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Siebentes Kapitel

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Denn ich kannte das andere nicht, was wirklich ist, und beinahe aberwitzig reizte es mich, törichten Betrügern beizupflichten, wenn sie mich fragten, woher das Böse stamme, ob Gott durch körperliche Gestalt begrenzt werde, ob er Haare und Nägel habe, ob man solche für gerecht halten könne, die Vielweiberei getrieben, Menschen getötet und Tiere geopfert hätten. Dadurch ward ich Unkundiger verwirrt, und da ich mich von der Wahrheit entfernte, rühmte ich mich, ihr näher zu treten, weil ich nicht wusste, dass das Böse nur eine Schmälerung des Guten ist, bis es zuletzt gar nicht mehr ist. Wie hätte ich dies erkennen können, ich, dessen Sehen mit leiblichen Augen nur auf den Körper, mit den Augen des Geistes nur auf Trugbilder gerichtet war? Ich wusste nicht, dass Gott ein Geist sei, der keine Glieder besitze von räumlicher Ausdehnung und keinen festen Stoff an sich habe, weil ein Teil des Stoffes kleiner ist als das Ganze und weil, gesetzt er wäre unbegrenzt, der Teil doch durch einen begrenzten Raum beschränkt, kleiner ist als das Unendliche und nicht überall ein Ganzes wie der Geist, wie Gott. Und wer der Gottähnliche in uns sei, demzufolge die Schrift uns »zum Bilde Gottes« geschaffen nennt, das war mir gänzlich unbekannt.

Unverstanden blieb auch die wahre innere Gerechtigkeit, die nicht nach dem Gesetz der Gewohnheit richtet, sondern nach dem untrüglichen Gesetz des allmächtigen Gottes, nach welchem sich bilden sollen die Sitten der Länder und Zeiten, wie es deren Eigentümlichkeit angemessen ist, während das göttliche Gesetz selbst überall und stets dasselbe ist und nicht nach Ort und Zeit sich wandelt; nach ihm sind Abraham, Isaak, Jakob, Mose, David und alle jene gerecht, welche Gott selbst gerechtfertigt hat. Und von den Unkundigen werden sie für ungerecht gehalten, weil diese richten nach einem menschlichen Gerichtstage und alle Sitten des Menschengeschlechts nur einseitig nach ihrer Sitte beurteilen. Ist das aber nicht gerade so, wie wenn jemand, der von Waffen nichts versteht und von ihrer Benutzung nichts weiß, sein Haupt mit der Beinschiene bedecken und mit dem Helme den Fuß rüsten will und der murrt, weil sich nichts anpassen will, oder wenn für einen Nachmittag Gerichts- und Handelsferien festgesetzt sind und er dann unzufrieden wäre, dass er nachmittags nichts feilbieten könne, da es doch vormittags erlaubt gewesen; oder darüber, dass er in einem Hause irgendeinen Sklaven etwas verrichten sieht, was der Mundschenk nicht verrichten darf, oder wenn irgendetwas hinter dem Stalle geschieht, was bei Tisch nicht schicklich ist, und er darüber zürnen wollte, dass nicht allen dasselbe zuerteilt und erlaubt sei, obgleich es ein und dasselbe Haus und ein und dasselbe Gesinde ist? Solch Geistes Kinder sind diejenigen, welche unwillig sind, wenn sie vernehmen, dass in jenem Zeitalter den Gerechten von Gott etwas erlaubt gewesen sei, was jetzt denen, die gerecht sein wollen, nicht mehr gestattet ist, und dass Gott diesen und jenen verschiedene Gesetze gab nach den Zeitumständen, während sie beide derselben Gerechtigkeit dienten, wenn sie sahen, wie bei denselben Menschen an demselben Tage in demselben Hause dies dem einen Gliede und jenes dem andern schicklich ist und anders schon lange erlaubt war, was nach einer Stunde nicht mehr erlaubt ist, dass irgendetwas in einem Winkel erlaubt oder geboten sei, was in einem andern mit Recht verboten oder gestraft wird. Ist denn die Gerechtigkeit wandelbar und ausständig? O nein, nur die Zeiten, über welche die Gerechtigkeit thront, sie fließen nicht in gleichem Strome dahin, denn es sind Zeiten. Die Menschen freilich, deren Erdenleben nur eine kurze Spanne Zeit umfasst, sie vermögen die Zustände früherer Jahrhunderte und anderer Völker, die sie nicht erlebt haben, mit den von ihnen durchlebten nicht in Einklang zu bringen in ihrem Sinn, ob sie auch an jedem Körper, Tage oder Hause zu erforschen wissen, was jedem Gliede schicklich sei, sowie jedem Augenblick und jedem Mitglied des Hauses, diesem fügen sie sich, an jenem nehmen sie Anstoß.

Dies wusste ich damals weder noch erkannte ich es. Überall trat es mir entgegen, und ich sah es nicht. Ich trug Gedichte vor und durfte das Versmaß nicht nach Belieben feststellen, sondern musste in einer den jeweiligen Umständen angemessenen Weise verfahren und konnte, auch wenn es dasselbe Versmaß war, nicht immer denselben Versfuß setzen. Die Kunst selbst, die mir als Richtschnur diente, enthielt nicht nur diese oder jene Versart, sondern alle zugleich. Und doch sah ich nicht ein, dass die göttliche Gerechtigkeit, der gute und fromme Menschen untertan waren, in weit herrlicherer und erhabenerer Weise alle Vorschriften enthält und keinerlei Schwankung zeigt und doch zu verschiedenen Zeiten nicht alles zugleich, sondern nur das ihnen Zukommende zuerteilt und befiehlt. Ich Blinder tadelte die frommen Väter, nicht bloß, weil sie so, wie Gott ihnen befahl und eingab, die Gegenwart anwendeten, sondern auch, wenn sie so weissagten, wie Gott ihnen die Zukunft enthüllte.

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