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Die erste und zweite meditative Vertiefung
Teil 1

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Zu Beginn zitiere ich den ersten Abschnitt der Lehrrede über die meditativen Vertiefungen, bevor ich die Erklärungen dazu ausführe: „Nachdem er so diese fünf Hindernisse überwunden hat, die Unvollkommenheiten des Geistes, die die Weisheit schwächen, tritt er ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste meditative Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilt darin mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Brahmane, dies nennt man einen Fußabdruck des Tathāgata, etwas, woran der Tathāgata gekratzt hat, etwas, das den Abdruck des Tathāgata trägt, aber ein edler Schüler kommt noch nicht zu dem Schluss: ,Der Erhabene ist vollständig erleuchtet, das Dhamma ist vom Erhabenen wohl verkündet, die Sangha praktiziert gut.‘“

Die erste meditative Vertiefung ist also noch nicht das Ende des Weges. Der Weg zur Konzentration, den der Buddha lehrte, besteht in der Ansammlung von edler Tugend, das heißt, die Tugendregeln befolgen und genügsam sein in der Sinneskontrolle, in der Achtsamkeit, in der Wissensklarheit sowie in dem Aufgeben der fünf Hindernisse zur Zeit der Meditation, was bedeutet, nicht zu denken.

Bei den Hindernissen, die am Anfang dieses Absatzes erwähnt werden, sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, dass sie unseren Geist schwächen. Je öfter wir sie zulassen, desto schwächer wird er. Die Schwäche besteht darin, dass der Geist weder klar sehen kann noch einspitzig ist. Vor allen Dingen fehlt die Läuterung, sodass ständig zu viel unnötiger Ballast im Geist herumschwirrt.

Der Begriff „abgeschieden“ wird immer im Zusammenhang mit der ersten meditativen Vertiefung verwendet. Weil jedoch manchmal der Zusatz „von Sinnesvergnügen“ oder „von unheilsamen Geisteszuständen“ fehlt, glauben Menschen, die das lesen oder auch hören, dass sie unbedingt woanders sein müssten, als sie sich gerade befinden. Natürlich ist es hilfreich, bei einem intensiven Meditationskurs die Fähigkeit der Konzentration in sich zu verankern, aber dies sollte dann auch zu Hause möglich sein. In einer äußerlich abgeschiedenen Situation können wir lernen, das in einem intensiven Meditationskurs Gelernte wieder aufzufrischen, sodass wir gestärkt werden. Jedoch müssen wir weder abgeschieden von unserer Familie noch von unserem Job sein; auch müssen wir nicht in den Wald gehen. Wir sollten jedoch in der Lage sein, die Sinnesvergnügen und die unheilsamen Geisteszustände auch dann loszulassen, wenn wir im Alltag zu Hause meditieren und das im Meditationskurs Gelernte und Geübte fortsetzen wollen, auch wenn es uns schwer fallen sollte.

Wir können die erste meditative Vertiefung von drei Aspekten aus betrachten: Zum einen ist es die praktische Seite, zum anderen das Gemütsbewegende und als Drittes kommt die Einsicht, die aus der meditativen Vertiefung entsteht. Der praktische Aspekt ist für diejenigen von Bedeutung, die die erste meditative Vertiefung noch nicht gemacht haben oder vielleicht gar nicht wissen, was sie ist. Dieser Aspekt wird in der Lehrrede beschrieben mit: „Die erste meditative Vertiefung, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist“, was auf Pāli vitakka-vicāra heißt. Das bedeutet, dass wir uns zu Beginn der Meditation zum Meditationsobjekt hinwenden müssen. Wenn wir nicht konzentriert sind, so wiederholen wir ständig das Hinwenden zum Meditationsobjekt, entweder zum Atem oder zur Gehmeditation oder zur liebenden Güte oder zum Körper bei der Stück-für-Stück Methode. Dieses wiederholte Sichhinwenden zum Meditationsobjekt ist ein automatisches Gegenmittel gegen Lässigkeit und Trägheit des Geistes, das dritte unserer fünf Hindernisse. Natürlich können wir uns im Alltag nicht auf dieses Hilfsmittel in der Meditation verlassen. Denn wie oft und wie lange meditieren wir im Alltag? Auch in der Zeit außerhalb der Meditation müssen wir etwas gegen die Unlust und die Unzufriedenheit tun. Trotzdem haben wir hier für die Meditation ein ausgezeichnetes Hilfsmittel.

Auf die anfängliche Hinwendung folgt die anhaltende Hinwendung des Geistes, denn nur durch längere Konzentration können wir in die erste meditative Vertiefung gelangen. Die anhaltende Hinwendung ist das automatische Hilfsmittel gegen den Zweifel, das fünfte Hindernis. Kann sich der Geist dem Meditationsobjekt anhaltend zuwenden, dann sagt er ganz klar: „Schau, ich kann es ja doch!“ Damit endet zwar die Konzentration, aber wenn wir dies schon einmal gekonnt haben, dann können wir uns ja wieder konzentrieren. Der Geist gibt auch nur beim ersten Mal diese Kommentare ab. Auf jeden Fall hilft uns dieses Erleben sehr, den Zweifel an dem Pfad, an der Meditationsmethode oder an des Buddhas spirituellem Genie loszulassen. Erst wenn wir selbst in eine Mango gebissen haben, wissen wir fraglos, wie sie schmeckt. Bis dahin haben wir uns darauf verlassen müssen, was uns andere darüber erzählt haben. Das konnten wir entweder glauben oder auch nicht. Jedoch vermittelt das Hören davon nicht den Geschmack, dies kann nur das eigene Erleben tun.

Sobald der Zweifel kleiner wird, vergrößert sich das Vertrauen. Das wiederum führt dazu, dass sich Liebe und Hingabe vermehren, denn Vertrauen, Liebe und Hingabe gehen Hand in Hand. Je mehr Vertrauen und Hingabe vorhanden sind, desto leichter fällt uns die Meditation. Mit Liebe und Hingabe wird auch das ganze Leben bedeutend einfacher als mit Zweifelsucht. Zweifel bedeutet nichts glauben, sondern immer wieder irgendetwas finden wollen, das nicht ganz stimmt, was aber nicht dasselbe ist wie untersuchen. Die mit Zweifel behafteten Fragen beginnen meistens mit: „ja, aber“. Der Buddha hat empfohlen, weder zu glauben noch zu zweifeln, sondern selbst auszuprobieren. Dazu benötigen wir Vertrauen. Je weniger wir zweifeln, desto mehr können wir vertrauen und uns hingeben.

Bei der anhaltenden Hinwendung des Geistes kann in praktischer Hinsicht Folgendes gesagt werden: Wir beginnen die Meditation mit liebender Güte für uns selbst, sodass wir uns sicher und geborgen fühlen, wobei auch Dankbarkeit sehr hilfreich sein kann. Dazu können wir Dankbarkeit dafür empfinden, dass wir die Gelegenheit haben zu meditieren. Während der Meditation etikettieren wir jeden aufkommenden Gedanken, sodass diese immer wieder zerbrechen. Wir geben uns dem Atem hin und fühlen uns darüber beglückt, dass der Atem immer weiter existiert. Und wir lassen die Welt fallen. Dazu sage ich immer: Die Welt will in diesem Moment nichts von uns, wieso wollen wir etwas von ihr? Alles läuft wunderbar ohne uns weiter. Ist das nicht herrlich, wie alles so weiterläuft und wir müssen gar nicht dabei sein? Wieso müssen wir an irgendetwas denken, was mit der Welt zu tun hat? Es ist total unnötig, sich mit den Gedanken in die Welt hinein zu begeben, wenn wir meditieren wollen. All das sind praktische Hilfsmittel, die es dem Geist erleichtern, einmal länger beim Atem zu bleiben.

In der Lehrrede heißt es weiter: „Und verweilt darin mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind.“ Wie ich bereits erwähnt habe, ist es ein Trugschluss zu meinen, das Wort „Abgeschiedenheit“ bedeute, dass wir ganz woanders sein müssten. Im Gegenteil, denn, wenn ein Mensch die erste meditative Vertiefung schon längere Zeit praktiziert und sie ganz automatisch kann, dann kann er sie sogar unter allen Umständen erleben. Die Abgeschiedenheit bedeutet einzig und allein, dass wir uns von den Sinnesvergnügen und den unheilsamen Geisteszuständen für die Zeit der Meditation absondern. Daraus können wir entnehmen, dass die Meditation ein erstklassiges Läuterungsmittel darstellt, wenn sie länger anhält und wir sie immer wieder üben. Denn sie funktioniert nämlich nur, wenn wir die Sinnesvergnügen und die unheilsamen Geisteszustände zur Zeit der Meditation aufgeben. Wenn es sich nur um eine Sekunde handelt, dann haben wir eine Sekunde der Läuterung. Wenn es sich um eine Stunde handelt, dann haben wir natürlich viel mehr Läuterung.

Da diese Läuterung automatisch geschieht, steht kein Krampf dahinter, weder: „Ich muss“, noch: „Jetzt muss ich alles aufgeben“, noch: „Jetzt muss ich der Welt entsagen.“ Die Läuterung geschieht automatisch, wenn wir wirklich meditieren, das heißt die meditativen Vertiefungen erleben. Dieser Punkt der automatischen Läuterung in den meditativen Vertiefungen ist vielleicht der wichtigste, denn es ist kein reines Vergnügen, wenn wir uns immer wieder mit dem eigenen Hass und der eigenen Gier herumschlagen. Wenn wir die meditativen Vertiefungen immer wieder praktizieren und uns selbst genau beobachten, dann wird uns diese automatische Läuterung auch selbst nach einiger Zeit der Praxis klar. Und es wird uns bewusst, dass etwas geschehen ist, worüber wir uns freuen können. Je mehr wir uns freuen, desto mehr Vertrauen und Liebe zum Pfad empfinden wir und können nicht mehr davon abgebracht werden.

Das anhaltende Hinwenden zum Meditationsobjekt müssen wir so lange üben, bis der Atem entweder nicht mehr zu finden ist oder aber so fein wird, dass wir ihn kaum noch spüren. Das ist dann ein ganz deutliches Zeichen dafür, dass die Konzentration stark genug geworden ist, um nach innen zu gehen. In diesem Moment geschieht es häufig, dass das entzückende Empfinden der ersten meditativen Vertiefung spontan hochkommt. Möglicherweise haben wir uns aber auch schon so lange mit dem Atem abgegeben, dass wir dies immer weiterführen wollen, obwohl es gar nicht mehr nötig wäre in dem Moment. Stattdessen können wir dann absichtlich nach innen gehen und dort die Empfindungen wahrnehmen. Dieses In-sich-hinein-Gehen könnten wir damit vergleichen, dass wir uns in die Mitte unseres Körpers begeben.

Das Empfinden, das dabei hochkommt, hat viele verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten sowie Stärken: Es kann schwach, mittelmäßig oder stark sein; es kann überwältigend oder ansatzmäßig sein, wie ausgeprägt auch immer die Konzentration ist. Am häufigsten kommen die folgenden Wahrnehmungen vor: Leichtigkeit des Körpers, die Körpergrenzen lösen sich auf, innere Wärme, die sich ausbreitet, ein Kribbeln, Rieseln, ein Gefühl, als ob wir uns erheben. Manchmal fühlt es sich so an, als ob uns die Körperhaare zu Berge stehen. Auf jeden Fall ist die Empfindung entzückend, denn sonst handelt es sich um etwas anderes und ist somit kein geeignetes Meditationsobjekt. Im Allgemeinen müssen wir zu diesem Erleben keine Fragen stellen, denn wir spüren selbst, ob es entzückend ist.

Die entzückende Empfindung wird in dieser Lehrrede mit Verzückung bezeichnet. Das Wort „Verzückung“ ist zwar eine korrekte Übersetzung, aber dennoch nicht ganz bezeichnend, weil Verzückung eher ein emotionales Gefühl ist, wir jedoch in dem Moment noch mit dem körperlichen Empfinden beschäftigt sind. Wir richten die Achtsamkeit einzig und allein auf diese körperliche Empfindung. Sollten wir die entzückende Empfindung nur an einer kleinen Stelle spüren, was manchmal vorkommen kann, so müssen wir uns damit beschäftigen, die Empfindung langsam, sanft und liebevoll Schritt für Schritt über uns auszubreiten, sodass sie sich dann eines Tages über den ganzen Körper verbreitet und zu spüren ist.

Diesen ersten Schritt nenne ich „über die Schwelle treten“. Dabei lassen wir jegliche Methode los und erfahren ein erstes Erleben des inneren Seins. Dieses Erleben des inneren Seins muss natürlich weiterhin geübt werden, ehe es weitergeht und sich in den weiteren meditativen Vertiefungen fortpflanzt. Dies ist sozusagen die Eintrittshalle. Beim ersten Mal sagt der Geist vielleicht: „Was war denn das? Das ist aber nett, das möchte ich wiederhaben.“ Damit ist das Erleben beendet, und wir müssen von vorne beginnen. Das heißt, dass jeder Gedanke die meditative Vertiefung beendet. Jedoch ist die erste meditative Vertiefung noch nicht so tief, dass wir keinen Gedanken mehr haben könnten, aber wir sollten diese so schnell wie möglich loslassen und immer wieder zu der Empfindung zurückkehren.

Wenn wir dies öfter geübt haben und auch schon weiter als bis zur ersten meditativen Vertiefung gekommen sind, dann können wir das ohne Weiteres immer wieder erleben. Sobald der Geist abschweift, können wir sofort zu der entzückenden Empfindung zurückkehren. Sollte uns dies nicht gelingen, dann beginnen wir von Neuem mit dem Atem. Vielleicht fällt es uns auch leichter, mit der Liebenden-Güte-Meditation dorthin zu kommen. Welchen Weg wir wählen, ist unwichtig, denn es sind alles nur Methoden, was der Buddha wohl als Einziger so benannt hat.

Jede Methode bezweckt entweder Ruhe oder Einsicht, weiter nichts. In der ersten meditativen Vertiefung erleben wir den Anfang der Ruhe. Die Methode ist sozusagen der Schlüssel, den wir in das Schlüsselloch stecken, um die Tür aufzuschließen und über die Schwelle zu treten. Dann finden wir in uns etwas, von dem wir – wenn wir es noch nie gemacht haben – gar nicht wussten, dass es in uns existiert. Weshalb weiß die Menschheit im Ganzen nicht, dass das existiert? Das ist ein interessantes Phänomen und je mehr Bücher ich über religiöse Pfade lese, desto mehr wird mir bewusst, dass dieser Weg verschüttet worden ist. Dabei lese ich nicht nur buddhistische Bücher, sondern auch die von anderen Religionen. Dieser Weg ist in allen Religionen vorhanden und ist fast überall verloren gegangen. Ich vermute, dass der Grund dafür darin liegt, dass es den Menschen zu mühsam vorkam. Manche Menschen kommen sehr schnell in die meditativen Vertiefungen. Sehr oft erinnern sich diejenigen, die das sehr schnell können, an Kindheitserlebnisse, wo sie das erlebt haben, ohne natürlich zu wissen, was das war. Dann haben sie es jedoch wieder verloren, weil die Welt auf sie einstürmte.

Dies ist der Pfad des Geistes, und Meditation ist die Wissenschaft des Geistes mit ihrer eigenen Terminologie. Wir alle können die Anweisungen nachvollziehen, wenn wir gewillt sind, uns der Sache hinzugeben, wie wir das bei jeder anderen Wissenschaft auch tun. Die Meditation ist erklärbar, wiederholbar, und jeder menschliche Geist, der fähig ist, sich zu konzentrieren, kann diesen Weg gehen. Dazu gehört auf der gemütsbetonten Ebene, also auf der zweiten, dass viele Menschen unterschwellig einen Weg suchen, der sie heraushebt aus dem, was ich immer die Marktplatzmentalität nenne. Dort stürmt die Dualität auf uns ein, und wir geraten immer wieder in Versuchung, in dieser Dualität uns selbst, das Ich, zu finden. Denn das ist natürlich in der Dualität, in dieser Relativität, in der wir leben, vorhanden. Suchende Menschen gibt es heutzutage mehr als noch in der jüngeren Vergangenheit.

Die meditative Vertiefung ist der Weg des menschlichen Geistes, und er wurde von vielen christlichen Mystikern im Mittelalter praktiziert, die jedoch andere Worte als der Buddha dafür verwendet haben, aber es handelt sich um genau dasselbe. Interessanterweise erleben es auch Menschen zufällig, aber dann wissen sie natürlich nicht, was das war. Sie suchen einen Zugang dazu, weil dieser ihnen nicht bewusst war, denn es ist ja zufällig gekommen. Wir müssen nicht auf einen Zufall warten, denn es ist keine Glückssache, sondern es ist die Fähigkeit zur Konzentration, weiter nichts. Es beginnt damit, dass wir unsere Achtsamkeit auf den Atem oder auf liebende Güte lenken und dann weitermachen.

Dem Erleben dieses Entzückens müssen auf der praktischen Ebene drei Dinge folgen, was für alle meditativen Vertiefungen und sogar für jegliche Meditation gilt. Noch bevor die Zeit der Meditation abgelaufen ist oder aber sobald wir die Konzentration verloren haben, rekapitulieren wir, wie wir dahin gekommen sind, bevor wir nach der Meditation die Augen öffnen. Diesen Punkt untersuchen wir besonders dann, wenn wir denken, dass die Meditation besser war als sonst. Dazu können wir uns folgende Fragen stellen: Haben wir vor oder während der Meditation irgendetwas anders gemacht als sonst? Haben wir länger Liebende-Güte-Meditation für uns selbst gemacht? Waren wir vor der Meditation achtsamer als sonst? Haben wir bei der Meditation anders gesessen? Oder haben wir etwas anderes gegessen? Wir erinnern uns so gut wie möglich an jedes Hilfsmittel, das der Meditation vorangegangen ist, sodass sie keine Glückssache ist, sondern ein bewusster Weg dorthin, den wir immer wieder einschlagen können. Eines Tages ist der Weg so klar, dass wir das Rekapitulieren nicht mehr benötigen. Aber zu Beginn ist es sehr hilfreich, besonders wenn es uns noch schwerfällt, die meditative Vertiefung zu erleben.

Als Zweites stellen wir fest: Auch das ist vergänglich. Haben wir dieses Entzücken erlebt, so ist es unumgänglich nötig zu sehen, wie auch das auseinanderfällt. Meistens freuen wir uns darüber, dass unsere Knieschmerzen oder die Rückenschmerzen oder der Ärger vergänglich sind. Dass jedoch das Angenehme genauso vergänglich ist, müssen wir uns erst vor Augen halten und nicht einfach oberflächlich sagen: „Ich weiß schon, auch das ist vergänglich; ich kann es ja wieder machen.“ Darum geht es nicht. Wir können zwar etwas Ähnliches wiederholen, aber nie wieder dasselbe. Was wir zu der Zeit der konzentrierten Meditation erlebt haben, wie kurz oder lang es immer gewesen sein mag, ist zu Ende. Das sollten wir in einer solchen Tiefe erkennen, dass uns die Vergänglichkeit in Fleisch und Blut übergeht und sie überhaupt keine Frage mehr darstellt. Dann wissen und erleben wir auf einer tiefen Ebene, dass alles, was wir berühren oder womit wir uns beschäftigen oder was überhaupt existiert, immerzu vergeht. Alles fließt. Hier bei den meditativen Vertiefungen ist es wichtig zu erkennen, wie auch diese wegfließen.

Als Drittes fragen wir uns: Was lernen wir aus diesem Erlebnis? Der Geist ist geneigt zu sagen: „Das war schön! Das ist ja besser, als den Atem zu beachten. Das werde ich gleich wieder machen.“ Das ist jedoch kein Lernschritt, sondern Begierde, die wir als solches erkennen sollten. Wenn wir uns nämlich auf irgendeiner Ebene auf Begierde einlassen, auch wenn wir glauben, sie sei noch so spirituell, so bleibt es immer noch Begierde, die neue Begierden ermöglicht und hervorruft. Hier werden immer wieder Fehler gemacht, vor allen Dingen wenn wir glauben, dass spirituelle Begierden berechtigt seien und nicht schaden. Aber Begierde ist Begierde, egal, ob sie spirituell oder weltlich ist.

Bei dem dritten Schritt handelt es sich um die Einsichtsebene, die von größter Wichtigkeit ist. Der Einsichtsschritt geschieht im Prinzip automatisch, denn ein Geist, der öfter die meditative Vertiefung erlebt, will wissen, was das bedeutet, und will erkennen. Ein Geist, der sich schon konzentrieren kann, hat bereits Einspitzigkeit in sich gefördert, und ein einspitziger Geist kann etwas durchdringen. Das ist wie bei einem Werkzeug, dessen Spitze wir schärfen, damit es besser funktionieren kann.

Zunächst erkennen wir durch die Konzentration, dass wir ein ganz anderes Körpergefühl in uns tragen als das Körpergefühl, das wir sonst spüren. Das neue Körpergefühl ist vollkommen unabhängig von Krankheit oder Schmerzen, es hängt lediglich von der Konzentration des Geistes ab. Dieses entzückende Gefühl, das wir in uns tragen, zeigt uns auch, dass wir schon bei der ersten meditativen Vertiefung eine neue Ebene berühren, die ganz anders ist als die weltliche Ebene, bei der wir unseren Körper im Allgemeinen mit seiner Schwere, mit seinen Schwierigkeiten, mit seinen Fähigkeiten und auch mit seinen Unfähigkeiten erleben. In der ersten meditativen Vertiefung erleben wir bereits ein anderes Bewusstsein und damit auch einen anderen Körper, der zwar genauso aussieht wie immer, aber das Körpergefühl hat sich stark verändert. Das ist ein eindringlicher Beweis dafür, dass das Bewusstsein alles ist, worauf es ankommt. Dieses Erleben überträgt sich dann auf den Körper, sodass sich dieser ganz anders anfühlt.

In der ersten meditativen Vertiefung kann sich das äußerst entzückende Gefühl auch als Ausdehnung bemerkbar machen, das heißt, dass die Körperbegrenzung nicht mehr deutlich zu spüren ist. In diesem Fall gibt es keinen Bereich mehr, von dem wir sagen könnten: „Das bin ich“, sondern wir spüren eine gewisse Auflösung. Dieses Gefühl unterscheidet sich stark von unserem alltäglichen Körpergefühl. Dabei entsteht dann die Einsicht, dass wir etwas in uns tragen, das unabhängig von jedem Berührungskontakt ist und einzig und allein von unserer Konzentration abhängt. Im Allgemeinen sind angenehme Körpergefühle abhängig von angenehmen Berührungskontakten. Diese Unabhängigkeit von Berührungskontakten ist auch ein erster Schritt in die Freiheit von der Abhängigkeit von äußeren Dingen. In dem Fall der meditativen Vertiefung sind wir nur abhängig von unserer eigenen Konzentration, und je mehr wir sie üben, desto leichter fällt sie uns mit der Zeit.

Das Wissen, dass wir nur auf uns selbst angewiesen sind, gibt uns auch schon ein Gefühl dafür, dass wir uns auf dem Weg in die Freiheit befinden. Der Buddha hat versprochen, dass wir zur vollen Freiheit von allem Leid, zur vollen Freiheit von jeglicher Abhängigkeit, zur vollen Freiheit von allen Wünschen, zur vollen Freiheit von allem, was uns bedrückt, gelangen, wenn wir diesen Weg bis zu Ende gehen. Daraus können wir schließen, dass schon die Einsichten aus der ersten meditativen Vertiefung bedeutsam sind. Deshalb sollten wir niemals die Meditation beenden, ohne uns über diese Einsichten klar zu werden. Aber es ist nicht sinnvoll, sie nur im Geist zu wiederholen, sondern wir müssen sie wirklich erleben. Wir müssen den Geschmack der Mango selbst kennen lernen, damit wir spüren, wie sie schmeckt.

An dieser Stelle können wir noch einmal auf die Bedürfnisebene des Gemüts zurückkommen, die ich bereits angesprochen habe, dass wir nämlich eine Sehnsucht in uns tragen. Jeder Meditierende trägt eine Sehnsucht in sich nach etwas Höherem, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, ob erkannt oder nicht. Häufig wird sie die Sehnsucht nach der Gottesbegegnung genannt, aber das sind nur Worte. Diese Sehnsucht soll uns aus der Marktplatzebene herausheben auf eine Ebene, in der wir nicht nur sehr angenehme Empfindungen haben, sondern auch uns selbst ganz anders spüren. Diese Sehnsucht wird durch die meditativen Vertiefungen gestillt. Wir empfinden uns selbst als ganz anders als sonst im Alltag. Dieses Anderssein beantwortet die Sehnsucht nach dem Höheren. Auch wenn in der ersten meditativen Vertiefung die höheren Ideale noch nicht angesprochen werden, so ist es dennoch der Auftakt zu dem Wissen, dass es in uns vorhanden ist. Dadurch entsteht die Glückseligkeit, eine Begleiterscheinung der ersten meditativen Vertiefung. Die Verzückung oder das Entzücken heißt auf Pāli pīti und die Glückseligkeit sukha. Wir haben vier notwendige Schritte, um dahin zu gelangen: das anfängliche Hinwenden, das fortwährende oder anhaltende Hinwenden des Geistes, dann kommt das Entzücken, das von der Glückseligkeit begleitet wird.

In der ersten meditativen Vertiefung ist das entzückende Empfinden unser Meditationsobjekt und die Glückseligkeit eine emotionale Begleiterscheinung, die erst in der zweiten meditativen Vertiefung angesprochen wird. Aber sie ist in der ersten meditativen Vertiefung bereits deutlich spürbar. Daher wissen wir, dass das Entzücken keine reine Körperlichkeit ist, denn angenehme körperliche Empfindungen sind vollkommen vergänglich, wohingegen die entzückende Empfindung zusammen mit der Glückseligkeit so lange bleibt, wie wir uns konzentrieren können. Können wir uns gut konzentrieren, dann können wir beispielsweise zwei Stunden da verbleiben. Können wir uns weniger gut konzentrieren, dann bleiben wir etwa zwei Minuten dabei. Um den Weg der Meditation zu gehen, ist es jedoch nicht nötig, zwei Stunden in der ersten meditativen Vertiefung zu bleiben. Aber wenn wir die Konzentration gelernt und gefestigt haben, so haben wir die Sicherheit, dass hier etwas anderes als in der Welt geschieht und wir auf dem Weg sind, unseren Geist anderen Bewusstseinsebenen zuzuwenden. Die Glückseligkeit, die da hochkommt und die wir dann in der zweiten meditativen Vertiefung als Meditationsobjekt verwenden, ist ein anderes Gefühl als die Freude oder das Vergnügen, das wir in der Welt erleben.

Dazu ist auch noch zu sagen, dass die ersten vier meditativen Vertiefungen die feinkörperlichen Vertiefungen heißen, weil sie auf einer feineren Ebene das wiederholen, was wir im Alltag kennen: Wir kennen entzückende Empfindungen und ebenso das Gefühl des Glücklichseins. Hier wird aber eine ganz andere Ebene als die alltägliche angesprochen und auch die Unabhängigkeit. Diese beiden Punkte sind die Hauptsache.

Die Glückseligkeit wird oft damit verglichen, eine innere Süße zu empfinden, was sich natürlich ganz reizend anfühlt. In der zweiten meditativen Vertiefung gibt es auch noch eine andere Verbindung, nämlich ein Gefühl der weit ausgedehnten Liebe, die sich jedoch nicht auf eine Person bezieht. Genau das wird in der Liebenden-Güte-Meditation angesprochen. Es fühlt sich so an, als ob wir die Welt mit ihren Menschen und allen Wesen tatsächlich umarmen könnten. Wenn uns das in der Meditation durch starke Konzentration möglich ist, dann ist es natürlich ein ganz wichtiges Erleben.

Um von der ersten meditativen Vertiefung in die zweite zu gelangen, müssen wir das entzückende Empfinden in den Hintergrund der Achtsamkeit ziehen lassen und die Glückseligkeit, die zu der Zeit spürbar ist, in den Vordergrund bringen. Manchmal erleben wir sie stärker, manchmal schwächer, was einzig und allein von unserer Konzentration abhängt. Das Gefühl der Liebe in der zweiten meditativen Vertiefung, das dabei entstehen kann aber nicht muss, kann sich auf verschiedene Weisen ausdrücken: Wir können dieses Gefühl als Süße spüren, als sprudelnde Freude, als sehr ruhige Freude, als ein inneres Sich-der-Freude-Hingeben oder auch als allumfassende Liebe.

Bei dem allumfassenden Liebesgefühl ist die eindringliche Einsicht möglich, dass es uns tatsächlich gelingen kann, unpersönlich und bedingungslos zu lieben. Unpersönliche Liebe ist eine Herzensqualität, es muss nicht jemand vorhanden sein, der liebenswert ist. Das Ausdehnen des Liebesgefühls ist ein äußerst wichtiger Moment, denn dadurch erlernen wir, dass ein liebendes Herz unbegrenzt lieben kann. Diese Grenzenlosigkeit spricht natürlich unser Gemüt stark an. Diesen Eindruck verlieren wir auch nicht mehr.

Selbstverständlich ist es ganz klar, dass diese Zustände in der Meditation, die ich zu beschreiben versuche, in einer gewissen Stärke vorhanden sind, aber sie müssen einen Niederschlag im täglichen Leben haben. Das geschieht bei der zweiten meditativen Vertiefung sogar automatisch. Daher wissen wir, dass diese Meditation uns und auch anderen zum Heil gereicht. Dieser Punkt wird häufig vergessen oder falsch verstanden. Entweder wird geglaubt, dass die eigene Methode besser sei als eine andere oder dass wir auf dem Kissen sitzen und vollkommen selbstsüchtig nur für uns meditieren. Äußerlich sitzt natürlich jeder auf seinem eigenen Kissen und meditiert für sich. Nur so können wir die Meditation auch erlernen, aber der Niederschlag, der daraus erwächst, ist weltbedeutend. Doch das wird immer wieder vergessen oder falsch verstanden. Ein Mensch, der in der zweiten meditativen Vertiefung eine allumfassende, unbegrenzte Liebe erlebt, wird das nicht vergessen können. Er wird sich bemühen, das auch immer wieder bei jeder Gelegenheit im täglichen Leben hochzubringen. Davon profitiert natürlich jeder, der mit diesem Menschen in Berührung kommt.

Bei dem Erleben der meditativen Vertiefungen ist noch ein weiterer Punkt von großer Bedeutung, der das universelle Bewusstsein betrifft. Wenn wir zum Beispiel Ärger, Ablehnung, Zorn, Neid, Eifersucht, Furcht und so weiter in uns fühlen, so fließt und strahlt das sozusagen aus uns heraus in das universelle Bewusstsein. Wenn Liebe aus uns herausströmt, so wird das universelle Bewusstsein mit mehr Liebe gefüllt ist und die Menschen um uns herum spüren eine Wärme oder fühlen sich vielleicht etwas besser, nachdem sie mit uns zusammen waren. Das bedeutet, dass es unmöglich ist, nur für sich alleine zu meditieren, was trotzdem sehr oft erwähnt wird. Jeder, der schon die beiden ersten meditativen Vertiefungen erlebt hat, kann diesen Niederschlag auch selbst bestätigen.

Auch die innere Freude der zweiten meditativen Vertiefung, die vielleicht nicht dieses Liebesgefühl in sich trägt, bleibt natürlich unvergesslich. Wer täglich meditiert, erlebt es ja jeden Tag wieder. Wenn ein Mensch die innere Glückseligkeit in der Meditation erlebt hat, dann wird er bestimmt nicht so sehr negativ wie Menschen, die das noch nicht erlebt haben. Wir könnten sogar annehmen, dass solch ein Mensch die Negativitäten in sich schon zu einem großen Teil vermindert hat, obwohl es dafür natürlich keinen genauen Maßstab gibt. Wenn wir uns jedoch jeden Tag frühmorgens vor den Alltagsaktivitäten in die Glückseligkeit der zweiten meditativen Vertiefung begeben, so wird der Tag damit durchdrungen, weil unser Bewusstsein damit angefüllt ist. Es fällt uns alles viel leichter, und die Umwelt profitiert davon.

Auch das entzückende Empfinden aus der ersten meditativen Vertiefung ist bereits ein solches Erlebnis mit einem Niederschlag im täglichen Leben, weil es ja auch mit Glückseligkeit verbunden ist. Es betrifft nicht nur die körperliche Ebene, obwohl es das Körpergefühl vollkommen verändert, denn es schließt die Glückseligkeit mit ein. Das entzückende Empfinden erleichtert uns das tägliche Leben enorm, besonders die unangenehmen Konfrontationen, auf die wir dann weniger negativ reagieren. Wir fühlen uns nicht nur beschützt von der eigenen Fähigkeit der Konzentration, sondern wir wissen auch, dass wir zwar im Alltag Verantwortung tragen und Verpflichtungen haben, dass aber in uns noch etwas anderes existiert. Dieses Wissen darum lässt die Dinge des Alltags nicht mehr ganz so wichtig erscheinen, denn sie haben sich auf eine andere Ebene verlagert. Sie kommen zwar immer wieder vor, woran überhaupt nicht zu rütteln ist, auch müssen sie immer wieder bearbeitet werden, aber sie liegen auf einer anderen Ebene. Sie befinden sich nämlich auf der Ebene des Marktplatzes, an der wir uns nicht beteiligen müssen. Die Marktplatzebene bedeutet, dass wir nur das Angenehme haben und das Unangenehme so schnell wie möglich loswerden wollen. Auf dieser Ebene herrschen ewige Unruhe und die Angst, ob wir das Gewünschte auch bekommen und dann behalten können. Dort kann kein Glück entstehen, weil wir unterschwellig wissen, dass wir nichts behalten können.

Der Durchbruch zur ersten meditativen Vertiefung bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten, weil der Geist noch nicht ganz genau weiß, wohin er soll. Wer jedoch die erste meditative Vertiefung erlebt hat, kann ohne Weiteres weitergehen zur zweiten und dritten, und kann mit der Einsicht am Ende, dass diese meditative Vertiefung flüchtig und vergänglich ist, die Bedeutungslosigkeit der Marktplatzebene durchschauen. Auch wenn wir gewinnen oder gelobt werden oder Ruhm erlangen, so fragen wir uns, wie lange das andauert und wie viel innere Sicherheit und inneren Frieden es uns bereitet. Es ist anzunehmen, dass wir unseren inneren Frieden verlieren, wenn wir berühmt werden. Wir kennen den weltlichen Weg ganz genau, denn wir haben ihn alle schon ausprobiert. Natürlich engagieren wir uns in unserem Alltag, denn sonst gibt es keine Achtsamkeit. Hier wird immer wieder derselbe Fehler gemacht, den ich schon öfter angesprochen habe. Wir meinen nämlich, dass, weil es in den meditativen Vertiefungen so schön ist, alles andere nichts mehr bedeutet, aber das ist Unsinn. Sobald wir denken, dass irgendetwas nichts wert sei, sind wir negativ.

Es gibt verschiedene Ebenen des Lebens: Auf der weltlichen Ebene engagieren wir uns, und wir sollten dort genauso achtsam sein wie bei der Meditation. Wir sollten uns da genauso hingeben und genauso lieben wie in der Meditation. Auf der anderen Ebene verlagern wir unser Bewusstsein, sodass uns die erste Ebene nicht mehr ganz so wichtig erscheint und wir daher nicht mehr so negativ darauf reagieren, wenn etwas nicht so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben. Wir alle haben Vorstellungen und Ideen davon, wie die Dinge sein sollten, und diese sind interessanterweise höchst individuell. Es ist sehr schwer, jemanden zu finden, der genau dieselben Vorstellungen hat wie wir selbst. Wenn jemand ähnliche Vorstellungen hat wie wir selbst, dann ist dieser Mensch unser Freund. Hat er aber andere Vorstellungen, dann ist er vielleicht nicht unser Feind, aber jedenfalls uninteressant. Vielleicht betrachten wir diesen Menschen sogar als dumm, weil er andere Vorstellungen hat. Aber so zu denken, wäre dumm, nicht wahr? Wir alle haben individuelle Vorstellungen davon, wie die Dinge sein sollten. Das Interessante daran ist jedoch, dass es sich meistens anders verhält. Wir haben uns das alles selbst ausgedacht, und wir haben in Gedanken viele Bände eines Märchenbuches geschrieben, die nicht die Möglichkeit zur Verwirklichung haben. Je länger wir uns damit abgeben, desto mehr verlieren wir natürlich den Zugang zur Wirklichkeit.

Durch das Verlagern der Bewusstseinsebene kennen wir also bis hierher zwei Ebenen: die Ebene des Alltags, der Welt und des Marktplatzes, die wir schon immer gekannt haben, aber nun sozusagen aus der Vogelperspektive kennen lernen. Ohne überheblich zu sein, können wir auf die Alltagsebene herunterschauen und sagen: „Ach ja, so läuft das ja immer ab“, und: „Ich will mein Bestes geben“, und: „Das ist nicht alles, was es gibt, sondern es gibt auch noch etwas anderes.“ Sehr häufig sagt der Geist dann auch noch: „Ich habe es ja immer geahnt, dass es noch etwas anderes gibt.“ Möglicherweise meint er sogar: „Ich habe es ja immer gewusst und nicht nur geahnt.“

Auf jeden Fall sind die meditativen Vertiefungen unsere Fähigkeit und Möglichkeit, einmal zu erkennen, welch enormes Potenzial uns Menschen innewohnt. Wir müssen uns nicht ständig mit weltlichen Dingen abgeben, sondern können diese aus einer anderen Sicht betrachten, bei der diese Dinge einfach notwendig sind, um am Leben zu bleiben. Dann geben wir uns genauso hin wie immer, aber der Alltag läuft einfach ab und verändert sich ständig. Mit diesem uns innewohnenden Potenzial macht unser Bewusstsein sozusagen einen Sprung und verändert sich vollkommen. Dieser Sprung ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen, aber es findet eine wirkliche Veränderung statt. Wenn wir die meditativen Vertiefungen oft wiederholen, werden sie selbstverständlich, und wir sind vielleicht auch gar nicht mehr dankbar dafür. Deshalb ist es gut, sich immer wieder daran zu erinnern, für das Erleben der meditativen Vertiefungen dankbar zu sein. Mein Lehrer, der Ehrwürdige Ñāṇarāma Mahāthera, hat immer gesagt, dass die meditativen Vertiefungen eine verloren gegangene Kunst seien. Deshalb hat er mich gebeten, sie wiederzuerwecken und den Menschen im Westen beizubringen. Das Interessante daran ist, dass sehr viele Menschen, die zu meinen Kursen kommen, sie auch können, was für mich höchst erstaunlich ist. Ich habe nämlich gedacht, dass dies nur wenige Menschen könnten, aber das ist gar nicht der Fall. Der menschliche Geist will und kann dahin. Und jeder Mensch, der die meditativen Vertiefungen kann und immer wieder übt, verändert sich.

Die Tür, von der ich immer spreche, in deren Schlüsselloch wir den Schlüssel stecken müssen, ist verschüttet von unseren Wünschen und Hoffnungen in der Welt, von unseren Anhaftungen, von unseren Begierden, von unseren Reaktionen und von unseren Ablehnungen. Deshalb ist es die verloren gegangene Kunst. Von all diesen Begierden und Ablehnungen wird die Tür verdeckt, und dennoch haben wir eine Ahnung, dass da doch noch irgendetwas sein muss, was wir schon einmal irgendwie gefühlt haben. Das Wegräumen des Unrates, was natürlich immer wieder geschehen muss, damit wir in die meditative Vertiefung kommen können, ist dann eines Tages so weit gediehen, dass entweder nur noch wenig Unrat vorhanden ist oder wir ihn überhaupt nicht mehr anhäufen, weil wir ja immer wieder in die meditativen Vertiefungen gehen. Jeder Mensch, der regelmäßig die meditativen Vertiefungen erlebt, verändert sich innerlich vollkommen und wird ein ganz anderer Mensch.

Deshalb heißt es auch in der Lehrrede: „abgeschieden von Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen.“ Wenn wir uns Sinnesvergnügen hingeben, schwächen wir den Geist. Gerade wenn wir die Meditation erlernen, sie verbessern und festigen wollen, sollten wir vorsichtig mit den Sinnesvergnügen umgehen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere schöpferische Kraft nicht verwenden, im Gegenteil, denn auch die meditativen Vertiefungen benötigen schöpferische Kraft. Ich habe schon oft festgestellt, dass Menschen, die schöpferisch tätig sind, leichter hineinkommen, wobei das Schöpferische nichts Bestimmtes sein muss. Es kann geistig sein, auf dem Gebiet der Worte, auf dem Gebiet der Bilder oder auch in anderen Bereichen. Diese Menschen haben sehr häufig einen einfacheren Zugang. Auch Menschen, die sich bei ihrer Arbeit sehr konzentrieren müssen, tun sich sehr häufig leichter damit, in die meditativen Vertiefungen zu kommen. Interessanterweise habe ich festgestellt, was wir vielleicht nicht erwartet hätten, dass Computerprogrammierer sehr häufig leicht hineinkommen, denn sie müssen sich sehr konzentrieren bei ihrer Tätigkeit. Hier kann die Technik sogar eine Hilfe darstellen.

Die Kunst des Loslassens

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