtigen Sie mich und den Kommissär Depretis sofort. Kommen Sie, Depretis!«

Er ließ den verdutzten und in seinen heiligsten Gefühlen gekränkten Zensor stehen und verließ, gefolgt von dem überglücklichen Depretis, den Vorführungsraum.

Die Films der Prinzessin Fantouche

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