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Aufzug I

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AUFZUG I AUFTRITT I


Typische Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Theresienstraße in Leipzig zu Beginn der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts. Unmöbliert. HEINRICH B starrt nachdenklich ins Leere. Sein Frontkämpferkreuz jongliert er apathisch zwischen den Fingern wie einen Rosenkranz. Wankelmut mag kennen, wer auch immer da will. Meine Lippen bleiben bei diesem Unwort still. Manch einer trachtete es bloß zu reduzieren; Auf die blanken Lettern, den Sinn zu denunzieren. Was mich allein betrifft, bleibt's ein schamloser Meister, Der, der ihm treulich folgt, dem fliehen seine Geister Aus Ohren, Nase, Mund und mannigfachen Poren, Nein, der Mensch als solches, ist zum Höchsten geboren. Ich kenne meine Pflicht und werde mich nicht winden. Darum wird Wankelmut in mir nie Heimat finden Bedächtiges Schweigen. Allzeit bereit zum Kampf für's einzig Vaterland - Zur Not bis in den Tod! Heil dir du mein Deutschland! ELSA B Heil Deutschland! HEINRICH B Ach Elschen, stark sind wir wie Kruppstahl Nicht ein Jahrzehnt ist's her, als wir trafen die Wahl Und hier Abschied nahmen, um ein neues Glück zu suchen, Das in die Höhe spross und welches wir nun fluchen, Weil es uns entblättert den Trugschluss offenbart - Sackweise Markstücke haben wir angespart Und Münze für Münze hat sich auf leisen Sohlen Mitsamt dem Neuanfang so flugs davongestohlen. Was blieb andres übrig außer zurückzukehren? ELSA B Nachträglich ist man klug, zuvor gibt's keine Lehren; Erfahrung wird's genannt, Vergangenes wird scheiden, Denn trotz der raren Gunst werden wir aufrecht bleiben. Wichtig war nie das Wo, nur das vereint was liebt. HEINRICH B Reden schwingen kann die, die mehr nimmt als sie gibt! Beileib' was opferst du, hier in deiner Heimat? Wandelst zwischen Alleen auf eingetretnem Pfad; Die Elster rauscht beschwingt hindurch den Wagnerpark, Dich erquickt sie sichtlich, aus mir trinkt sie das Mark Und saugt begierig ein und fördert meine Trauer - Vertreibt Erinnerung aus der Gedächtnismauer. Dort hinterm Dunstschleier, dort wo die Wiege stand, Da schwebt mir verborgen mein Bildnis vom Rheinland. ELSA B Wie gönnerhaft du graulst den kurzen Stummelbart, Als seien Rheinländer von besonderer Art. Die schillernde Krone trägt ein Volk gemeinsam; Krochen sie etwa nicht nackt, halbblind und achtsam Aus der klammen Höhle und schrien heraus ihr Los? HEINRICH B Welch weibische Ausflucht - Ein Meer nur uferlos! Ich seh scharf umrissen, was wir uns wohl bescheren, Wenn wir mit solch Thesen allzu frivol verkehren: Nichts als stumpfen Verdruss, aber Hand aufs Herzlein, Welches ehrlicher spricht als ein Heiligenschein: Wer da einen Kopf trägt, der hütet einen Platz, Begehrt ihn zu schmücken mit einem funkelnd Schatz. Verzeih! Es riss mich hin des Zagens wehe Frucht. ELSA B Nur Schuften dient Herkunft als die beste Zuflucht, Ausgenommen Sachsen - den Stolzesten der Stolzen! HEINRICH B Die baumhohe Geduld willst du mir wohl abholzen. Diese Situation lohnt nicht zu debattieren, Fern ist die Einigung in der wir Zwei verlieren. Stolz ist keine Einheit, weder wieg- noch messbar, Denn wie ungleich ärmer wäre die ganze Schar An greller Sternenflut, die die Milchstraß' versenkt, Sobald unsre Blicke nur auf Einen gelenkt. Wir leuchten alleine, strahlen in Gemeinschaft. ELSA B lächelt herausfordernd, wie es nur Verliebte untereinander verstehen. Kein Sachse braucht den Kram. Was nützt diese Eigenschaft? HEINRICH B springt auf sie wie ein Löwe und reißt sie mit sich auf die Holzdielen. Ein waschechter Sturkopf wie er im Buche steht ... ELSA B Sieh dich erst im Spiegel, wenn dort dein Mond aufgeht Gibt's keinen Unterschied zwischen all den Gestirnen, Die gar gülden schimmern wie Williams Christbirnen. Bei all der Ähnlichkeit, empfind ich's allerhand, Dass dir meine Sturheit der liebste Gegenstand. HEINRICH B Ich habe mich verliebt in dein Wesen im Ganzen, Erst durch dich mein Elschen, lernt ich leichtfüßig tanzen, Obschon damals die Welt in Kabalen versank, Die treulich Liebe war's, an der ich mich betrank. Frieden ist Utopie, darum ist Krieg notwendig, Aber nicht für den Staat, denn der ist nicht lebendig. ELSA B Quatsche kein Kauderwelsch, beweis mir deine Worte! Erheb mich zur Göttin, nur von solch einer Sorte Ist das Adelsgeblüt, das zu Küssen versteht, Wenn die Not am Größten und Masken abgelegt. Beide wälzen ihre Leiber lustversunken auf dem kahlen Boden. Im Hintergrund erscheint Gertrud Budde, die glaubt ihre Eltern unachtsam gestört zu haben. GERTRUD B Oh nein! Mama! Papa! Wo seid ihr denn geblieben? Ich warte schon so lang, auch wo die Tropfen fielen Stand ich am Straßenrand und schützte Hab und Gut Aber ich bin zu schwach, drum mehrte sich die Wut Nicht halten zu können eure Bitte an mich. ELSA B Entschuldige mein Kind, dass das Spiel dem Ernst wich. HEINRICH B flüstert Elsa schelmisch ins Ohr. Zweimal trug ich bereits den Lorbeerkranz der Sieger. GERTRUD B Das verstehe ich nicht, ihr redet wie im Fieber. Wie verkehrt ist diese Welt, wenn Eltern fröhlich spielen, Während deren Kinder als Packesel fungieren? HEINRICH B Krümme dich nicht weiter! Wärme im Mutterarme Deine müden Glieder und fühle dich als Dame. Dort findest du Ruhe vor dem Aufgeregtsein Ich warte vor der Tür und dämm den Schaden ein, Sonst wird das Mobiliar uns wenig Nutzen bringen. Und ist das nicht der Zweck selbst von geliebten Dingen? Kurze Pause. Wo ist der Transporteur mit unsren großen Stücken, Die aus Duisburg kommen zum Ausfüllen der Lücken? Ab. GERTRUD B hebt das Ehrenkreuz an, welches der Vater in der Eile hat fallen lassen. Wie ich annehmen darf, war das des Spiels Trophäe? ELSA B Du rätst und weißt es nicht! Was wir suchten war Nähe. Dieser Ehrenorden ward dem Vater verliehen Von der höchsten Instanz für jene, die nicht fliehen. Belasse es dabei, denn diese Sorte Lob Geziemt keiner Tochter ... am Ende harrt der Tod. GERTRUD B Trotz alledem gewährt man manchen diesen Sold, Die ihn nieder rangen und Fortuna war hold. Wer vermag da den Wert des Kreuzes schon zu schätzen, Wenn die Verehrung ist wie an sakralen Plätzen Seitdem es Bestandteil unsres Haushaltes ist. ELSA B Unnütze Relikte geben an wer du bist - Mehr noch wer du nicht bist! Zum Materialisten Zählt er sich aber kaum, die karg ihr Dasein fristen, Für die nur wertvoll ist, was besitzt feste Form. GERTRUD B Warum verfolgt er dann diese affige Norm? ELSA B indem sie ihr Gesicht zu einem bitteren Lächeln verzieht. Weil er das Innere zwar vom Reste abtrennt, Andre Menschen jedoch, denn das ist ihr Talent, Interessiert der Schein, den sie selbst kreiert haben, Um danach zu trachten, sich am Pöbel zu laben. GERTRUD B Mir scheint ich bin zu jung fürs Erwachsnengeschwätz. Zu mannigfach entfleucht der Sinn im lichten Netz. Mir gefällt schlicht das Kreuz, so will ich es bald tragen. ELSA B Es reicht, wenn's einer hat, ich müsste dich sonst schlagen. Kennst du noch meine Angst, die ich verzweifelt litt? HEINRICH B erscheint, indem er umständlich eine Standuhr trägt und in die Mitte des leeren Raumes abstellt. Endlich Westminsterschlag! Die Stunden im Gleichschritt Wie früher vergehen - Ohne Uhr keine Zeit. Das war der Schweiß mir wert, trotz all dem Rückenleid. GERTRUD B lässt das Kreuz am schwarz-rot-weißen Stoffband aus der Hand gleiten, sodass der Fall kurz vorm Aufschlag jäh gebremst wird. So bin ich überzeugt, dass du gerne eintauschst? HEINRICH B reißt es ihr erschrocken ohne an ein Wort der Antwort zu denken in einer Affekthandlung aus der Hand. GERTRUD B Mama? ELSA B Heinrich! HEINRICH B ernst. Was ist's, das diesen Fall aufbauscht? Es gibt eben Menschen, wie deine liebe Mutter, Dich und deinen Cousin; Ihr seid wichtig wie Butter Auf meinem Körnerbrot, somit unerlässlich - Es scheint weit hergeholt, aber es ist ähnlich! Dies Kleinod nämlich ist's, das mir vor Augen hält Das unbeschreibliche Krankheitsgeschwulst der Welt. Dieses Wissen ist mein, kann's dir darum nicht geben. ELSA B Ein für alle mal Schluss! Hier wartet nimmer Segen In diesem Dialog, nur Gemüterverdruss. Zukunft vor Geschichte, so sei mein Richtbeschluss! HEINRICH B und GERTRUD B gemeinsam. Amen! ELSA B Wird Tageslicht uns auch abhanden kommen, Wird Glaube uns dienen, wie allen Herzensfrommen! HEINRICH B und GERTRUD B gemeinsam. Amen! ELSA B Jener Glauben, der mit verheißend Schein Unser Denken erhellt und Leiber wärmt wie Wein; Und Kraft uns spenden wird, dass wir die Dunkelheit Wie Glühwürmchen schneiden als Hüter der Wahrheit! HEINRICH B und GERTRUD B gemeinsam. Amen! GERTRUD B. Ach, Glühwürmchen die armen kleinen Wesen. HEINRICH B Wie wird dir? Ich kann es aus deinem Gesicht lesen. GERTRUD B Welchen Grund soll's geben, außer das ich sie mag? Damals, ich entsinn mich, verwelkte grad der Tag Als wir beim Kaiserberg sahen den dunklen Fleck Und mit ihm hereinbrach ein grollend Donnerschreck. Getrieben von Wolken, tiefblau wie der Ozean Fanden wir Unterschlupf durch den Vorsehungsplan. Eine krumme Eiche hielt dem Unwetter stand, Welches uns bald entließ vor der nächtlichen Wand. Wir tapsten durchs Gehölz ohne Orientierung. Zu Elsa B gewendet. Und da! Siehst du sie noch? Die Engelsverzierung? Wie abgeklopfter Staub, der vom Gefieder fiel. Durch die, die 's nicht fanden, fanden wir unser Ziel. HEINRICH B Hattest du Angst? GERTRUD B Wovor? Dort war schlichtweg Schönheit! Sie schwärmten durch die Nacht als sei es ein Wettstreit. Lieber leugne ich mich und auch meine Existenz Als ihr Vorhandensein, jene wahre Essenz, Was dem Herrn göttlich gilt - wir hingegen sind matt. ELSA B die nervös Blickkontakt zu ihrem Ehemann suchte Warum hast du denn bloß die Menschen bereits satt? Was bringt in jungem Jahr dich in diese Zwickmühle? GERTRUD B Bin ich ein töricht Kind, wenn ich mich grad leer fühle? Meine Jugend flieht mich zum Preis der Erkenntnis. Wohl bedacht baut sich auf in mir das Bekenntnis, Dass es manch einen gibt, der andren Böses will. Sie sind oft unbekannt, verhalten sich erst still Und dreschen aus Schatten mit vernichtender Wucht Bis man ihnen erliegt in der blinden Tobsucht. HEINRICH B lächelt mild und legt seinen Arm schützend um ihren Schwanenhals. Philister sind verhasst, drum lobpreis ich dein Wissen Und möcht dich ermuntern deine Flagge zu hissen. Im Zug der Freiheitsluft, darfst du dich nicht verschlucken, Musst duldsam Zug um Zug mit offnen Augen gucken, Denn mannshohe Wellen schlägt die schändlich Missgunst, Während das Mitgefühl zählt zur niederen Kunst, Aber nur der Reine ist frei von den Konventionen, Ein farblos Charakter ohne Definitionen Kann sich empor schwingen zum grellsten aller Sterne, Ähnlich der Glühwürmchen, die dich füllten mit Wärme. Ihre Tugend ist rein, weshalb sie wiederkehren. Verglüht eins von ihnen in den hiesigen Sphären Widerfährt ihm kein Leid, es ist im Nichts verschwunden, Weil es vom Weg abkam, das Dickicht zu erkunden. Merk dir! Wer redlich ist, wird zur Probe bestellt, Vernichtet wird nur der, dem die Untreu gefällt. ELSA B Die Zeit ist verkommen, außer das Vaterland, Welches familiengleich über uns hält die Hand. Woanders gibt's nur Grund, verbrannt und ohne Wert. Heinrich Budde ab. Durch unser neues Heim wird das Glücke vermehrt. GERTRUD B Waren wir unglücklich? Hatten wir nicht uns selbst? ELSA B Nein, wir haben uns noch, aber was du heut hältst Fliegt morgen himmelwärts. Unsre einzig Aufgabe Muss das Erhalten sein mit innigster Hingabe. Bedeutsame Schweigesequenz zwischen Mutter und Tochter, die beiden sichtlich unangenehm ist. HEINRICH B tritt erneut ein und richtet die Standuhr zentimetergenau zentral im hinteren rechten Bühnenkarree aus. Westminsterschlag ertönt gewohnt kraftvoll und ob der gähnenden Zimmerleere umso hallender. Wie voll der Klang ertönt. Für wen schlägt keine Stunde? Das Schellen der Türglocke ertönt. Was lange währt, wird gut! Den letzten beißen Hunde! Bäuerliche Sprüche ... sie sind oft zu einfach, Um Anklang zu finden - Klüger ist man danach! Ab. GERTRUD B Wenn Papa hektisch wird, erkenne ich ihn nicht Er ist wie ein Vulkan, der nächstens rasch ausbricht. Er raubt mir die Ruhe, könnt ich nur den Grund nennen, Warum er anders wird, sodass wir ihn nicht kennen. Hat er zwei Gesichter, wovon eins unbekannt? Oder hat ein Dämon ihn vielleicht übermannt? Ich will mit ihm toben - "Hoppe, hoppe, Reiter" Und seine Bassstimme, die laut schreit: "Dann fällt er!" ELSA B Gebetsmühlenartig drehen wir uns im Kreis Aber keiner von uns, der von seinem Leid weiß. Manchmal deutet er an und bleibt den Schluss schuldig. Er will unser bestes, drum sind wir geduldig. GERTRUD B kann ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wie er sagen würde: In der Ruh' liegt die Kraft. ELSA B Diese neuen Macken bleiben nicht dauerhaft, Drum schwör auf unsren Bund und dein sächsisches Blut, Dass in uns Einigkeit als auch Vertrauen ruht! Zumindest wir beide - Mutter und Tochterherz Vereint im selben Schlag erdulden selben Schmerz. GERTRUD B ihre Mutter in die Arme fallend. Das ist meine Kindspflicht, die ich tu ohne fluchen. ELSA B Lass uns ohne Umschweif nun deinen Cousin suchen. Er wird draußen stromern und die Gegend erkunden. Dieser stürmisch Wildfang, wird bald schon tot gefunden. Beide rechts ab. AUFZUG I AUFTRITT II Eine Betonallee, aus dessen Pflastersteinlücken grünende Lindendenkmäler drängen als Überbleibsel dessen, was früher Regel war. HEINRICH B allein. Hat's wirklich geklingelt? Oder war es ein Streich? Jäh stirbt Hoffnung dahin, Madonnenlilien gleich, Um deren Erblühen man täglich Umweg macht, Und mit dem Morgentau vor ihren Knospen wacht. Schließlich, wenn Vorfreude den Lustgipfel erklommen Hat des Gärtners Sense mir die Freude genommen - Ein ödes Borstenfeld, Fenster der Metzelein - Sie teilt, was teilbar ist, verschont nicht Kopf nicht Keim. Seitdem lauf ich langsam, der Park schlägt auf den Magen Kann des Henkers Pfeifen und Lachen nicht ertragen, Wenn er von dannen zieht mit dem feistem Antlitz Denkt, er hat wohl getan, das ist der gröbste Witz Weil er gehandelt hat, wie's ihm befohlen wurde Legitimiert's die Tat, wären's auch Massenmorde. Rechte werden verwehrt nur wenn man ohne Pflicht Denn sonst schützt auch Dummheit vor arger Strafe nicht! Hebt die rechte Hand flach über die Augenbrauen. Wer steigt mir entgegen mit Schneemannsproportionen? Trägt selbstbewusst den Wanst wie Modelillusionen Er ist nun fast schon da, als müsst ich Kenntnis haben. DR. THIERACK bestürmt ihn, indem er ihn fest umarmt. Ist er es? Ja für wahr, Meine Augäpfel darben! Du alter Teufelskerl, wie kommst du nach Leipzig? Dieser Umstand dünkt mich sogar einzigartig. HEINRICH B skeptisch abwartend. Unspektakulär schlicht - auf Schienen mit der Bahn Wie der Volksmund gern sagt: Mit Verspätung und lahm! DR. THIERACK lacht einmal ordinär laut auf, als Anzeichen einen Witz identifiziert zu glauben. Nie verlegen um Spaß, er wird darum nicht älter Ich könnt neidisch werden, spür ich die Winter kälter Und die Sommer heißer - egal was ich erlebe ... Früher hat mich befreit, was nun bedrückt die Seele. Ich komm zu keinem Schluss, wie lang es wohl her ist Und wie viele Meilen seitdem unser Weg misst? Ihn musternd, da die Reaktion ausbleibt. Es bewahrheitet sich: Ein Dörfchen ist die Erde. HEINRICH B erfreut. Sie mögen Sprichwörter? Empfinden Sie's als Erbe? DR. THIERACK Ebenso sehr wie du, diese Gemeinsamkeit Bezeugte uns in Not, die treue Einigkeit, Wand liebevoll um uns ein freundschaftliches Band, Dass der Alltag tilgte aus seinem Fortbestand. Merklich verkleinert scheint seither mir die Weltenkugel Fällt ab in Sinnloses durch gesteigerten Trubel. HEINRICH B Im Großen bildet sie auf eifriges Geheiß Was im Kleinen die Welt schon darzustellen weiß, Deshalb zeigt sie Grenzen, an die der Geist sich stößt Der den Dorfcharakter nie ausreizt und sich löst. DR. THIERACK Er gehörte damals schon zu dieser Kategorie Und zählt es noch heute, namentlich Philosophie. Werde ich ihr für wahr, erwacht die Erinnerung, Längst verblasste Zeugin, welche spendet Linderung. An solch Schöngeisterei hab ich mich nie gewöhnt. All der Stress, der Aufwand wird nur selten entlöhnt. Es reicht nicht einfach aus, bloß intelligent zu sein, Vielleicht ist's hinderlich, es reicht der bloße Schein Und manchmal wär's schlauer, man wäre ehrlich dumm Wie grünes Bohnenstroh, das da liegt faul herum. HEINRICH B Haltung annehmend, da er nun erhellt vom Erinnerungsblitz seinen Gegenüber erkennt. Herr Oberfeldwebel! Hätt' ich Sie gleich erkannt Wären meine zwei Knie mit diesem Staub bekannt. An der belgischen Front war's ihre Aktion Als taktisches Genie in unsrer Mission, War's auch nur der Teilsieg - für uns war er komplett. DR. THIERACK bitter. Letztlich war's ein Röcheln im stinkend Lazarett. HEINRICH B Was tut das zur Sache, denn ohne Ihr Zutun Würden weit mehr Deutsche im fremden Boden ruhn. Glauben Sie etwa nicht, dass die Toten in Gräben Im eisig Schlammmorast ihr Schicksal dafür gäben Um aufzuerstehen und um Rückkehr zu flehen? Die tapferen Männer, die ihre Heimat sehen Und zu ihren Frauen leutselig zurückkehren, Ohne großen Zweifel würden die Sie verehren! DR. THIERACK Da schaut sich einer an, wie viel Pathos er schwingt Wie Nationalstolz in seine Rede dringt. HEINRICH B Ehre gilt immer dem, dem Ehre auch gebührt. DR. THIERACK Dann lös er die Haltung, hier wird niemand verführt! Vorsicht ist nachteilig bei dem Zusammenraufen. Wir müssen uns Einen: Wenig werden ein Haufen. Der Anfang liegt bei uns, bei denen die im Dreck Blut mit Tränen mischten für einen rühmlich Zweck. Der Sud haftet ewig, ist nie mehr abwaschbar. Niemand versteht's besser als unsereins für wahr, Darum sollten tunlichst wir es beim 'du' belassen. HEINRICH B Welch Karabinerschuss! Kann mein Glücklos kaum fassen. Georg ist mir lieber als Herr Oberfeldwebel. DR. THIERACK lacht in typische Manier. Ja, Titel tauchen auf und verschwinden im Nebel. Hält kurz inne. Wäre es dir möglich mich später zu empfangen? Mich drängt es zu Pflichten, die derweil mich verlangen. HEINRICH B Das ist keine Frage, es ist stets ein Vergnügen Ein ander Mal noch mehr, denn was nützt es zu lügen Mein Heim ist ein Schlachtfeld, bloß die Einschläge fehlen. DR. THIERACK im weggehen. Papperlapapp sowas lass ich wirklich nicht zählen Wein macht hässliches hübsch! Erwart mich gegen Neun. Ab. HEINRICH B nachdenklich. Oh hoffentlich wird er's später nicht doch bereun Wir saßen zusammen auf stinkenderem Mist, Aber sieht man ihn an, weiß man wie lang 's her ist. Auch der ärmlichste Tropf, der vom Luxus kostet Vergisst die alte Pein, derer er nun trotzet. Immerhin besitz ich die Uhr wie ein Prophet Und weiß darum genau, wann meine Stunde schlägt. AUFZUG I AUFTRITT III FRIEDRICH HASSE empfängt Heinrich Budde in froher Manier wie vorheriger. Oh mein geliebter Freund! Komm her in meine Arme. HEINRICH B herzlich. Welche Überraschung? Es keimt der heilsam Plane Den ich unmöglich hielt als ich dir den Brief schrieb Ich hoffte und dachte viel, aber nicht aus Prinzip Wonach dem Tüchtigen schnell Rechtes widerfährt Und danach bemisst sich ein wahrer Heimatwert Dort, wo Menschen harren, die proppenvoll mit Güte Um deren Gunst man sich einst inbrünstig bemühte Denn nicht jede Wurzel greift gleich tief in den Grund. FRIEDRICH HASSE Das ist eine Freude zu erneuern den Bund Als sind keine Jahre seit ehedem vergangen Stehst du plötzlich vor mir und bist nie fort gegangen. Wie ich dich beneide um die Selbstbestimmung, Wo manche verweilen in verhasster Bindung. HEINRICH B Spontan und aus dem Bauch treffe ich Entscheidungen, Nur das Gefühl ist echt, nicht andre Meinungen. FRIEDRICH HASSE Endlich lern ich kennen deine liebe Ehefrau Und Vater bist du auch, wie viel sind es genau? HEINRICH B Ein liebes Töchterchen und meines Bruders Sohn, Für den Familienzweig war der Krieg Endstation. Er allein blieb verschont, was ich als Zeichen deute, Dass er als Glücksstern gilt zu reiner künftig Freude. Doch genug Tragödien, zerstreu mich mit Geschichten! Man liest viel in Briefen, manch Prosa, andre dichten. Letztlich bleibt die Tinte auf dem Büttenblatt kleben, Trocknet und bleicht langsam, nichts kann sie dann beleben. Ich will die dicke Luft, die mit Sorgen beladen Auf den Freundesleib drückt gemeinsam mit ihm atmen Lauthals will ich lachen, was das Papier nicht bannt. FRIEDRICH HASSE Wie hab ich dich vermisst als seien wir verwandt Nur umso inniger, weil wir uns selbst erwählt! Während Blutgemeinschaft sich leidend oftmals quält. Ohnehin vergießt man trübsinnige Gedanken, Bei Gelegenheiten, gerät dadurch ins Wanken, Die nicht zu ändern sind - näher ist uns der Morgen Solang wir nicht kennen die bevorstehend Sorgen. HEINRICH B Ja eben um Sorgen sorge ich mich täglich Schiebt man sie weit von sich, werden sie mehr schädlich. Rednerei ist leichter - wer probiert stark zu sein Muss rücksichtslos handeln, sonst zerstiebt das Gebein. FRIEDRICH HASSE Konntest du dein Gepäck nicht fern in Duisburg lassen? Dort wo graue Tristesse verfügbar ist in Massen. Ein schwerer Koffer mehr lastet auf dem Gemüt Und fällt nicht ins Gewicht, wo eh nichts mehr erblüht. Wohlan! Kummer plagt dich, so lass mich dir helfen, Wie nur Freunde helfen, um als solche zu gelten. HEINRICH B Ich kann keinen Anspruch auf dergleichen erheben. Zuerst muss zufrieden der Freund in Eintracht leben. FRIEDRICH HASSE Dito, das will ich auch! Wage drum den Versuch Eine Freundschaft besteht, das erwähnt zwar kein Buch, Aus geben und nehmen, doch sind dies leere Lehren Oder würdest du mir den Gefallen verwehren Um den ich dich Bitte? Final bleibt zu befürchten, Dass du nicht nehmen kannst, aber wonach wir trachten Ist keine hälftige, sondern volle Freundschaft, Wo zusammen gehört, was sich zusammen rafft. HEINRICH B holt aus der Hosentasche sein Verdienstkreuz hervor. Weißt du, was ich hebe und was es bedeutet? FRIEDRICH HASSE Dies Zeichen kenn ich gut, hätt' es nicht geleugnet, Dass diese Auszeichnung nur der Tapferste hält. Darum bist du mein Freund ein Nationalheld. HEINRICH B Mir hingegen ist's fremd, weiß nicht was ein Held ist, Ob man seine Größe vom Schopf zur Sohle misst. Einerlei! Eine Schlacht braucht gequälte Gesichter, Die den Krieg stark spiegeln als die Gedächtnislichter. Bleiben sie im Dunkeln, wird die Schandtat vergessen Und wird wieder geschehen, das wäre zu vermessen. Nicht ohne den Anflug einer stolzen Regung Nahm ich den Talisman mitsamt der Erregung, Die mir die Brust anhob, als sei's ein Luftballon, Als er fort geflogen blieb mir die Aversion, Denn was ich spät begriff: Es ist ein unnütz Ding Neue Arbeit blieb aus und meine Zeit verging. Seit meinem Wehrantritt mimte ich den Soldat Und war es auch danach, bekam nur guten Rat Und selbst bis nach Dortmund zum Ort meiner Lehrjahre. Nirgendwo gab's Arbeit, nur den Ton der Fanfare, Der die Träume bestimmt, die mit Angst getüncht sind Und in den Tag greifen; Wie Samson bin ich blind. Der, der nur leiden kann, wird Ruhe im Tod finden Doch welchen Kindern hilft's, wenn die Väter verschwinden? FRIEDRICH HASSE Du hattest nur die Qual, jetzt aber auch die Wahl! HEINRICH B Deswegen gab ich vor, es verlaufe normal Und habe meiner Frau die Lösung aufgezeigt, Aber ist mir Bleichert noch wohlig zugeneigt? Der aller erste Wurf muss es sein, der gelingt Bevor die Misere mein Erspartes verschlingt. FRIEDRICH HASSE Sei völlig unbesorgt und fass in dich Vertrauen. Die Werke kennen dich, wissen, auf wen sie bauen. Diese Kenntnis allein sorgt für Widereinstieg Plus deine Ehrungen, die du errangst im Krieg. Dein Kummer ist haltlos, fast schon unbegründet, Brief und Siegel geb ich, falls dies so arg endet. Niemand stirbt in Deutschland offen an Hungersnot. HEINRICH B Ohne Bürger kein Land, das gilt als Staatsgebot. FRIEDRICH HASSE Das Essensgerede hat mich hungrig gemacht. Wann empfängst du mich heut? Ich harr nicht bis zur Nacht. HEINRICH B zögernd. Bitte versteh's nicht falsch, es ist mir ein Vergnügen ... Doch die gähnend Leere, kann dir Freund nicht genügen. FRIEDRICH HASSE im Weggehen. Ich verstehe es schon und werd's dir heimisch machen. Eine Flasche Cognac bis wir gemeinsam lachen - Ab. HEINRICH B Ach, wenn die Antworten am Grund der Flasche wären Wie viel müsst' ich trinken zum Verdrücken der Zähren? Brütet vor sich hin. Er hat recht! Denn wieso sollte man mich verschmähen? Schuft ich für Niedriglohn gibt es immer Einsehen, Aber welch ein Empfang, der mir bereitet wird? Das war unerwartbar, dass ich fungier als Wirt Und ich soviel Gäste in unserm Heim herscharre, Sodass ich auftaue aus meiner Leichenstarre. Aber wo bleibt verflixt noch eins der Spediteur? Auf wen ist noch Verlass, wer schenkt mir nun Gehör? AUFZUG I AUFTRITT IV Wohnung in der Theresienstraße. ELSA B die für wahr wird, wie ihr Ehemann umständlich vier hölzerne Klappstühle durch die Türe der Wohnung schleppt. Haben die Halunken doch ihren Soll erfüllt? HEINRICH B Jein, also ja und nein, der Umstand bleibt verhüllt. Vorerst sind die Stühle unsre einzige Fracht - Ein Logistikproblem, quasi höhere Macht. ELSA B Für die Gartenstühle haben wir gewartet? Ich kann mir nicht helfen, das Stück wirkt abgekartet. HEINRICH B Hab Vertrauen Elschen und sieh es positiv! Viele Bürger sind arm, für die wär's attraktiv, Wenn sie welche hätten, wir sind gar zu beneiden. ELSA B Ist's Spiel oder dein Ernst? Wir sind zu bemitleiden! Mir erscheint einiges grad als fadenscheinig, Aber ich frage dich, bin ich so raubeinig? Wisse ich bin nicht dumm und habe still zugesehen, So lass mich nicht betteln! Wie sehr soll ich noch flehen? Schau nicht stumm zu Boden, wenn ich mir dir rede! Jetzt gibt's keinen Schwindel, sonst gelob ich dir Fehde: Frei heraus: Gibt es Post schon von den Bleichertwerken? HEINRICH B Elschen, es liegt mir fern, aber ich muss bemerken, Dass in Kürze Besuch an der Pforte klingelt. ELSA B Welch treffliche Idee, öffne gleich ein Bierzelt! Solange dort Platz ist für die vier Gartenstühle Brauchst du nicht zu fürchten eine Art der Zwickmühle. HEINRICH B So bitte versteh doch, es war ohne Mutwillen. Wie sollt' ich nein sagen? Es war um deren Willen! Während ich wartete, entlang des Bordsteins schlich, Da begegnete ich erst Georg dann Friedrich. ELSA B Das ist ja gut und schön, aber hast du bedacht, Wer mich im Nachhinein als Hausfrau dann verlacht? Ich kann den mir Fremden nichts bieten, nicht mal Brot. HEINRICH B Es ist ein Bekannter und ein Freund, kein Despot. Du giltst ihnen als Frau, als wunderschöner Traum Sie fördern Gemeinsinn, da ist ein leerer Raum Gerade voll genug, du wirst bestimmt noch staunen, Denn niemand von denen hörst du hier jemals raunen. ELSA B hört das Läuten. Du hast starke Nerven mir solch Streich zu diktieren. Nein ich hör nicht auf dich, ich werd mich nicht blamieren. So was selbstsüchtiges geht gegen den Geschmack Ich geh ins Schlafzimmer und verdau den Tobak. Die Kinder schlafen ruhig, also störe uns nicht, Sonst hält morgen Frühe jemand anders Gericht. Ab. DR. THIERACK tritt ohne Klopfen in die Wohnstube. Du schaust aber wirr drein, Mensch er gehört zerstreut! Der Korken soll flutschen, heute wird nichts bereut. Die Lieferung ist da, wie ich deutlich ersehe. Der spartanische Stil ist typisch für die Ehe. Man übt sich im Verzicht, wo sonst Verschwendung war Und setzt Priorität, das ist elementar. Stühle! Was braucht man mehr? Leibeswohl dann der Stuhl Was nützt schon ein Palast dem mächtigsten Mogul, Wenn die Bedürfnisse, gerade die Geringsten, Unbefriedigt bleiben, sind es doch die Wichtigsten. HEINRICH B Der Anfang ist gemacht, der Rest folgt nach und nach. DR. THIERACK den Raum musternd, als nehme er nur nebensächlich an der Unterhaltung teil. Mit welcher Seelenruh er von der Sache sprach Als sei's Sachsensitte prompt verladen zu werden Bei wem anders gewiss da hagelt es Beschwerden. Wer einen Menschen drückt soll selbst darunter bersten Und das Gewicht spüren, vorbei ist's dann zu scherzen. Jeder Teich ist trübe, wird er nur aufgewühlt, Obwohl sich das Wasser weiterhin feucht anfühlt. Ich suche so ein Ding ... mit Spirale und Spitze. HEINRICH B Einen Korkenzieher? Uns fehlt zuerst die Ritze Worein er fallen könnt und dann erst das Gerät. DR. THIERACK Priorität Stühle, wer das mal nicht versteht. Zieht seinen Schuh aus und klopft mit der Sohle gegen den Flaschenboden. Anschließend steckt er die Flasche in seinen Schuh und schlägt sooft gegen die Wand bis der Korken fast vollständig aus dem Hals ragt. Et voilà! Manchmal reicht der Hang aus zur Gewalt. HEINRICH B Ich staune! Das heißt man kreative Vielfalt. DR. THIERACK Mein Rat für dich lautet: Wenn du die Hand ausstreckst Die sich bereits erhitzt zum flammend Ziel hin wächst, Dann zieh sie nicht zurück, bleib ohne merklich Schrecken Und greif zum Äußersten, dient es nur deinen Zwecken. HEINRICH B Du warst stets konsequent ohne Strich und Schnörkel. DR. THIERACK Es ist hierzulande eng gefasst der Zirkel, Um den Personenkreis der Taten folgen lässt Und ein kümmerlich Wort nicht nur sagen aus Protest, Die sich empor schwingen zum geheiligten Credo, Zur leuchtend Waldschneise, zum wahren Eldorado, Welches verborgen bleibt für billig Heucheleien In die sich Mitläufer mit Vorliebe einreihen. Format hatte vielleicht einer wie Napoleon Ein Mann, der es verstand zu bauen die Vision. Stockt, indem er angestrengt überlegt. Oh, ich hoffe du weißt, wie ich es gemeint habe. HEINRICH B Größe ist körperlos, eine täuschende Gabe, Die das Schiff auf Kurs hält und dem nahend Sturm trotzt, Die Fata Morgana, die vor Zuversicht strotzt. DR. THIERACK Das ist trefflich benannt, bravo! Denn wie viel starben Im verheißenden Glanz am schillernden Glücksfaden, Den ein Einzelner wob als Schatten der Idee, Welche exotisch ist wie eine Orchidee. Sie muss nur herrlich sein, dann hält inne der Frust Derer die beklagen den möglichen Verlust. HEINRICH B Das Individuum verstreut manchen Einfluss Bis ans Tageslicht tritt sein stumpfer Egoismus. Doch stellt die Eigenschaft ihm bald darauf ein Bein, Wenn das Ich sich steigert zum weiteren Dasein, Das als non plus ultra beansprucht seinen Platz Tragen ihm Bürger dann heran folgenden Satz: Stürzen wir, stürzt auch du, vereint als einig Volk! DR. THIERACK Das Volk braucht Monarchen, Monarchen brauchen Gold. Die Motivationen sind damit strikt verteilt Und jeder arbeitet für das was ihn ereilt, In diesem Punkt sind wir dann zweierlei Meinung, Was mir stark imponiert - behalt die Einstellung. HEINRICH B Bisher widersetzte ich mich wirklich ungern. DR. THIERACK Da entschuldigt er sich, das ist eben modern. Man darf nicht zwei Schritte ins Gebüsch zurück weichen Aus dem man hervortrat zur Meidung der Anzeichen. Denn im seltensten Fall erreicht man den Fortschritt, Der unaufhaltbar ist, mittels einem Rückschritt So zeige er Rückgrat! Das würde mir gefallen. Türschelle erklingt erneut. Nanu, wer stört so spät? 's sind doch keine Festhallen! FRIEDRICH HASSE umarmt Heinrich Budde und wird dabei Dr. Thierack für wahr und schüttelt eifrig seine Hand ohne den Anschein zu erwecken, sie wieder los lassen zu wollen. Potzblitz, welche Freude, die auf mich nieder fährt. Herrn Thierack zu sehen, der nicht weiß, wie's mich ehrt. HERINICH B Ihr seht mich arg verdutzt, wann lerntet ihr euch kennen? FRIEDRICH HASSE Ich kenn ihn, er mich nicht, das ist sehr leicht zu trennen. Doch darüber hinaus gibt es kaum ein jemand Der nicht den Namen kennt, selbst im Leipziger Land. Er gilt als hellster Stern am trüben Justizhimmel. Ein Richter 'Gnadenlos', der durchgreift beim Gesindel; Diese Tunichtgute, die nur Störfeuer legen Bestraft gehören sie, allein der Ruhe wegen. DR. THIERACK leise zu sich. Hitzige Debatten sind eure DNA Euch interessiert auch ein Reissack in China. Fehlt euch dieses Spielzeug sich eifrig zu empören Wird euch schon in Bälde etwas anderes stören. Laut. Für wahr, diese Ehre ist beileib fehl platziert Ich steh nur frisch im Saft und bin nicht resigniert. In dieser Finsternis gleicht ein Streichholzentzünden Einem Sternschnuppenschweif über tiefen Abgründen. FRIEDRICH HASSE nachdem er Heinrich Buddes fragenden Blick wahrnimmt. Der Gerichtsassessor wird weit schweifend gerühmt Seines feinen Gespürs, Reden, die unverblümt Und schonungslos, fast schroff, seine Urteile stützen Um dem Gemeinwesen perspektivisch zu nützen. Es gilt als ausgemacht, wer den freien Richterstuhl In Zukunft warm hält und säubert vom Sündenpfuhl. HEINRICH B Georg! Welch ein Aufstieg, davon hast du geträumt! DR. THIERACK Aber zuvor gehört Empathie weggeräumt. Dieser unnütz Ballast geißelt das Wohlbefinden, Wie die Augenpaare den Schädel eines Blinden Zu Friedrich Hasse. Die Freunde von Heinrich gelten als die meinigen. FRIEDRICH HASSE. Ich entkork den Cognac durch den wir uns vereinen. Die Anwesenden stoßen an. Ein Menschenleben braucht einzig Vitamin B. All die Talismane, gleich vierblättriger Klee, Taugen dagegen nur wie ein Kropf dem Hals. DR. THIERACK So wie der Koch verfährt mit der Portion Salz, Die er weise verteilt über Soßen und Fleisch Müssen Freundschaften sein - immateriell reich. Die Anwesenden stoßen erneut an. FRIEDRICH HASSE zu Heinrich Budde. Und salzlose Speisen verdient ein Bettler nicht. Warum solltest du es? Nun scheint mir dein Bericht, Den du mir offenbart umso mehr noch haltlos. Findest du in Georg den Mann, der zweifellos An deiner Seite kämpft, drum greif die Retterhand! HEINRICH B Du und dein Alkohol ruft für mich nach Beistand, Denn ohne den Einfluss wärst du nie so vorlaut Und steigerst meine Scham, die sich zusammenbraut. DR. THIERACK Moment, mein Freund, Moment! Nur langsam mit den Pferdchen HEINRICH B Nein! Du brauchst nichts sagen, denn Friedrich sprach von Märchen. Mancherorts gibt's Regeln, die den gleichen Wortlaut Im Satz mit sich führen, weshalb man ihm vertraut. Doch vergisst man häufig wie sich der Sinn darstellt, Wenn zu jeder Person sich ein Neuer gesellt. Was als intim dort gilt, zählt hier als Stadtgespräch, Aber die Ehrlichkeit, die ist stets zeitgemäß. FRIEDRICH HASSE Die Bibel sagte schon: Du sollst den Nächsten lieben Vorbehaltlos wie dich, auch das wird drin beschrieben. Doch tut es mal jemand, dann frönt er der Einfalt. Dieses Los ist träge - so ist das als Anwalt. Zu Dr. Thierack. Als Starthilfe braucht er einen dienlich Leumund. Bei den Bleichert Werken, denn das ist der Urgrund Woran die Einstellung aus seiner Sicht scheitert Obwohl ich stets glaube, dass er es selbst meistert. DR. THIERACK Bleichert, Bleichert, Bleichert ... ja natürlich Bleichert! Ich hab dem Besitzer paar Gefallen beschert. Der olle Haudegen ist für wahr Geschäftsmann Lässt nie was anbrennen und geht immer voran. Morgen am Nachmittag sollst du ins Büro kommen. Ich werd dafür sorgen, dass er dir wohl gesonnen. Keine Müh kostet es, wenn die Hilfe genügt. HEINRICH B Wie kann das angehen, dass es sich einfach fügt? Stunden sind zerflossen unter den ständig Martern, Welche man selbst leidet und dann beginnt zu hadern. All das ist jetzt vorbei? Plötzlich, wie der Urknall? Was ich selbst nicht konnte, vermochte ein Aval. FRIEDRICH HASSE Ach! Deine Probleme sind Schnee vom letzten Jahr, Getaut und vergessen, bald kaum noch erkennbar. HEINRICH B Wie konnte der Himmel zwei seiner Engel senden, Die mich hinauf heben und in lichter Höh' blenden. Mir schimmert entgegen das goldene Portal, Auf zur siebten Wolke - dort hör ich den Choral. FRIEDRICH HASSE In Norddeutschland sagt man, nicht schnacken, Kopp in Nacken! Die Anwesenden stoßen erneut an. HEINRICH B Treffliche Volksweisheit, die wird niemals altbacken, Aber wie kann ich euch tausendmal Dank bezeigen? DR. THIERACK Für heute reicht es aus, wenn wir den Dienst totschweigen. Vergiss aber nie die, die dich gütlich bedachten Wo du ihrer bedurfst und es zustande brachten Dass ihre vier Arme deine Hilfskrücken sind Bis das Problemknäuel sich gar vollends entspinnt. Wer Gefallen vergisst, wird selbst von ihm vergessen. HEINRICH B Nie wird das geschehen, denn ich bin Pflichtbesessen. ELSA B die wütend die Gesellschaft herein platzt.. Jetzt ist Feierabend und Schluss mit Zecherei Es mutet schlimmer an als eine Mönchsabtei. Die Kinder schlafen nicht bei der Geräuschkulisse, Aber stellt euch ruhig aus eure Armutszeugnisse. HEINRICH B Ich beschwör dich Elschen, es sind unsere Freunde. ELSA B Wer solche Freunde hat, braucht wahrlich keine ... HEINRICH B Leute, Die nur oberflächlich auf dem See herum plätschern, Anstatt abzutauchen bis zu des Wesenskern! FRIEDRICH HASSE tief gerührt. Elsa? ELSA B Friedrich? HEINRICH B Ihr zwei schaut gradewegs verdutzt! Kennst du sie auch Friedrich? Denn gemäß wie du stutzt. FRIEDRICH HASSE Elsa... ELSA B Ich geh zu Bett, endigt bald die Liaison; Falls ich einen Mucks hör, bring ich dich zur Raison. HEINRICH B Beruhige dich Elschen, wir schweigen wie die Gräber Nur das wir noch atmen, es wird bestimmt nicht später. Elsa Budde ab. DR. THIERACK Sie rauscht wie die Welle, die an die Brandung tobt. So hält sie ihren Mann, der durch sie selbst belohnt Sich selber krönen muss zu dem Pantoffelheld, Der mit zunehmend Jahr aus seinem Brustkorb schnellt. Ich wollte ohnehin mich zum Lebewohl rüsten Und die Gunst der Stunde zum Bekräftigen nützen, Dass dies nicht einmalig, sondern der Anfang war, Denn Leipzig ist ein Dorf und Treffen unvermeidbar. HEINRICH B indem er beide zur Tür begleitet. Dein immenses Gespür für strapazierte Lagen Gleicht einem Jagdhunde, der aufstöbert die Plagen Bevor sie die Stränge der Nervenenden trennen Oder im Labyrinth kreuz und quer sich verrennen. Ich empfehl mich herzlichst und wünsche gute Nacht. Begleitet beide zur Tür hinaus und schließt hinter ihnen. Ab. FRIEDRICH HASSE apathisch. Elsa... Ab. DR. THIERACK Das war seltsam, da hebt sich ein Verdacht: Er, ich meine Budde, ist ein wahrer Glücksgriff Und mit wenig Geschick hilft mir bereits ein Kniff. Er, ich meine Budde, stellt den Volksdurchschnitt dar. Kann man ihn gewinnen hat man die ganze Schar Und wer das Volke lenkt, hat uneingeschränkt Macht, Wenn er, ich mein Budde, erst von Ideen entfacht, Wer wird den Glutkessel übern Feuer anfassen? Rein gar nichts werde ich dem Zufall überlassen! Da weiß er, der Budde, kaum sein Rückgrat zu biegen Vor lauter Dankbarkeit sich eng an mich zu schmiegen, Wie ein rollig Kater, den man das Bein hinhält, Obwohl sich's bei weiten als Kleinigkeit darstellt; Ein müdes Belächeln, mehr kostet es mich nicht, Doch umso lohnender wird die holde Aussicht, Die, die grünende Flur kokett mir ausbreitet, Ein Osmanerteppich von Hand gearbeitet. Liebenswürdigkeiten sind meistens Nichtigkeiten, Die aber den Schuldner fangen in Dienstbarkeiten. Ich binde ihn an mich, bis er mein Buckel ist Und meine Ideale mitsamt meinem Dung frisst. Er, der dumme Budde, wird mein treulich Strohmann Für das Theaterstück, wofür Gott ihn ersann Und gerät meine List auf hoher See ins Wanken, Werd ich ihn abstoßen - Wem wird dann das Volk danken? Ab.

Heinrich Budde

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