Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2
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"Die zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat" (lateinisch: De civitate Dei), oft auch «Vom Gottesstaat» genannt, ist ein Buch der christlichen Philosophie, geschrieben in Latein von Augustinus von Hippo im frühen 5. Jahrhundert. Das Buch war eine Antwort auf die Behauptung, das Christentum habe den Niedergang Roms herbeigeführt, und gilt neben den Bekenntnissen und dem Enchiridion als eines der wichtigsten Werke des Augustinus. Als Werk eines der einflussreichsten Kirchenväter ist «Vom Gottesstaat» ein Eckpfeiler des westlichen Denkens, in dem viele tiefe Fragen der Theologie, wie das Leiden der Gerechten, die Existenz des Bösen, der Konflikt zwischen freiem Willen und göttlicher Allwissenheit und die Lehre von der Erbsünde, dargelegt werden. Dies ist Band eins von zwei und enthält die Bücher vierzehn bis zweiundzwanzig.

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Augustinus von Hippo. Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 2

INHALT:

Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat

14. Buch

15. Buch

16. Buch

17. Buch

18. Buch

19. Buch

20. Buch

21. Buch

22. Buch

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat

Band 2: Bücher 14 – 22

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Indes Gott hat alles vorhergewußt, und deshalb konnte ihm auch nicht unbekannt sein, daß der Mensch sündigen würde; und so müssen wir die heilige Stadt Gottes in der Gestalt nehmen, wie Gott sie vorhergewußt und bestimmt hat, nicht in einer Gestalt, die in den Gesichtskreis des uns Bekannten gar nicht treten konnte, weil sie nicht in Gottes Plane lag. Der Mensch konnte ja durch seine Sünde nicht einen göttlichen Ratschluß umstoßen, als hätte er Gott genötigt, seinen Beschluß zu ändern; Gottes Vorherwissen erstreckte sich vielmehr im voraus auf beides: wie schlecht der Mensch sein werde, den er seinerseits gut erschaffen, und was er trotzdem noch Gutes mit ihm anstellen werde. Wenn es nämlich auch von Gott heißt, daß er Beschlossenes ändere [sogar von einer Reue Gottes liest man in übertragenem Sinne in der Heiligen Schrift[103] ], so bezieht sich diese Ausdrucksweise doch eben nicht auf das, was der Allmächtige auf Grund seines Vorherwissens tut, sondern auf das, was menschliches Ermessen erwartet hätte oder der natürliche Gang der Dinge mit sich brächte. Gott hat also, wie geschrieben steht[104] , den Menschen recht gemacht und sonach ihn mit gutem Willen ausgestattet; denn ohne solchen wäre er nicht „recht“. Der gute Wille ist also das Werk Gottes; mit ihm ward der Mensch von Gott erschaffen. Dagegen der erste böse Wille, der ja im Menschen eintrat vor allen bösen Werken, war mehr eine Art Abfall vom Werke Gottes zu eigenen Werken als selbst ein Werk, und zwar ein Abfall zu schlechten Werken deshalb, weil diese Werke dem Menschen gemäß, nicht gottgemäß sind. Der Wille seinerseits also oder der Mensch selbst, sofern er schlechten Willens ist, ist gleichsam der schlechte Baum, der solche Werke als seine schlechten Früchte hervorbringt[105] . Demnach haftet der schlechte Wille, obgleich er nicht der Natur gemäß, sondern ihr als ein Gebrechen widrig ist[106] , doch an der Natur, deren Gebrechen er bildet, da ein Gebrechen nicht für sich, sondern nur an einer Natur bestehen kann, jedoch nur an einer, die Gott aus nichts erschaffen hat, nicht an einer, die der Schöpfer aus sich selbst gezeugt hat, wie er das Wort gezeugt hat, durch das alles geworden ist; und wenn auch Gott den Menschen aus Erdenstaub gebildet hat, so ist doch diese Erde und jeglicher irdische Stoff völlig aus nichts, und eine aus nichts erschaffene Seele gab Gott dem Leibe bei der Erschaffung des Menschen. Aber so sehr überragt das Gute an siegreicher Kraft das Böse, daß, obgleich dem Bösen verstattet ist zu existieren, um zu zeigen, wie sich Gottes Vorsehung in ihrer Gerechtigkeit selbst des Bösen zum Guten zu bedienen weiß[107] , gleichwohl Gutes zwar ohne Beimischung von Bösem bestehen kann, wie da ist der höchste und wahre Gott selbst, ferner die gesamte unsichtbare und sichtbare himmlische Schöpfung oberhalb dieses dunstigen Luftkreises, nicht aber Böses ohne Gutes, weil die Naturen, woran das Böse haftet, doch eben als Naturen gut sind[108] . Demnach wird das Böse beseitigt nicht dadurch, daß eine Natur, die hinzugetreten wäre, oder ein Teil einer Natur aufgehoben würde, sondern dadurch, daß eine Natur, die verdorben und verschlechtert worden ist, geheilt und gebessert wird. Also ist die Wahl des Willens dann wahrhaft frei, wenn er nicht Gebrechen und Sünden unterworfen ist. Ein solcher freier Wille war es, den Gott dem Menschen gab; durch eigenen Fehl verloren gegangen, konnte er nur von dem zurückgegeben werden, der allein ihn hatte geben können. Deshalb spricht die Wahrheit[109] : „Wenn euch der Sohn frei macht, dann werdet ihr wahrhaft frei sein“. Es könnte gerade so gut heißen: „Wenn euch der Sohn heilt, dann werdet ihr wahrhaft gesund sein“. Denn Heiland ist der Sohn durch das gleiche Mittel wie Befreier.

Es lebte also der Mensch gottgemäß in einem leiblichen und geistigen Paradiese. Denn das Paradies war ein wirklicher Ort im Hinblick auf die leiblichen Güter, ohne daß dadurch seine geistige Bedeutung im Hinblick auf die geistigen Güter ausgeschlossen würde; und es war etwas Geistiges, das der Mensch mittels seiner inneren Sinne genoß, ohne daß dadurch ausgeschlossen würde seine Eigenschaft als wirklicher Ort, dessen Genuß dem Menschen durch die äußeren Sinne vermittelt wurde[110] . Es war das eine wie das andere. Nachdem jedoch jener hochmütige und deshalb neidische Engel, eben durch seinen Hochmut von Gott ab- und sich selbst zugekehrt und mit einer Art tyrannischer Wollust seine Freude lieber darin suchend, Sklaven zu seinen Füßen zu sehen als selbst zu Füßen zu liegen, aus seinem geistigen Paradies herabgefallen war [über seinen Fall und den seiner Genossen, die aus Gottes Engeln seine Engel geworden sind, habe ich mich im elften und zwölften Buch dieses Werkes so gut als mir möglich verbreitet], ging sein Streben dahin, sich mit verführerischer Verschlagenheit in den Geist des Menschen einzuschleichen, dem er neidisch war, da er aufrecht stand, während er selbst gefallen war. Und er erwählte sich im wirklichen Paradiesesort, wo außer den beiden Menschen, Mann und Weib, auch die übrigen irdischen Lebewesen, alle zahm und unschädlich, weilten, als sein Sprachrohr, geeignet für sein Vorhaben, die Schlange, ein schlüpfriges Tier, gewandt in krummen Schleichwegen. Diese machte er sich gefügig in seiner geistigen Bosheit durch seine Engelserscheinung und seine überragende Natur und redete, sie als sein Werkzeug mißbrauchend, Lug und Trug zu dem Weibe, indem er bei dem minderen Teil des Menschenpaares den Anfang machte, um stufenweise zum Ganzen zu gelangen, in der Meinung, der Mann werde nicht so leichtgläubig sein und könne eher durch Nachgiebigkeit gegenüber fremdem Irrtum als durch eigenen Irrtum betrogen werden. Wie Aaron dem irregehenden Volke in der Anfertigung eines Götzenbildes nur aus Rücksichtnahme nachgab[111] , ohne selbst der Verführung zu erliegen und beizustimmen, und wie Salomon wohl kaum dem Irrtum huldigte, man müsse Götzen dienen, sondern viel wahrscheinlicher durch einschmeichelnde Weiberbitten zu solchen Gotteslästerungen sich drängen ließ[112] , so hat vermutlich auch der erste Mann seinem Weibe, der einzige der einzigen, der Mensch einem Menschen, der Gatte der Gattin, in der Übertretung des Gebotes Gottes aus enger geselliger Verbindung nachgegeben, ohne ihre Worte für wahr zu halten und durch sie sich verführen zu lassen. Denn sicher mit gutem Grund sagt der Apostel[113] : „Und Adam ward nicht verführt, das Weib aber ward verführt“; er will damit andeuten, daß Eva die Worte, die die Schlange an sie richtete, als Wahrheit hinnahm, während Adam mit seiner einzigen Gefährtin eben verbunden bleiben wollte selbst in der Gemeinschaft der Sünde, freilich deshalb nicht minder schuldbeladen, wenn er wissentlich und mit Überlegung gesündigt hat. Darum heißt es beim Apostel nicht: „Er hat nicht gesündigt“, sondern: „Er ward nicht verführt“; denn selbstverständlich meint er ihn, wo er sagt[114] : „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen“, und kurz hernach noch deutlicher: „Durch eine ähnliche Übertretung wie die Adams“. Unter Verführten dagegen versteht er solche, die ihr Tun nicht für Sünde halten; Adam jedoch war ein Wissender. Wie wäre sonst die Versicherung wahr: „Adam ward nicht verführt“? Indes, noch unerfahren der göttlichen Strenge, konnte er sich darin täuschen, daß er sein Vergehen für läßlich hielt. Sonach ward er allerdings nicht verführt in dem Sinne, wie das Weib verführt ward, aber er täuschte sich immerhin darin, wie seine Entschuldigung beurteilt werden mußte[115] : „Das Weib, das Du mir beigesellt, sie gab mir, und ich aß“. Also, um es kurz zu sagen: Wenn auch nicht beide durch gläubige Zustimmung sich betrügen ließen, so ließen sich doch beide durch Sündigen einfangen und in die Fallstricke des Teufels verwickeln.

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