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Zweites Kapitel
Die Neuf d'or

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Schon am nächsten Morgen rief Katz bei Frau Ina an und fragte, wann er mit dem Verkäufer, »um den Kaufvertrag zu fertigen«, mit herankommen könne.

»Ja, was glauben Sie?« erwiderte Frau Ina, »ich werde doch nicht die Katze im Sack kaufen.«

»Sie wollten . . .?« fragte der verblüfft.

»Mir das Institut vorher ansehen.«

»Ja, Sie scheinen nicht zu wissen . . .«

»Ich weiß genau.«

»Wenn sich das herumspricht.«

»Um so besser.«

»Aber Ihr Renommee.«

Ina lachte laut in den Apparat.

»Hören Sie auf«, rief sie. »Sie als Hüter meines Renommés! Das wirkt auf mich geradezu komisch.«

»Ich habe mir stets Mühe gegeben . . .«

»Ich weiß! ich weiß!« fiel sie ihm ins Wort. »Sie haben sich stets bemüht, taktvoll zu sein. Aber Sie haben dies selbstverständliche Bemühen, das für Sie etwas Ungewöhnliches war, stets so laut betont, daß das allein schon taktlos wirkte. – Wann also kann ich die Besichtigung vornehmen?«

Katz brabbelte irgend etwas Unverständliches und sagte:

»Wann es Ihnen paßt; das heißt, natürlich nicht zur Besuchszeit. Am besten so um Mittag herum, falls Sie, was ich gar nicht begreife, wirklich die Absicht haben.«

»Und wo ist das?«

Katz nannte Straße und Hausnummer und fragte: »Ja, ist das denn Ihr Ernst?«

Statt einer Antwort erwiderte Ina:

»Sagen Sie dann den Leuten, daß ich um zwei Uhr mit meinem Manne und meiner Mutter, der Baronin, sein Institut besichtigen werde.«

Katz prallte von dem Apparat zurück.

»Ja . . . mir . . . scheint . .« sagte er und stieß jedes Wort wie abgehackt hervor, »daß . . . da ein . . . Mißverständnis . . . vorliegt. Ich sprach von dem . . .«

»Bordell!« fiel Ina ihm ins Wort. »Ich weiß! Um zwei Uhr also! Ich bitte Sie, auch dort zu sein.«

Und ohne eine Antwort abzuwarten, hing sie an. –

Eine Stunde später ritt sie mit dem Grafen Scheeler, der auf dem Schimmel ihres Mannes saß, auf dem Hippodrom spazieren.

»Ist das nicht wohltuend, so ein Morgen?« fragte Ina.

»Du hast mich bald so weit, daß ich die Erniedrigung nicht mehr empfinde«, erwiderte er.

»Du verdrehst die Dinge. Du siehst schief. Ich bin die letzte, die wünscht, daß du deinem Stolz etwas vergibst. Schon aus Egoismus. Denn dein Stolz ist das Einzige, woran ich mich aufrichte.«

»Es ist und bleibt eine Erniedrigung.«

»Das ist Wahnsinn. Mein Mann fühlt sich dadurch geehrt. Er hat ausdrücklich befohlen, daß man dir den neuen Sattel auflegt. Er selbst schont ihn.«

»Trottel!« sagte der Graf halblaut vor sich hin. Ina lächelte, gab dem Pferd die Schenkel und rief dem Grafen zu:

»Galopp!«

»Unhaltbar auf die Dauer!« sagte der Graf, ohne sich an Ina zu wenden. Und dann wiederholte er laut: »Trottel!«

»Warum beschimpfst du meinen Mann?« fragte Ina. »Er ist so harmlos – und bequem.«

»Mich beschimpf' ich!« erwiderte der Graf. Und wütend wiederholte er: »Mich! mich! mich!«

»Willst du nicht Rechtsgalopp reiten?« fragte Ina, warf Kopf und Oberkörper zurück, ohne daß ihr Pferd die Gangart änderte, und sagte: »Gott, ist das schön, so ein Morgen!«

»Reize mich nicht!« sagte er zornig und biß die Zähne aufeinander.

»Liebst du mich denn nicht mehr?«

»Wenn du ein junges Mädchen wärst, würde ich dein Benehmen begreifen. Aber so – eine verheiratete Frau in deinen Jahren . . .«

»O, wie unhöflich!«

»Weil ich deine erste Liebe bin, gestaltest du unser Verhältnis zu einer Backfisch- und Gymnasiastenangelegenheit. Das mag für dich seine Reize haben. Und an sich gönn' ich dir diesen Liebesfrühling gewiß, wenn nur ich nicht der Leidtragende wäre. Ich war, selbst als ich noch kurze Hosen trug, in Liebesdingen immer mehr sachlich als lyrisch.«

»Nennst du das lyrisch, wenn man sich an einem solchen Morgen auf einem Spazierritt an der Seite eines Mannes, den man liebt, glücklich fühlt?«

»Verdammt!« brummte der Graf so leise vor sich hin, daß selbst Ina, die ihn scharf beobachtete, es nicht hörte. Und in dem Gefühl, daß sie, in der Dialektik ihm überlegen, ihm wieder entwich, entglitt ihm, der nicht gewöhnt war, sich zu beherrschen, das Wort: »Aalglatt«.

Ina, die sich mehr in der Gewalt hatte, tat, als überhörte sie es. Aber sie empfand, wie schon so häufig, daß es ihm nur darauf ankam, sie zu besitzen.

»Furcht kann es doch nicht sein«, sagte er hart. »Denn wovor solltest du dich fürchten? Ich habe in der Liebe Verständnis für alles; das Wort pervers existiert für mich nicht. Aber auf dich da paßt es; denn eine leidenschaftliche Frau, die sich aus irgend einer Aversion ihrem Manne versagt und einen Kerl liebt wie mich, der in der Liebe kein Egoist, dessen Leidenschaft vielmehr, ich sage es ganz offen, die genießende Frau ist, der außerdem nicht der erste Beste, sondern ein Edelmann ist, in dessen Adern das Blut französischer Könige und eines der ältesten deutschen Fürstengeschlechter fließt, zum Teufel ja!« brauste er auf, »eine Frau mit Gefühl, die von einem solchen Manne geliebt wird und sich ihm nicht geradezu an den Hals schmeißt, die nenne ich, nimm's mir nicht übel, pervers.«

Ina senkte den Kopf; sie quälte sich ein paar Tränen in die Augen, ließ die Zügel locker; ihr Pferd fiel in Trab.

Der Graf, der alles sah, sagte:

»Aber, wie alle Frauen – die Wahrheit verträgst du nicht.«

»Ich will dir mehr geben – als nur mich«, sagte sie schluchzend.

Er tat erstaunt und wiederholte fragend: »Mehr?«

Und sie erwiderte: »Dein standesgemäßes Leben.«

»Einen Thron?« fragte er spöttisch. »Die Konjunktur dafür ist die denkbar schlechteste.«

»Du sollst erst mal deine Freiheit wieder haben. – Niemandem verpflichtet sein. – Standesgemäß leben.«

»Eine Million zweimal hundertfünfundsiebzigtausend Mark«, sagte der Graf monoton wie ein Sprechapparat. Und mit belegter Stimme fuhr er fort: »Du kennst die Summe, denn du zahlst die Zin. . .«

»Laß das !« wehrte sie ab. »Ich will, daß du frei davon wirst.«

»Dazu bedarf es nur eines telephonischen Anrufs.«

Sie sah ihn erstaunt an.

»Eines telephonischen Anrufs?« fragte sie. Wo sie sich seit Monaten damit quälte und den Kopf zermarterte.

»Nun ja« erwiderte er mit der gleichgültigsten Miene von der Welt. »Ich brauche dieser Person, die mir nachstellt, nur zu telephonieren, daß ich bereit bin, eine der fünf mir offerierten Millionärstöchter zu ehelichen – und ich bin die Last los.«

»Du tauschst sie mit einer anderen, schwereren«, drang Ina lebhaft auf ihn ein. »Du gibst dich auf.«

»Das habe ich längst getan«, erwiderte er. »Was mich noch hält, bist du.«

»Du wirst dich nicht verkaufen!«

»Sondern?« fragte er und sah sie an.

»Ich mach' dich frei.«

»Das kannst du nicht!«

»Ich bin dabei. Ich habe einen Weg gefunden.«

Der Graf lächelte.

»Worüber lachst du?« fragte Ina; und er wiederholte tonlos und mechanisch; es hörte sich an, als spräche ein Apparat:

»Eine Million zweimal hundertfünfundsiebzigtausend Mark.«

»Ich kenn' die Summe.«

»Und die wolltest du . . .« – Verzeih', aber das ist doch wohl nur ein Scherz?«

»Vielleicht in ein paar Wochen schon – bestimmt aber in drei, vier Monaten.«

»Und dein Mann?«

»Mein Mann hat nichts damit zu tun.«

»Du läßt dich scheiden . . .«

»Möglich.«

»Und heiratest einen . . .«

»I Gott bewahre!«

»Du verkaufst deine Sammlung.«

»Die ist keine Fünfmalhunderttausend wert – und außerdem verpfändet!«

»Wa . . .?« – Der Graf war platt. »Ver . . .ver . . . pfändet? – Deine Sammlung? . . . ja . . . wie . . . erklärst . . . du . . . das?«

»Sehr einfach; für deine Zinsen.«

»Das hast du . . . für mich . . .?«

»Was ist dabei? Irgendwie mußten sie doch bezahlt werden.«

»Dann seid ihr also gar nicht . . .?«

»Was?« fragt Ina.

»Ich glaubte, ihr hättet ein großes Vermögen.«

»Wir haben Schulden – genau wie du. Wenn auch nur etwa den zehnten Teil. – Wir müssen herauskommen, genau wie du. Sonst sind wir aufgeschmissen.«

»Ja – wie fängst du das an?«

»Ich eröffne ein Bordell.«

»Wie?« fragte der Graf kurz – sein Pferd stand wie eine Mauer – und das Monokel, mit dem er schlafen und über Hürden ging, fiel ihm aus dem Auge.

»Und zwar noch heute.«

Der Graf glotzte sie an und sagte:

»Bor. . .«

Mehr brachte er nicht heraus.

». . . dell!« vervollständigte Ina. »Du wirst doch wissen, was ein Bordell ist.«

»Gewiß! das weiß ich. – Aber eben darum . . .«

»Du wirst dich auch daran beteiligen«, sagte sie bestimmt.

»Ich . . . mich? – an dem Bordell? – erlaub' mal! – Nee! da heirate ich lieber eine Jüdin!«

»Das tust du nicht!«

»Für 'n Besuch, dazu könnte ich mich, vorausgesetzt, daß ich unter Alkohol stehe, dir zu Liebe mal entschließen, das heißt: passiv; anders nich.«

»Du verstehst nicht, um was es sich handelt.«

»Nee – allerdings – das geb' ich zu.«

Sie griff in die Tasche und reichte ihm einen Bogen; er nahm ihn und las:

Das Bordell

eine moralische Anstalt

Eingetragener Verein

zur

Bekämpfung der Unsittlichkeit

und des Mädchenhandels

Ehrenausschuß:

Und nun folgte eine Reihe von Namen, darunter auch der Inas, der Baronin und des Grafen.

Als Graf Scheeler mit einem Gesicht, das nicht gerade schlau war, den Bogen gelesen hatte, fragte Ina:

»Einverstanden?«

Der Graf sah von dem Bogen auf, sie an und fragte:

»Zweck?«

»Gemeinsame Schuldentilgung und Vermögensgründung – auf wohltätiger Grundlage.«

»Du meinst . . .?« – ihm dämmerte etwas ganz fern; aber er erkannte noch nicht einmal die Konturen. Nur dies Selbstbewußte Inas und ihre Sicherheit ließ ihn glauben – ja mehr: überzeugte ihn.

»Das alles könnte ich dir verschweigen und nach Verlauf einiger Wochen oder Monate mit der fertigen Tatsache vor dich hintreten. Das wäre vielleicht wirksamer; und für das, was ich will, jedenfalls praktischer. Aber ich will dich mir nicht zu Dank verpflichten. Durch das Prestige deines Namens hilfst du mit, hebst und sicherst das Ganze, das ja immerhin ein Wagnis bleibt.«

»Zweck?« wiederholte der Graf, in dessen Unterbewußtsein, ohne daß er sich recht klar darüber wurde, langsam eine Ahnung aufstieg. Und ohne Mittlung des Verstandes, rein gefühlsmäßig, stieß er halb unbewußt hervor:

»Was dann?«

Ina stutzte einen Augenblick. Sie, die alles bedachte, hatte die Frage nicht erwartet. Sie konnte ablenken, ausweichen, irgend etwas Gleichgültiges erwidern. Sie überlegte einen Augenblick und tat von alledem nichts.

Sie schob ihr Pferd dicht an das des Grafen heran, beugte sich zu ihm, lehnte sich an seinen Arm, sah ihn zärtlich an und sagte mit vor Erregung zitternder Stimme:

»Dann, Ralf, bin ich dein – für immer.«

Der Graf dachte über die Worte nicht nach. Auf ihn wirkte der Tonfall der Stimme, ihr heißer Atem und der Duft ihres Körpers.

»Ich muß mich beherrschen,« sagte er, »daß ich dich nicht an mich reiße.«

Da sagte es Ina zum ersten Male gerade heraus:

»Erst muß ich deine Frau sein.«

Und er, nur von dem Gefühl beherrscht, diese Frau, die ihn seit Monaten hinhielt und erregte, endlich zu besitzen, erwiderte nur:

»Und dein Mann?«

»Den werde ich los,« erwiderte sie, »dir zuliebe.«

»Bald!« bettelte er.

»Aber ja!« versprach sie mit freudiger Stimme. »Nun, wo ich deine Braut bin.«

Und dem Grafen, der nicht schnell genug gefolgt war, wurde klar, daß er nun verlobt war.

* * *

Für zwei Uhr waren Ina und Katz in dem Institut verabredet.

Der Zufall oder eine Panne oder sonst irgendein Hindernis oder eine Abhaltung wollte es, daß Katz sich verspätete. Zwar hatte er dem alten Löschner telephonisch den Besuch angekündigt, und der wieder hatte für die nötige Bereitschaft des Hauses gesorgt. Seine Frau, Emilie Löschner, hatte sich von einer ihrer Schutzbefohlenen sogar ein paar Stunden früher als sonst frisieren lassen und ihr schwarzseidenes, tief dekolletiertes Abendkleid angezogen, das in der Helle des Junitages ebenso abscheulich wirkte wie die Schminke und der Puder, die sie den ungewohnten Gästen zur Ehre in doppelten Mengen auflegte. Wie denn überhaupt jede Anordnung, die sie in Erwartung Frau Inas traf, eine der Absicht entgegengesetzte Wirkung übte. Das ganze Haus setzte sie unter Moschus, mit dem sie sonst geizte. Vasen mit verstaubten künstlichen Blumen, die kaum des Abends echt wirkten, stellte sie auf Tische und Schränke. Minderwertige Felle undefinierbarer Provenienz, die sie verschlossen hielt und nur bei Besuchen beliebter Gäste hervorholte, breitete sie über Wände, Stühle und Chaiselongues. Kitschigen Nippes stellte sie auf die kleinen Tische und Wandbretter, auf denen sonst Krüge und Gläser standen. Der Gedanke, all diese Dinger abzustauben, kam ihr nicht. Und so entstand jener ekle, atembenehmende Dunst, den die Vereinigung von Staub und Moschus erzeugt. Auch ihre Schutzbefohlenen, die sich in ihren Morgenkleidern zum Teil recht nett ausnahmen, wurden mitten am Tage in dekolletierte, schwere Sammet- und Seidenkleider gesteckt, jene erste Garnituren, die Frau Löschner nur bei ganz besonderen Gelegenheiten herausgab. Dann behängte sie jede Einzelne noch mit Riesenstücken unechten Schmuckes und spritzte sie mit einer Flüssigkeit an, die sie Lodespansch nannte. Und als eine der Schutzbefohlenen sich anschickte, die lange Schleppe ihres völlig verstaubten Sammetkleides abzubürsten, fuhr sie sie an:

»Schwein! schon' den Sammet und ruinier' mir nicht meine Garderobe!«

Die Mädchen fühlten sich in den Kleidern, an die sie nicht gewöhnt waren, sehr unbehaglich. Eine Weißgepuderte, der die Schwindsucht im Gesicht, vor allem in den flimmernden Augen stand, brach fast unter der Last zusammen.

»Die feift ja man so schon auf ›es letzte Loch‹«, meinte eine andere. »Noch vier Wochen in des Tempo und se steht nich mehr auf.«

»So schont sie doch!« forderte eine andere. »Wir können es schon richten, daß sie weniger rankommt.«

»Marianne ist eben begehrt, weil sie nicht so frech und vorlaut ist«, sagte die Alte.

»Für die werden Sie schwer einen Ersatz finden«, meinte eine dritte. Und wieder eine andere sagte:

»Er muß gefunden werden. Ohne sie können wir's nicht machen. Die gegenüber haben denselben Besuch und sind achtzehn; wir nur acht.«

Die Alte fing an, laut zu jammern:

»So ein Pech! Hab ich schon mal ein nettes Mädchen, stirbt's mir an der Schwindsucht. Da bleiben mir dann wieder drei der besten Kunden weg.«

»Vielleicht, daß ich den Winter doch noch überlebe«, tröstete die blasse, schwarze Marianne, die den Körper eines Knaben und den Blick eines Rehes hatte und sich in den Hüften wiegte, wenn sie ging, die Alte.

»Du wirst sehen, du stirbst«, erwiderte die. »Bei meinem Pech!«

Die dunkle, um Jahre ältere Änne, die zuvor für Schonung plaidiert hatte, trat an Marianne heran, legte ihren Arm um sie und flüsterte ihr zu:

»Du wirst nicht sterben, Marianne. Mein Doktor wird für dich sorgen. Ich habe schon mit ihm gesprochen. Er tut's mir zuliebe. – Ich tue ihm leid.«

»Du – tust – ihm – leid?« fragte Marianne und sah erstaunt die ältere Freundin an. »Du hast es doch von uns allen am besten.«

»Ich nähme dir die Krankheit gleich ab, wenn ich wüßte, ich bin morgen tot«, erwiderte Änne.

»Sie ist auch erst siebzehn«, sagte eine Dritte und wies auf Marianne.

Eine schlanke Blondine, die Frau Löschner in hellrote Seide gesteckt und dadurch noch ausdrucksloser gemacht hatte, hielt sich die Ohren zu, trampfte mit den Füßen und rief:

»Hört auf! ich werde verrückt! Wir sind hier im Freuden- und nicht im Leichenhaus. Wir werden ohnedies alle früh genug krepieren.«

»Bei dem Leben!« seufzte eine Rotblonde, und Änne sagte aus tiefer Überzeugung:

»Hoffentlich!«

Die Blonde in dem hellrosa Kleid sprang auf und schrie: »Nein! nein! Ich fürchte mich vor dem Tod! Ich will nicht sterben.«

»Macht mir die Lona nicht verrückt!« befahl die Alte. »Bis der alte Geheimrat auf Reisen geht, muß sie auf dem Posten sein.«

»Nachher kannst du von ihr aus verrecken«, sagte die Rotblonde.

»Vorlautes Frauenzimmer!« schalt die Alte. »Wer sorgt denn für euch? Ich! Ohne mich säßt ihr irgendwo im Dreck. Und wenn ihr draußen verreckt, so kommt ihr in einen Armensarg. Frag' doch die Motte« – und dabei wandte sie sich an ein sehr zierliches, hübsches Persönchen – »wie ich ihre Freundin, die blonde Loni, beerdigt habe. Mit einem Berg von Kränzen und in einem eichenen Sarg.«

»Der mein Geld kostet«, erwiderte Motte.

»Ich hab's verauslagt«, sagte die Alte.

»Und vom Strumpfgeld zahl' ich's Ihnen ab. Seit vier Monaten habe ich nicht einen Pfennig für mich gehabt.«

»Du hast es ja gewollt.«

»Es tut mir auch nicht leid. Aber daß Sie sich aufspielen für meinen Sarg . . »

»Wer spielt sich auf?« schrie die Alte. »Ich vor euch? Das lohnte einen Dreck! Statt euch zu freuen, daß ihr in meinem Hause seid, lehnt ihr euch auf! Bagage! Ihr werdet's bereuen. Ich habe genug, ich zieh' mich zurück. Oder glaubt ihr, ich werde mich noch jahrelang mit euch herumplagen? Aber umsehen werdet ihr euch nach mir. Der neue Herr ist ein Pole, der wird euch mit der Knute traktieren, wie ihr's verdient!«

Die Mädel rückten zusammen und wagten nichts zu erwidern. Sie wußten: lehnten sie sich gegen die Behandlung auf, so wurde der Fraß noch schlechter und sie schikanierte sie nur noch mehr.

Aber die Alte schimpfte um so toller:

»Feiges Gesindel! Wenn ihr wüßtet, was ihr wert seid. Jahrelang mästet man euch und schafft für euch an. Alles wird teurer. Aber ihr steigt nicht im Wert. Was ihr leistet, leistet heut draußen jede anständige Frau. Die Männer brauchen sich heute nicht mehr zu uns zu bemühen. Das Handwerk übt heute jede aus. Aus Passion, und verdirbt uns die Preise. Wenn ich jung wär' wie ihr, ich erfände Neues, nie Dagewesenes, was es in keinem anderen Hause gibt. Weltberühmt machte ich die »Neuf d'or«. Aber euch anzustrengen, fällt euch nicht ein. Wozu auch besser sein als die andern? Statt Ehrgeiz zu haben und für das Renommé eures Hauses zu sorgen. Das Doppelte hätte ich verlangen können. Dazu plagt man sich siebzehn Jahre, um mit einem Dreck von Gewinn irgendwo anders neu zu beginnen. Keine von euch nehme ich mit,« kreischte sie, »nicht eine! Aber der Pole wird euch zeigen, wie man ein Bordell konkurrenzlos macht, darauf verlaßt euch.«

Unten fuhr ein Auto vor. Frau Löschner stürzte ans Fenster.

»Am Nachmittag am offenen Fenster,« sagte die rotblonde Lona, »das gibt wieder ein Strafmandat und wir haben's auszubaden.«

»Hier! hier!« schrie die Alte in großer Erregung auf die Straße.

»Auch das noch!« dachten die Mädchen und glaubten, die Alte habe den Verstand verloren.

Die beugte sich jetzt mit dem ganzen Oberkörper aus dem Fenster und kreischte hinaus: »

»Herrschaften! »Neuf d'or«! Nummer neun! Wo das goldene Schild ist!«

Das erregte die Mädchen derart, daß sie alle Vorsicht und jede Vorschrift außer acht ließen und auch an die Fenster stürzten. Alle, vornehmlich Marianne, die Ähnliches nie gesehen hatte, rissen vor Staunen die Augen auf. Eine elegante Dame mit weißem Haar, eine große, junge, schlanke Frau im Reitkostüm, die Gerte in der Hand, und ein Offizier in Uniform – ja, war das möglich? und noch dazu am hellichten Tage! – stiegen auf dem Bürgersteig gegenüber aus dem Auto und gingen auf ihr Haus, die »Neuf d'or«, zu.

Die große schlanke Dame winkte mit der Reitgerte energisch ab, die an Gehorchen gewöhnten Mädchen traten vom Fenster zurück, nur die Alte blieb stehen, fuchtelte mit den Armen und schrie noch immer:

»Hier! hier! »Neuf d'or«! Nummer neun! Das goldene Schild.«

»Weg vom Fenster!« flitzte schrill die Stimme Frau Inas durch die Luft und fegte die Alte, die erschrocken zusammenfuhr, vom Fenster fort.

»Schert euch in eure Stuben!« rief sie erregt und außer Atem den Mädchen zu. »Und wartet, bis ich euch rufe!« Dann stürzte sie auf den Flur, die Treppe hinunter und brüllte: »Emil! Mann! Sie kommen! Schick' zur Tür. – In den Salon natürlich!« –

Frau Ina hatte, um nicht aufzufallen, absichtlich ein paar Häuser früher und auf der anderen Seite halten lassen. Die Tölpelhaftigkeit Frau Löschners vereitelte die Absicht und kehrte den Zweck ins Gegenteil. So hielten Mertens und die Baronin bei dichtbesetzten Fenstern der anliegenden Häuser ihren Einzug in die »Neuf d'or«.

»Allmächtiger!« sagte die Baronin, bereits als der Hausdiener Anton die Tür des Hauses öffnete; und sie hatte, als ihr der Moschusdunst ins Gesicht schlug, das Gefühl, als müsse sie, ehe sie das Haus betrat, erst draußen einen Vorrat frischer Luft ansammeln. Sie trat auf den Bürgersteig zurück und schöpfte tief Atem. Die alte Löschner hingegen, die durch eine Türspalte des Salons den Vorgang verfolgte, kränkte es, daß die Haustür so lange offen stand. »Die ganzen Wohlgerüche ziehen aus«, dachte sie. Und was sie am schmerzlichsten empfand, war der Gedanke, daß die Konkurrenzunternehmen, die nebenan lagen, davon profitieren könnten.

»So geh doch hinein und bleib nicht auf der Straße stehen«, trieb Ina ihre Mutter an. Da die aber umständlich erst aus ihrer goldenen Tasche ihr Spitzentuch hervorzog, so ging Ina voraus und gab auch ihrem Manne ein Zeichen, ihr zu folgen. Die Baronin folgte als Letzte.

»Frage nach den Besitzern«, befahl Ina ihrem Manne. Der tat es. Und Anton, mit pomadisiertem Kaiser-Wilhelmsbart, hell karriertem Anzug und knallroter Krawatte, verbeugte sich und sagte:

»Die Herrschaften sind gemeldet.«

Noch im Flur steckte Frau Ina sich eine Zigarette an und befahl ihrem Manne:

»Rauche!«

Die Baronin nahm für einen Augenblick das Spitzentuch vom Gesicht und steckte sich einen D'Orateur in den Mund. Dann betraten sie, von Anton geleitet, die sogenannten Empfangsräume.

Frau Löschner grüßte erst durch Bewegen des Kopfes, dann, als sie die starren Gesichter und den eleganten Aufzug ihrer Gäste sah, war sie verblüfft und machte eine Art Hofknix.

Frau Ina war sofort Herrin der Situation.

»Sie sind?« fragte sie mit dem Ton des Vorgesetzten.

»Frau Löscher, wenn Sie gestatten«, erwiderte die devot.

»Vermutlich die Besitzerin?«

»Ich bin so frei.« Und schüchtern trat sie auf Frau Ina zu und zaghaft reichte sie ihr die Hand.

Frau Ina übersah es und gab durch einen Blick, auf den hin Frau Löschner ein paar Schritte zurücktrat, zu verstehen, daß es mit Absicht geschah. Den Rittmeister berührte das peinlich.

»Sie haben sich sehr dumm benommen vorhin«, fuhr sie die Alte an. »Es fehlte nur noch, daß Sie unsern Namen auf die Gasse schrien.«

»Verzeihung«, flötete Frau Löschner, und ihr Mann, der eben mit einer Verbeugung ins Zimmer trat, machte gar nicht erst den Versuch, den Rücken wieder aufzurichten.

»Ich dachte,« fuhr Frau Ina fort, »daß Diskretion und Takt gerade in Ihrem Gewerbe notwendige Eigenschaften sind.«

»Sie können sich darauf verlassen – es war nur in der Erregung . . .«, stammelte die Alte.

»Was hast du angestellt?« fragte Löschner und sah nicht eben freundlich seine Frau an.

»Spiel' dich nicht auf«, fuhr die ihn an.

Der Rittmeister sah den Alten teilnahmsvoll an und dachte: wie bei uns.

»Bitte, in unserer Gegenwart keine Familienszenen«, forderte Frau Ina. »Das können Sie nachher abmachen. Wo ist Katz?«

Das Ehepaar Löschner sah sich verdutzt an. So sprach die von dem Manne, der auf sie einen so gewaltigen Eindruck machte, der mit Hunderttausenden herumwarf und nach überall hin die besten Beziehungen unterhielt. Nicht einmal »Herr« sagte sie, wenn sie von ihm sprach.

»Herr Katz wollte . . .« sagte Frau Löschner.

»Um zwei hier sein«, fiel sie ihr ins Wort. »Er hatte von mir eine Vollmacht zum Ankauf dieses Unternehmens.«

»Ich weiß«, sagten beide und verbeugten sich.

»Sind Sie die rechtmäßigen Besitzer?«

Sie bejahten.

»Ist der Kaufakt aufgesetzt?«

Der Alte ging zu einem Tisch, schloß einen Schub auf und entnahm ihm ein Kuvert.

»Es ist alles vorbereitet.«

»Setz dich, Mama«, sagte Frau Ina zu der Baronin. Der Rittmeister schob ein paar Sessel heran. Dann ließ sich Ina das Kuvert geben und las den Vertrag. Sie tat, als wüßte sie längst, was darin stand.

»So war es mit diesem Katz besprochen«, sagte sie. »Das Haus gehört dem Unternehmer Schulz und ich trete in Ihren Vertrag, der noch fünf Jahre reicht, ein. Als Abstand zahle ich Ihnen zweimalhunderttausend Mark. – Was Katz da weiter mit Ihnen vereinbart hat hinsichtlich der Einrichtung, des Fundus und der Toiletten, die Sie mir leihweise überlassen wollten, paßt mir nicht.« – Sie sah sich im Zimmer um. »Dies minderwertige Zeug – und ich nehme an, daß die übrigen Räume und die Toiletten Ihrer Damen ebenso kitschig sind – muß heute noch aus dem Hause, Sie können damit ja irgendwo eine neue Giftbude errichten.«

»Ja, aber . . . es war doch . . . vereinbart«, sagte Löschner ganz entsetzt.

»Vereinbart war nichts, sondern nur besprochen.«

»Erlauben Sie!« widersprach die Alte, die, wenn sie auch noch nicht wieder sie selbst war, so doch begann, wieder Boden unter den Füßen zu spüren.

»Nein!« schnitt ihr Frau Ina das Wort ab. »Von diesem Leihvertrag kann gar keine Rede sein.«

»Unter diesen Umständen müßten wir uns doch noch mal überlegen . . .«

»Halt!« rief Frau Ina »Sie fordern als Leihgebühr jährlich zehntausend Mark. Sie sollen die Hälfte haben. Aber Bedingung ist, daß der Kram bis sechs Uhr nachmittags aus dem Hause ist.«

»Sie wollen bezahlen, ohne es zu benutzen?« fragte die Alte und glaubte, falsch verstanden zu haben.

»Es nicht benutzen zu müssen ist das Dreifache wert«, erwiderte die Baronin und lachte.

»Sie haben die Möglichkeit, Ihre Sachen unterzubringen?« fragte Frau Ina.

»Aber gewiß! Wir haben ja ein neues Haus.«

»Gut! – das geht mich nichts an. – Haben Sie Telephon?« »Selbstredend! Wir haben ja so viel Bestellungen. Das Geschäft geht . . .«

»Interessiert mich nicht. – Wieviel Räume haben Sie hier?«

»Vierundzwanzig«, erwiderte die Alte. »Wenn ich sie Ihnen zeigen darf.«

»Danke! – Vielleicht haben Sie einen Plan.«

Der Alte holte aus der Kommode den Plan und breitete ihn vor Frau Ina aus.

»Erläutern Sie!« befahl sie und zündete sich eine neue Zigarette an. Der alte Löschner, unterstützt von seiner Frau, beschrieb:

»Dies ist der Flur, dies der Vorraum, mit Kasse, in dem meine Frau empfängt; diese drei die Gesellschaftsräume, hier ein Salon für Privatgesellschaften, die kleine Kammer mit zwei Ruhebetten gehört dazu; auch der Raum hier.«

»Vermutlich ein Bad.«

»Nein. Wir haben ihn in kleine Kojen geteilt. Mit Öffnungen in der Wand. Viele Herren, besonders ältere, lieben es . . .«

»Ich weiß!« schnitt sie ihm die Rede ab und wies auf den Plan: »Was ist das?«

»Unsere Wohnräume und die Wirtschaftsräume. Hier in der ersten Etage wohnen die Mädchen.«

»Wieviel Zimmer liegen hier?«

»Sechzehn.«

»Bäder?«

»Zwei.«

»Sehr minderwertig.«

»Unsere Mädchen baden täglich.«

»Interessiert mich nicht. – Deine Füllfeder!« wandte sie sich an ihren Mann, schob den Plan beiseite und änderte den Vertrag. »Ich zahle morgen fünfzigtausend Mark an, das Übrige in monatlichen Raten von zwanzigtausend Mark. Einverstanden?«

Löschners stimmten zu.

Ina unterschrieb, schob ihnen das Papier hin und sagte:

»Unterschreiben Sie!«

Die Alte stieß ihren Mann an; der setzte seinen Namen unter den Vertrag.

»Sie auch«, wandte sich Ina an Frau Löschner.

Die zögerte und sagte:

»Mir fällt das Schreiben schwer.«

Ina stand auf, nahm das Papier und sagte:

»Also zerreißen wir den Vertrag.«

Beide stürmten auf sie ein:

»Nein! nein! ich unterschreibe!«

Ina hielt ihr den Bogen hin, wies mit der Hand auf die Stelle, an die die Unterschrift gehörte, und sagte:

»Und recht deutlich, nicht wahr?« Frau Löschner schrieb ihren Namen. – »Sehen Sie nur, was für eine schöne Handschrift Sie haben!«

Anton mit dem Kaiser-Wilhelmsbart trat ins Zimmer und meldete Herrn Katz.

»Ah!« sagten Löschners und wandten sich zur Tür.

»Sehr spät, Herr Katz,«' sagte Frau Ina, »und wenig höflich, wenn man mit Damen verabredet ist.«

»Ich hatte eine dringende Abhaltung.«

»Darf man wissen?«

»Ein Mißverständnis. Ein Telephongespräch, auf das hin ich dringend zu einem Agenten nach Westend fuhr. Draußen stellte sich heraus, daß es ein Irrtum war. Es war wohl eine falsche Verbindung; außerdem muß ich den Namen falsch verstanden haben.«

»Pech!« sagte Frau Ina, und wer genau hinsah, bemerkte einen spöttischen Zug um ihren Mund, von dem ein Argwöhnischer vielleicht abgelesen hätte, daß zwischen ihr und dem Telephongespräch irgendein Zusammenhang bestand. »Wirklich schade!« sagte sie. »Sie haben hier viel versäumt.«

»Haben Sie etwa . . .?«

»Was meinen Sie?«

»Die Lokalitäten hier einer Besichtigung unterzogen?«

»I Gott bewahre! Ich verlasse mich da ganz auf Ihr Urteil. So sehr, daß ich, ohne auch nur einen Schritt aus diesem Zimmer gesetzt zu haben, soeben den Vertrag mit den Herrschaften hier unterzeichnet habe.« – Sie wies auf den Vertrag. »Da. – Sehen Sie! Er ist noch naß.«

»Wie – Ihren Namen? –? Wo Sie mir doch Vollmacht gaben. – Das geht unter Umständen durch vieler Leute Hände.«

»Bestimmt sogar.«

»Was bedeutet das?«

»Daß ich noch heute einen Prospekt in Druck gebe, der den ersten Gesellschaftskreisen mit der Aufforderung, sich zu beteiligen, zugesandt wird, und in dem ausführlich die Übernahme dieses Hauses, deren Zweck und Ziel behandelt werden.«

»Ja, ist denn heute alles verrückt?« sagte Katz und faßte sich an den Kopf. . »Erste Gesellschaftskreise – Bordell – Beteiligung. – Sie scheinen nicht im Bilde zu sein, gnädige Frau! Sie befinden sich hier in einem Bordell und nicht in einem Säuglingsheim. Der Krieg mit seinen tausend Wohlfahrtseinrichtungen hat wohl die Begriffe verwirrt.«

»O nein! er hat sie nur erweitert. – Wenn Sie sehen wollen« – und sie zeigte ihm den Prospektentwurf, dessen Drucklegung auf feinstem Japanpapier bereits in die Wege geleitet war.

Das Bordell

eine moralische Anstalt

Eingetragener Verein

zur

Bekämpfung der Unsittlichkeit

und des Mädchenhandels

Ehrenausschuß:

Er las die Seite nicht zu Ende, sondern wandte um. Da stand:

»Nach einstimmigem Urteil aller Sachverständigen haben sich die verschiedenartigen Methoden, auf die man bisher die Unsittlichkeit und den Mädchenhandel bekämpfte, nicht bewährt. Ein kleiner Kreis von Leuten, die seit Jahren in ernster Arbeit diesem Problem nachhängen, glauben nun den Weg, der Erfolg verspricht, gefunden zu haben. Sie sind sich bewußt, daß ihn beschreiten, völlige Selbstentäußerung und den Bruch mit letzten Vorurteilen bedeutet. Sie sind bereit, ihn zu gehen, in der Überzeugung, der Menschheit damit einen Dienst zu erweisen.

Der Irrtum war, daß man dem Übel bisher von außen beizukommen suchte. Es muß von innen bekämpft werden. Alle, die bisher auf diesem Gebiete bessernd zu wirken suchten und denen es an gutem Willen gewiß nicht fehlte, haben sich mit der Materie, nicht mit der Psyche befaßt. Man muß das Übel an seinem Herde aufsuchen. Wer gewohnt ist, Unsittlichkeit und Armut durch Veranstaltungen von Wohltätigkeitsfesten zu bekämpfen, kann hier fernerhin nicht mehr geduldet werden. Wem es nicht darum zu tun ist, sich öffentlich herauszustellen, wem es um die Sache, nicht um sein Vergnügen geht, dessen Mitarbeit ist uns willkommen.

Wir verhehlen niemandem: die Arbeit ist hart und ungewöhnlich. Denn das Übel an seiner Quelle aufsuchen, heißt in diesem Falle: mit Dirnen Umgang pflegen, ihr Vertrauen gewinnen, ihr Innenleben bis zum letzten bloßlegen, um einmal den Heilungsprozeß von innen zu ermöglichen, vor allem aber, um mit Hilfe so erworbener Einblicke in diese uns fremde Gefühlswelt mit ihren sozialen Voraussetzungen und Begleiterscheinungen allgemein gültige Grundlagen zu ihrer Bekämpfung zu schaffen. Die bisher unbekannte Psychoanalyse der Dirne soll auf Grund praktischen Studiums gegeben werden. Die Synthese zu finden, wird dann das gemeinsame Werk derer sein, die sich der Menschheit zuliebe nicht gescheut haben, unter zeitweisem Verzicht ihrer Persönlichkeit in die Niederungen herabzusteigen und sie mitzuerleben.

Zu diesem Zweck hat der eingangs namentlich angeführte Ehrenausschuß in der Erkenntnis, daß es mit gelegentlichen Besuchen und Aussprachen nicht getan ist, beschlossen, selbständig den Betrieb eines Freudenhauses in die Hand zu nehmen. Für uns wird es eine Bildungsanstalt sein. In hingebender und ernster Arbeit soll an Ort und Stelle das Problem studiert und, wie wir bestimmt erwarten, gelöst werden. Wer Wohltätigkeit nicht nur zum Vergnügen treibt, ist uns als Mitarbeiter willkommen.

Die Studiengelder, die wohltätige Stiftungen im besten Sinne des Wortes sind und ihre Früchte tragen werden, betragen für männliche Mitglieder dreitausend, für weibliche fünfhundert Mark monatlich. Die Namen der Mitglieder werden nicht veröffentlicht. Wer also Wohltätigkeit treibt, um nach Außen zu glänzen, bleibe fern! Um ein gedeihliches Zusammenarbeiten zu ermöglichen, ist hinsichtlich der Mitglieder ein numerus clausus unumgänglich. Deren Höhe wird noch bekannt gegeben.«

»Nun, was sagen Sie?« fragte Frau Ina.

»Das ist das Raffinierteste und Tollste, was mir je begegnet ist.«

»Aber gut, nicht wahr?«

»Ein interressantes Experiment auf alle Fälle. Nur scheint mir, daß Ihre ganze Situation für derartige Abenteuer zu ernst ist.«

»Was meinen Sie damit?« fragte, beinahe herausfordernd, der Rittmeister, der fühlte, daß darin ein Affront gegen seine Frau lag.

»Laß nur,« winkte Frau Ina ab. »Wir verständigen uns schon.«

»Und wenn Ihr Experiment mißglückt?«

»Dann sind Sie durch meine Möbel und Antiquitäten noch immer gedeckt.«

Der Rittmeister folgte nur unvollkommen. Was gehen ihn unsere Möbel und Antiquitäten an, fragte er sich und legte die Stirn in Falten. Irgend etwas geht da vor, was man mir verschweigt. Als er sich bei diesem Gedanken ertappte, lachte er über sich selbst. Und zum ersten Male legte er sich die Frage vor: was verschweigt man mir nicht? Weiß ich überhaupt etwas aus dem Leben meiner Frau? Warum sitze ich hier? Keine Ahnung. Nichts weiß ich! Aber, das soll anders werden, muß anders werden. Und zum Zeichen seines Entschlusses stieß er mit seinem Säbel auf den Boden und freute sich des Eindrucks, den er damit erzielte.

»Ist dir was?« fragte die Baronin. Und Frau Ina lächelte ihm zu und sagte:

»Wie gut, daß du bei uns bist. Es gibt einem ein so sicheres Gefühl.«

Während die Worte auf den Rittmeister wie eine Liebkosung wirkten, machten sie Katz, der fühlte, daß sie unecht waren und nur der Situation galten, unsicher.

»So tief durchdacht und raffiniert es sein mag,« sagte er, – »fein ist es nicht.«

»Erlauben Sie!« rief der Rittmeister, stampfte den Säbel wieder auf den Boden und sprang auf.

Frau Ina wollte ihn zur Ruhe weisen. Als sie aber den Eindruck wahrnahm, den der Auftritt auf Katz machte, lächelte sie und schwieg.

Katz wurde kreidebleich und stierte auf den Degen.

»Sie haben meine Frau beleidigt,« rief der Rittmeister; worauf auch Löschners sich in die äußerste Ecke des Zimmers zurückzogen.

»Es war nicht meine Absicht,« erwiderte Katz. »Ich konnte nicht wissen, daß Sie – ich dachte . . .«

»Also was wollen Sie?«

»Dies Geschäft,« – und dabei wies er auf die Alten, die jetzt dicht beieinander standen – »ist das beste, das ich seit Jahren an der Hand hatte. In meiner Gutmütigkeit habe ich es Ihrer Gattin anvertraut. Und nun hat sie es mir sozusagen aus den Händen gewunden.«

»Für meine Frau stehe ich ein,« erwiderte der Rittmeister. »Was die tut, dafür verbürg' ich mich, ist korrekt.«

Frau Ina wurde unruhig.

»Dies alles hält nur auf,« sagte sie, wandte sich an Löschner und fragte mit einem Hinweis auf eine Tür, in deren Nähe sie stand:

»Kann man da hinein? Ist dort wer?«

»Es ist leer, bitte!« erwiderte der Alte und öffnete die Tür.

»Kommen Sie auf einen Augenblick hier herein!« sagte Ina zu Katz. »Wir werden uns schnell verständigen.«

Katz zögerte, sah sie mißtrauisch an und fragte:

»Wozu?«

»Bitte!« sagte sie, und Katz folgte ihr in das Zimmer.

Als sie draußen waren, wandte der Rittmeister sich an die Baronin und sagte:

»Das gehört sich nicht.«

»Aber ich bitt' dich,« erwiderte die. »Geschäfte!«

Das Telephon läutete. Im selben Augenblick war die alte Löschner nur Geschäft. Ihre Umgebung existierte nicht mehr. Sie stürzte an den Apparat und flötete hinein. In wenigen Augenblicken, während deren sie sich fortgesetzt verbeugte, war das Gespräch beendet.

Ohne von dem Besuch Notiz zu nehmen, riß sie die Tür auf und schrie mit greller Stimme hinauf:

»Marianne! – Marianne! – wird's bald? – Faultier!«

»Ja?« antwortete eine zarte Frauenstimme.

»Um fünf ein halb! verstanden?«

»Wer?« fragte die Stimme traurig.

»Geht dich nichts an.«

»Ich kann nicht . . . ich habe ja schon um ein halb vier . . .«

»Das übernehme ich!« rief jetzt eine andere Stimme, die viel klarer klang.

»Wie? Was? polterte die Alte. »Ungehorsam! Aufruhr! Bande! ich werde euch zeigen, elende Bestien!« – und fauchend stürzte sie aus dem Zimmer und lief die Treppe hinauf.

Frau Ina kam mit Katz, den sie durch die übliche harmlose Zärtlichkeit, zu der sich diesmal feierlich ein Versprechen gesellte, beruhigt und gewonnen hatte, aus dem Nebenzimmer.

»Was ist denn das für ein Lärm?« fragte sie.

Auf die Baronin und ihren Schwiegersohn hatte der Vorgang so stark gewirkt, daß sie kein Wort der Erwiderung fanden und entsetzt noch immer auf die offene Tür starrten, durch die die Alte eben hinausgestürzt war.

Der alte Löschner klärte den Vorgang auf. Frau Ina überlegte einen Augenblick. Oben wurde es immer lauter. Die kreischende Stimme der Alten übertönte das Schluchzen und Heulen der Mädchen. Man hörte Schläge klatschen und die tiefe Stimme eines Mannes, der »Feste! feste!« rief.

Frau Ina ging eilig auf eine Art Buffet zu, das an der Wand stand und bis oben hinauf voll von Gläsern und billigem Porzellan war.

»Heinz!« rief sie. »Hilf!«

Und ohne zu überlegen, was er eigentlich tat, riß er mit Ina das Buffet um, das mit tosendem Lärm auf die Erde stürzte. Kein Stück, das darin war, blieb ganz. Es war das Getöse eines Donners aus nächster Nähe, der unmittelbar einem voll einschlagenden Blitze folgt.

Im selben Augenblick brach der Lärm oben wie durchschnitten ab. Totenstille folgte. Dann hörte man auf der Treppe Schritte, die näher kamen.

»Tritt zu mir!« rief Ina ihrer Mutter zu, und ihrem Manne befahl sie: »Zieh deinen Degen!«

In der Tür stand jetzt drohend, fauchend und doch blaß vor Schreck, die alte Löschner. Hinter ihr mit hochgestülpten Ärmeln Anton mit dem pomadisierten Kaiser Wilhelmbart. Die Alte, der der Atem fortblieb, schnappte nach Luft.

»Wer?« war das einzige Wort, das sie hervorbrachte. Und voll Haß und Wut stierte sie auf die Trümmer, die auf dem Boden lagen.

»Was kümmert Sie das?« fuhr Frau Ina sie an und hielt ihr den Vertrag hin.

»Möbel und Geschirr, das im Hause bleibt, gehört mir,« sagte die Alte und ballte die Fäuste, »sind nur gepachtet.«

»Was zerschlagen wird, ist zu ersetzen, basta!« erwiderte Frau Ina. Und nun verbitte ich mir jede weitere Äußerung; sonst setze ich Sie an die Luft, samt ihrem Mann und dem Kerl da!« – Dabei wies sie auf Anton, der eine drohende Haltung einnahm.

»Wer ist hier Herr im Hause?« wandte sich Anton mit fast vor Wut zitternder Stimme an den Alten. Ehe der erwidern konnte, rief Ina:

»Ich! verstanden? – Treten Sie hier herüber! Sie gehören zum Personal, das ich mit übernommen habe.« – Anton trat ein paar Schritte von der Alten fort. »Neben meinen Mann!« befahl sie. Anton gehorchte. »Und wenn er sich rührt, schlägst du ihn nieder!«

Der Rittmeister und Anton sahen sich an. Der Rittmeister war glücklich und fühlte sich als Held. Anton beherrschte sich wie noch nie in seinem Leben. Dem Gefühle nach hätte er sich auf den Rittmeister stürzen und ihn würgen müssen, bis er keinen Laut mehr von sich gab; dann Frau Ina niederreißen, sie vergewaltigen und zu Brei trampeln; – aber, was allein noch auf diesen sogenannten Menschen wirkte: eine Gefühlslosigkeit, die absoluter war als seine, und die er, wenn auch nur im Unterbewußtsein und ohne sich Rechenschaft darüber zu geben, bei Frau Ina spürte, bändigte ihn und hielt ihn zurück.

»Führen Sie mir die Mädchen vor!« befahl jetzt Frau Ina, und da Frau Löschner sich nicht vom Fleck rührte, so fuhr sie sie an: »Soll ich erst Gewalt anwenden?«

»Sie werden sich doch nicht an mir vergreifen?« sagte Frau Löschner ängstlich mit einem Blick auf den Rittmeister.

»Mein Mann an Ihnen? Nein! – Dazu ist der da!« – Und dabei wies sie auf Anton, dem diese Frau immer mehr Achtung einflößte.

Frau Löschner, die gar nicht begriff, daß Anton, statt bei ihr zu stehen, neben Frau Ina stand, fauchte:

»Der ist von mir bezahlt!«

»Ich habe ihn übernommen,« erwiderte Frau Ina, »und zwar mit dem doppelten Gehalt.«

»Anton!« wimmerte die Alte.

Da wußte Frau Ina Bescheid. Sie trat an Anton heran und besah ihn genau. »Gut! gut!« sagte sie. »Ausgezeichnet! So etwas braucht man hier. Sie heißen?« fragte sie und sah ihn fest an.

»Anton Drexler,« erwiderte er und dachte, die Frau kann mit mir machen was sie will. Für die täte ich alles.

»Nun, Anton Drexler, wir werden schon auskommen miteinander. Aber pariert wird, verstanden? Dann gibt's auch Belohnung. Von heute ab existiert für Sie keine Frau Löschner mehr! Von heute ab bin ich Frau Löschner.«

Ihm wurde ganz heiß. Sie hätte ihm jetzt befehlen können: »Mach schön!« und der Riesenkerl wäre vor ihr auf den Knieen gerutscht. So nickte er nur und sagte:

»Aber ja! aber ja!«

Und Frau Löschner, deren wegen Ina diesen Auftritt in Szene setzte, begann am ganzen Körper zu zittern. Alles andere war im Augenblick vergessen.

»Anton!« rief sie schluchzend, und die Tränen schossen ihr stromweise aus den Augen. »Schlechter Kerl! Gibst du mich so leicht auf? Vergißt du alles so schnell?« – Weiter kam sie nicht, die Tränen flossen.

Anton schämte sich vor Frau Ina und wehrte ab.

»I wat! ik weiß von nischt.«

Die alte Löschner löste sich in ihrem Schmerz auf. Die Tränen fingen sich in Puder und Schminke, setzten sich fest und machten aus dem faltigen Gesicht eine breiige Masse, die allem anderen eher ähnlich war als einem Gesicht. Die schweren, bis auf den Bauch herabhängenden Brüste schlugen infolge der Zuckungen, von denen der schmerzgequälte Körper hin und her gerissen wurde, wie Gummisäcke auf dem schlappen Leib. Sie ächzte und stöhnte und litt unsäglich.

Der alte Löschner, von dem alle erwarteten, er werde Anton oder der Alten an den Hals gehen, trat auf seine Frau zu, legte den Arm um sie und sagte zärtlich:

»Reg' dich nicht auf, Elise! so einen findest du alle Tage wieder.«

»Wie ich für ihn gesorgt hab'!« jammerte die Alte.

»Von allem ihm das Beste. Nichts hat man sich gegönnt, seinetwegen!«

Frau Ina, die ihren Zweck erreicht hatte, schlug mit der Gerte auf den Tisch.

»Das geht wohl auch ohne uns zu regeln,« sagte sie bestimmt. »Ich wünsche jetzt die Mädchen zu sehen. Und zwar auf der Stelle!«

Die Alte quälte sich zur Tür, schlug in die Hände, und im selben Augenblick begann die Treppe sich zu beleben.

Motte, Lona, Marianne, Änne, die Rothblonde und noch drei andere Mädchen traten ängstlich und steif in den Salon und blieben dicht beieinander an der Wand stehen. In ihrer steifen Unbeweglichkeit, den unmodernen, verstaubten Gewändern und den weißgepuderten Gesichtern glichen sie mehr abgestandenen Modellen eines Wachsfigurenkabinetts als lebenden Menschen.

Der Eindruck, den sie auf die Baronin machten, war so stark, daß sie wie zum Schutz die Hand ihres Schwiegersohnes ergriff und halblaut sagte:

»Entsetzlich!«

Auch Frau Ina sah man die Überraschung an. Die Welle von parfümiertem Dunst, die mit dem Eintritt der Mädchen in den Salon drang, legte sich ihr auf die Brust. Wie aus einer alten Rumpelkammer hervorgeholte Theaterrequisiten, die mit Hilfe eines unvollkommenen Mechanismus den Schein von Lebewesen vorzutäuschen suchten, wirkten sie auf Ina. Aber sie machte sich schnell von dem Eindruck frei und rief Drexler zu:

»Anton! geben Sie den Damen Stühle!« Der führte eilig den Befehl aus. Als ihm der Rittmeister behilflich sein wollte, gab sie ihm ein Zeichen und sagte:

»Laß das!«

Die Mädchen setzten sich möglichst ungeschickt und wußten nicht, wohin mit den Beinen und den Schleppen. Nur die blasse, schlanke Marianne gab sich völlig natürlich und lachte laut, als sich Lona und die Rothblonde in ihren Schleppen verwickelten.

Die Baronin erschrack, als hätte sie es für unmöglich gehalten, daß eins dieser Mädchen einen menschlichen Laut von sich gäbe.

»Meine Damen!« begann Frau Ina, und die Mädchen, die an alle Schimpf- und Liebesworte, nur an keine formale Anrede – und nun gar an diese! – gewöhnt waren, grienten teils, teils senkten sie den Kopf und schämten sich – aus einem Gefühl heraus, das Ina später verstehen lernte. »Von heute ab«, fuhr sie fort und genoß während sie sprach, die Wonnen eines Würdenträgers, der sein hohes Amt antrat, »unterstehen Sie mir. Das Ehepaar Löschner tritt zurück. Ich trete an ihre Stelle. Mehr, als das unter der bisherigen Leitung der Fall war, wird von nun ab vor allem auch für ihr seelisches Wohl gesorgt werden. Sie werden in mir und den Meinen – dabei wies sie auf die Baronin und den Rittmeister – »dies da ist meine Mutter, dies mein Mann – Menschen finden, die für alles, was Sie bewegt, Verständnis haben. Das ganze Unternehmen, das in dieser Form unwürdig und veraltet ist, wird auf eine völlig neue Basis gestellt werden.«

Von alledem verstand kaum ein Mädchen ein Wort. Nur als von der veralteten Form und der neuen Basis die Rede war, stieß die Rotblonde ihre Nachbarin, die nicht gerade die jüngste war, an und flüsterte ihr zu:

»Du fliegst!«

»Besitzen Sie außer diesen abscheulichen Kleidern nichts Anziehbares?« fragte Frau Ina.

Für die Mädchen antwortete Frau Löschner stolz:

»Die Schränke sind bis oben hin voll. Jede hat mindestens zwei Abendkleider, die meisten drei. Und Matinees über ein Dutzend.«

»Warum haben Sie sich denn so entstellt?« fragte Ina, und Löschner antwortete:

»Ihnen zu Ehren.«

Frau Ina lächelte, trat auf sie zu, gab jeder die Hand. Nur Marianne brachte es mit dieser Begrüßung in Zusammenhang, daß sie sich zuvor die dicken wildledernen Reithandschuhe überzog und dachte:

»Wie viel Ehre! das tut sie nur unsertwegen«, während der gutmütige Rittmeister peinlich berührt war und sich sagte:

»Diese Kränkung könnte sie ihnen auch ersparen.«

Einige blieben sitzen, einige standen auf, als Frau Ina ihnen die Hand reichte. Änne schien sich zu schämen und sah zu Boden. Die Anderen waren gleichgültig. Marianne war gerührt und weinte.

»Also, meine Lieben,« fuhr Frau Ina nach vollendeter Prozedur, während der sie den Atem anhielt, fort, »während der baulichen Renovationen in diesem Hause bringe ich Sie in meiner Villa unter.«

»Allmächtiger!« platzte die Baronin heraus und hielt sich an ihrem Schwiegersohne fest. Und Katz, der bisher schweigend und staunend alles mit angesehen hatte, trat an Frau Ina heran und sagte:

»Das verstößt gegen die polizeiliche Vorschrift.«

»Mit den Leuten verständige ich mich schon«, erwiderte Frau Ina und zu den Mädchen gewandt, fuhr sie fort:

»Gehen Sie nun bitte hinauf und ziehen Sie sich etwas Anständiges an; möglichst ein einfaches Straßenkleid oder Kostüm.

Die Mädchen sahen ängstlich und fragend Frau Löschner an.

»Meine Mädchen streichen nicht auf der Straße herum,« sagte die Alte herausfordernd. »Das hatten sie bei mir nicht nötig.«

Frau Dirne

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