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Kapitel 1

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Der Roman von Tristan und Isolde


In der bretonischen Urgestalt erneuert von

Arthur Schurig


Alfred und Gertrud Vogel


Lieben Freunden

Vernehmt, Damen und ritterliche Herren, die älteste Liebesmar des Abendlandes,

gesponnen um die Namen Tristan und Isolde. Wer kennte sie nicht von Jugend auf? Ein

Bretone hat ihr Schicksal zuerst besungen, vor nun tausend Jahren. Sie haben leibhaft

gelebt, die beiden herrlichen Gestalten, Kelte er, Germanin sie, drei Jahrhunderte ehe der

Sänger sie erhob zur Unsterblichkeit. Ihnen wie allen großen Liebenden ward die Lust

verklärt vom Leid, das Leid durchsonnt von Lust. Trennung war das Los ihres

Erdenganges, Geheimnis der Dämon ihrer Schuld. Früher Tod am gleichen Tage einte sie

ewiglich. In immer sich wandelnder Form schreitet das göttliche Paar durch die Nachwelt,

Wagenden zum Vorbild, Siegenden zur Labung, Geschlagenen zum Trost.

In grauen Zeiten herrschte im Herzogtum Leonnois, im Nordwesten von Aremorika – so

hieß die Bretagne unter dem trotz aller Großartigkeit untergegangenen Römischen

Imperium – ein streitbarer junger Fürst, König Riwal. Seiner keltischen Vorväter einer war

aus Britannia über das Meer gekommen, verdrängt von den dort immer stärker

eindringenden Sachsen, wohl aus dem Lande der Pikten, die im nordöstlichen Zipfel des

späteren Schottlands wohnten. Über den Granitklippen des Festlandes hatte er das Kastell

Kanohel erbaut, die älteste Burg auf der bretonischen Halbinsel, fortan der Sitz der Herren

von Leonnois. Das war nun mehrere Jahrhunderte her, in welchem Zeitlaufe ganz Europa

schweres Schicksal erduldete. Die Völker waren in Bewegung. Sie schwärmten heran aus

unbekannten Fernen, vergewaltigten

die Ureinwohner, raubten, mordeten, brannten Höfe und Häuser nieder, um im eroberten

Gebiete zu verbleiben oder zumeist ruhelos weiter zu wandern.

Menschenarm waren alle Lande und arm die Menschen. Auch in den drei oder vier

Herzogtümern der Bretagne, ehedem friedvollen glücklichen Gauen, machte es längst

kaum mehr Freude zu leben. Schwermut lag über den Weiden und Wäldern ebenso wie auf

den Mienen der Leute. Rauh war deren Tun und Denken geworden. Wer Herr war, mußte

stark und gewaltsam sein, und wer Knecht, stark und duldsam. Keiner griff zaghaft zu, und

niemand ward zart behandelt. Aller Herzen waren steinhart, wie der bretonische Boden,

und, wenn sie erglühten, heiß und überheiß, und ihr Schlag vernehmlich. Mitleid kannten

sie nicht, wohl aber Haß, Leidenschaft und Treue.

Die Bauern blieben ihren Fürsten und Führern ergeben, denn wenn diese auch

ursprünglich fremde Gewalthaber gewesen, so waren sie ihnen doch tapfere Verteidiger

wider die räuberischen Seefahrer, die immer wieder vor den felsigen Küsten erschienen,

um mehr oder minder weit ins Land einzufallen.

In den letzten hundert Jahren waren es jene verwegenen Nordmänner, die Wikinger, die

am Ostgestade der Grünen Insel, Irland genannt, eine Reihe von Reichen gegründet hatten,

das mächtigste mit seinem Königssitz in der festen Stadt Dowelin. Jahr um Jahr wagten sie

von dort in ihren flinken Langschiffen kühne Fahrten nach dem Festlande, aus zielloser

Lust am Abenteuer, aus Drang nach Eroberungen, aus Gier nach fremdländischen jungen

Weibern, schließlich aus gemeinem Durst nach Gold und allerlei Dingen, die sie für

kostbar schätzten.

Schon das armselige Land Leonnois litt unter diesen schrecklichen Germanen; hundertmal

mehr zu fürchten hatte das reichere Herzogtum Cornouaille, das im Osten an König Riwals

Gebiet grenzte. Man konnte von einem Herzogtum ins andre sowohl zu Schiff, an der

Felsenküste hin, wie zu Fuß oder zu Pferd über die Waldberge gelangen.

In Cornouaille herrschte König Marke. Seine weithin berühmte Burg, ehedem ein

Römerkastell, hieß Tintagol. Hoch ragte sie über Hügel und Haide, sechs Wegstunden

landeinwärts, an einem kleinen Flusse. Wo dieser in eine lange schmale Bucht des Meeres

strömte, ein wenig unterhalb der Stadt und Burg Dinan, da war der Haupthafen des kleinen

Reiches. Im Wechsel des Krieges hatten die Cornouailler das Mißgeschick, den Wikingern

zinspflichtig zu werden. Seitdem holte sich der

Feind alle Jahre den Tribut: Reichtümer, Sklaven und Jungfrauen. Wohl versuchte man

jedesmal, sich der Schmach zu wehren. Vergebens. Die Übermacht war zu groß.

Da verschworen sich die beiden Nachbarn zu einem Bunde, und im kommenden Frühjahr, ehe

der böse Feind erschien und eindrang, sandte König Marke hinüber nach Kanohel und rief den

Herzog von Leonnois zur gemeinsamen Abwehr.

Riwal brach alsbald auf mit den Rittern seines Landes und einem stattlichen Gefolge von

Mannen. In Tintagol auf das Beste empfangen, vergnügte sich Edelmann wie Knecht bei

Wettspiel, Sang und Becherklang, bis die Kunde vom Nahen der in aller Welt gefürchteten

Wikingerschiffe einlief. Da ergriff man die Waffen und zog unter König Markes

wehendem Banner nach Dinan. Gar schwer fiel Herrn Riwal der Abschied

von Tintagol, denn die schöne Blankeflor, die älteste von des Königs beiden Schwestern,

hatte es ihm angetan.

In der Schlacht gewannen die Bretonen den Sieg, aber im Zweikampf mit dem Führer der

Wikinger, dem Herzog Morold, einem weitberühmten Kämpfer und Seefahrer, dem Sohne des

Königs von Dowelin, trug Riwal von Leonnois eine schlimme Lanzenwunde davon.

Blankeflor pflegte den Helden, dessen junges Blut für Cornouaille geflossen. Ohne Bedenken

hätte sie ihr eigenes Leben gelassen, wäre ihm dafür Genesung geworden.

Eines Abends, als Blankeflor sorglich an Riwals Lager saß, dünkte es sie, ihm weiche das

Fieber. Überglücklich beugte sie sich über den Erwachenden und küßte ihn auf die Stirn. Da

zog Riwal die Geliebte an sich und machte sie zur Seinen. In der Nacht mußte er sterben.

Und auch Blankeflor starb, als sie Riwals Sohne das Leben gab.

Ehe Herr Riwal nach Tintagol in den Krieg zog, da hatte er sein geliebtes Land seinem

Seneschall anvertraut, dem Grafen Rual, einem alten Edelmanne, dem sein streitbares

Leben neben Würden und Zipperlein den Beinamen

der Treue

verliehen hatte.

Ihm und seiner ebenso trefflichen Frau Floräte brachte die Amme Riwals kleinen Sohn. Dies

geschah sonderbar heimlich, und das kluge Ehepaar vermeinte in diesem Umstand einen Wink

des Schicksals erblicken zu sollen. Abergläubisch sind die Bretonen wie bekannt seid

uraltersher.

Rual und seine Frau beschlossen, des Knaben Herkunft zunächst niemandem zu verraten.

Sie gaben ihn für ein verwaistes Schwesterkind aus, und man glaubte es ihnen, denn in

jenen endlosen

Kriegszeiten hatten die Leute wahrlich andre Sorgen als sich um einen Jungen zu

kümmern, der nun einmal da war. Er bekam den Namen Tristan, den sein Urgroßvater und

vor ihm schon manch andrer seiner Ahnherren mit Ehr und Ruhm getragen hatten.

Wie weise Rual gehandelt, zeigte sich bald. Ein Jahr nach Tristans Ankunft fiel Herzog

Morold auf neuer Fahrt beutelustig in den Gau von Leonnois ein. Widerstand wäre vergeblich

gewesen, denn es waren am Strand von Cornouaille zu viele der Besten unter dem hohen

Heldenhügel verblieben. Darum, wenn auch schweren Herzens, schloß der Seneschall

Waffenstillstand mit dem Normannenfürsten und fügte sich seiner Oberherrschaft.

Hätte Morold gewußt, daß unter Ruals drei Knaben, denen er leutselig auf die braunen

Locken klopfte, einer der Sohn Riwals war, so hätte

er ihn kalten Herzens als den rechtmäßigen Erben des Landes umbringen lassen. Man

verfuhr nicht anders in jener harten Zeit.

Wie Tristan sieben Jahre alt war, schaute sich der Graf Rual, den der Eroberer als Verweser

von Leonnois belassen hatte, unter den Baronen des Landes nach einem guten Hofmeister für

den wohlgeratenen Knaben um. Er selber dünkte sich so schwerem Amte nicht mehr

gewachsen. Helden, so meinte er, müssen von jungen, nicht von alten Männern erzogen

werden.

Seine bedachtsame Wahl fiel auf den Herrn Kurwenal als einen Meister aller ritterlichen

Künste. Ihn ernannte er zum Guvernator des künftigen Fürsten, wobei er ihm das Geheimnis

seiner Geburt anvertraute.

Kurwenal war ein Ritter ohne Furcht und Tadel, ein echter Bretone, von tapferem Sinn und

tiefem Gemüt, schwer zugänglich, dafür umso beharrlicher, dreimal älter als sein Zögling.

Er hatte lange Zeit die Welt durchfahren, manches Herrn Land kennengelernt und die

Sprache dreier Völker zu der seiner Heimat hinzugelernt. Sieben Jahre hatte er zu Paris am

fränkischen Königshofe verweilt. Dort war es vor allem, wo er sich die waschechte

Urbanität des guten Europäers erworben hatte.

Aber nicht nur als Hofmann war Kurwenal Muster und Meister. Er war ebenso erfahren im

Gebrauch von Schwert und Lanze. Einen Reiter und Waidmann kannte man nicht seines

gleichen. Und in den schönen Wissenschaften, in der edlen Musika wie im gelehrten

Schachspiel galt er mit Fug und Recht für wohlbeschlagen.

Zur Stunde, da er vom Seneschall die wichtigste Aufgabe des Vaterlandes empfing,

gelobte er dem

jungen Fürsten insgeheim Treue bis in den Tod und weihte ihm sein ganzes Leben.

Feierlich bot er dem Knaben die Rechte, und Tristan umarmte ihn in namenloser Freude;

er hatte ihn so oft als hochgemuten Mann preisen hören. Vom ersten Augenblick an liebte

er die wunderbar klugen klaren Augen seines älteren Freundes.

Unter Kurwenals Vorbild wuchs Tristan von Leonnois zu einem wahren Ritter heran. Wie im

Spiel erlernte er alles, was ihm sein Hofmeister als gut, schön und edel lobte, und er kannte

kein anderes Streben als dies: seinem Führer zu gleichen.

Wie er sechzehn Jahre alt war, da sprach er eines Tages zu Kurwenal:

Herr Kurwenal, mich drängt mein Sinn, erprobt zu werden in der weiten Welt, von der Ihr

mir so viel Herrliches und Erhabenes erzählt. Nicht länger möchte ich damit warten.

Das Leben eines Mannes, so sagt Ihr oft, ist kürzer denn er denkt. Ich will das meine nicht

unnütz verfliegen lassen. Was vollbringe ich hier? Keiner außer Euch und meinem

Pflegevater weiß, wer ich in Wahrheit bin. Ihr meint, es sei gut so. Aber wenn ich einmal

als berühmter Ritter zurückkehre, dann sollen es alle wissen.

Kurwenal lachte.

Lieber junger Freund, sagte er, du hast es eilig, ein Mann und ein berühmter Mann zu werden.

Und um was im besten Falle? Weißt du nicht, daß sich in die große Welt begeben, Kämpfer

werden heißt? Daß wir da draußen jede Lust mit dreimal so vielem Leid bezahlen müssen?

Daß wir nimmermehr eine so friedsame Heimat wiederfinden?

Bin ich nicht heimatlos geboren? fragte Tristan versonnen.

Wohlan, sprach Kurwenal, wir wollen zuvörderst deinem Oheim, dem König Marke von

Cornouaille, in seiner Burg Tintagol den ihm geziemenden Besuch abstatten. So lange es

dir gefällt, verweilen wir bei ihm. Du wirst dort manches dir Neue sehen und lernen.

Wie Herr Rual und Frau Floräte von Tristans Weltsehnsucht vernahmen, waren sie gar traurig,

denn ihr Pflegekind war ihnen ans Herz gewachsen gleich wie ihre eigenen beiden Söhne; aber

sie sahen ein, daß es wohl sein müsse.

Und so sagte der alte Seneschall: Lieber Sohn und Freund, gern und ungern erfülle ich dir

deinen Wunsch. Zieh hin und erfülle dein ritterlich Schicksal! Bringe deinem edlen Vater

droben in Walhall und unserm teuren Vaterlande Ruhm und Ehre! Erkämpfe uns die alte

Freiheit! Räche König Riwals Tod! Dein hoher Sinn wird dich zum Helden machen.

Er befahl seinem Schaffner, die Reise bestens vorzubereiten. Zwei junge Edelleute und

fünf Knappen wurden ausgesucht, daß sie mitfahren sollten. Gold und Silber ward auf ein

Maultier geladen; auf ein anderes reiche Gewänder, Leinenzeug und Gastgeschenke. Und

zwei der schönsten Pferde wurden ausgerüstet.

Als sich Tristan und Kurwenal vom Seneschall und vom Hofe verabschiedeten, da reichte

Herr Rual dem jungen Weltfahrer das alte Feldschwert Riwals und sprach:

Führe es und hüte es und sei immer ein Ritter!

Herrn Kurwenal aber händigte Rual einen goldenen Fingerreif mit einem Rubin ein.

Blankeflor hatte ihn dereinst getragen.

Sodann fuhr die Schar aus dem Hafen um die sieben Felseninseln nach Cornouaille.

Bei der Einfahrt in die tiefe Bucht von Dinan

bat Tristan seinen Hofmeister: Herr Ritter, ich bitte Euch, haltet an König Markes Hof

geheim, welcher Herkunft ich bin, bis die Umstände meine Offenbarung erheischen!

Kurwenal willigte ein.

Bisher entschlossen, vor der Burg Dinan zu landen, ließ er nunmehr das Schiff zwei

Wegstunden weit vorher linker Hand in den Sand laufen. Tristan und Kurwenal samt einem

Knappen stiegen aus, schlichte Jägertracht angetan. Die Übrigen fuhren gemächlich weiter,

mit dem Befehl, regelrecht im Hafen die Reise zu vollenden und daselbst des Weiteren zu

warten.

Wie die drei zu Fuß landein wanderten, auf einem einsamen Wege durch hohen tiefen Wald,

hörten sie plötzlich Hörnerklang und Jagdgeschrei.

Tristans Jägerherz begann zu klopfen.

Und siehe! Von der einen Seite her, wo eine schmale Blöße den Wald unterbrach, sprang

ein

prächtiger Zwölfender auf den Weg und brach erschöpft zusammen. Zwölf braun und

weiße Bracken hingen ihm am Halse wie eine schwere Traube. Weiß vom Schweiße

glänzte dem zu Tod gehetzten Tiere das nasse Fell.

Mit Hallo und Halli kam das Feld der Jäger angaloppiert.

Alle Reiter schwangen sich behend aus den Sätteln. Die Hörner der nachkommenden Knechte

ertönten.

Alsbald durchschnitt der Jägermeister dem Hirsch die Kehle.

Verwundert sah Tristan, daß er wie ein Barbar verfuhr. Er hatte von Kurwenal den fränkischen

Waidmannsbrauch erlernt.

Indem er unter die Jäger trat, die im Kreise um die Jagdbeute standen, rief er dem

Jägermeister, der sich anschickte, den toten Hirsch mit seinem Dolche zu zerstückeln, laut zu:

Was tut Ihr, Herr Jägermeister? Ist es hierzulande Brauch, ein edel Stück Wild wie ein

Schwein zu schlachten?

Macht Ihr es anders? fragte der Andere und hielt ein in seinem Handwerk. Ich will den Kopf

dieses Hirsches abschneiden. Sodann zieh ich ihm die Haut ab und teile ihn der Länge nach in

zwei Teile, und jeden Teil der Breite nach abermals in zwei Teile. Jedes Viertel muß das

gleiche Gewicht haben. Mehr erfordert mein Amt nicht.

Es mag sein, hub Tristan von neuem an, daß Ihr damit Eures Landes Brauch erfüllt. Wir sind

andre Art gewöhnt.

Ich lerne gern, meinte der Jägermeister in behaglicher Jagdlaune. Zeigt uns Eure Art!

Tristan streifte die Ärmel seines Rockes auf, zog seinen Hirschfänger, kniete nieder und

enthäutete den Hirsch. Alsdann zerlegte er das Tier fein und säuberlich.

Bald lagen die Kleinteile, der Ziemer, die Keulen, die Vorderblätter, die Rippenstücke und

so weiter auf dem Rasen.

Zuletzt bereitete er das Curée, indem er Lunge, Milz und Gescheide in kleine Stücke schnitt,

und warf es der schwanzwedelnden Meute mit fröhlichem Rufe zu.

Die Jagdgesellschaft fand kaum Worte genug des Lobes, und der vornehmste der Jäger, ein

rüstiger Sechziger, der Seneschall Tynas von Dinan, fragte den jungen Fremdling, der sein

Wohlgefallen gewonnen hatte: Gestattet mir zu fragen! Wer seid Ihr, junger Herr? Aus

welchem Lande kommt Ihr? Wo habt Ihr Eure höfische Kunst erlernt? Nennt mir Euren

Namen und Eure Heimat!

Und freundschaftlich bot er ihm die Rechte.

Tristan heiße ich, erwiderte Tristan. Eine Heimat ward mir nicht zuteil. Will ein Spielmann

werden, der seine Fahrt unterbricht, wo er liebe Leute findet. Und was ich Euch gezeigt,

das lernte ich von meinem Meister, Herrn Kurwenal.

Beide wurden ritterlich bewillkommt.

Reitet mit uns zum Herrn dieses Landes, zu König Marke! Ich bin sein Seneschall. Kommt

und seid seine Gäste! Folgt uns nach Schloß Tintagol! Zwei gute Pferde stehn Euch bereit.

Eure Einladung nehmen wir frohen Herzens an, erwiderte Tristan. Aber zuvor gestattet uns,

daß wir den Jagdzug ordnen, damit er Eures Königs würdig sei.

Er ließ sich Gabeln aus Baumästen schneiden, und jeder Jäger hatte ein Stück der Beute zu

tragen, der eine den Kopf, der andere den Ziemer, ein dritter die Lenden und so fort.

In Rotten zu zweit stellte sich der Zug auf. Zuletzt brach Tristan einen Zweig von einer

alten Eiche und reichte jedem Jäger grünes

Laub. Alle saßen auf und ritten an, die hornblasenden Hundsmänner unter dem Geläut der

lustigen Meute vorweg.

Nach zwei Stunden munteren Trabes erblickte man in der Ferne einen trotzigen Turm, und

alsbald leuchtete den beiden Fremdlingen vom Hang eines waldigen Hügels, hoch über

lachenden Wiesen und Weiden, die berühmte Burg Tintagol entgegen, der Königssitz des

Reiches Cornouaille.

Das ist Tintagol! ließ sich Tristan vom Seneschall berichten. Die ältesten Gebäude des

Schlosses haben zu Cäsars Zeit schon gestanden, und das Herrenhaus birgt Dinge, wie

man sie in keinem Schlosse findet: Wasserläufe, Marmorbäder und Heizröhren, steinerne

Teppiche und Riesenkrüge, und in der Halle werdet Ihr ein prächtiges Bildnis des Kaisers

Mark Aurel finden, aus zweierlei edlem Gestein! Die Stürme

der Zeit sind an diesem glücklichen Winkel vorübergejagt. Hinter der Burg, dort, wo die

alten hohen Wipfel sich wiegen, da ist des Königs Baumgarten, ein köstlicher Ort. Da wird

es Euch gar wohl gefallen.

Tintagol! jubelte der junge Weltfahrer bei sich. Tintagol, Haus meiner Mutter, sei mir gegrüßt!

Tintagol, birg mir mein Glück!

Tristan schwenkte seine Jagdmütze. Keiner außer Kurwenal ahnte den Grund seiner großen

Freude.

Wie der Zug näher kam, gliederte sich die stattliche Burg. Tristan bestaunte die gewaltigen

Umrisse der Wälle, Basteien, Türme und Häuser. Bald erkannte er auch das starke Tor, die

langen weißen Zinnen, das breite hohe Königshaus, merkwürdig bemalt, schachbrettartig,

die Felder blau und grün. Tristan hatte derlei noch nie gesehen. Ebenso farbenfroh hob

sich

hoch darüber das Ziegeldach. Man ward heiter, sah man alle die bunten Dinge.

Kurz vor der Brücke ließ Tynas die Hörner blasen. Das Burgtor öffnete sich. Die Reiterschar

zog feierlich und wohlgeordnet im Schritt ein. So hatte Herr Kurwenal es angeordnet.

Im Schloßhof unter dem Kreise von fünf alten Linden stand König Marke, der Herrscher von

Cornouaille, ein stattlicher Herr von dreiundfünfzig Jahren. Der Turmwart hatte ihm die

Rückkehr der Jagdgesellschaft vermeldet.

Er stand da und staunte.

Wie die Hunnen waren seine Ritter sonst durch die Tore in den Hof gestürmt. Woher die artige

Wandlung?

Aha, meinte er beim Anblick von Tristan und Kurwenal, zwei fremde Herren haben das

Wunder vollbracht. Betrachten wir sie uns näher!

Schon begann der alte Seneschall dem Könige von der Begegnung mit den Fremdlingen zu

erzählen und den Aufzug der Jäger zu erläutern. Marke lobte das geschickt zerlegte

Wildbret. Mehr noch gefiel ihm der fremde junge Waidmann.

Er hatte ein halbes Dutzend Edelleute um sich, junge und alte; auch ein Neffe, Herzog Audret,

lebte am Hofe. Marke war der reichste Fürst der Bretagne; er knauserte niemals, und oft ging

es hoch her im Schlosse Tintagol. Trotzdem fühlte sich der König einsam, und je älter er

wurde, umsomehr ward er den Anderen fremd. Er war Junggeselle geblieben; warum, das

wußte er eigentlich selber nicht.

Audret war der einzige Sohn von Markes verstorbenen jüngeren Schwester, deren Gatte

ebenfalls nicht mehr lebte. Da der Sohn der älteren Schwester Blankeflor verschollen war,

so fiel Krone und Land dereinst an Audret, der

sich daraufhin gewaltig viel einbildete, ohne daß seinen Dünkel sonstige Vorzüge

wettmachten. Der Oheim schätzte den Neffen wenig, und wenn er der Zukunft seines

Reiches gedachte, bekam er Herzdrücken. Audret eignete sich nie und nimmer zum

Thronerben. Fürstliches Tun und königliches Denken waren nicht von ihm zu erwarten.

Der Zufall fügte es, daß Audret und Tristan nebeneinander standen. Wer keinen von beiden

kannte, hätte glauben müssen, Tristan sei ein Königssohn und Audret von unbedeutender

Herkunft. Unwillkürlich verglich Marke die jungen Männer.

Er seufzte auf. Seltsame Zuneigung erwuchs in ihm. Wahlverwandtschaft zog ihn zu dem

jungen Fremdling hin, von dem er doch nichts weiter wußte als daß er einen Braten nach allen

Regeln der Kunst zu zerlegen verstand.

Er, der einsame Fürst, der seiner Umgebung als Menschenfeind, Zweifler und Sonderling

galt, bot einem hergelaufenen Knaben die sonst steife und stolze Rechte mit

unverkennbarer Huld.

Willkommen, junger Edelmann! sprach er. Meine Burg sei Euer Heim, solange Ihr Euer Glück

darin findet.

Tristan neigte sich tief vor dem König. Ein wundersam Gefühl beseligte ihn. Es war ihm, als

habe er in Tintagol endlich sein Vaterland gefunden.

Am Abend, als die Tafel aufgehoben war, ließ ein fränkischer Spielmann seine Harfe

erklingen, ein Meister seiner Kunst.

Als sein erstes Stück zu Ende war, fragte König Marke den ihm zu Füßen sitzenden Tristan:

Junger Freund, was sagt Ihr zu dieser Melodie? Gefällt sie Euch?

Tristan wandte sich an den Harfner: Meister,

Ihr habt der alten Weise ein neues schönes Kleid umgetan, der alten Weise zu dem Liede

von der Dame, die, ohne daß sie es ahnte, das Herz ihres Liebsten gegessen, des Ritters

Gralant, den ihr eifersüchtiger Gemahl auf der Jagd umgebracht hatte. Ihr habt wohlgetan,

der allbekannten alten Melodie ihre Art zu lassen. Ein Bretone hat sie ersonnen vor langen

Zeiten.

Was wißt Ihr von meiner Kunst? entgegnete der Spielmann ärgerlich. Ihr seid doch ein Kind,

kaum kundig eines Instruments.

Ein wenig spiele ich die Harfe, erwiderte Tristan, ohne seine Worte irgendwie zu betonen,

aber auch die Rotta. Gebt mir eine! Die habe ich am liebsten.

Man brachte ihm die Zupfgeige.

Tristan präludierte. Darauf sang er den bretonischen Text des Liedes von der Herzemäre.

Alle, die es hörten, waren ergriffen. Am meisten

König Marke. Wie das Lied zu Ende war, zog er den Sänger an sich und küßte ihm die

dunkelumlockte Stirn.

Gesegnet sei der Meister, der dich das gelehrt hat, zur Freude der Menschen! rief er aus. Sag

an, wer ist dein Vater? Wo ist deine Heimat? Wer sind deine Lehrer?

Tristan deutete auf Kurwenal.

Der da, mein Freund und Hofmeister, der mag Euch auf Eure Frage Rede und Antwort stehen,

König Marke!

Kurwenal hielt den Augenblick für günstig.

Schweigsam überreichte er dem Fürsten den Reif, den ihm der Seneschall auf die große Fahrt

durch die Welt mitgegeben hatte.

Marke erkannte das Kleinod. Es war der Ring seiner eigenen Mutter, eine Brautgabe seines

Vaters. Blankeflor, Markes Lieblingsschwester, hatte ihn getragen bis zu ihrem letzten

Atemzuge.

Tränen zärtlicher Erinnerung traten ihm in die Augen.

König Marke, rief Kurwenal feierlich aus, dies ist Tristan von Leonnois, Euer Neffe, der Sohn

Eurer Schwester Blankeflor und des Königs Riwal, der sein Leben geopfert hat für Euer Land!

Ich habe Euern Neffen erzogen, auf daß er Ritter und Hofmann und vor allem Freund aller

Edlen werde.

Jene geheimnisvolle Stimme in mir hat mich also nicht betrogen, sprach der König. Vom

ersten Augenblick an wußte ich, daß du mein Sohn bist. Der Truchseß bringe uns goldne

Becher! Keiner der Tage, die ich bisher erlebt, war schöner denn dieser Tag.

Es ging ein wunderbares Licht von Tristans jungen Augen aus. Alle, die in der Halle saßen,

waren voller Freude.

Nur einer begann ihm zu grollen, Audret, denn

er sagte sich in bitterer Enttäuschung: Nimmermehr werde ich nun König von Cornouaille!

Fünf Jahre schon weilten Tristan und Kurwenal im Schlosse Tintagol. An König Markes

kurzweiligem Hof flogen die Tage rasch dahin.

Der junge Herr von Leonnois übte sich nach Herzenslust mit Schwert und Lanze, pflog

Waidwerk und Fischfang, ritt schwere und leichte Rosse, richtete Hunde und Falken ab,

warf Ball, schoß mit Pfeil und Bogen, trieb Musik und Schachspiel. Kurwenal

unterrichtete ihn in den Sprachen, die er beherrschte. So lernte Tristan Latein,

Normannisch und Fränkisch in der Pariser Mundart. Alles das kam ihm später gar wohl zu

statten. Und was an alten Liedern im Lande war, auch derlei blieb ihm nicht unbekannt,

dank dem gelehrten alten Kaplan, des Königs Geheimschreiber, dem es Freude machte,

die von den andern Geistlichen verdammten und verfolgten Denkmäler aus heidnischer

Heldenzeit zu sammeln und Liebhabern vorzulesen. Es war ein Lustrum behaglichen

Friedens und stiller Freuden.

Da plötzlich, an einem Frühlingstage, traf schlimme Nachricht ein.

König Hangwin von Dowelin, der schreckliche Wikingerfürst, der vor zweiundzwanzig Jahren

die bretonischen Lande bezwungen und verwüstet hatte, forderte durch eine Gesandtschaft den

Tribut, der ihm als Sieger noch zukam. Das war: hundert Pfund Gold, zweihundert Pfund

Silber, dreihundert Pfund Kupfer und hundert Jungfrauen aus den Bauern und Knechten

ebenso wie aus den Familien der Edelleute.

Nimmermehr konnte sich König Marke dazu verstehen, den schmachvollen Vertrag zu

erfüllen.

Er empfing die Boten. Ihr Führer war der Herzog Morold, wohlbekannt jedem Bretonen.

Damals, als er den König Riwal erschlug und im Lande Leonnois einbrach, war er ein

unlängst mündiger Jüngling. Jetzt ein stattlicher Vierziger in der Blüte seiner Heldenkraft.

Kampf war seine Leidenschaft, Krieg sein Handwerk, Grausamkeit seine Lust. An Gestalt

war er ein Hüne. Auch den größten Bretonen überragte er um Haupteslänge.

Als sich Marke, insgeheim ächzend und seufzend, auf seinen Königssessel gesetzt hatte, in der

hohen Halle von Tintagol, umgeben von seinen Baronen und Räten, da hob Herzog Morold

an:

König Marke, ich bringe Euch und Eurem Volke die letzte Botschaft meines Herrn, des

Königs Hangwin. Er fordert den ihm durch Sieg und Vertrag zukommenden Tribut, der

seit mehr denn zwanzig Jahren aussteht. Zahlt Ihr ihn,

so seid Ihr des Vertrages frei und ledig, und es herrscht Frieden zwischen Euerm und

unserm Volke. Gebt das Gold, Silber und Kupfer bei meinen Schiffen ab! Sie ankern

gegenüber der Insel des Heiligen Samson, wie Eure Kuttenträger den Ort jetzt nennen.

Ebenso die hundert Jungfrauen, wohlausgesucht, ohne Lahme und Bucklige. Laßt durch

das Los im Lande bestimmen, welche es sein sollen, und gebt sie ohne Verzug ab!

Der König von Cornouaille stand erregt auf.

Herr Herzog! rief er. Das Gold und Silber sollt Ihr hinwegführen, nimmermehr aber die

Jugend meines Landes! Ändert diese schmachvolle Bedingung; sie ist unwürdig Eures Königs

und Eures ruhmreichen Volkes!

Morold sann nach.

Die Kampflust war stärker in ihm als die Raubgier. Er schaute sich überlegen und

hochmütig

im Kreise um. Alle die Ritter König Markes, in ihren bunten Röcken, mit ihren höfischen

Schwerterchen, dünkten ihn drollig und spaßig. Etliche kamen ihm obendrein unverschämt

und anmaßend vor. Unsagbar gern hätte er mit dem oder jenen auf der Stelle einen kleinen

Waffentanz angestellt. Es lüstete ihn mächtig, einem dieser Maulhelden ein Maß Blut

abzuzapfen.

Wenn Ihr glaubt, König Marke, sagte er in kühlem Tone, daß Euch der rechtliche Tribut

schändet, so gäbe es wohl einen Ausweg. Stellt mir einen aus der Schar Eurer Edlen! Er soll

mir im ehrlichen Zweikampf entgegentreten. Wir werden um den Tribut kämpfen. Fällt er, so

zahlt Ihr den Tribut! Falle ich, dann haben wir unser Recht verloren! Ihr Herren von

Cornouaille, wer von Euch will für die Freiheit Eures Volkes mit mir fechten?

Verstohlen schauten die Ritter des Landes einander

an. Keiner trat vor, und alle senkten sie die wohlgelockten Häupter.

Der Eine sagte zu sich: Sieh ihn dir an; er ist stärker als vier Männer!

Betrachte sein Schwert! meinte der Andre. Es ist verhext und verzaubert. Sowie er ausholt,

fliegt schon der Kopf seines Feindes.

Der Dritte: Wehe um meine schöne junge Tochter! Habe ich sie erzogen, damit sie Magd und

Dirne eines verruchten Wikingers wird?

Aber mein Tod rettet sie doch nicht!

Und keiner trat vor.

Da hielt es den jungen Tristan nicht länger.

Schwer atmend rief er aus:

König und Herr, laßt mich kämpfen mit dem Feinde Eures Landes!

Marke schüttelte sein graues Haupt.

Ihr seid zu jung und noch nicht Ritter!

So schlagt mich zum Ritter!

Morolds finsterer Blick maß den verwegenen Jüngling geringschätzig vom Scheitel bis zur

Zeh. Wer seid Ihr, junger Mann? fragte er in gönnerhaftem Tone. Wißt Ihr, daß der Herzog

Morold nur mit Erkorenen zu kämpfen gewohnt ist? Wer seid Ihr? Wer ist Euer Vater?

Tristan erbebte. Die heiligste Pflicht seines Lebens, die Blutrache, hob ihm das Herz.

Tristan bin ich, Herr von Leonnois, einziger Sohn des Königs Riwal, mit dem Ihr gekämpft

habt wie ich mit Euch kämpfen will, auf Leben oder Tod. Ihr habt ihn erschlagen vor zwei

Jahrzehnten. Aber er ist wiedergeboren in mir, seinem Rächer!

Herzog Morolds Augen wurden heller. Der angehende Ritter gefiel ihm. Er erinnerte sich

jenes Zweikampfes zwischen den Fronten der Wikinger und Cornouailler. Damals war er

ein Jüngling wie dieser da. Und mit

wohlwollender Gebärde erwiderte er ihm: Angenommen! Laßt Euch zum Mann und Ritter

schlagen, und nach drei Nächten kommt zur Mittagszeit nach der Insel des Heiligen

Samson, unweit der Bucht, wo meine Schiffe liegen. Dort soll der Waffengang geschehen.

Einen von uns beiden werden sie zu Grabe tragen!

Er grüßte den König und die Barone und schritt langsam aus der hohen Halle.

Tristan sank vor seines Oheims Thron in die Knie. Kurwenal ließ König Riwals Schwert

herbeibringen. Mit diesem schlug König Marke unter feierlicher Rede den Zwanzigjährigen

zum jüngsten Ritter seines Reiches.

Am bestimmten Tage, als die rote Sonne aufging, legte Tristan sein Panzerhemd an, gürtete

sich und setzte die graue Stahlhaube auf das Haupt. Herr Kurwenal trug ihm das väterliche

Schwert.

Ernsten Gemütes nahmen sie Abschied vom Könige.

Heuchlerisch umringten die Barone den Helden. Fürwitzig seid Ihr! rief ihm Herzog Audret

zu. Hättet Ihr Euch nicht so leichtsinnig preisgegeben, manch andrer von uns hätte den

blutigen Strauß mit mehr Aussieht auf Erfolg gewagt. Jetzt ists gewiß um Euch geschehn. Um

Euch und unser aller Freiheit. Ihr seid zu unerfahren. Wahrlich, Ihr verderbt das glückliche

Land Cornouaille!

Das Glöcklein der Burgkapelle begann zu läuten. Drei Mönche kamen und segneten den

jungen Rittersmann.

Sodann trabten Kurwenal und Tristan guten Mutes zum Tor hinaus.

Gegenüber der Einfahrt in die tief ins Land stoßende Bucht La Rance lag die kleine Insel

Sankt Samson. Wo das

Kirchlein des Heiligen stand, verriet ein Riesenstein den späteren Geschlechtern, daß

ehedem hier Odin verehrt ward.

Die beiden Reiter stiegen bei der Burg Dinan in die bereit gehaltene Barke. Hoch überm

Mastbaum flatterte die Löwenstandarte. Kurwenal gab dem Schiffer die Pferde und nahm

selber das Ruder. Die eben beginnende Ebbe erleichterte ihm die Arbeit. Vorbei an der Bucht,

wo die Wikingerschiffe lagen, gelangten sie zur Insel, an der im gleichen Augenblick Herzog

Morold nebst einem Gefolgsmanne einer großen prächtigen purpurbesegelten Barke entstieg.

Alter Kämpfersitte gemäß begrüßten sich die feindlichen Ritter. Und ehe Tristan zum

erhöhten Felsenstrand emporstieg, stieß er mit kräftigem Fußtritt seinen Nachen zurück in

die abbrodelnde Brandung.

Der Wikingerfürst sah es, lachte ingrimmig und sprach:

Junger Freund, was tut Ihr da? Gebt Ihr die Rückkehr auf?

Mit Nichten, Herr Herzog! entgegnete hochmütig der Leonnois. Nur Einer von uns beiden

bedarf einer Barke. Euer Prunkschiff wird des Siegers würdiger sein als dort mein armseliger

Kahn.

Das herzlose Wortgefecht spann sich nach alter Sitte noch eine Weile aus, während die

Kämpfer sich zur Mitte der Insel begaben. Die Begleiter blieben am Strande zurück.

Als der bitteren Spottreden genug war, begann der einsame Zweikampf.

Lange ging des Waffenglück hin und her, aber keiner bezwang ernstlich den andern. Beide

Fechter bluteten aus geringen Wunden.

Morold ward hitziger. Ein mächtiger Schlag seines Schwertes gegen Tristans Brust warf

ihn in die Knie. Hurtig aber sprang der Unverletzte wieder auf, holte aus und schlug mit

wuchtigem Streich des Gegners rechte Hand ab.

Der Schwergetroffene wandte sich zur Flucht.

Der Kampf sei entschieden! rief er dem jungen Sieger zu. Cornouaille sei seines Tributs fortan

frei.

Rache für König Riwal! schrie Tristan im Taumel des Kampfes, rann von neuem wider den

Herzog und hieb ihm das Schwert durch Helm und Schädel.

Tot sank Morold zu Boden.

Tristan zog seine blutige Waffe aus des Erschlagenen Haupt und besah sie sich. Ein

Splitter war aus der einen Schneide gebrochen und in der Schädeldecke des Besiegten

stecken geblieben.

Unter dem weithin prunkenden Purpursegel landete Tristan, ehrfürchtig begrüßt von der

Schar Leute, die sich inzwischen in banger Erwartung am Strand eingefunden hatten.

Gar bald darnach stachen die Drachenschiffe lautlos in die graue See.

Im Schlosse Tintagol brach Jubel und Freude aus, als der Späher vom Turm Tristans

Wiederkehr verkündete.

Keiner hatte einen ihm glückhaften Verlauf des Holmganges erwartet.

König Marke empfing den glorreichen Sieger vor seinem Thron und küßte ihn angesichts aller

dreimal auf die Stirn.

Ich werde dich lieben solange ich lebe! gelobte er in inniger Dankbarkeit dem Neffen, den er

schon verloren geglaubt. Fluch jedem, der dir feindselig ist!

Von Stund an gab es zwei Parteien am Hofe

König Markes, die eine für Herrn Tristan, der ihr als künftiger König von Cornouaille galt,

die andre wider ihn. Ihm zugetan war und blieb insbesondre Ritter Tynas, der Seneschall

des Landes. Übelgesinnt hingegen war Herr Audret sowie dessen Freunde, die Barone

Ganelun, Godwin und Denowal.

Wie sie sahen, daß König Marke seinen wiedergefundenen Neffen als Thronerben zu

behandeln begann, nicht nur von rechtswegen, vor allem, weil er sein so lange Jahre

liebeleeres Herz gewonnen hatte, da schwoll ihr böser Neid, und sie wendeten jede List und

Lüge an, um die Edeln des Landes wider den Eindringling aufzubringen. Im Volk aber ward

Herr Tristan gepriesen als Retter des Vaterlandes.

Voll Trauer erreichten Morolds Gefährten den Hafen von Dowelin. Den in eine Hirschhaut

genähten Leichnam des

gefallenen Recken trugen sie zur hohen Burg König Hangwins.

Dumpf ächzte das Volk.

Rachegierig murmelten die Häuptlinge.

Entsetzt stöhnte die Königin.

Stumm stand der König an der Bahre seines Sohnes. Neben ihm Isolde, sein nun einziges

Kind, die goldblonde Achtzehnjährige. Keines der beiden hatte Tränen im Auge. Nicht zu

Unrecht hieß es in der damaligen Welt: Weder über ihre Sünden noch um ihre Toten

vermögen Wikinger zu weinen.

Weit und breit war die Königstochter berühmt als klügste Ärztin auf der Grünen Insel.

Niemanden gab es im Lande, unter Herren wie Knechten, der je, wundenbedeckt

zurückgekehrt, nicht alsbald Heilung gefunden hätte durch das Wunder ihrer Kunst. Aber

was nützte ihr heute dies heilige Wissen?

Der geliebte Bruder war nicht zu retten. Droben in Walhall hatten ihn die Helden der

Vorzeit begrüßt.

Isolde untersuchte die gräßliche Schädelwunde, und da fand sie einen Splitter vom Schwerte

des fernen Feindes.

Wie heißt er, fragte sie einen der Führer der heimgekehrten Schiffe, wer war es, der Irlands

Eiche gefällt hat?

Herr Tristan, Herzog von Leonnois! berichtete der Seemann.

Tristan von Leonnois! wiederholte die blonde Jungfrau, ergriffen von einer heimlichen

Gewalt, die sie fühlte und nicht verstand. Der bretonische Löwe hat mir das Herz zerrissen.

Wahrlich, bisher war ich Freundin aller Menschen. Hart bin ich geworden und böse. Du,

Tristan, du bist es, der mich wandelt! Mit Haß hast du mir die Seele gefüllt. Wehe dir!

Unrast

sei dein Los, Kampfgefilde deine Heimat!

Trompetenschall leitete die Totenfeier ein.

Racheschwüre, Verwünschungen und Flüche umbrandeten Isolden. Hochmütig verachtete sie,

was sie nicht allein empfinden durfte. Nichts teilte sie mit anderen.

Den blutumronnenen Schwertsplitter in der Hand, eilte sie hinauf in ihre Kemnate und schloß

ihn in den elfenbeinernen Schrein, der ihre Juwelen barg.

Während man am Felsenstrande den Grabhügel türmte, ließ König Hangwin im Reiche

verkünden: Wer je es wagt, von Cornouailles Küste kommend, unser Eiland zu betreten, soll

ergriffen und gehenkt werden oder schmählich erschlagen!

Abermals vergingen drei Jahre. Der Kampf mit Morold hatte des jungen Helden Leben

umgestaltet. Seitdem fühlte er sich

als Ritter und Mann, und der Drang nach kühnen Abenteuern wuchs in ihm von Tag zu

Tag. Die Ruhe der Seele war ihm verloren gegangen.

Stundenlang verweilte er, auf seinen weiten einsamen Ritten auf Grani, seinem

Lieblingshengst, nur von seinen Hunden begleitet, nahe dem Meeresgestade, auf dem Doler

Berge. Dort träumte er von seinen Plänen.

Welche Tat muß ich vollenden, fragte er sich, damit der Name Tristan von Leonnois über dies

grüne Land, über die weißen Wogen dort, durch alle Welt klingt als der herrlichsten einer noch

in Tausenden von Jahren?

Freund Kurwenal weiß zu erzählen, daß irgendwo in der Ferne, über dem grauen Weltmeere

das Eiland Avalun leuchtet. Wer es erreicht, ist unsterblich.

Werde ich auf meiner großen Wanderfahrt diese göttliche Insel der Ewigkeit finden?

Feindselig lauerte Herzog Audret auf eine Gelegenheit, die seinen Vetter vom Hof

entfernen könnte. War der Verhaßte einmal fort, wer weiß, ob er dann jemals

wiederkehrte.

Mit viel Geschick hatten Audrets Parteigänger es zuwege gebracht, daß es unter den

Würdenträgern des Reiches nur wenige gab, die König Markes Vorliebe für Tristan billigten.

Niemand freilich zweifelte daran, daß des Herrschers Wille, seinem bevorzugten Neffen den

Thron zu hinterlassen, unbeugsam war, es sei denn ein leiblicher Erbe mit natürlichem

Vorrechte verdrängte den Erkorenen.

Marke war ein echter Hagestolz, und wahrlich, nichts war schwieriger als den schon zum

Einzelgänger gewordenen zu später Ehe zu bereden.

Gleichwohl, man mußte es versuchen. Darum hörte Audret nicht auf zu sagen: Verehrter

Herr

Oheim, Ihr müßt Euch ein Weib nehmen, denn es ziemt keinem Fürsten, Herrschaft und

Untertanen kinderlos zu hinterlassen. Wählt unter den Königstöchtern der Nachbarländer!

Sorgt für einen Leibeserben! Ihr seid es Eurem Volke schuldig.

Ganelun, Godwin und Denowal und alle andern Feinde Tristans bestürmten den König mit

dem gleichen Rate. Mitunter flochten sie verblümte Drohungen in ihre Reden, sprachen von

Überdruß, Kränkung und Hofflucht.

Der König wußte sich nicht mehr zu helfen. Obgleich er entschlossen war, solcher Bitte und

Nötigung immerdar Widerstand zu leisten, wollte er doch auch in Frieden mit seinen Baronen

verbleiben und sich seine Liebe zu Tristan nicht vergällen lassen.

Als aber selbst dieser eines Tages ernstlich in ihn drang, dem Wunsche der Ritter zu

willfahren,

da ihm sonst das Bleiben am Hofe verleidet sei, da versammelte König Marke seine

Edelleute und hörte sie einzeln an. Und da er vernahm, daß die Mehrheit mit seinem

Vorhaben unzufrieden war, bedingte er sich Bedenkzeit aus und befahl den Baronen, nach

vierzig Nächten nochmals vor ihm zu erscheinen.

Zwischen dem König und seinem Neffen herrschte das Schweigen der Erwartung. Keiner

sah einen guten Ausweg. In seinen Gedanken und Träumen sehnte sich Tristan weit weg

vom Haß und Neid seiner feigen Feinde, während Marke in seinem früheren Willen zu

schwanken begann. Allmählich machte er sich mit der Notwendigkeit vertraut, seinen

vornehmsten Wunsch und zugleich sein behagliches Hagestolztum zu opfern. Und wenn er

seinen hämischen Untertanen zuliebe auch einer Frau Venusin die Hälfte seines Thrones

einräumte, war damit der leibliche Erbe verbürgt?

Gleich einem Faun laut lachend, bedachte er dies, als er am vierzigsten Tage zu früher Stunde

sein fürstliches Himmelbett verließ und sich ans offene Fenster begab, um sich am

Maienmorgen zu erfrischen.

Da verflog sich im Eifer neckischen Streites ein sich jagendes Schwalbenpaar in Markes

Gemach. Es hatte wohl droben im Turm sein noch unfertiges Nest. Und wie die beiden Vögel

erschrocken sahen, wohin sie geraten waren, schwirrten sie durch das weite Fenster hurtig

wieder hinaus und entschwanden mit fröhlichem Schrei im Blau der Lüfte. Ihren Schnäbeln

war der Gegenstand ihres Spieles entfallen, ein langes Frauenhaar, blonder als Dukatengold

und feiner als feinste Seide aus dem Morgenlande.

König Marke hob das Haar auf.

Wiederum lachte er wie ein Faun:

Das senden mir die Götter!

Meine verehrten Ritter und Räte, sprach König Marke, als er gegen Mittag in die hohe Halle

vor die harrenden Herren trat. Vorausgesetzt, daß der Brautwerber, den ich aussenden werde,

seines Auftrages gerecht wird, ist es mein königlicher Wille, Eurem Wunsche zu willfahren.

Ich habe meine Wahl unter den Töchtern der Erde getroffen.

Man murmelte Beifall, wennschon sich keiner der Höflinge klar ward, ob der Fürst im Spott

oder im Ernst redete.

Darum stellte Herzog Audret die Frage: Sagt, König Marke, wer ist die Erkorene?

Marke erzählte die kleine Geschichte vom Schwalbenpaar und fügte hinzu: Die dieses

wundersame Goldhaar ihr eigen nennt, die habe ich erkoren. Wisset, nie und nimmer

werde

ich einer Andern die Krone des Landes anbieten. An Euch aber, meine Herren, ist es, die

Königsbraut nach Tintagol zu geleiten. Ich ahne es nicht, woher die Schwalben ihren

Schatz mitgebracht haben. Gewiß aus weiter Ferne, denn unter den Bretoninnen habe ich

solch Goldhaar niemals gesehen.

Audret vermochte des Argwohns nicht ledig zu werden, sein königlicher Oheim treibe argen

Scherz mit ihm und seinen Genossen, um sich ihrer Forderung listenreich zu entziehen.

Mit bösem Blick auf Tristan fragte er: Wir freuen uns Eures Entschlusses, König Marke. Doch

sagt, wer soll Euer Brautwerber sein?

Ich dachte zuvörderst an Euch, lieber Neffe, erwiderte der Herr der Bretonen, offenbar

belustigt, denn Ihr wart doch wohl der Vater des Gedankens.

Audret verbeugte sich geschmeichelt, um seine Ratlosigkeit zu verbergen. Empört über die

Wendung der Dinge schaute er sich um. Es dünkte ihn, über die Gesichter seiner besten

Freunde husche unverkennbare Schadenfreude. Er, der das gemächliche Leben über alles

liebte, er sollte sich urplötzlich aufmachen und in die weite Welt fahren – mit dem

lächerlichen Auftrage, zu einem ausgekämmten Frauenhaar die wer weiß wo weilende

Besitzerin aufzuspüren!

Zu seiner Überraschung trat Tristan vor den Oheim und sagte: Verstattet mir in Gnaden,

König Marke, daß ich mit etlichen Eurer Ritter und Mannen ausziehe, auf einem Eurer

Schiffe, um die Eine zu suchen, der dies schöne goldene Haar zu eigen ist! Ich zweifle

nicht, daß die Schwalben Boten des Schicksals waren. Irgendwo über Land und Meer harrt

eine herrliche

Königstochter Eurer Werbung. Verlaßt Euch auf mich! Ich werde die Königsbraut gen

Tintagol geleiten.

Möge er nimmer wiederkehren, der Narr! frohlockte Herzog Audret insgeheim; laut aber

sprach er: Wie soll dies Euch gelingen, Herr Tristan? Fürwahr, Ihr habt den Mund gehörig

voll. Hierbei werdet Ihr wohl andre Gefahren zu bestehen haben als auf der Insel des Heiligen

Samson, durch dessen Zauber Ihr den Wikinger erschlugt. Schon sehe ich Euch wieder in

unsrer hohen Halle, ohne die goldene Braut mit der verlegenen Nachricht: Einer Fee gehört

das Goldhaar, fern in einem Märchenlande, doch dies Paradies habe ich leider nicht betreten.

Hochmütiger denn je rief Tristan aus: König Marke, achtet des albernen Geschwätzes so

wenig wie ich! Aus Dankbarkeit, Liebe und Treue zu Euch, meinem edlen Oheim und

gütigen Schutzherrn, fahre ich über das Weltmeer, bis ich finde, was ich suche,

meinetwegen nach Avalun. Leib und Leben will ich unverzagt einsetzen. Und nie kehre

ich zurück nach Tintagol, es sei denn, ich bringe Euch die Königin mit dem Goldhaar. Das

schwöre ich Euch bei meiner Ritterehre!

König Marke ließ sein bestes Schiff rüsten und es reichlich mit Korn, Wein, Honig und

anderm Unterhalt versehen. Zwölf tatenlustige junge Ritter wählte sich Herr Tristan und

dreißig wackere kühne Männer. Allen befahl er, sich wie Kaufleute zu kleiden. Die Waffen

aber und die Panzerhemden verbarg man im Unterraume; dazu prächtige Gewänder, schöne

Schuhe, kostbare Pelze und köstliche Scharlachmäntel, wie sie würdigen Brautwerbern eines

mächtigen Fürsten geziemen.

Er selber sowie Freund Kurwenal gingen

gekleidet als vornehme Spielleute, in roten Röcken und gelben Mützen.

So fuhren sie in das hohe Meer, auf ihrem Drachenschiffe, das Segel dem Winde bietend, der

glückhaft wehte.

Schon am dritten Tage erblickte man Land.

Der Steuermann erkannte die langen Felsen. Das Schiff flog König Hangwins grünem Eilande

zu. Er vermeldete es Herrn Tristan.

Ihr wißt, Herr Tristan, setzte er bedachtsam hinzu, seit Morolds Tod sind wir Bretonen

dortzulande vogelfrei. Wer gefaßt wird, hängt alsobald am Galgen. Es ist gar manchem schon

so ergangen. Befehlt Ihr den Kurs zu ändern? Ich denke nicht daran! lachte Tristan. Der

göttliche Zufall hat unsern Kiel hierher geführt. Es ist unser Los, in König Hangwins Land zu

Ehren oder zu Schanden zu kommen.

Frohgemut landeten die bretonischen Werber im Hafen von Dowelin.

Tristan ließ nur die Wenigen in die Stadt, die andrer Sprachen als bloß der bretonischen

mächtig waren, und so glaubten die Hafenleute, das Schiff sei ein Kaufmannsschiff aus dem

Angellande. Nur fiel es ihnen auf, daß die Fremdlinge sich um Handel und Schacher wenig

kümmerten. Die meisten von ihnen vertrieben sich den lieben langen Tag mit Brettspiel oder

bei den Würfeln und verblieben an Bord.

Solches ward dem Könige Hangwin nach seiner Burg, die weithin über Meer und Land lugte,

berichtet, worauf der Befehl kam, bei erster bester Gelegenheit seien etliche der Fremdlinge zu

ergreifen und ihm vorzuführen.

Andern Vormittags nahm man den Steuermann und zwei der Leute gefangen, wie sie auf

dem Markt einen feisten Hammel für die Schiffsküche

kauften. Die Verhafteten wurden in den Wachtturm gesperrt, um sie nach Mittag hinauf

zur Burg zu schleppen.

Tristan erfuhr das Geschehnis. Sofort übergab er den Oberbefehl seinem ältesten Ritter und

eilte nach dem Kerker, bei ihm Kurwenal, beide als Spielleute mit ihren Geigen, aber mit

Schwert und Dolch versehen.

Wie der Stadthauptmann der beiden Kavaliere in ihrem unverhohlenen Zorn ansichtig ward,

empfing er sie ungemein ehrerbietig. Das war bei aller seiner Rauheit so seine Art; er hatte

nicht ohne Gewinn seine drei Dutzend Wikingerfahrten hinter sich. Es war ihm nicht recht

klar, was er machen sollte, in welchem Falle er übertriebene Höflichkeit für das Schlaueste

hielt. Und mit Recht, denn Herrn Tristans Ingrimm legte sich flugs. Vor Weltmannstum, so

hatte ihn Kurwenal gelehrt, bleiben nur Landsknechte wütend.

Artig und gelassen sprach er: Herr Hauptmann, ich bitte Euch, laßt diese drei Leute unsers

Schiffes gütigst frei!

Herr Spielmann, erwiderte der Normanne, ich habe König Hangwins Befehl, etliche von Euch

Fremdlingen vor ihn zu führen. Meinem Herrn gehorche ich.

Das sah Tristan ein, und er sagte: So führt uns beide vor Euren König, laßt aber die Andern

ihres Weges ziehn. Es ist bald Mittag, und Ihr wißt, die Seeluft macht hungrig. Überdies

sprechen wir Spielleute Eure Normannensprache, und diese Leute nicht.

Dem Stadthauptmann war der Tausch recht, denn es dünkte ihn, die beiden seien vornehmer

als jene drei. So entließ er sie mit ihrem Hammel.

Oben im Normannenschlosse, wohin man sie in ritterlicher Weise zu Pferd gebracht,

standen Tristan und Kurwenal alsbald

vor König Hangwin und seinen Hofleuten. Seinem Sessel zur Seite saß seine Tochter

Isolde.


Tristan und Isolde

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