Читать книгу Das Buch Mephisto - Asenath Mason - Страница 6
ОглавлениеVorwort
Was würde Dein Gutes tun, wenn es das Böse nicht gäbe,
und wie würde es aussehen in der Welt,
wenn alle Schatten verschwinden würden?
(Meister Voland in Michail Bulgakows Der Meister und Margarita)
… Ein Mann in schwarzer Robe zieht einen Kreis auf den Boden; er schreibt die Eigenschaften der Planeten und hebräische Inschriften nieder. So wie sie in jenen Büchern der Schwarzen Künste, die er gelesen hat, beschrieben werden. Er erhebt den magischen Stab und spricht eine höllische Anrufung. Er ist allein in einer Kammer. Dann erscheint eine schwarze Gestalt im Inneren des Kreises. Die Gestalt eines monströsen Drachens. Sie beginnt sich zu verändern und im Inneren des Kreises steht nun ein verhüllte Gestalt, die an einen Mönch erinnert. Sie betrachtet ihren Beschwörer und wartet auf seine Reaktion …
Eine derartige Szenenbeschreibung finden wir in Dutzenden Grimoires und in den literarischen Quellen des Mittelalters und der Renaissance. Im Europa des 15. und 16. Jahrhunderts florierte die schwarze Magie. In keiner anderen Epoche war das Interesse an Magie und Okkultismus so ausgeprägt wie in jener Zeit. Führende Köpfe der Kunst, Wissenschaft und Philosophie hielt man für praktizierende Magier und in den meisten Fällen sollte sich diese Vermutung bewahrheiten. Ein Prototyp des Schwarzmagiers war Theophilus: Eine Figur des Mittelalters, der in der Geschichte „Legenda Aurea” von Jacobus de Voraigne erscheint, die im 13. Jahrhundert verfaßt wurde. Theophilus war Verwalter einer Kirche in Sicily, wurde jedoch von seinen Vorgesetzten des Amtes enthoben. Um seine alte Position zurückzuerlangen schloß er einen Pakt mit dem Teufel. Ähnliche Geschichten schossen im damaligen Europa regelrecht aus dem Boden, im Mittelpunkt stand immer ein Protagonist, der durch einen Pakt mit dem Teufel gewaltige Macht erhielt. Diese Legende spiegelt sich in der Renaissance – Gestalt des Faust wieder. Auf einer dem Stück Marlowes entstammenden Zeichnung sehen wir Faust, wie er innerhalb eines magischen Kreises einen Dämon evoziert. Weder Reichtum noch sonstige irdische Güter lassen ihn den Geist der Hölle beschwören, auch wenn dies die Wünsche der meisten Zauberer waren. Er verkauft seine Seele um Weisheit zu erlangen, um das Universum zu erforschen und die Tiefen seines eigenen Selbst kennenzulernen. Faust betritt einen Weg der Selbsterlösung und der Selbstvergötterung. Er will sich selbst zu einem Gott machen. Dies ist der Pfad jenseits von Gut und Böse, Ordnung und Chaos, dem Rationalen und dem Irrationalen – zwischen Himmel und Hölle, aber dennoch beide erreichend. Darum ist sein Berater und Kumpan auf diesem Weg der Geist der Transformation, der Psychopompos, der Trickster, der Führer und der Initiator: Mephistopheles.
Dieses Buch will nicht die faustische Tradition in voller Breite erforschen. Es ist auch keine Abhandlung über die Magie der Renaissance. Dieses Buch ist ein Grimoire, welches gänzlich Mephistopheles gewidmet ist – in all seinen Aspekten und Erscheinungsformen in der westlichen Esoterik und Literatur. Die hier veröffentlichten Texte und Rituale sind aus einer modernen Perspektive geschrieben worden –, und dennoch wurzeln sie in alten Quellen. Die magischen Praktiken in diesem Buch wurden durch die Grimoires des Mittelalters und der Renaissance inspiriert, aber ebenso durch zeitgenössische Literatur der faustischen Tradition: so z. B. J. W. Goethes FAUST oder Michail Bulgakows DER MEISTER UND MARGARITA.
In den Quellen des Mittelalters und der Renaissance ist Mephistopheles der am meisten genannte Teufel. Manche schreiben ihm eine hohe Position in der höllischen Hierarchie zu, andere vertreten wiederum den Standpunkt, daß er lediglich eine Erfindung von den Verfassern Faust ähnlicher Geschichten ist. Als Mephistophiel erscheint er als einer der sieben Prinzen der Hölle. Es wird weiterhin gesagt, daß er unter den ersten vier Engeln war, die gegen Gott rebellierten und stürzten. In diesem Kontext wird er mit Luzifer, Belial und Leviathan genannt. Auch wird er in den Schriften des Cornelius Agrippa von Nettesheim und in zahlreichen Grimoires des 16. Jahrhunderts beschrieben.
Trotz seiner Popularität in den visuellen Künsten und der Literatur ist Mephistopheles die vielschichtigste dämonische Wesenheit der gesamten westlichen Tradition.
Im modernen Okkultismus wurde seine Rolle erheblich herabgesetzt und nur wenig Tribut wird dieser einst sagenhaften Gestalt gezollt. Es ist daher das erklärte Ziel dieses Buches, die Figur des Mephistopheles in einem neuen Licht zu präsentieren – nicht nur als ein traditionelles Prinzip des Bösen, sondern als ein Initiator in den Linkshändigen Pfad, als Widersacher der christlichen Tradition, aus der er entsprang und als persönlicher Schatten, der uns durch unser gesamtes Leben begleitet.
Laßt ihn erneut zu unserem Anführer und Gefährten werden, so wie einst in der alten Zeit, aber aus einer neuen Perspektive heraus betrachtet.
Asenath Mason
im Winter 2006