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Jastine

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Der schrille Ton einer Pfeife, Türknallen, Laufschritte auf dem Flur laute Rufe, wecken Jastine wie jeden Morgen recht unsanft. Bevor sie begreift, wo sie sich gerade befindet, was augenblicklich passiert, sprich, ihr Kopf klar denken kann, kommt im Kommandoschritt Schwester Sabine und reißt ihr die Decke weg. „ Guten Morgen! Aufstehen!“ Jastine regt sich nicht. „ Nun komm schon, du weißt doch: Bewegung am Morgen beschert dir ein Tag ohne Sorgen.“ „ Ja ist ja gut, ich gehe nur noch schnell aufs WC“. Gähnend und noch nicht ganz wach geht sie ins Bad. Während Jastine auf dem Clo hockt, denkt sie über den Spruch von Schwester Sabine nach. „Immer diese tollen Sprüche, wirklich helfen tun die auch nicht.“ Langsam steht sie auf und schaut in den Spiegel. „ Guten Morgen Jastine, wie geht es dir heut? Schlecht siehst du aus. Ringe unter den Augen, blasse Gesichtsfarbe, die Haare ungepflegt! Hast mal besser ausgeschaut, Jastine Pool. Hoffentlich änderst du das bald!“ Die Clospülung rauscht und Jastine bewegt sich langsam ohne Lust nach unten zum Frühsport. Noch so eine überflüssige Erfindung, zu Haus würde sie eh keinem Frühsport machen. In zwei Tagen wird ihr Aufenthalt hier beendet sein. Endlich! In der psychosomatischen Klinik verbrachte sie 12 Wochen, 12 lange Wochen. Nicht das es ihr hier nicht gefallen hätte, nein! Wie ein Hotel mit Empfangshalle schicken Designer und vielem Schickschnack, präsentierte sich die Klinik. Alles wunderbar. Doch geht ihr es jetzt besser? Jastine knappert an den Fingernägeln, was sie übrigens immer tut, wenn sie zu sehr über ein Problem nachdenkt. Sie weiß es nicht wirklich. Wartend geht sie den langen vor Flur vor dem Therapieraum des Professors auf und ab. „ Wie lange dauert das denn noch? Ihre Zimmermitstreiterin kommt und kommt nicht raus“, resigniert die Ungeduldige. „ Frau Pool, sie sind dran“, eine Schwester des Hauses bittet sie einzutreten. Heut soll das Abschlussgespräch mit ihr und dem Professor statt finden. Jastine fühlt sich einfach nur schlecht. Der Rücken ist klitschnass, obwohl bis eben nichts vorgefallen ist. Unsicher setzt sie sich. „ Dann erzählen sie uns bitte jetzt, wie ihre augenblickliche Befindlichkeit ist und ob sie bereit sind, wieder am gesellschaftlichem Leben teil zunehmen.“ Jastine schaut den Professor an, neben ihm sitzen die Schwestern Sabine und Renate. Jastine mag beide gern. Ihre ruhige Ausstrahlung tat so manches Mal gut. Ein dicker Kloß im Hals macht sich da breit, wo eigentlich die Stimme klingen soll. Ihr Herz rast, die Hände werden schweißnass. „ Oh ne, nicht schon wieder, hat das denn nie ein Ende“, schießt es Jastine durch den Kopf. „ Nun, ich höre nichts, Frau Pool.“ Die Stimme des Professors klingt leicht gereizt. Ein schlechtes Zeichen. „ Ja wie soll ich sagen. Die Angst hat wohl nach gelassen. Ich bemühe mich sehr, allein zu recht zukommen. Ich traue mich sogar auf die Straße und gehe allein über die Brücke am Fluss, was ich mich seit Monaten nicht wagte. Die Gedanken spielen weniger verrückt, nur manchmal, wenn ich unter Druck stehe. Ansonsten fühle ich mich gut, ich möchte gern nach Haus.“ Beim erzählen reibt sie ungeduldig die Hände aneinander. Der Professor registriert ihre Unruhe genau, lässt sich jedoch nichts anmerken. Jastine meint, gleich sofort fällt sie um und ist tot, so aufgeregt und aufgewühlt ist ihre Befindlichkeit. Doch darüber reden, mag sie nicht. „Ob sie entlassen weder oder nicht, dass entscheiden nicht sie. Wieso meinen sie, hier unter Druck zu stehen? Verstehe ich jetzt nicht ganz, aber weiter im Text. Wissen sie nun, warum sie hier sind, was der Auslöser ihrer panikartigen Zustände ist? Verstehen sie, wie sehr sie mit Ihrem Körper Schundluder getrieben haben? Hat ihnen der Aufenthalt geholfen. Werden sie in Zukunft auf ihre innere Stimme hören???“ Jastine nickte nur, in Gedanken jedoch ist sie bereits in der Vergangenheit…... Jastine Pool ist verheiratet und Mutter zweier Kinder. Ihr Mann, Klaus arbeitet auf Montage und ist aus diesem Grund selten daheim. Die beiden Kinder, zwei Buben gehen in die achte Klasse und machen keine großen Sorgen. In der heutigen unsozialen schnelllebigen Zeit hat sie keine wirklichen Probleme. Ein Haus, ein kleine Jacht, jedes Jahr Urlaub im Ausland, kein Stress mit dem Ehemann. Sie führen eine wirklich harmonievolle Beziehung. Ihrem Beruf als Anwältin opfert sie alle Zeit, die sie aufbringen kann. Oft geht sie morgens um acht aus dem Haus und kommt vor 20oo Uhr nicht heim. Dann beginnt die zweite Schicht. Waschen, bügeln, vorkochen, sauber machen und Kindersorgen anhören. Und am Ende des Tages warten die Vorbereitungen für die nächsten Fälle am nächsten Tag. Da sitzt Jastine so manchen Abend bis spät in die Nacht am PC. Und dann kommt es eben vor, sehr oft vor, dass Jastine nur ein bis zwei Stunden schläft. Mehr Zeit bleibt ihr nicht. Seit Jahren treibt sie Schundluder mit ihrer Gesundheit. Hört nicht auf die Warnsignale ihre Körpers. Es gibt Stunden, da meint sie, neben sich zustehen und ihre Umwelt nicht klar wahr zunehmen, als träume sie nur. Dieser Zustand vergeht in der Regel sehr schnell und Jastine denkt nicht weiter darüber nach. Rast das Herz, was immer häufiger passiert, trinkt sie ein Glas Wasser und meint so das Übel an der Wurzel gepackt zu haben. Nebenbei besucht sie einen Englischkurs. Wozu, weiß sie nicht. Imagefrage? Sie ist weltoffen und gebildet. Zeit für sich selbst, kennt sie überhaupt nicht. Sie ist eine richtige Powerfrau. Sie steht ihrem Mann, keine Frage. Jastine ist eine hübsche Frau. Sie legt viel Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Macht Sport, das heißt, sie läuft jeden morgen eine halbe Stunde bevor sie in die Kanzlei fährt, selbstredend natürlich mit einem Porsche. Jastine achtet auf ihre Figur und somit hat der Salat in ihrem Leben den Vorrang andere Speisen eingenommen. Bloß nicht dick werden! In letzter Zeit kann sie schlecht schlafen, wenn überhaupt. Um besser einschlafen zu können, hat sie den Wein entdeckt. Sie trinkt nicht viel, aber ein zwei Gläser helfen zunächst ein Stück weiter. Nach einigen Wochen bringen ihr die ein bis zwei Weingläser nicht mehr die wohlverdiente Ruhe. Wohl schläft Jastine schnell ein, nach einer Stunde ist sie hellwach und findet nicht in den Schlaf zurück. Sie läuft durchs Haus, wandert von einem Zimmer ins andere. Legt sich zurück ins Bett und schläft dann irgendwann für wenige Minuten ein. Am nächsten Morgen ist sie kaputt und fühlt sich antriebsarm. Jetzt kommt der Kaffee ins Spiel. Vielleicht macht er sie für einige Minuten munter, länger auf keinen Fall und…. Jastine fühlt sich wieder antriebsarm, müde und zerschlagen. Sie isst kaum, hat enorm abgenommen. Ihr fehlt der Appetit. Jastine erwischt sich immer häufiger dabei, das sie ungerecht wird und vor allem sehr laut. Sie ist mit sich selbst unzufrieden und erkennt sich kaum wieder. Sich einen Rat beim Hausarzt holen, fällt der Powerfrau nicht ein. Stattdessen kauft sie sich im Reformhaus Vitaminpräparate, welche ungemein helfen sollen. Nun Glaube versetzt Berge, aber nicht bei Jastine. Dann kommt der erste Tag, an dem sie Angst im Fahrstuhl verspürt. Angst die aus dem Bauch kommt und sie lähmt, normal zudenken. Und das wiederum erhöht den Pegel des Angstzustandes. Der Hals wird ihr enger und sie vermeint, keine Luft zu bekommen. Sekunden werden zu Stunden, bevor der Fahrstuhl auf Ebene Null sein Ziel erreicht hat. Schweißgebadet verlässt sie panikartig den Lift und kommt erst auf der Straße wieder zu sich. „ Was war das denn eben?“ Jastine schüttelt sich und vergisst den Vorfall. Eines Abends, sie ist mit ihrem Mann auf einem Bankett der Anwälte, spürt sie, wie die Angst ohne ersichtlichen Grund sich aus ihrem Bauch heraus im ganzen Körper manifestiert. Das Sektglas fällt aus ihrer Hand und die Kehle ist wie zu geschnürt. Jastine bekommt wieder keine Luft mehr und hat das Gefühl, nur noch raus hier. Sie stürzt sich in ihren Mantel und verlässt im Eiltempo das Gebäude. Unten vor dem Haus wird sie ruhiger. Ihr ist wieder nicht klar, was mit ihr geschehen ist. Sie verspürt das Gefühl, neben sich zu stehen. Sie kann nicht beschreiben, wie ihr ist. Das Herz pocht wie wild. Einer Ohnmacht ähnlich fesselt sie die Angst und immer häufiger packt sie dieser Zustand, völlig unvorbereitet. Ging Jastine früher gern über die Fußgängerbrücke am kleinen Fluss, meidet sie diese apathisch. Plötzlich ziehen sie die Gedanken in den Fluss, wie angenagelt, steht sie da und kann keinen Fuß vor den anderen setzen. Ein Zustand, den sie nicht versteht. Dafür muss sie nun den längeren Weg zum Einkaufen wählen. Samstag war dies bislang ihr Morgenspaziergang seit Jahr und Tag. Sie holte die Frühstücksbrötchen für die ganze Familie. Man konnte natürlich auch mit dem Auto, der Weg war der längere, die Brötchen holen. An eben so einen Samstag, Jastine befindet sich auf dem Rückweg, die Brötchen im Netz, trifft sie diese ihr bange machende Angst mit solcher Wucht, dass die Beine von allein laufen und erst im Park, aus reiner Atemnot, bleibt sie stehen. Die Brücke schwankt unter ihren Füßen und sie vermeint in den Fluss zufallen. Wie angenagelt steht und steht sie da. Vorbei gehende Leute schütteln zwar den Kopf und einer zeigt ihr einen „Vogel“. Aber helfen? Keiner der vorbeigehenden Passanten kümmert sich um die vermeintliche Verrückte. Des denken wieder mächtig, noch nach Luft ringend, erinnert sie sich in ihrer misslichen Lage des Handys. Das Handy, welches in der Manteltasche steckt, hilft ihr letztendlich, sich von ihrer nicht gewollten und eben so unangenehmen Position zu befreien. Sie ruft ihren Ehemann an. Klaus schwingt sich in seine Sportsachen und läuft flugs zu seiner Frau. Wortlos nimmt er Jastine an die Hand bringt sie heim. Damals verstanden beide nicht, was geschehen ist. Seit diesem Vorfall meidet Jastine alle Brücken, Balkone, Fahrstühle. Ihre Gefühle behält sie für sich, sie schämt sich dessen. Diese Art von Zuständen nimmt drastisch zu. Jastine mag nicht mit ihrem Mann darüber reden. Zumal sie nicht weiß, warum sie, die starke Frau, plötzlich Angstgefühle bekommt. Im Gegenteil, Angst kannte sie nie und verstand andere nicht, die vor gewissen Dingen oder Situationen Furcht zeigten. Der Wein hilft ihr beim Einschlafen kaum noch. Ihr Wille ist jedoch so stark, dass sie bei maximal zwei Gläsern bleibt. Lieber läuft sie die halbe Nacht durchs Haus. Alkoholiker will sie nie werden. Schlecht geschlafen oder kaum, quält Jastine beim aufstehen der Gedanke, die Angst könne heut wieder zuschlagen. Sie hasst diese Zustände, es lähmt sie, lässt keinen vernünftigen Gedanken zu und macht sie willenlos. Wie sie sich aus diesen, für sie nicht erklärbaren Zustand befreien kann, weiß sie nicht. Es ist ihr ein unbekannter Zustand. Montagmorgen, tapfer geht Jastine zum Auto mit dem festen Vorsatz: „ heut fahre ich selbst zur Arbeit“. Mutig tritt sie ans Fahrzeug. Das Herz beginnt zu rasen, die Angst umklammert sie und der ihr unliebsame Zustand hat sie fest im Griff. Zittrig, mit schweißnassen Händen versucht sie den Schlüssel des Autos ins Schlüsselloch zu manövrieren. Vergeblich. Also tut Jastine gemäß der Macht, welche die Angst über sie ausübt nicht das, was sie eigentlich vorhatte. Lässt das Fahrzeug stehen und geht zur Bahn. Seit einigen Tagen ergeht es ihr in der Straßenbahn eben so schlecht, wie beim Autofahren. Plötzlich, völlig unerwartet, wird ihr heiß, die Luft knapp und das Gefühl, nur raus hier, quält sie. Das Herz rast, der Blutdruck steigt. Ständig denkt sie, verrückt werden zu müssen. Um in der Bahn nicht aufzufallen, steigt sie an der nächsten Haltestelle aus und geht den Rest zur Kanzlei zu Fuß. Bis dahin hat sich ihr Zustand normalisiert und in der Kanzlei bemerkt niemand von Jastins Qualen. Sie kann sich neuerdings nicht allein im Haus aufhalten. Auch dann pocht das Herz rast, es droht zu kollabieren. Jastine rennt von einem Raum zum anderen. Denken? Was ist das? Es will ihr nicht gelingen. Jastine entwickelt sich zum Hypochonder. Sie bildet sich Krankheiten ein, dass wäre ihr früher nicht in den Sinn gekommen. Aber verstehen tut Jastine diese enorme Veränderung nicht, nein sie schämt sich. Und so begibt sie sich in einen Teufelskreis, den sie ohne fremde Hilfe nicht mehr verlassen wird. Mit Macht schleppt sie sich zur Arbeit. Sie kann kaum den Ablauf einer Verhandlung Folge leisten, da helfen die vielen Tassen Kaffee auch nicht. Das empfohlene Johanniskraut aus der Apotheke macht sie unendlich müde, mehr nicht. Man vergaß wohl in der Apotheke ihr mitzuteilen, dass viel Kaffee die Wirkung des Johanneskrautes aufhebt. Jastine ist verzweifelt und hat niemanden in ihre Sorgen eingeweiht. Über kurz oder lang ist sie nicht mehr in der Lage, arbeiten zu gehen. Sie hat Angst vor dem Autofahren, sie hat Angst auf der Straße. Sie hat Angst mit dem Fahrstuhl zufahren. Sie hat vor „Allem“ Angst. Ihre Selbstständigkeit erspart ihren zunächst unangenehmen Fragen in der Kanzlei. Ole ihr Chef wünscht ihr alles Gute. Er denkt, dass seine Mitarbeiterin eine Grippe hat. Daheim täuscht sie eine Erkältung vor. Ihre Jungen kümmern sich nach Schulschluss rührend um die Mama. Immer wieder weint sie. Nach zwei Tagen Pause erscheint Jastine in der Kanzlei. „Bin wieder da.“ Mehr vermag sie nicht zusagen, da sonst die Tränen aufsteigen. Zu ihrem Übel haben sich die Tränen gesellt. Sie weint, ohne zu wissen, warum. Das alles ist für Jastine peinlich. Monate quält sie sich. Keiner ihrer Mitmenschen bemerkt die Veränderung an Jastine. Hat die Angst sie wieder einmal gepackt, schreit sie um Hilfe. Doch kein Mensch bemerkt ihre wortlosen Hilfeschreie. Bis Jastine eines Morgens nicht aus dem Bett kommt. Ihr versagen die Beine, ein Weinkrampf bringt sie fast um den Verstand. Zum ersten Mal bemerkt ihr Mann, wie dünn seine Frau und blass ausschaut. Er versteht absolut nicht, warum Jastine so herzzerreißend weint. „ Jastine, was ist mit dir? Warum weinst du? Hast du Ärger auf Arbeit, gehorchen die Kinder nicht. Hast du Schmerzen? Oder bist du schwanger?“ Doch Jastine antwortet nicht, sie kann nicht aufhören mit dem Weinen. Ihr fehlt die Kraft zum aufstehen. „Lass mich in Ruhe, ich bleib heut zu Haus, ich fühle mich nicht gut.“ Jastine dreht sich im Bett um, zieht die Decke über den Kopf und weint leise ins Kissen. Aus lauter Verzweiflung ruft Klaus den Hausarzt an. Doktor Adam ist nicht nur der Hausarzt von ganz Familie Pool, er ist auch der beste Freund von Klaus. Jastine bleibt im Bett, nur hier fühlt sie sich einigermaßen sicher. Warum nur, ist mir so komisch im Kopf, dass Gefühl nicht klar denken zu können, verunsichert sie. Was mit ihr geschieht, realisiert sie nicht. Es macht ihr noch mehr Angst. Sie versteht diese unbekannte Macht nicht, die ihrem sonst gewohnten Leben ein jähes Ende setzt. Hoffentlich kommt Adam bald, mit diesen Gedanken schläft Jastine letztendlich ein. Klaus empfängt den Hausarzt. Bevor er ihn zu Jastine lässt, setzen sie sich in die Küche. „ Was ist mit deiner Frau, Klaus? Du schaust recht besorgt aus. Erzähl!“ „ Wenn ich ehrlich sein soll, gefällt mir Jastine ganz und gar nicht. Sie hat abgenommen, fast finde ich sie mager. Und blass schaut sie aus. Sie hat mir nie gesagt, ob sie krank ist. Sie klagt nicht, sie weint nur. Hat keine Kraft zum Aufstehen, spricht von Angst. Ich begreife das nicht. Sie hat doch alles.“ Adam lächelt. „Nun alles haben ist nicht alles im Leben, mein lieber Freund. Ich gehe jetzt zu ihr, danach reden wir weiter.“ Der Doktor kann sich denken, was Jastine hat, das sie, so ungewöhnlich für diese ansonsten so starke Frau, ans Bett fesselt. Das Schlafzimmer wird von Rollos verdunkelt. Als erstes zieht der Doktor die Verdunkelung hoch und lässt die Morgensonne herein. Dann setzt er sich an das französische Bett und zieht Jastine vorsichtig die Decke vom Kopf. „ Morgen Jastine!“ „Lass mich, ich will schlafen“, und schnell hat Jastine sich das Zudeck über den Kopf gezogen. „ Gut, dann unterhalten wir uns eben so. Dann kann ich dich aber nicht untersuchen, meine Liebe. Wie soll ich feststellen, wo bei der Schuh drückt?“ Vorsichtig lugt seine Patientin unter der Zudecke hervor. „Aber nicht lachen, hörst du, ich schäme mich so?“ „ Na hör mal, habe ich dich je nicht ernst genommen?“ Jastine überlegt. Wie auch, die Praxis ihres Hausarztes kennt sie von draußen, auf keinen Fall von Innen. Leise fängt sie an, dem Doktor über ihre Veränderungen zu berichten, was ihr sehr schwer fällt, da die Tränen wie ein wilder Bach über ihr Gesicht laufen. „ Ich weiß selbst nicht, was im Augenblick mit mir los ist. Ständig begleitet mich das Gefühl, meine Umwelt nicht richtig wahr zu nehmen. Dann taucht plötzliche Angst auf, sie kommt aus dem Bauch und beherrscht mich. Dann bin ich nicht in der Lage zu denken. Dem folgt darauf panische Angst. Ich traue mich kaum mehr aus dem Haus, kann nicht schlafen, muss laufend weinen. Augenblicklich bin ich nicht im Stande, zur Arbeit zu gehen. Na ja und du siehst ja selbst, ich werde immer weniger. Was nur ist mit mir los?“ Adam nimmt Jastins Hände und hält sie fest. „ Sag Mädchen, wann hast du zu letzt einmal etwas für dich getan? Warst mal im Kino, oder im Schwimmbad, oder einfach spazieren?“ Jastine kann darauf keine Antwort geben. „ Na los steh auf, ich untersuche dich erst einmal, kann ja auch physischer Natur sein dein Zustand. Bis auf das leichte Herzrasen stellt der Doktor nichts fest. „Komm morgen in die Praxis, ich nehme noch Blut ab und mache ein EKG. Dann sehen wir weiter. Bleib einige Tage zu Haus. Ich spreche noch mit Klaus, dann bis morgen.“ Mit diesen Worten verlässt der Doktor das Schlafzimmer und geht zurück in der Küche zum sitzenden und ängstlich schauenden Ehemann. „ Tja Klaus, wie ich das sehe, ist deine Frau völlig ausgepowert. Hast du denn nie etwas bemerkt? Wann habt ihr zuletzt Urlaub gemacht? Hat Deine Frau die Zeit, sich auszuruhen, mal zu entspannen?“ Klaus verneint, ihm ist nicht klar, wieso seine Jastine derart zusammen geklappt ist. Ja, es stimmt, oft ist er nicht daheim. Jastine regelt alles selbstständig. Nie hat sie sich beschwert. „Und was wird nun? Ich muss morgen früh wieder los.“ „ Nimm Urlaub, bring Jastine zu mir in die Praxis und wenn meine Vermutung stimmt, hat sie das Burnout. Dann wäre es angebracht sie für einige Zeit in eine psycho-somatische Klink einzuweisen.“ „ Wieso Klinik, sie kann doch hier zu Haus sich erholen!“ „Hier findet sie nicht die Ruhe, die sie jetzt nötig braucht. In der Klinik bekommt sie professionelle Hilfe. Daheim wird das nichts. Nun guck nicht so. Ihr kommt bestimmt ein paar Wochen ohne Jastine zurecht.“ Klaus versteht die Welt nicht mehr. „ Wie ist das passiert? Ich begreife es nicht.“ „ Stress mein Lieber, immer nur Stress. In der heutigen Zeit passiert das vielen Menschen, übrigens nicht nur Frauen. Jastine hat sich selbst überfordert. Ständig muss sie jeden Tag besser sein als ihre Kollegen. Nur Erfolg bringt sie weiter. Sie ist austauschbar, wie ein alter Motor und das weiß sie. Damit das nicht passiert, arrangiert sie sich im Beruf und daheim. Das ist nun mal so.“ Klaus nickt mit dem Kopf, „aber ich gehe doch auch jeden Tag arbeiten. Mir fehlt nichts.“ „ Tja du tickst eben anders. Wenn du heim kommst, streckst du sicher die Füße unter den Tisch und lässt dich verwöhnen. Es ist ok. Und was ist mit deiner Frau? Kann die sich nach der Arbeit hinsetzen und fern schauen? Ne mein Lieber, ist doch keiner hier.“ Klaus verabschiedet seinen Freund und Hausarzt und setzt sich benommen in die Küche. Die Worte seines Freundes beschäftigen ihn sehr. Was seine Frau jeden Tag leistet, ist ihm eigentlich bis eben nie klar gewesen. Für ihn war es selbstverständlich, dass wenn er nicht daheim ist, seine Frau alles regelte. Klaus schaut sich um. Schön haben sie es. Ein tolles Haus, die Küche gerade nach amerikanischen Stil neu eingerichtet. Die große Wohnstube mit dem offenen Kamin. Die Jacht und das neue Auto und die Kinder, denkt Klaus. Alles da. Ihnen geht es finanziell richtig gut. Jastine arbeitet als Anwältin, die Kanzlei läuft prima. Keine Sorgen, mit denen sie sich befassen müssen. Und nun sieht die Welt plötzlich und unerwartet anders aus.

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