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IX

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Inzwischen war in den inneren Verhältnissen im Reiche Perú ein Wandel eingetreten. Der Kronprinz Huaskar hatte als vierzehnter Inka den Thron seiner Väter bestiegen. Einige Jahre blieb sein Verhältnis zu seinem Halbbruder Atahuallpa, der im Lande Quito selbständig herrschte, ungestört. Huaskar wird von den Chronisten als sanftmütiger und friedsamer Mensch geschildert, während Atahuallpa verwegen, tatendurstig und kriegliebend war. Er trachtete danach, Gebiet und Macht zu erweitern. So kam es, daß sich die beiden Brüder mehr und mehr entfremdeten. Intriganten an beiden Höfen verstanden diesen durch die verschiedene Natur begründeten Gegensatz allmählich zur gegenseitigen Feindschaft zu treiben. Irgendeine an sich belanglose Grenzfrage brachte es zu offenem Streit und schließlich zum Kriege. Der Überlieferung nach kam es zu einem Gefecht bei Tomebamba, der größten Stadt der Grenzgegend. Atahuallpa geriet in die Gefangenschaft seines Halbbruders. Es gelang ihm jedoch, wieder zu entrinnen und sich an die Spitze eines ansehnlichen Heeres zu stellen.

Er war damals noch nicht dreißig Jahre alt. Da er ein geborener Soldat war, vergötterten ihn die Truppen. Unterstützt von zwei im Krieg ergrauten tüchtigen Feldherren, Kizkiz und Tschalkutschima (dieser war ein Bruder der Königin-Witwe), begann Atahuallpa den Vormarsch gen Süden. Bei Ambato, zu Füßen des Chimborazo, den die Spanier für den höchsten Berg der Erde hielten, begegneten sich die Heere der feindlichen Brüder. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend währte der wütende Kampf. Atahuallpa blieb Sieger. Tausende deckten die Walstatt, darunter der peruanische Heerführer.

Atahuallpa ließ seinen Sieg nicht unausgenutz. Sofort nach der ersten Entscheidung setzte er mit seinem Heere den Marsch fort und nahm alsbald das befestigte Tomebamba, das ebenso wie die gesamte Provinz Kanaris zwar schon längst zum Lande Quito gehörte, trotzdem aber zum Könige Huaskar gehalten hatte. Die Stadt, die sein Vater geliebt hatte, ward von Atahuallpa in Brand gesteckt und ihre Einwohner niedergemacht.

Auf dem weiteren Vordringen ergab sich eine Stadt nach der andern widerstandslos. Das grausame Schicksal von Tomebamba hatte gewirkt. Dann aber hielt die Insel Puna (in der Bucht von Guayaquil), die von Peruanern besetzt war, den Marsch auf. Wenn diese Insel die Heeresstraße längs der Küste des Festlandes auch nicht gerade beherrschte, so konnte man doch nicht ohne weiteres an ihr vorüberziehen. Nun gelang es dem klugen Atahuallpa, nach einigem Verweilen die Stadt Tumpez, deren Bürger schon immer zu ihm geneigt hatten, gänzlich auf seine Seite zu bekommen und sich bereit zu erklären, die feindlichen Kräfte auf der Insel Puna in Schach zu halten. Dadurch konnte er mit seihen Truppen weiter auf das noch ferne Kuzko marschieren.

In Kaxamalka (dem heutigen Cajamarca), ungefähr in der Mitte der Gesamtentfernung von Quito bis Kuzko, rastete Atahuallpa einige Tage. Diese schöne gepflegte Stadt, berühmt durch ihre warmen Quellen, in wunderbarer Lage inmitten eines Gebirgsbeckens von fünf Leguas Länge und drei Leguas Breite, von der gebildetsten Bevölkerung des ganzen Reiches bewohnt, machte er zu seinem Haupt-Etappenort. Während seine beiden Feldherren mit der Hauptmacht weiterzogen, blieb er selber hier, mit einer Abteilung (etwa 5000 Mann jüngerer Jahrgänge) des Heeres, und errichtete ein festes Lager im Süden der Stadt, am Warmbade.

Kizkiz und Tschalkutschima gelangten in Eilmärschen an den Apurimak, einen gewaltigen Zufluß des Amazonenstromes. Zweifellos waren die in Peru gebräuchlichen eigentümlichen Hängebrücken aus dicken Weidentauen mit Bohlenbelag vom Gegner zerstört. Das Hindernis ward schleunigst überwunden, und bald betrat das Heer die Hochebene von Vilcaconga unweit Kuzko.

König Huaskar hätte nach der erlittenen Schlappe – auf Rat der Priesterschaft – alle noch vorhandenen Streitkräfte in seiner Hauptstadt zusammengezogen. Vom Standpunkte der Strategie war dies wohl kaum die rechte Maßnahme, es sei denn, sein Land wäre von vornherein ganz und gar nicht kriegsbereit gewesen.

Vor dem Nahen des feindlichen Heeres bezog er eine Gefechtsstellung am Südende der Hochebene. Auf beiden Seiten war man sich bewußt, daß alles auf dem Spiele stand. Wiederum ward vom Morgen bis zum Abend mit aller Leidenschaft auf beiden Seiten gekämpft. Die Gefechtsstärken sind uns nicht überliefert. Vermutlich befehligte Huaskar das numerisch größere Heer, während das seines Bruders durch soldatische Zucht, bessere Bewaffnung und größere Kriegserfahrung überlegen war.

Wiederum war das Kriegsglück Atahuallpa hold. Bei Sonnenuntergang war der Widerstand der um eine gerechte Sache Kämpfenden gebrochen. In wilder Unordnung wichen die Peruaner auf Kuzko zurück. Das Schlachtfeld war mit Toten und Sterbenden besät. Noch lange nach dem Einbruch der Spanier mahnten dort Massen bleichender Knochen daran daß es die Einigkeit ist, die allein ein Reich vor fremden Eroberern sichert.

Die Sieger stürmten den Wankenden auf den Fersen nach. Wie es sich für einen König geziemt, wenn sein Volk nach heldenmütigem Kampfe untergeht, kämpfte Huaskar mit tausend Getreuen in der Nachhut. Fast alle fanden den Tod. Den König schützte nur der Umstand, daß sein Feind ihn lebendig in die Gewalt bekommen wollte.

Noch in der Nacht marschierten die beiden Generale in die Hauptstadt ein. Der gefangengenommene Huaskar ward auf Befehl seines Bruders unter Wahrung seiner Würde in die Burg der Stadt Xauxa (Jauja) gebracht.

Macchiavell sagt in seinem Fürstenspiegel: um in einem eroberten Lande sicher zu herrschen, genüge es, die Familie des früheren Herrschers auszurotten. Das berühmte Buch ist 1532 in Rom erschienen, also zufällig im Jahre der Schlacht in der Hochebene von Vilcaconga. In der Alten wie in der Neuen Welt waren die Menschen die nämlichen Raubtiere.

Atahuallpa berief die sämtlichen Mitglieder des geschlagenen Herrscherhauses in das Schloß von Kuzko, indem er ihnen sagen ließ, eine gemeinsame Beratung erachte er als das beste Mittel, das Land wieder zu Ruhe und Ordnung zu bringen. Der größte Teil des Inka-Adels leistete dem Aufruf Folge. Atahuallpa erschien selber nicht. Er hatte den Befehl gegeben, die gesamte Versammlung niederzustechen. Er schonte keinen. Halbbrüder, Oheime, Vettern sanken hin. Sogar Frauen und Jungfrauen der Königsfamilie wurden hingeschlachtet.

So berichtet Garcilasso de la Vega (1540—1616) in seinen »Commentarios Reales«; aber da er selbst ein Inka-Edelmann war (seine Mutter war eine Enkelin des Königs Topak Yupanki), so straft er seine eigene Geschichtsschreibung Lügen. Zweifellos geschah die Ausrottung nicht so gründlich, wie er behauptet hat, denn im Verlaufe der Geschichte Perus ist so mancher Abkömmling der Inkas hervorgetreten. Auch Huaskar blieb zunächst am Leben.

Schon vor der Entscheidungsschlacht hatte König Atahuallpa von den Missetaten der Spanier auf der Insel Puna vernommen, aber erst als er unbestrittener Herr von Peru geworden war, im Sommer 1532, konnte er sich mit dem vermeldeten Vorfalle näher beschäftigen.

Francisco Pizarro

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