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Viertes Kapitel

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»Thomas King, Kunstschlosser,« las man oberhalb der Thür eines aus Balken und Brettern fest errichteten einstöckigen, verwitterten Hauses auf einem Schilde mäßigen Umfanges. Das Haus lag am äußersten Ende der Stadt St. Charles. Mit dem Rücken lehnte es sich gewissermaßen über einen Gemüsegarten hinweg an einen Hain großer Waldbäume, die trotz der Nähe der Stadt bisher von der lichtenden Axt verschont geblieben waren. Von der Vorderseite betrug die Entfernung bis zum Rande des Missouriufers kaum dreißig Schritte. Auch hier war ein Schild mit der bedeutsamen Inschrift angebracht worden. Heute erstreckt sich St. Charles längst über jene bescheidene Heimstätte hinaus. Damals hörte man vom frühen Morgen bis zum späten Abend aus der rechtsseitigen Hälfte des Hauses mit kurzen Unterbrechungen das Pinken und Klopfen meist leichter Hämmer auf Hof und Gemüsegarten herausschallen, oder das Knirschen und Kreischen, womit scharfe Feilen das bildsame Eisen benagten.

Anfangs, also sechzehn, siebzehn Jahre früher, hatte der Hausbesitzer oft schwer um Arbeit zu kämpfen gehabt. Seine Kundschaft wuchs indessen in demselben Grade, in dem die Leute zu der Erkenntnis gelangten, daß ein nur mit einem bestimmten Schlüssel zu öffnendes Schloß allen vorzuziehen sei, die, aus Fabriken hervorgegangen, es namentlich in den Farmlandschaften einem marodierenden Landstreicher ermöglichten, mit einem und demselben Schlüssel sich überall in jedes Haus, in jede Hütte Zutritt zu verschaffen. Dann verringerte sich die Kundschaft wieder durch eigenes bedachtsames Dazuthun. Das Pinken, Hämmern, Feilen und Schnurren einer neu beschafften Drehbank nahm indessen seinen ungestörten Fortgang. Die an sich schon geräumige Werkstatt erfuhr sogar noch eine Erweiterung durch Anlage eines fensterlosen Nebenraumes, in dem der Meister, gleichviel ob am Tage oder zu nächtlichen Stunde, bei Lampenlicht diese oder Arbeit fortsetzte oder vervollständigte.

Zu diesem stets verschlossen gehaltenen Raume hatte außer ihm kein anderer Zutritt. So ruhte etwas Geheimnisvolles auf dem Treiben des stillen Mannes. Dieser Eindruck wurde dadurch erhöht, daß hin und wieder einzelne Herren ihn besuchten, mit denen er sich zuweilen auf Stunden einschloß, ferner, daß kaum noch Kunden vorsprachen und dessenungeachtet niemals Not bei ihm einkehrte. Was er hämmerte, was er drehte, feilte und pinkte, ahnten nicht einmal seine Hausgenossen, die sich übrigens auch nicht viel um seine Thätigkeit kümmerten.

Für einträglich hielten sie dieselbe allerdings, denn ihren scharfen Ohren entging nicht, daß bei Gelegenheit der rätselhaften Besuche Geldstücke in erheblicher Menge klirrend aufgezählt wurden, und das genügte ihnen. In den Verdacht der Falschmünzerei geriet er bei ihnen nicht; dazu kannten sie ihren Hausherrn zu genau. Und daran, daß er, außer einem Lehrling, dessen Verschwiegenheit über alle Zweifel erhaben, keinen Gehilfen um sich duldete, hatten sie sich im Laufe der Jahre gewöhnt. Denn sein einziger Gehilfe war und blieb jener Lehrling, ein großer weißer Spitzköter, den er abgerichtet hatte, innerhalb eines leicht beweglichen Rades einherzuschreiten und dadurch zeitweise den Blasebalg in Bewegung zu erhalten.

Thomas King selber war ein ursprünglich hoch und schlank gewachsener Mann von etwa achtundfünfzig Jahren, mit weißem Haupthaar und Bart. Sein tief gerunzeltes hageres Gesicht zeigte nur den einzigen Ausdruck ernsten, sogar schwermütigen Sinnens. Auch seine Augen blickten, als ob Jugendfrohsinn und Lebenslust ihnen unbekannte Dinge geblieben wären. Weitere Merkmale einer getrübten Stimmung verheimlichte der starke Vollbart.

Er hatte eben vor dem mit Instrumenten bedeckten Werktisch sein Frühstück beendigt, als vor dem nach dem Hausflur sich öffnenden Fensterchen ein verwittertes altes Gesicht auftauchte und ihn mit einer gewissen prüfenden Teilnahme betrachtete. Ueberragt wurde es von emporstrebendem kurzem graulockigen Haar. Die kleine runde, fleischige Nase bildete gewissermaßen den Grenzstein zwischen zwei gutmütig schauenden Augen und den Lippen eines erträglich großen Mundes, die einer üppig dampfenden Thonpfeife zum Halt dienten. Zu diesem wunderlichen Haupte gehörte eine nicht minder wunderliche Frauengestalt. Wie das Gesicht schien auch sie ursprünglich für einen Mann bestimmt gewesen zu sein, so hoch und breitschulterig war sie gebaut, so aufrecht und zuversichtlich war ihre Haltung.

Zufrieden mit dem Erfolg ihres Spähens, legte die seltsame Erscheinung die brennende Pfeife auf eine Stelle des Fensterbrettchens, die durch vieljährige Benutzung bereits braun angesengt war, und nach einem flüchtig ordnenden Griff mit den gespreizten Fingern durch das Scheitelhaar trat sie in die Werkstatt ein. King sah auf.

»Was bringen Sie, meine liebe Frau Hickup?« fragte er träumerisch und daher ausdruckslos.

»Nichts Schlechtes, Mr. King,« antwortete Frau Hickup in dienstlichem Meldeton, »seit beinahe acht Jahren führe ich Ihnen die Wirtschaft, und wenn bis jetzt nicht alles auseinanderfiel, so haben Sie das nur meiner stets hochgehaltenen militärischen Ordnung zu verdanken, wie mein seliger Knockhimdown sie mir als Hauptlebenszweck einprägte.«

»Gewiß erkenne ich Ihre große Ordnungsliebe und treue Fürsorge dankbar an,« versetzte King wohlwollend auf die unzähligemal gehörte Einleitung, deren Endergebnis er vorhersah, »und daß ich Sie um keinen Preis verlieren möchte, brauch' ich wohl nicht zu beteuern.«

»Nein, Mr. King, sicher nicht. Aber auch ich darf behaupten, lieber einem Goldschmied mit den vornehmen Manieren eines Colonels zu dienen, als einem Gouverneur mit dem Anstande eines Niggers. Das waren die Grundsätze meines seligen Korporals, und die sind in mein Fleisch und Blut übergegangen. Also militärische Pünktlichkeit: Heut ist der Erste, mithin Traktamentstag.«

»Schon wieder. Wie die Zeit hingeht, und das Geld mit ihr! Ich werde alt, und an Sparen ist nicht mehr zu denken.«

»Was wollen Sie noch sparen? Geht's mit der Arbeit nicht mehr, so verkaufen Sie die vier Morgen Land hier herum. Die sind jetzt dreißigmal so viel wert, wie vor fünfzehn Jahren, und von dem Erlös können Sie behaglich leben, wie ein Major auf Halbsold. Hätte der Bob, der Taugenichts, nur nicht so viel verthan –«

»Nicht weiter, Frau Hickup, ich bitte darum. Mir fällt am wenigsten zur Last, wenn er mißriet. Am liebsten ist mir, wenn ich gar nicht mehr an ihn erinnert werde.«

»Und doch war er ein prächtiger Junge, ein geborener Flügelmann,« erklärte Frau Hickup mit großer Wärme, »nur Subordination und Disziplin fehlten ihm, die ersten Tugenden eines gebildeten Mannes. Und was für ein Paar wäre es geworden, hätte der Schlingel das Kind, meine Independence, geheiratet.«

»Ein sehr schönes Paar,« bestätigte King gefällig.

»Nun, vielleicht kehrt er zurück, und gebessert obenein. Das Kind ist ja noch da, und nebenbei hängt es heut noch mit rechter Liebe an ihm.«

»Nein, nimmermehr geschieht das,« erklärte King mit scharf hervorklingender Erbitterung, »er besitzt einen Eisenschädel, und wäre ich wirklich geneigt, zu verzeihen, so ginge er lieber zu Grunde, bevor er ein gutes Wort an mich verlöre.«

»Sie sind immerhin der Vater und nicht der erste, der Kummer an seinem Sohne erfuhr. Doch solange der Mensch lebt, soll er die Hoffnung nicht verlieren, und heut ist Traktamentstag.«

»Ja, das Geld,« ging King sofort auf die zarte Anspielung ein, »schicken Sie nach zehn Minuten Independence, und es liegt bereit. Sie soll sich das Schurzfell umhängen, um mit dem großen Hammer einige Schläge auf ein unhandliches Stück Eisen zu thun.«

Frau Hickup, an die Seltsamkeiten ihres Brotherrn ebenso gewähnt, wie er an die ihrigen, entfernte sich mit einem Blick, in dem aufrichtige Teilnahme und Verehrung sich einten. Er selbst begab sich in sein Schlafzimmer, wo er eine Weile mit verschiedenen Schlüsseln klirrte.

Er war eben in die Werkstatt zurückgekehrt und hatte eine kleine Reihe Goldstücke auf den Tischrand gezählt, als nach bescheidenem Klopfen das Kind des Hauses eintrat, dieselbe Independence, wie ihr patriotischer Vater sie hatte taufen lassen, von der ihre Mutter behauptete, daß unwiderstehliche Reize sie schmückten. Und Reize besaß sie in der That. Zunächst einen Körper von tadellosem Ebenmaß, einer Größe und einem Gliederbau, daß mancher Farmerbursche gewiß gern mit ihr getauscht hätte. Ihr Gesicht war rund und strotzend in dreiundzwanzigjähriger Gesundheit. Die etwas nach oben weisende veredelte Stumpfnase der Mutter hätte durch keine andere ersetzt werden können, die besser zu den vollen Wangen und den üppigen Lippen des hübsch geschnittenen Mundes mit den blendend weißen Zähnen passend gewesen wäre. Dazu kamen zwei große hellbraune Augen, von denen unentschieden war, ob sie mehr Gutmütigkeit oder Schlauheit ausstrahlten.

Auf ihren zutraulich höflichen Gruß wies King auf das Geld, und ohne es zu beachten bemerkte Independence munter:

»Ich hörte, Sie hätten ein gröberes Stück Arbeit für mich,« und bezeichnend traf die große Hand das von ihrem Halse niederhängende Schurzfell.

»Die Stütze einer Nähmaschine versprach ich zu erneuern, und die verlangt schon die Nachhilfe eines schwereren Hammers,« erklärte King, und während er aus dem Eisenvorrat ein geeignetes Stück hervorsuchte, rollte Independence die Aermel auf, und neben den Amboß hintretend, ließ sie den zur Hand liegenden Hammer probeweise auf demselben klingen. Bei diesem Geräusch sprang Kornett, wie Frau Hickup den Spitz getauft hatte, unter dem Werktisch hervor und in das Rad hinein und beobachtete von dort aus aufmerksam die Bewegungen seines Herrn. Kaum aber schürte dieser die Glut, als er seinen endlosen Weg schweifwedelnd antrat. Gleichzeitig begann das Fauchen des Blasebalgs und das Sprühen der Funken. Bis zum Erglühen des Eisens dauerte es indessen eine Weile, und die füllte Independence mit lebhaften Mitteilungen aus.

»Ich will es nur bekennen,« begann sie munter, »der Mutter traue ich in manchen Dingen nicht über den Weg. Immer und immer wieder hechelt sie an mir herum. Daher stellte ich mich neben der Thür auf, um zu horchen –«

»Was nicht das erste Mal gewesen ist,« schaltete King gelassen ein.

»Hoffentlich auch nicht das letzte Mal, Mr. King, und das gereut mich nicht. Denn alles, was sie über mich redete, war Unsinn. Dachte ich doch ebensowenig daran, Ihren ungeratenen Jungen zu heiraten, wie da den Kornett. Gut war ich ihm zwar von Herzen, oder ich hätte seine Quälereien nicht so geduldig ertragen; aber heiraten? Brrr! Was sollte ich mit einem Manne, der stärker wäre als ich, den ich also fürchten müßte?«

»Sie sprach wohl nur im Scherz,« meinte King mit dem matten Anfluge eines Lächelns.

»Nein, ihr blutiger Ernst war's, und den Plan mit uns beiden hat sie heut noch nicht aufgegeben. Dabei weiß keiner besser als sie, daß er vor zwei, drei Jahren in der Ferne mit einem halbwilden Squattermädchen anbändelte. Das mag ein schönes Ding sein!«

Die Unterhaltung stockte, indem King das Eisen in der zischenden und schnaubenden Glut drehte, Wasser über die Kohlen spritzte und das sich rötende Metall prüfte. Endlich packte er es mit der Zange fester, legte es auf den Amboß, und unter der Wucht des Hammers, den Independence mit der Gewalt und Sicherheit eines Vulkan schwang, bebte die ganze Werkstatt. Aber als hätten die umherspritzenden Funken ihren frohen Lebensmut erfrischt, begann sie ohne große Anstrengung ein Lied zu singen, nach dessen Takt sie die Schläge regelte:

»Und der Grobschmied ist schwarz,

Seine Dollars sind weiß;

Er verdient sie bei Tag,

Nachts verthut er sie mit Fleiß!

Quenkedillo, Quenkedillo dillo dillo dillo –«

hieß es dann immer wieder mit einem Atem, den sie von dem Blasebalg entlehnt zu haben schien.

»Sei nur froh, daß es mit dir und dem Robert nichts geworden ist,« nahm King bei der ersten Pause das Gespräch mit heimlichem Widerwillen wieder auf, »der wäre nimmermehr ein Mann für dich gewesen. Du bist eine stattliche Person und wirst schon einen anderen und besseren finden –«

»Ich heirate nie,« fiel Independence zutraulich ein, wie vor Jahren, wenn sie den stillen Hausherrn mit ihrem endlosen Geplauder bei der Arbeit störte, »ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Ich hatte nämlich einen Schatz – Sie entsinnen sich vielleicht des lustigen Jerry – und seitdem der mir untreu wurde und als Söldling Handgeld nahm, schlug ich mir das Freien gänzlich aus dem Kopf.«

»Schade; du wärest sicher eine vortreffliche Hausfrau geworden.«

»Mag sein, Mr. King; aber lieber mein Brot als Grobschmied verdienen –« sie brach ab. Nachlässig durch das offene Fenster spähend, wurde sie eines Fremden ansichtig, der, von dem Hain her den Gemüsegarten durchschreitend, eben nach dem Hofe hinaufbog.

»Da kommt einer,« bemerkte sie leise, denn sie wußte, daß King, außer im Geschäftsverkehr, jeden Umgang ängstlich mied, »der sieht freilich nicht wie jemand aus, der große Bestellungen auf dem Herzen trägt.«

King stellte die Arbeit ein, für Kornett ein Zeichen, das Rad zu verlassen, sich zu schütteln und behaglich auszustrecken. Dann traten die beiden Arbeitsgefährten neben das Fenster hin, von wo aus sie, ohne selbst bemerkt zu werden, den Fremden zu überwachen vermochten. Ein vielleicht dreißigjähriger Mann war es, in der Blüte der Jugendkraft, mit einnehmendem sonnverbrannten Gesicht, braunem Vollbart und einer Haltung, die ihn als den bevorzugteren Gesellschaftskreisen angehörend kennzeichnet. Während des Einherschreitens behielt er das oberhalb der Hausthür angebrachte Schild im Auge, bemerkte daher nicht sogleich das eben auf die Schwelle tretende Mannweib. Erst als ihn nur noch wenige Schritte von dem Eingange trennten, sah er auf die seltsame Erscheinung, und den Hut lüftend, fragte er höflich, ob Herr King zu Hause und zu sprechen sei.

Und herein zu King und Independence schallten die herrischen Worte:

»Zu Hause? Ja. Ob aber zu sprechen, ist eine andere Frage. Bei Gingo! Eine Sünde wär's, ihn um Kleinigkeiten bei seiner schweren Arbeit zu stören.«

»Um Kleinigkeiten kam ich nicht den weiten Weg von Deutschland herüber –« begann der Fremde.

Die Pfeife aus dem Munde nehmend, fiel Frau Hickup unwirsch ein: »Einerlei. Ist Ihr Anliegen so schrecklich wichtig, mein junger Mann, so reden Sie herunter von Ihrer Leber. Hier ist alles militärisch geordnet. Sagen Sie, wer Sie sind, was Sie wünschen, sag' ich, und ich werde es pflichtschuldigst dem Herrn melden.«

»Was würden Sie antworten, meine verehrte Dame, befragte ich Sie um Ihr Herkommen, um Namen und das, was Sie in Gedanken führen?« erwiderte der Fremde, durch die formlose Abfertigung gereizt.

Frau Hickup betrachtete den nunmehr vor ihr Stehenden mit einer Miene, wie etwa der selige Knockhimdown zuzeiten einen ihm zugewiesenen krummbeinigen Rekruten. Er übte indessen offenbar einen erträglichen Eindruck auf sie aus; denn sich etwas straffer aufrichtend, ließ sie sich zu der Erwiderung herbei:

»Was ich antworten würde, brauche ich vor keinem Menschen zu verheimlichen,« und die Gelegenheit, sich einem Unbekannten in ihrer ganzen Glorie vorzustellen, willkommen heißend, fuhr sie mit einer gewissen Feierlichkeit fort: »Mein ehrlicher Name ist Hickup, würde ich sagen, Witwe eines der berühmtesten Korporale, der durch einen fürchterlichen Hieb, mit dem er einem Apachewilden den Schädel spaltete, sich den ehrenvollen Beinamen Knockhimdown erwarb. Einer der berühmtesten Korporale, der jemals mit Weib und Kind an die Indianergrenze kommandiert und dort von den hündischen Rothäuten regelrecht skalpiert wurde.«

»Wie traurig –« hob der Fremde an.

Achselzuckend unterbrach ihn die stolze Korporalswitwe mit den Worten: »Traurig, aber immerhin kein unrühmliches Ende. Dagegen jetzt, nach den vielen langen Jahren, noch darüber zu winseln, wie ein verzogenes Muttersöhnchen, das unversehens in die Söldlingsjacke geriet, kann von mir nicht erwartet werden.« Zu ihrer Befriedigung entdeckte sie nach dieser Erklärung in den Zügen des Fremden ungeheuchelte Teilnahme, und dadurch aufgemuntert, gab sie ihrer Neigung, von sich selbst zu sprechen, weiteren Spielraum: »Weichmütigkeit lag nie in meiner Natur, wäre auch der Witwe eines Korporal Knockhimdown unwürdig gewesen; und da meine Pension nicht ausreichte, mich und meine Tochter, ein liebliches Soldatenkind, anständig zu ernähren, so entschied ich mich dafür, als Haushälterin bei dem weit und breit bekannten und geachteten Kunstschlosser King anzumustern, was zu bereuen ich nie Ursache fand, und er noch weniger. Sie ersehen daraus, daß ich berechtigt bin, nicht nur über sein leibliches Wohl zu wachen, sondern auch dafür zu sorgen, daß er ungestört bleibt.«

»Und ich bekenne ebenso gern, daß ich auf den Namen Bertrand höre und mich auf dem Wege befinde, jemand zu suchen, über den Herr King mir vielleicht Auskunft erteilen kann.«

»Und wer erlaubte sich, Sie in dieser Angelegenheit auf den Herrn King zu hetzen, wie 'ne Bulldogge auf 'nen wütigen Stier?«

Zu dem wenig schmeichelhaften Vergleich lächelte Bertrand ergötzt, antwortete aber ernst: »Von der Stadt Kansas komme ich herunter. Dort verbrachte ich längere Zeit mit Nachforschungen nach der betreffenden Persönlichkeit, erfuhr indessen nur, daß ein gewisser Thomas King in St. Charles, wenn er noch lebe und nicht verzogen sei, der einzige sei, von dem vielleicht nähere Aufschlüsse zu erwarten seien. Gestern abend traf ich mit dem Dampfer ein. Bin ich aber trotz zeitraubender Erkundigungen nach dem Herrn King und seiner Wohnung schon hier, so zeugt das sicher für die Dringlichkeit meines Anliegens.«

»Wie heißt die Persönlichkeit? Wie lautet Ihr Anliegen?« fragte Frau Hickup.

Bis dahin hatten King und Independence dem deutlich zu ihnen hereindringenden Gespräch gelauscht, ersterer mit verheimlichter Unruhe, Independence brennend vor Neugierde und strahlend im Triumph über die Art, wie ihre Mutter den vermeintlichen Störenfried abfertigte. Bei der letzten Wendung aber, welche das hochnotpeinliche Verhör nah, kehrte King sich mit einer gewissen Entschiedenheit dem Mädchen zu.

»Geh hinaus und führe den Fremden zu mir,« befahl er. »Gieb das Geld der Mutter, das stimmt sie milder, und wenn ich dein Freund bleiben soll, sorgst du dafür, daß keine unberufenen Ohren, auch die dienigen nicht, an Thür und Fenster horchen.«

Independence strich ihr braunes krauses Haar, das beim Hämmern wild geworden, hinter die Ohren zurück und schlüpfte hinaus. Ein kurzer, durch die Geldstücke günstig beeinflußter Wortwechsel folgte; die Thür der Werkstatt wurde geöffnet, herein schritt Bertrand, und hinter ihm schlug die Thür krachend in ihre Fugen.

»Ich hörte Ihr Gespräch mit meiner Haushälterin,« erklärte King nach der ersten Begrüßung in dem fließenden Englisch eines Deutschen, dem die Muttersprache bereits unbequem geworden, und mit unverkennbarem Mißtrauen suchte er in Bertrands Zügen; »wir sind dadurch der gegenseitigen Vorstellung überhoben; außerdem wurde ich vertraut mit dem Zweck Ihrer Anwesenheit hier, so weit Sie für gut befanden, ihn vor der Frau Hickup zu offenbaren. Es hindert daher nichts, ohne weitere Einleitung auf Ihr Anliegen einzugehen.«

Er verriegelte die Thür und führte seinen Gast in das Schlafzimmer, dessen Einrichtung sehr anspruchslos und nur durch einen großen diebs- und feuersicheren eisernen Geldschrank der kunstvollsten Arbeit sich auszeichnete. Nachdem sie vor einem mit Briefschaften und Federzeichnungen bedeckten Tisch Platz genommen hatten, knüpfte er un- verweilt an das abgebrochene Gespräch mit den Worten an:

»Da Sie nicht als Geschäftsmann kommen, halte ich für angemessen, Sie zu bitten, mit der dürftigen Umgebung vorlieb zu nehmen. Mehr kann von einem schlichten Handwerker nicht erwartet werden.«

Eine gewisse steife Zurückhaltung lag in dem Tone, in welchem King sprach. Bertrand glaubte sogar herauszufühlen, daß er wenig willkommen sei, und ebenfalls verschmähend, sich der deutschen Sprache zu bedienen, antwortete er zwar höflich, jedoch nicht verbindlich:

»Forscht man nach jemand, so dürfte das nicht minder als Geschäftssache zu betrachten sein, deren Erledigung keine lästigen und daher störenden Formen bedingt.«

»Keine Störung,« versetzte King nach Art der Amerikaner, denen Zeit gleichbedeutend mit Geld, kurz und ausdruckslos. »Haben Sie nur die Güte, denjenigen zu nennen, dem Ihre Bemühungen gelten. Liegt es im Bereich meines Könnens, sollen Sie sicher befriedigt werden.«

»Ich muß auf einem Umwege ans Ziel gelangen,« erwiderte Bertrand. »Als ich mich zur Reise nach den Vereinigten Staaten entschloß, wurde ich beauftragt, in der Stadt Kansas die Spuren eines gewissen Felix v. Pardelstein auszukundschaften und ihnen bis zu ihm selbst nachzufolgen. Was ich dort erfuhr, klang nur wenig ermutigend. Die mühevoll errungenen und daher unverbürgten Nachrichten beschränkten sich nämlich darauf, daß in der That vor vielen Jahren ein Pardelstein dort in tiefer Zurückgezogenheit gelebt habe, jedoch nach kurzer Zeit ohne Angabe seines Zieles weitergewandert sei. Seiner Person entsann sich keiner mehr. Dagegen erwähnte man einen ungefähr vierjährigen Knaben, der sich in seiner Begleitung befunden habe. Man hätte beide längst vergessen gehabt, wäre die Erinnerung an ihn nicht durch einen gewissen King lebendig erhalten worden, der später zureiste und bei einem Schlossermeister sich in dessen Handwerk vervollkommnete. Auch der besaß einen Knaben, in dem man – so berichtete des Schlossermeisters noch lebende Witwe mir selber – den kleinen Pardelstein erkannt haben wollte. Inwieweit ich richtig belehrt wurde, vermag ich nicht zu beurteilen; hoffe aber, daß Sie in der Lage sind, mich über den wahren Sachverhalt zu unterrichten.«

Solange Bertrand sprach, hatte King regungslos gesessen. Nur die rechte Hand rührte sich mechanisch, indem sie mit einem Federmesser an dem Rande des alten, viel benutzten Tisches schnitzte. Aufmerksam überwachte Bertrand ihn, suchte aber vergeblich auf seinem hageren Gesicht nach einem Merkmal der Ueberraschung.

So antwortete King auch erst nach einer Pause nachlässig: »Das ist so lange her, daß die Geschichte meinem Gedächtnis beinah gänzlich entschwand. Zugeben muß ich freilich, daß ich in freundschaftlichen Beziehungen zu jenem Pardelstein getreten war; dann aber, nachdem wir uns trennten, hörte ich nie wieder von ihm. Ebensowenig empfing ich Briefe von ihm oder solche, die für ihn bestimmt gewesen wären und die zurückzubehalten er mir aufgetragen hatte. Wo er sein Ende nahm, mag Gott wissen; und so ist es mir vollständig unmöglich, betreffs seiner Person die gewünschten Anhaltspunkte zu bieten. Er war überhaupt ein menschenscheuer, schweigsamer Mann, von dem ich nachträglich den Eindruck gewann, daß er mich zu irgend einem geheimnisvollen Zweck zu benutzen gedachte.«

»Das ist beklagenswert,« versetzte Bertrand mit einem Ausdruck, der die Aufrichtigkeit seiner Worte verbürgte; »sollte er sich wirklich außerhalb des Bereiches aller Nachforschungen befinden, wohl gar gestorben sein, so würde ich meinen ganzen Eifer darauf zu verwenden haben, wenigstens seinen Sohn zu ermitteln. Das ist Ehrensache für mich geworden, und sein Sohn war der erwähnte Knabe unzweifelhaft, dasselbe Kind, welches er einst mit fortnahm, ohne jemals die geringste Nachricht über ihn nach Europa gelangen zu lassen.«

King sann wieder nach, bevor er zögernd bemerkte: »Die Mittheilungen, die Ihnen wurden, treffen in den Hauptsachen zu. Ein Knabe begleitete ihn in der That. Ob es sein Sohn war, weiß ich nicht, muß es aber voraussetzen. Richtig ist ferner, daß der Knabe später bei mir gesehen wurde. Mein Verkehr mit Pardelstein fiel in die Zeit zwischen seiner und meiner Anwesenheit in Kansas. In einer südlichen Stadt lernten wir uns kennen. Als wir voneinander schieden, vertraute er mir den Knaben mit der dringenden Bitte an, ihn als meinen eigenen Sohn gelten zu lassen. Er hoffte, ihn dadurch vor Neigungen zu bewahren, die, durch das Bewußtsein, seine Herkunft auf ein altadeliges Geschlecht zurückführen zu dürfen, gefördert, nachteilig auf seine Zukunft einwirken könnten. Vereinsamt, wie ich in der Welt dastand, ging ich bereitwillig auf das Ansinnen ein, aber noch heut soll er kommen, um seinen Sohn zurückzufordern oder sich auch nur von seinem Ergehen zu überzeugen.«

»Da der junge Mann – zur Zeit ist er ja herangereift – nicht bei Ihnen weilt, darf ich wohl darauf rechnen, daß Sie meinen Verkehr mit ihm anbahnen. Ich gebe zu bedenken, daß sehr Wichtiges für ihn auf dem Spiele steht.«

»Was ich über ihn weiß, sollen Sie erfahren,« versetzte King mit sichtbarem Widerstreben, »zuvor möchte ich indessen darüber belehrt sein, wer Sie mit der gewiß schwierigen Aufgabe betraute, und was man mit dem jungen Mann beabsichtigt. Sie begreifen, daß Pardelstein, dessen volles Vertrauen ich besaß, als er die Zukunft seines nächsten Angehörigen in meine Hände niederlegte, mir auch Bedingungen vorschrieb, die rechtlicherweise nicht umgangen werden können.«

»Ein billiges Verlangen, dem ich mit Freude entgegenkomme. Beauftragt wurde ich von einem Fräulein Wolfrade Ecke, der hochangesehenen Eigentümerin umfangreicher Besitzungen. Die Ursachen, die ihre tiefe Teilnahme für den verschollenen Felix v. Pardelstein begründen, möchte ich unerwähnt lassen. Sie sind ernst genug, um zu rechtfertigen, daß ihre Teilnahme sich auch auf seinen Sohn übertrug. Die Möglichkeit ist daher nicht ausgeschlossen, daß sie sein Glück zu ihrer Lebensaufgabe machte.«

King wiegte das Haupt, und wie im Traum gesprochen klang es, als er erwiderte: »Also Wolfrade Ecke. Mir ist, als hörte ich den Namen heute zum erstenmal. Nannte Pardelstein ihn nicht oder vielleicht nur beiläufig, so stand dies im Einklang mit seiner scharf ausgeprägten Neigung, sich in Geheimnisse zu hüllen, sogar einem bewährten Freunde gegenüber mit seinem Vertrauen nicht über eine bestimmte Grenze hinauszugehen. Gewiß wäre ich gern bereit, dem jungen Manne, der mich heut noch Vater nennt, den Weg zu Glück und Reichtum anzubahnen, muß aber leider bekennen, daß er nicht nur meinem Einfluß unzugänglich, sondern sich auch außerhalb meines Bereiches befindet. Er trennte sich böswillig von mir, wodurch meine Anhänglichkeit an ihn erkalten mußte. Kurz, er erfüllte nicht die Erwartungen, die ich glaubte von ihm hegen zu dürfen, und damit schwand der letzte Grund, mich fernerhin um ihn zu kümmern.«

Bertrand zögerte mit einer Erwiderung. Hatte anfänglich der Verdacht ihn beschlichen, in dem alten Handwerker mit dem gemessenen Wesen den gesuchten Pardelstein vor sich zu sehen, so schwand er alsbald angesichts dieser Teilnahmlosigkeit, die im Falle der nächsten verwandtschaftlichen Beziehungen widernatürlich gewesen wäre.

»Ihre Andeutungen leisten dem traurigen Argwohn Vorschub, daß der junge Mann verwahrloste, wohl gar zu den Verlorenen gezählt werden muß,« brach er nach kurzem Sinnen das eingetretene Schweigen.

Die Gelegenheit benutzend, hatte King das Gesicht Bertrands mit verstecktem Mißtrauen geprüft. Die es beherrschende peinliche Spannung berührte ihn offenbar wohlthuend, denn er entgegnete beschönigend: »Zu einem Verworfenen sank er nicht herab. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß er sich dennoch zu einem gesitteten Lebenswandel bekehrt. Ob diese Möglichkeit sich jemals verwirklicht, erscheint freilich zweifelhaft. Von Kindheit an eigenwillig und trotzig, diente sein Verkehr mit gleichgesinnten unabhängigen Amerikanern dazu, die ihm innewohnende Zügellosigkeit bis zur Wildheit zu steigern. Diese gefährliche Eigenschaft fand ihre reichste Nahrung in dem Vollgefühl einer unüberwindlichen Kraft und Gewandtheit. Es bot der hünenhafte Körper gewissermaßen einen Rückhalt für die Ueberzeugung, keinen Herrn über sich zu dulden zu brauchen, nicht einmal denjenigen, den er Vater nannte. Den kleinen Zerwürfnissen folgten ernstere. In seiner Verblendung glaubte er, über die Früchte meines unermüdlichen Schaffens frei verfügen zu dürfen, und so waren Schulden die nächste Folge. Dann aber, als ich nach den ersten bösen Erfahrungen nicht mehr für ihn eintrat, ging er davon und planlos in die westlichen Wildnisse hinein. Zu seinem Verderben mochte mit beigetragen haben, daß er schon frühzeitig auf Monate verschwand, um sich mit Gesinnungsgenossen, Jägern, Viehtreibern und sonstigen Abenteuerern in der Prairie umherzutreiben. Meine ernsten, wohlgemeinten Vorstellungen beantwortete er schließlich mit der Erklärung, mich nicht weiter belästigen zu wollen. Trotzig stellte er mir anheim, ihn mit einigen hundert Dollars abzufinden und dadurch in die Lage zu versetzen, einen seinen Neigungen entsprechenden Beruf zu wählen. Gleichmütig fügte er hinzu, daß er auch ohne meinen Zuschuß in den Besitz eines guten Pferdes und sonstiger Ausrüstungsgegenstände gelangen würde. –

Seinem Uebermut stellte ich ruhige Entschiedenheit entgegen. Seine Forderung erfüllte ich zwar; wenn ich aber glaubte, ihn über kurz oder lang als reuigen Sünder wieder bei mir eintreten zu sehen, so hatte ich seine Störrigkeit unterschätzt. Er war und blieb fort. Nur einmal noch hörte ich von ihm. Er schrieb, daß es ihm gut ergehe, und er ein Mädchen gefunden habe, mit dem er sich zu verheiraten gedenke, wobei er auf meine väterliche Beihilfe zur Begründung eines ländlichen Hausstandes rechne. Auch nannte er des Mädchens Vater, einen Squatter, an den ich die betreffenden Nachrichten für ihn übermitteln sollte. Selbstverständlich ging ich nach den vielen bösen Erfahrungen auf seine Zumutung nicht ein. Was dann aus ihm geworden ist, und ob er überhaupt noch lebt, weiß ich nicht.«

»Sollte es mit der Verheiratung sein Ernst gewesen sein, so würde ich das für das denkbar größte Unglück halten, das ihn hätte betreffen können,« wandte Bertrand nachdenklich ein. »Fand sie hingegen noch nicht statt, dann müßte das Aeußerste aufgeboten werden, sie zu hintertreiben. Seine letzten Beziehungen zu der Heimat würden durch einen derartigen Schritt abgebrochen werden, und das darf, wenn es noch zu verhüten ist, nicht geschehen.«

»Wie wollen Sie etwas hintertreiben, das der wilde Bursche einmal in seinem aufsätzigen Schädel zurechtlegte?« fragte King verdrossen. »Eher möchte Sie einen Felsblock in schmiegsames Wachs verwandeln, als seinen Starrsinn brechen. Nein, nein; gönnen Sie seinem tollen Treiben ungehemmten Lauf, bis er, wenn auch erst spät, zur Vernunft kommt. Da ferner Ihre Auftraggeberin unstreitig in den vornehmsten Kreisen zu suchen ist, haben Sie doppelte Ursache, ihn seinem Schicksal zu überlassen. In solche Gemeinschaft gehört er nicht hinein; denn anstatt freundliche Teilnahme zu erwecken, würde er abfällige Urteile gegen sich herausfordern, und das hieße bei einem Charakter, wie dem seinigen, den Untergang besiegeln.«

»Ihre Bedenken erkenne ich an,« versetzte Bertrand zweifelnd, »wo man aber seinem Vater ein so treues Andenken bewahrte, eine so unzweideutige Zuneigung, da läßt sich erwarten, daß das Urteil über den jungen Mann sich mildert und es nur allein in seinem Willen liegt, ein Glück einzuheimsen, wie es selten einem Sterblichen geboten wird.«

War bisher in Kings Zügen tiefe Schwermut zum Ausdruck gelangt, so blickte er jetzt auf Bertrand, als hätte er unter Aufbieten des äußersten Scharfsinns in seinem Inneren lesen wollen.

»Das klingt rätselhaft,« begann er zögernd, »doppelt rätselhaft für mich, der ich den jungen Mann kenne und daher weiß, daß er mit seinem Erscheinen drüben dem verschollenen Pardelstein keinen guten Dienst leistete. Einen Schatten würde er heraufbeschwören, der das Andenken an ihn verzerrte. Doch, immerhin: haben Sie ernste Gründe zu dem Versuch, in des Burschen Geschick einzugreifen, dann darf ich es Ihnen nicht wehren oder verleiden, obgleich ich den Mißerfolg Ihrer Mühe vorhersehe. Ich will sogar, soweit es in meiner Gewalt liegt, Ihnen zu dem zweifelhaften Unternehmen die Hand bieten, muß aber im voraus die Verantwortlichkeit ablehnen, wenn Sie bitter enttäuscht werden.«

»Mehr konnte ich nicht hoffen,« beteuerte Bertrand, »auf alle Fälle gewinne ich für mich die Befriedigung, mein Alles an die Lösung einer Ehrenpflicht gesetzt zu haben.«

»Warnen muß ich Sie noch,« riet King düster, »meinen Beistand nicht zu überschätzen. Er beschränkt sich auf die Bezeichnung der Stelle, wo Sie, sofern des jungen Mannes Angaben Wahrheit zu Grunde lag, auf seine Spuren gelenkt werden können.«

»Damit wäre wenigstens ein Weg angebahnt,« bemerkte Bertrand ermutigt, »das weitere hinge von der Gunst des Glückes ab.«

»Leider bin ich selbst nicht im stande, Ihnen über eine bestimmte Grenze hinaus zu dienen,« versetzte King, »denn Sie können kaum unbekannter mit dem fernen Westen sein, als ich es geblieben bin. Dafür darf ich Ihnen mit gutem Gewissen meine Haushälterin empfehlen. – Sie lernten sie ja bereits kennen. Fremd blieb Ihnen dagegen, daß hinter ihren zahlreichen Schrullen und Absonderlichkeiten wie in den rauhen Formen eines Korporals ein ehrliches Herz verborgen ist. Besonders wertvoll für Sie ist, daß sie viele Jahre das Feldleben mit ihrem Gatten teilte und es kaum ein Fort auf der Indianergrenze giebt, wo sie nicht längere oder kürzere Zeit verbrachte. Vollständig vertraut mit dem will- den Westen, wird sie zu der beabsichtigten Reise Sie in einer Weise vorbereiten, wie es schwerlich von einem zweiten zu erwarten wäre. Erfährt sie aber die Ursache Ihrer Wüstenfahrt, so ist die nächste Folge, daß sie Ihre Aufgabe zu der eigenen macht. Denn die Vorliebe für den Taugenichts, den Bob, wie sie ihn nennt, den sie natürlich zu seinem Nachteil mit ihrer Zärtlichkeit gründlich verzog, ist eine Triebfeder, stark genug, sie zu den abenteuerlichsten Entschlüssen zu bestimmen. Setzten Sie sich daher baldigst mit ihr ins Einvernehmen.«

»So dürfte ich vielleicht heute schon Gelegenheit suchen, in näheren Verkehr mit ihr zu treten?«

»Seien Sie unbesorgt. Wie ich die Alte kenne, macht sich das ganz von selbst. Nur um eines bitte ich dringend« – hier warf King einen argwöhnischen Blick auf das Fenster und fuhr etwas gedämpfter fort: »sie ist nämlich neugierig, wie ein Eichhorn. Nennen Sie den Namen Pardelstein, so findet sie nicht eher Ruhe, als bis sie Ihr ganzes Herz umgekehrt hat, wie – nun, die Frau Korporal würde sagen: wie einen frisch gewaschenen Kommißhandschuh, und das möchte Ihr Unternehmen doch nachteilig beeinflussen. Sie braucht überhaupt nicht mehr zu wissen, als daß Sie von Verwandten oder Taufpaten des jungen Menschen beauftragt wurden, sich von seinem Leben und Wohlergehen zu überzeugen.«

Der Vaquero

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