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Оглавление1. Das Hohelied der Liebe
»Wenn ich mit den Zungen der Menschen und der Engel rede, doch Liebe nicht habe, bin ich ein tönendes Metall oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich Prophetengabe besitze und um alle Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben habe, dass ich Berge versetze, doch Liebe nicht habe, so bin ich nichts.
Und wenn ich all meine Habe austeile zur Speise für die Armen, und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, doch Liebe nicht habe, nützt es mir nichts.
Die Liebe übt Nachsicht; in Güte handelt die Liebe. Sie eifert nicht; die Liebe macht sich nicht groß, sie bläht sich nicht auf.
Sie benimmt sich nicht ungehörig; sie sucht nicht das ihre; sie lässt sich nicht erbittern; sie rechnet das Böse nicht an.
Sie hat nicht Freude am Unrecht, freut sich jedoch an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf. Ob Prophetengaben, sie gehen zu Ende; ob Reden in Zungen, sie werden aufhören; ob Erkenntnis, sie nimmt ein Ende.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk unser prophetisches Reden.
Kommt aber die Vollendung, wird das Stückwerk abgelegt werden.
Als ich noch Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, überlegte wie ein Kind; da ich aber Mann geworden, legte ich die Art des Kindes ab.
Denn jetzt schauen wir im Spiegel ein unklares Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, so wie auch ich erkannt bin.
Jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: am größten unter ihnen ist die Liebe.«
Wir wollen den Korintherbrief (13. Kapitel) aus dem Neuen Testament mit zwei Lehrreden des Buddha vergleichen, sodass wir beide Religionsgründer und deren Anliegen besser verstehen lernen. Ich denke, es ist für uns von Interesse, einmal festzustellen, dass in jeder Religion das Gleiche gelehrt wird. Unsere Schwierigkeiten liegen nicht daran, welchen Religionen wir folgen möchten, es kommt nur darauf an, ob wir den Anweisungen Gehör schenken. Vor allem kommt es darauf an, ob wir überhaupt verstehen, was zu tun ist. Als Nächstes müssen wir uns daran erinnern und können letztlich den aufgezeigten Weg auch praktizieren. Wenn wir diese drei Schritte unternehmen, können wir nicht fehlgehen. Aber vielleicht ist es gar nicht so einfach, den Zugang zu dem zu finden, was die großen Meister der Religionen uns mitteilen wollten.
Wir brauchen unser Herz und nicht nur den Intellekt, um unsere spirituelle Natur zum Leben zu erwecken. Mit dem Intellekt haben wir nicht so viele Schwierigkeiten wie mit unserem Herzen. Daher ist auch dieses Kapitel des Korintherbriefes, »Das Hohelied der Liebe«, von größter Wichtigkeit. Es beginnt mit:
»Das Größte ist die Liebe. Wenn ich mit den Zungen der Menschen und der Engel rede, doch Liebe nicht habe, bin ich ein tönendes Metall oder eine klingende Schelle.«
Wir können also noch so schöne Reden halten, aber ohne Liebe sind sie hohl und nichtig. Wenn wir uns so anschauen, was alles für Vorträge angeboten und wo überall Reden gehalten werden, so fehlt es uns bestimmt nicht an klugen Worten.
»Und wenn ich Prophetengabe besitze und um alle Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben habe, dass ich Berge versetze, doch Liebe nicht habe, so bin ich nichts.«
Die Zukunft vorauszusagen war von jeher eine viel bewunderte Fähigkeit. Ein Drittel des Alten Testaments handelt von den Propheten Israels. Dennoch sagt der Apostel, dass dies ohne Liebe wertlos sei. Auch ein tiefer Glaube, der sogar Berge versetzen kann, ist immer noch nichts, verglichen mit Liebe.
»Und wenn ich all meine Habe austeile zur Speise für die Armen, und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, doch Liebe nicht habe, nützt es mir nichts.«
Dazu sagt der Buddha folgendes:
»Einstmals lebte ein Brahmane, namens Velama. Dieser spendete folgende gewaltige Gaben. Er verschenkte 84.000 mit Silber gefüllte goldene Gefäße, 84.000 mit
Gold gefüllte silberne Gefäße, und vieles mehr. Was soll man da erst von Speise und Trank sagen, von den Kauwaren, Esswaren, Leckereien und Getränken, die dort gleichsam in Strömen flossen? … Bei weitem verdienstvoller aber ist es, wenn man selbst nur so viel wie einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung erweckt.«
Hier begegnen wir dem gleichen Prinzip. Obwohl der Brahmane Velama unendlich viele Wertgegenstände und auch Speise und Trank verschenkt hat, so sagt der Buddha dennoch, es sei viel verdienstvoller, wenn wir selbst nur einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung in uns erwecken würden.
Es ist wichtig, das Wort oder den Begriff »Liebe« richtig zu verstehen, und nicht einfach anzunehmen, es wäre das, was wir im Allgemeinen darunter verstehen, oder was wir auch schon selbst erlebt haben. Wäre das der Fall, hätten wir sicherlich einen ganz anderen Zugang zum spirituellen Leben. Jeder von uns hat ja schon Liebe erlebt oder erlebt sie noch. Aber diese Art der Liebe, die wir kennen, ist auf bestimmte Menschen gerichtet und soll dort auch Resonanz finden. Wir wollen wiedergeliebt werden. Außerdem sind wir kritisch, beurteilen, verurteilen und sind sehr wählerisch, wem wir unsere Liebe schenken. Häufig denken wir auch an eine Größenordnung bei unserer Liebe, als ob ein Gefühl zu messen wäre. Wenn wir viel Liebe geben, wollen wir auch die gleiche Menge erhalten. Solche zwischenmenschlichen Beziehungen sind äußerst schwierig. Im Allgemeinen glauben wir, wenn Probleme auftauchen, es läge an dem Partner oder an uns selbst oder an beiden. Unsere Beziehungen sind aber so schwierig, weil unsere Art, mit Liebe umzugehen, auf der weltlichen, materiellen Ebene stattfindet. Wir stellen Bedingungen, deren Erfüllung oft ausbleibt, und dadurch wird unser Gemüt erschüttert. Wir denken, wir bräuchten eine bestimmte Person um zu lieben, die bei uns bleiben soll und so reagieren soll, wie wir es wünschen. Das erzeugt Angst und Unruhe, denn wir wissen unterschwellig, dass dies unrealistische Ansprüche sind.
Auf der spirituellen Ebene wird eine andere Art und Weise des Liebens angesprochen. Wir können das im Korintherbrief nachvollziehen, wenn wir lesen:
»Die Liebe übt Nachsicht.«
Die Liebe wird als ein unpersönliches Gefühl bezeichnet; es heißt nicht: »der Liebende übt Nachsicht«.
»In Güte handelt die Liebe.«
Diese Unpersönlichkeit ist das, worauf es hier ankommt. Liebe ist, genau wie es der Buddha lehrt, eine Fähigkeit und Qualität des Herzens, die jeder von uns in sich trägt, die wir aber entwickeln müssen, weil wir sie so oft vernachlässigen. Wir kümmern uns nicht recht um dieses innere Juwel, weil wir hoffen, es wäre jederzeit zu finden. Vielleicht erinnern wir uns daran, wie wir das erste Mal verliebt waren. Es war ganz entzückend, auch recht unruhig und aufregend, aber dennoch bezaubernd. Aber wieso waren wir überhaupt unruhig und aufgeregt? Weil wir uns von jemand anderem abhängig gemacht hatten, was nicht unbedingt wunschgemäß verlaufen musste. Diese Erklärung soll uns zu verstehen geben, wie wir uns fühlen könnten, wenn es sich nicht um eine bestimmte Person handelt, sondern unser Herz sich die Liebesqualität aneignet und immer in sich trägt.
Vielleicht können wir hier auch den Sinn der Religionen spüren, den beide Lehrer uns vermitteln. Der Buddha sagt in der Lehrrede von der Liebenden Güte:
»Wenn man den Frieden des Herzens sucht, bemühe man sich um folgende Gesinnung: Man sei freundlich, sanft und ergeben.«
Diese Worte zeigen in die gleiche Richtung, der wir bereits als »nachsichtig« und »in Güte« begegnet sind. Es gibt Wegweiser für die Eigenschaften, die wir üben sollten, um das Liebesgefühl in uns so zu erwecken, dass wir es nicht mehr verlieren können. Oft denken Menschen, wenn sie das hören, dass sie dann vielleicht übervorteilt werden. Können wir denn auf der Ebene der Liebe übervorteilt werden? Das kann höchstens auf der weltlichen, materiellen Ebene geschehen, auf der die Dualität von »mein« und »dein« herrscht. Wenn uns aber klar ist, so wie der Buddha sagt, »dass der Frieden des Herzens das Ziel des Lebens ist«, dann kommt es ja wohl nicht mehr darauf an, ob jemand, dem wir Liebe schenken, das Gleiche tut, und ob demjenigen dadurch irgendein Vorteil erwächst. Wir erkennen dann ohne jeden Zweifel, dass alles Gute, das wir tun, so wie lieben, helfen, Nachsicht üben, in Güte handeln, für uns selbst der größte Gewinn ist. Wir erleben dann im Alltag: »Wie du säst, sollst du ernten«. Und selbst wenn jemand unsere Saat nicht erkennt, was macht es schon? Sie bringt immer die dazugehörende Ernte.
Das nächste, was wir im Korintherbrief über die Liebe finden, ist:
»Die Liebe macht sich nicht groß, Sie bläht sich nicht auf.«
Der Buddha sagt:
»Man sei aufrecht und gewissenhaft und ohne Stolz.«
Fraglos können wir diese Eigenschaften in uns entwickeln, jedoch basiert die Liebe, die dadurch in unserem Herzen erweckt wird, nicht auf irgendwelchen speziellen Menschen, Idealen, Ideen, Situationen oder Ereignissen. Sie ist einzig und allein das Vertiefen der schöpferischen Qualität unseres Herzens, sodass es nichts anderes mehr spüren kann. Wir haben auch Hass, Ablehnung und Widerwillen in unserem Herzen. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es nicht nötig, den Läuterungsprozess durchzuführen. Liebe ist eine Fähigkeit jedes menschlichen Herzens, deren Entwicklung uns ein wichtiges Anliegen sein sollte.
Dann wird im Korintherbrief gesagt:
»Sie (die Liebe) benimmt sich nicht ungehörig.«
Die Worte des Buddha:
»Auch nicht im Kleinsten soll man sich vergehen.«
Da wird etwas angesprochen, was wir an sich gar nicht mit Liebe in Verbindung bringen, nämlich unser allgemeines Benehmen. Die Zehn Gebote haben im Buddhismus ihre Parallele in den fünf Tugendregeln; und zwar: nicht töten; nicht nehmen, was nicht gegeben wurde; kein sexuelles Fehlverhalten; keine Lügen, keine groben Worte, kein Hintertragen; keine Drogen oder Alkohol. Wenn wir nicht töten und sexuelles Fehlverhalten vermeiden, soll dies den Hass in uns vermindern. Nehmen wir nichts, was uns nicht gegeben wurde, so arbeiten wir damit der Gier entgegen. Vermeiden wir Lügen und grobe Worte, Alkohol und Drogen, dann können wir eher Harmonie in unserem Leben verwirklichen. Auch Schmeicheln entspricht nicht der Wahrheit, aber das liebevolle Gespräch miteinander ist ein Weg des Herzens. Die meisten Menschen sprechen über das, was sie wissen. Es ist die übliche Art und Weise, sich zu unterhalten. Es ist aber viel eindringlicher und erbaulicher, wenn wir vom Herzen sprechen und uns auf dieser Ebene anderen nähern. Das bringt ein Zusammengehörigkeitsgefühl und auch eine enge Verbindung mit anderen Menschen.
Unser Innenleben wird durch unsere Gefühle regiert. Wenn wir also Zugang zu anderen Menschen haben wollen, dann ist es auf der Gefühlsebene viel einfacher als auf der Wissensebene. Es ist interessant, wie ähnlich die Anweisungen sind. Dennoch genügt es nicht, nur davon zu hören oder darüber zu lesen, wir müssen uns auch merken, was gesagt wurde. Das ist schon schwieriger, doch vor allem das Üben ist nicht so einfach. Wir haben oft die Idee, alles andere sei wichtiger, und darum sehen wir in der Welt auch so vieles, was uns betrübt, dem wir nicht zustimmen und vergessen dabei, dass wir ja selbst die Welt sind. Es handelt sich um jeden von uns, denn, wenn wir uns ändern, ändert sich die Welt.
Der nächste Satz im Korintherbrief ist:
»Sie (die Liebe) sucht nicht das ihre.«
Das heißt, Liebe ist nicht eigennützig. Beim Buddha steht:
»Was immer auch an Wesen gäbe, ob stark, ob schwach, ob groß oder klein, zu sehen oder nicht, fern oder nah, mögen sie alle glücklich sein und ihre Herzen Freude haben.«
An andere zu denken und nicht den eigenen Vorteil zu suchen, ist ein Zeichen der reinen Liebe. Hilfsbereit und gebefreudig sein, nicht bekommen wollen, sondern verschenken, ist die Eigenschaft der Liebe. Der Fehler, den wir immer wieder machen, der hier durch »sie sucht nicht das ihre« verdeutlicht wird, ist der, dass wir geliebt werden wollen. Das bestätigt uns dann, dass wir liebenswert sind. Wenn wir niemanden finden oder im Moment kennen, der uns diese Bestätigung vermittelt, so suchen wir ihn entweder, oder wir fühlen uns einsam, verlassen und ohne Liebe. Jedoch die Liebe, die ein anderer spürt, ist dessen Gefühl; nur die Liebe, die wir selbst fühlen, ist ausschlaggebend. Wenn wir interessiert daran sind, Liebe in unserem Leben zu empfinden, gibt es nur einen Weg, und der heißt: lieben und Liebe verschenken. Das ist die Bedeutung von »sie sucht nicht das ihre«.
Auch der Buddha erwähnt immer wieder, dass wir allen Wesen liebend begegnen sollen. Er erwähnt alle diese verschiedenen Möglichkeiten: »stark, schwach, groß, klein, sichtbar, unsichtbar, fern oder nah«, um damit auszudrücken, dass es nicht darauf ankommt, wer uns gegenübersteht. Das einzig Wichtige ist das Üben der Herzensöffnung, und das ist jedem von uns möglich. Wir haben es auch schon hin und wieder in uns erlebt, aber danach immer wieder unser Herz verschlossen. Sicherlich können wir nachvollziehen, dass es nur wichtig und heilsam ist, wenn wir selbst lieben. Dann suchen wir nicht mehr danach, geliebt zu werden: »Sie sucht nicht das ihre.«
»Sie lässt sich nicht erbittern. Sie rechnet das Böse nicht an.«
Der Buddha sagt:
»Möge niemand einem andern schaden oder irgendwie verachten. Wir wollen keinem bös‘gedenken aus Feindschaft oder Ärgernis.«
Es gibt bestimmt Menschen, mit denen wir nicht übereinstimmen, deren Handlungen wir nicht akzeptieren können und die wir daher ablehnen. Wahrscheinlich gibt es auch jemanden, über den wir uns ärgern.
In beiden Fällen wird auf der einen Seite gesagt:
»Sie rechnet das Böse nicht an. Sie lässt sich nicht erbittern.«
Der Buddha formuliert:
»Aus Ärger oder Übelwollen gedenke man keinem mit Böswilligkeit.«
Wenn wir uns auch ganz berechtigt fühlen, einen Menschen abzulehnen, weil alles, was er tut und spricht, nichts Gutes ausdrückt, so verhärten wir unser eigenes Herz, wenn wir ihm übelwollen oder Unglück wünschen. Wir haben sowieso keinen Einfluss darauf, was dem anderen zustößt, denn er lebt mit seinen eigenen Karma-Resultaten. Aber wir selbst leiden an unserer Lieblosigkeit. Unser Zugang zur eigenen Herzensgröße und der Weichheit und Öffnung unseres Herzens verschließt sich wieder. Wir haben die Möglichkeit, wie ein Verliebter durchs Leben zu gehen, aber nicht, indem wir nun einen Menschen dafür suchen, sondern indem wir alles mit einem liebenden Herzen umfassen. Sei das die Natur, andere Menschen, Krankheit oder Tod.
Im Korintherbrief steht:
»Freut sich jedoch an der Wahrheit.«
Der Buddha meint:
»So mögen wir für alle Wesen die grenzenlose Liebe haben, erweckt in uns durch reine Wahrheit.«
Wahrheit ist eine innere Ehrlichkeit, die uns davor bewahrt, uns auf irgendeine Weise aufzuspielen, entweder, weil wir glauben, wir würden so leichter akzeptiert, oder weil wir uns dann wichtiger vorkommen. Es ist eine allgemeine Schwierigkeit, dass Ehrlichkeit uns selbst gegenüber nicht genügend geübt wird, und wir uns daher in einem Rollenspiel verlieren. Es ist äußerst anstrengend, andauernd sich selbst und anderen etwas vorzugaukeln. Wahrheit gehört zu Liebe, weil beide die tiefsten Gefühle des Herzens ansprechen. Vielleicht erkennen wir daraus auch die Möglichkeit, die wahre Liebe in uns zu erwecken. Sie wird zwar immer so hingestellt, als ob sie von der oder dem Richtigen abhängig wäre. Die meisten Menschen haben sicher schon gemerkt, dass das gar nicht der Fall ist. Wahre Liebe bedeutet, unser Herz so zu erleben, dass es Liebe empfindet, ganz gleich, mit wem wir zusammen sind, oder ob überhaupt jemand da ist. Wahre Liebe ist nicht ängstlich. Anhaftende Liebe hat Angst vor Verlust, weil wir glauben, dass Liebe von der Gegenwart bestimmter Menschen abhängig ist. Das ist nicht die Wahrheit der Liebe, sondern Anhänglichkeit. Wahre Liebe ist Hingabe.
In diesem Zusammenhang wäre zu erwähnen, dass Meditation ohne Hingabe nicht funktioniert. Wir müssen beim Meditieren alles loslassen, womit wir uns sonst beschäftigen, und uns vollends dem Geschehen des Atems hingeben. Das bedeutet, dass wir die Meditation lieben und uns der spirituellen Läuterung hingeben. Wenn wir unser Herz weich, geschmeidig und liebevoll öffnen, können wir beim Meditieren die Welt einmal hinter uns lassen und Ruhe und Frieden erleben. Denn die Liebe ist stärker als das Denken. Teresa von Avila sagte: »Nicht so viel denken, mehr lieben.« Das bedeutet allerdings nicht, dass wir im täglichen Leben nicht denken sollen; wir brauchen unsere Denkfähigkeit zu allem, was wir tun, aber wir denken zu viel und lieben zu wenig. Wenn wir von den verschiedenen Lehrern die gleichen Anweisungen bekommen, ist es vielleicht an der Zeit, ihren Inhalt zu untersuchen. Der Buddha forderte seine Zuhörer immer wieder auf, nicht zu glauben, nicht zu zweifeln, sondern alles selbst zu prüfen und auszuprobieren.
Der nächste Satz im Korintherbrief heißt:
»Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles.«
Der Buddha sagt dazu:
»Wie eine Mutter mit ihrem Leben Ihr einzig Kind bewacht und schützt So mögen wir für alle Wesen Die unbegrenzte Liebe erwecken.«
Eine Mutter duldet die Dummheiten ihres Kindes. Sie hofft alles für ihr Kind und erträgt alles, was sie für das Kind tun muss, vor allem, wenn es noch klein ist. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Sie glaubt auch an ihr Kind.
Innige Liebe ist in all dem enthalten: im Ertragen, Glauben, Hoffen und Erdulden. Die Worte des Buddha sind eine weitgreifende Anweisung, die nicht leicht zu befolgen ist; sie zeigt uns aber, was wir tun können. Wenn wir selbst eine Familie haben, ist es nicht schwer festzustellen, was wir für die eigenen Kinder fühlen, und dann können wir unsere Liebe für alle anderen Menschen damit vergleichen. Der Unterschied ist so gewaltig, dass dies wohl keinem Menschen entgehen kann. In unserer Gesellschaft wird es als natürlich angesehen, dass dies so ist. Jede Mutter weiß genau, mit wie viel Angst ihre Liebe für ihre Kinder durchsetzt ist. Die eigenen Sprösslinge müssen unbedingt am Leben bleiben, in jeder Hinsicht in Ordnung sein und im Leben ihren Weg machen. Die meisten Mütter, wenn nicht alle, haben in ihrer Liebesbeziehung zu ihren Kindern dadurch große Schwierigkeiten. Ihr Herz zittert und findet keinen Frieden. Aus den Lehrreden des Buddha können wir entnehmen, dass alle Menschen auf dieser Welt schon unsere Kinder waren oder einmal sein werden. Das macht unsere Beziehung zueinander um vieles einfacher. Wenn wir uns vorstellen, dass jeder Mensch, den wir treffen, vielleicht schon einmal unser Kind war oder sein wird, dann sind alle Schwierigkeiten viel leichter zu ertragen. Wir können erdulden, hoffen und den Menschen glauben.
Wenn wir uns immer nur auf diejenigen Menschen konzentrieren, die jetzt in unserer Familie sind, begrenzen wir unsere Liebesfähigkeit so, dass unser Herz sich mehr und mehr zusammenzieht. Es kann sich dann nie ins Unendliche erweitern. Erst das grenzenlose Herz ohne Beschränkungen ermöglicht uns, die Wirklichkeit in uns selbst zu erkennen, so dass die Menschen, die Welt, das Universum sich in der Tiefenperspektive zeigen, die uns zur absoluten Wahrheit führt. Mit der Begrenzung unseres Herzens für einige wenige Kinder oder Menschen können wir das nicht, denn wir ziehen scharfe Grenzen. Dort ist unsere Welt zu Ende.
Sollten wir keine eigenen Kinder haben, können wir uns vielleicht an der Liebe unserer Mutter orientieren, oder auch an der Liebe, die wir für einen besonderen Menschen hegen. Wieder können wir den Unterschied zwischen unseren Gefühlen für den geliebten Menschen und für den Rest der Menschheit feststellen. Meistens empfinden wir Gleichgültigkeit oder oft auch Ablehnung für andere. Von bedingungsloser Liebe für die Menschen, mit denen wir zusammenkommen, kann bei den meisten von uns kaum die Rede sein, weil wir es nicht geübt haben. Aber auch Liebe ist erlernbar. Wenn wir meditieren wollen, müssen wir die Konzentration erlernen und üben. Dazu müssen wir auch Liebe üben, denn diese beiden gehören zusammen. Liebe ist die Fähigkeit, uns voller Geduld und Vertrauen hinzugeben, was eine unerlässliche Vorbedingung für die Meditation ist. Wenn wir gewillt sind, das Verschenken unseres Herzens zu üben, ändert sich unser Alltagsleben beinahe sofort.
Es ist uns fremd, dass wir Liebe üben können. Im Allgemeinen wurde uns gesagt oder nahegebracht, dass Liebe ein Zufall sei, auf den wir hoffen sollen. Liebe ist jedoch die Fähigkeit, das Herz zu öffnen und zu verschenken. Es ist vergleichbar mit der Fähigkeit der Intelligenz. Wenn wir einen intelligenten Geist haben, so können wir vielleicht schwierige Aufgaben lösen. Wenn solche momentan nicht anstehen, so geht unsere Intelligenz bestimmt nicht verloren. Genau so ist es mit der Liebe. Wenn jemand da ist, können wir sie verschenken, wenn niemand da ist, bleibt sie dennoch im Herzen. Wenn wir sie immer in uns verspüren, gibt sie uns Selbstvertrauen, denn wir wissen, dass wir liebevoll reagieren können, was immer auch auf uns zukommt. Wir können auf uns selbst vertrauen. Auch ein Gefühl der inneren Freude ist spürbar. Sicherlich können wir uns an die Freude im Herzen erinnern, die uns in einer Liebesbeziehung begleitet hat. Leider war auch Angst vorhanden, weil wir gleichzeitig anhafteten. Aber das ist hier nicht der Fall, und so erleben wir »wahre Liebe«. Der Weg der Meditation, der uns in andere Bewusstseinsebenen führen kann, braucht die unpersönliche, bedingungslose Liebe als ein Fundament und Stütze.
Im Korintherbrief heißt es weiter:
»Die Liebe hört niemals auf«
Sie ist also nicht davon abhängig, ob jemand Spezielles da ist, sondern nur davon, ob wir sie geübt haben.
»Prophetengaben gehen zu Ende. Redende Zungen werden aufhören. Erkenntnis nimmt ein Ende. Denn Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk unser prophetisches Reden. Kommt aber die Vollendung, wird das Stückwerk abgelegt.«
Die Vollendung spricht der Buddha in folgender Art und Weise an. Er sagt:
»Wer sich nicht an Ansichten verliert, Tugend und Weisheit gewinnt, dem Sinnesgenuss nicht verhaftet ist, für den gibt es kein Leid mehr.«
Die Vollendung in der Lehre des Buddha ist das tiefe Erkennen der Unpersönlichkeit und Substanzlosigkeit von allem, was existiert. Haben wir das verinnerlicht, dann wird es viel einfacher, nicht nur das zu lieben, was »mein« ist, sondern sich allem in Liebe zuzuwenden.
Wenn wir uns selbst prüfen, werden wir merken, dass das 13. Kapitel der Korinther und die Liebende-Güte Lehrrede des Buddha uns persönlich betreffen. Vor 2500 und vor 2000 Jahren wurde zu Menschen gesprochen, die dieselben Probleme hatten wie wir. Es hat sich nichts geändert.
Auch vom Geist wird oft gesprochen, was uns leichter zugänglich ist, denn wir haben die Erziehung des Geistes genossen, die uns daher nicht fremd ist. Aber die Erziehung des Herzens blieb aus, und so müssen wir sie selbst nachholen. Obwohl dies natürlich nicht ganz einfach ist, so können wir mit sofortigen Resultaten rechnen. Der Buddha sagt, wie schon erwähnt, selbst wenn wir nur so viel wie einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung haben, so gilt das mehr als das Verschenken wertvollster Gaben.
Aus dem Korintherbrief:
»Als ich noch Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, überlegte wie ein Kind. Da ich aber Mann geworden, legte ich die Art des Kindes ab, denn jetzt schauen wir im Spiegel ein unklares Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, so wie auch ich erkannt bin.«
Hier wird das spirituelle Wachstum angesprochen, das tiefe Erkenntnis gebracht hat. Jetzt verschmelzen Gott, die Welt, das Universum, wir selbst, und letztlich bleibt nur noch Gott (oder Nibbāna) bestehen. Der Buddha hat dazu gesagt:
»Das ganze Universum, ihr Mönche, liegt in diesem klafterlangen Körper und Geist.«
Dies entspricht den Worten »so wie auch ich erkannt bin«. In der Lehrrede über den höchsten Verdienst sagt der Buddha ferner:
»Doch noch verdienstvoller ist es, wenn man die Betrachtung der Vergänglichkeit übt und wäre es nur für einen Augenblick.«
Dies ist damit vergleichbar, erst ein Kind, dann Mann/Frau zu sein, die Art des Kindes abzulegen, erst ein unklares Bild zu haben, dann von Angesicht zu Angesicht mit Klarblick zu sehen. Diese Klarheit ist der größte Verdienst. Am Ende des Briefes an die Korinther heißt es:
»Jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Diese drei: am größten unter ihnen ist die Liebe.«
Der Buddha sagt dazu:
»Im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder Liegen, entfalte man eifrig die Liebe. Dies nennt man Weilen im Heiligen.«
Wenn wir also stetig üben, so bedeutet es das Verweilen im Heilsein (oder Heiligen), in dem wir beides, Denken und Fühlen, zu einem harmonischen Ganzen gebracht haben. Leider ist dies bei den meisten Menschen eher unausgeglichen und bringt viele Schwierigkeiten mit sich. Obwohl wir genau wissen, was richtig wäre und es erdenken können, so fühlen wir es dennoch nicht. Wenn wir diese Heilung vorgenommen haben, können wir im Heiligtum unseres Herzens verweilen.
Hier wird auch gesagt, dass die größte von allen Fähigkeiten die Liebe ist. Der Buddha erwähnt, dass ein Mönch die unpersönliche, bedingungslose Liebe so entfaltet hatte, dass das allein genügte, um in ihm die Erleuchtung zu erwecken, die das vollkommene Erkennen von sich selbst und der Welt bedeutet. Ansonsten beengt unser Denken unseren Horizont. Was jedoch kein Stückwerk mehr ist, ist alles umfassend, unendlich, aber unpersönlich. Wie wir gehört haben, ist dies möglich, wenn unser Herz so geöffnet und geläutert ist, dass keinerlei Negativitäten uns in irgendeiner Weise mehr berühren können und nur noch Liebe darin wohnt.