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II

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Lady Genevieve Rodney warf einen Blick auf das Kleid, das Madame Madeleine, die Besitzerin des elegantesten Modesalons von London, ihr zeigte. Sie stieß einen hellen Entzückensschrei aus.

»Es ist hinreißend!« rief sie aus.

»Ich war sicher, daß Eure Ladyschaft davon begeistert sein würden«, erwiderte Madame Madeleine. »Es kam gestern erst von Paris, und als ich es auspackte, wußte ich sofort, daß es für Eure Ladyschaft wie gemacht ist. Für mich war es klar, in ganz London gibt es einfach keine Frau, die es besser tragen könnte als Sie.«

»Ich nehme an, es ist sehr teuer, nicht wahr?« bemerkte Lady Genevieve ein wenig unschlüssig.

Sie wußte, daß die Spitzen an dem schulterfreien, nach Art des griechischen Chitons geschnittenen Kleides feinste venezianische Klöppelarbeit waren.

Und außerdem war sie sich der Tatsache bewußt, daß der Earl erst in der vergangenen Woche mehrere Rechnungen in schwindelerregender Höhe bei Madame Madeleine für sie beglichen hatte.

Madame Madeleine schwieg klugerweise auf Lady Genevieves Frage. Statt dessen drehte sie das Kleid herum, damit Ihre Ladyschaft auch das mit Samtbändern kunstvoll geschmückte Rückenteil in Augenschein nehmen konnte.

Dann legte sie das Kleid auf Lady Genevieves Bett und holte aus einer großen Pappschachtel ein weiteres Traumgebilde hervor.

Diesmal handelte es sich um eine Création aus wertvoller Chinaseide in einem tiefen Rubinrot.

Weite, gepuffte Ärmel, eine betont eng geschnittene Taille und der reich mit Falten versehene, glockig fallende Rock erzielten eine Silhouette von ungewöhnlicher Raffinesse.

»Etwas für ganz besondere Gelegenheiten, Eure Ladyschaft«, bemerkte Madame Madeleine mit verführerischem Unterton in der Stimme. »Vielleicht für einen der drei Staatsbälle, die Ihre Majestät anläßlich ihrer Krönungsfeierlichkeiten geben wird.«

Lady Genevieve schwieg, und Madame Madeleine fügte hinzu: »Ich hoffe, Eure Ladyschaft erweisen mir die Ehre und lassen das Kleid, das Sie bei der kirchlichen Zeremonie tragen werden, in meinem Atelier arbeiten. Ich verspreche Ihnen, daß Sie damit in der Kathedrale größtes Aufsehen erregen! Mylady, mir schwebt ein Traum von einem Kleid vor, nicht nur was den Schnitt, sondern vor allem auch was die Farbe betrifft!«

Eine Pause entstand, und schließlich sagte Lady Genevieve: »Welche Farbe würden Sie denn für passend halten?«

»Soviel ich erfahren habe, sind für die Schleppenträgerinnen alles unverheiratete junge Ladys weiße Kleider vorgesehen, dazu mit pinkfarbenen Rosenblüten besetzte Silberkränze«, antwortete die Schneiderin. »Ich würde sagen, eine äußerst geschmackvolle und zutreffende Wahl. Allerdings für Sie, Mylady . . .« Sie machte eine Pause, und als sie sah, mit welcher Aufmerksamkeit Lady Genevieve ihren Worten lauschte, fuhr sie eindringlich fort: »Für Sie, Mylady, denke ich an hauchzarten Tüll. Das Oberteil in Pfauenblau mit tief ausgeschnittenem Dekolleté, um den herrlichen Busen Eurer Ladyschaft voll zur Geltung zu bringen. Dazu einen weitschwingenden Rock, grün und blau schattiert und endend in einer langen Schleppe. Den Saum der Schleppe mit einem dunklen Hermelinbesatz, genau abgestimmt auf die Haarfarbe Eurer Ladyschaft.«

»Das klingt ja himmlisch«, rief Lady Genevieve hingerissen.

»Ich habe mir erlaubt, eine kleine Skizze anfertigen zu lassen, um Eurer Ladyschaft eine Idee von dem zu geben, was mir vorschwebt«, sagte Madame Madeleine.

Während sie sprach, legte sie die Skizze auf den Ankleidetisch. Der Zeichner hatte Lady Genevieve genau getroffen. Die nach der neuesten Mode betont abfallenden weißen Schultern, die eng geschnürte Taille und die glockig abstehenden Röcke, die in einer sehr langen Schleppe endeten, schienen für ihre Figur wie geschaffen. Es bestand gar kein Zweifel, daß Lady Genevieve in diesem Kleid den Neid und die heimliche Bewunderung sämtlicher Peersfrauen in der Kathedrale erregen würde.

»Es ist in der Tat sehr originell«, gab sie verzückt zu. »Und wie Sie schon sagten, es wird zweifellos die Sensation des Tages werden.«

»Das Grün des Kleides würde sehr gut zu einem Diadem aus Smaragden und Brillanten passen, woraus ja auch, der Haarschmuck Ihrer Ladyschaft besteht«, sagte Madame Madeleine schmeichelnd. »Grün verleiht den Augen Eurer Ladyschaft etwas Geheimnisvolles und zugleich Aufreizendes.«

Lady Genevieve ließ ein dunkles Lachen hören.

»Madame Madeleine, Sie sind überzeugender als die Wahrsagerin, die ich vergangene Woche in der Maddock Street aufsuchte.«

»Ich kann Ihnen die Zukunft lesen, ohne auch nur einen Blick auf Ihre Handlinien zu werfen, Mylady«, erwiderte Madame Madeleine. »Ihre Zukunft steht in Ihrem Gesicht geschrieben. Denn niemand von den Damen der Londoner Gesellschaft kann Ihnen das Wasser reichen.«

Wieder lachte Lady Genevieve.

»Das Kleid wird sicher sündhaft teuer sein, nicht wahr? Aber die Vorstellung, daß sämtliche Damen in der Kathedrale bei seinem Anblick vor Neid erblassen werden, genügt, um es bei Ihnen in Auftrag zu geben.«

Madame Madeleine lächelte.

»Und was ist mit den anderen Kleidern?« fragte sie leise.

»Ich behalte sie beide!« erwiderte Lady Genevieve. »Aber schicken Sie mir die Rechnung bitte nicht in den nächsten drei Wochen. Und machen Sie sich darauf gefaßt, daß die Bezahlung noch später erfolgen wird.«

»Ich bin sicher, Eure Ladyschaft sollten sich deswegen kein Kopfzerbrechen machen. Geld dürfte gewiß kein Problem für Sie sein.« Der Doppelsinn in den Worten der Schneiderin war unmißverständlich.

Madame Madeleine kannte sehr wohl den Namen des Mannes, der die Rechnungen Ihrer Ladyschaft beglich. Und sie war lebenserfahren genug, um zu wissen, daß eine Frau immer den richtigen Augenblick abwarten mußte, bevor sie dem Liebhaber ihre Kleidersünden beichtete. Vor allem, wenn es sich dabei um eine Verschwenderin wie Lady Genevieve Rodney handelte.

»Die Kleider werden Eurer Ladyschaft wie angegossen sitzen«, fuhr Madame Madeleine fort. »Die kleinen Änderungen, die meiner Meinung nach notwendig sind, werden in den nächsten Tagen erledigt. Sollten Sie sonst noch irgendwelche Wünsche haben, Sie wissen ja: Eine kurze Nachricht, und ich bin zur Stelle.«

»Sie sind stets von äußerster Zuvorkommenheit, Madame Madeleine«, entgegnete Lady Genevieve mechanisch.

Madame Madeleine wußte, daß sie entlassen war. Mit einem tiefen Knicks verließ sie den Raum. Die beiden Kleider blieben auf der roten Seidenbettdecke zurück.

Lady Genevieve stand vor dem hohen Wandspiegel. Ein feines Lächeln lag auf dem schönen Gesicht.

Seit Wochen schon quälte sie die Frage, welches Kleid sie bei den Krönungsfeierlichkeiten tragen sollte. Es mußte ein Kleid sein, daß alle Blicke auf sich zog. Sie hatte sich vorgenommen, daß ihre Anwesenheit in der Kathedrale nicht unbeachtet bleiben sollte.

Die Leute, dachte sie gehässig, sprechen mir schon viel zu viel und viel zu begeistert von diesem unauffälligen und ziemlich reizlosen jungen Ding, das, noch nicht ganz neunzehnjährig, bereits den englischen Thron bestiegen hat.

Trotz der Abneigung gegen die junge Königin konnte Lady Genevieve nicht übersehen, daß diese sich bei ihren Untertanen allergrößter Beliebtheit erfreute. Die Minister waren entschlossen, die Krönung zu einem Ereignis zu machen, das für immer unvergeßlich bleiben würde.

Was Lady Genevieve besonders ärgerte, war die Tatsache, daß man für das Gelingen der Feierlichkeiten keine Kosten und keine Ausgaben zu scheuen schien. Wie sie erfahren hatte, war vom Parlament eine Summe von sage und schreibe 200.000 Pfund für die Krönung Königin Viktorias bewilligt worden, während man bei der Krönung ihres Vorgängers mit nur 50.000 Pfund ausgekommen war.

»Was«, so fragte sie voller Entrüstung, »könnte ich nicht alles mit einer solchen Summe anfangen!«

Da Lady Genevieve immer und überall im Mittelpunkt stehen mußte, verdroß es sie aufs Äußerste, daß die Leute in den letzten Wochen und Monaten nur noch von der bevorstehenden Krönung sprachen, die am 28. Juni stattfinden sollte.

Zahlreiche Dekorateure waren dabei, Westminster Abbey mit rotem Samt auszuschlagen. Im Hydepark sollte ein Jahrmarkt allergrößten Ausmaßes veranstaltet werden mit Ballonaufstiegen, Festbeleuchtung und abendlichem Feuerwerk.

»Wenn Sie mich fragen«, pflegte Lady Genevieve zu sagen, »ich halte das Ganze für eine sinnlose Geldverschwendung.«

Sie stellte jedoch stets voller Verärgerung fest, daß niemand bereit war, sich bei diesem Thema ihrer Meinung anzuschließen.

Ihre Freunde und Bekannten waren mit nichts anderem mehr beschäftigt, als mit ihrer Garderobe. Und die Schneider und Schneiderinnen in London wurden von ihren Kunden arg bedrängt wegen neuer Entwürfe und den neuesten Stoffen. Kosten spielten dabei keine Rolle.

Lady Genevieve hatte mit dem Auftrag für ihr eigenes Kleid absichtlich gewartet, bis sie eine Ahnung von dem hatte, was ihre Rivalinnen tragen würden.

Sie war entschlossen, sie alle auszustechen. Und sie wußte, daß ihre zierliche Taille, die weißen, wie Elfenbein schimmernden Schultern und die makellos samtene Haut dabei ihre stärksten Waffen waren. Denn, obwohl sie sehr kostbaren und ausgefallenen Schmuck besaß, konnte sie in diesem Punkt leicht von manch einer Duchess oder Marquise in den Schatten gedrängt werden. Oft genug gab es in diesen Familien uralten, von Generation zu Generation ererbten Familienschmuck, mit dem der ihre nicht zu konkurrieren vermochte.

Lady Genevieve war sich bewußt, daß es bezüglich der Krönungsfeierlichkeiten ein doppeltes Problem für sie gab. Das eine war ihr Aussehen das ihr eigentlich die geringste Sorge bereitete. Das zweite Problem war das des Zutritts bei der Zeremonie.

Was ihre Erscheinung betraf, so hatte sie nicht nur den Wunsch, die Aufmerksamkeit des Hofes und der vornehmen Londoner Gesellschaft auf sich zu lenken, sondern vor allem die eines einzelnen Mannes, des Earls von Helstone.

Zwischen ihren großen, dunklen Augen bildete sich eine leichte Falte, als sie an ihn dachte. Und ihr roter sinnlicher Mund verzog sich schmollend.

Ein schwieriger Mensch! Der schwierigste, dem sie je in ihrem Leben begegnet war! Aber wie dem auch sei, sie hatte den Entschluß gefaßt, ihn zu heiraten, und nichts und niemand würde sie daran hindern, ihren Entschluß in die Tat umzusetzen.

»Wenn unsere Verlobung noch vor der Krönung bekannt gegeben würde«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, »wäre das natürlich ein weiterer Triumph für mich. Den Damen des Hofes werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn er mich durch den Mittelgang der Kathedrale zu meinem Platz geleitet.«

Und damit hätte auch das Problem des Zutritts seine Lösung gefunden.

Sie wußte sehr wohl, daß der Earl sich bislang ihrem Wunsch nach einer Heirat stets hartnäckig verweigert hatte, Aber sie war voller Zuversicht, daß er sich ihr nun nicht mehr länger entziehen konnte. In der Nacht, bevor er zum Rennen nach Newmarket Heath fuhr, hatte sie nämlich ihre Trumpfkarte ausgespielt.

Genevieve dachte an seine großen Besitzungen, an sein Haus in der Piccadilly, wo sie die Beau Monde zu Gast haben würde. Wenn sie und er auf der großen Freitreppe standen, um die geladenen Gäste zu begrüßen, würde niemand einen Zweifel haben, daß es auf der ganzen Party kein schöneres Paar gab, als Genevieve und ihren Ehemann.

Dann gab es da noch das Haus in Surrey. Der Gedanke daran genügte, ihr Herz schneller schlagen zu lassen. Dort würde Lady Genevieve im Sommer ihre Bälle veranstalten. Die Musik und das fröhliche Lachen der Gäste würden durch die geöffneten hohen Fenster hinaus in den Garten hallen. In den Garten mit seinen duftenden Rosen und den Statuen mythologischer Fabelwesen.

Im Geiste sah sie sich durch die weiten, kostbar ausgestatteten Säle schreiten, bewundert und beneidet von all ihren Besuchern. Sie dachte an den Korridor mit den Bildnissen einer langen, feierlichen Ahnenreihe, denen soeben ein neues Porträt hinzugefügt worden war: das der jüngsten Komtess von Helstone.

»Das ist es, was ich mir wünsche. Das wird der mir angemessene Rahmen sein«, sagte sie leise und schenkte ihrem Abbild im Spiegel ein glückliches Lächeln.

In diesem Moment klopfte es an die Tür, und eine ihrer Zofen betrat den Raum.

Das Mädchen machte hinter dem Rücken ihrer Herrin einen Knicks und fragte sich ängstlich, in welcher Stimmung sie sein mochte.

Lady Genevieve war unberechenbar, und ihre Dienerinnen wußten aus bitterer Erfahrung, wie schmerzhaft eine gut gezielte Haarbürste sein konnte.

»Was ist?« fragte Lady Genevieve scharf, nachdem sie fast eine ganze Minute hatte verstreichen lassen.

»Der Premierminister wünscht Ihnen seine Aufwartung zu machen, Mylady.«

Lady Genevieve fuhr wütend herum.

»Der Premierminister? Warum sagst du das nicht sofort, du Dummkopf!«

Sie warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel und war mit dem Ergebnis zufrieden. Mit Genugtuung stellte sie fest, daß das Negligé, das sie trug, die Rundungen ihres fast vollkommenen Körpers nur andeutungsweise verhüllte. Gewiß, es war schon spät am Morgen, aber ihr hoher Besucher würde, wie sie wußte, an ihrer Aufmachung keinesfalls Anstoß nehmen.

Das Mädchen öffnete die Tür, und Lady Genevieve schritt stolz erhobenen Hauptes über die Schwelle. Langsam stieg sie die schmale Treppe zum Salon im Erdgeschoß hinunter, wo der Viscount Melbourne auf sie wartete.

Er war ein entfernter Vetter, und mit Lady Genevieves Vater, dem Herzog von Harrogate, hatte ihn eine enge Freundschaft verbunden.

Lady Genevieve kannte und liebte ihn, seit sie ein Kind gewesen war.

Als sie den Salon betrat und Lord Melbourne erblickte, lief sie mit einem Ausruf der Freude auf ihn zu.

Mit seinen neunundfünfzig Jahren war der Premierminister immer noch ein bemerkenswert gut aussehender Mann.

In seiner Jugend war er eine blendende Erscheinung gewesen mit einem fein geschnittenen Gesicht und außergewöhnlich ausdrucksvollen Augen.

Er liebte die Gesellschaft schöner Frauen und übte eine magische Anziehungskraft auf die Damen aus.

Er galt als charmanter, äußerst glänzender Gesellschafter, der ein erstaunliches Maß an Witz und Schlagfertigkeit besaß.

Als er sah, wie leicht Lady Genevieve zu dieser späten Morgenstunde noch bekleidet war, leuchtete es in seinen Augen bewundernd und amüsiert auf.

Lady Genevieve trat dicht an ihn heran, legte die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf die Wange.

»Vetter William, wie süß, daß Sie gekommen sind«, sagte sie. »Ich wußte, Sie würden auf meinen Brief reagieren, hätte aber heute noch nicht damit gerechnet.«

»Du weißt, daß ich immer für dich da bin, liebste Genevieve!« sagte der Premierminister.

»Danke, Sie sind zu liebenswürdig«, erwiderte Genevieve. Sie nahm die Arme von seinen Schultern und zog ihn neben sich aufs Sofa.

»Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?« fragte sie. »Ein Glas Madeira oder Champagner, wenn Ihnen das lieber ist?«

»Nein, danke, im Augenblick möchte ich nichts Derartiges«, antwortete Lord Melbourne. »Dein Anblick genügt mir vollauf.«

Sein Lächeln war unwiderstehlich, als er fortfuhr: »Du siehst wunderbar aus, meine Liebe. Ich kenne keine Frau außer dir, die zu dieser Morgenstunde schon so auffallend schön und anziehend wäre.«

»Danke, Vetter William«, sagte Lady Genevieve. »Und nun, Sie Liebenswürdigster aller Männer, bedarf ich dringend Ihrer Hilfe.«

Lord Melbourne hob fragend die Brauen.

»Es ist sicher ein Versehen«, sagte Lady Genevieve, »aber ich habe meine Einladung zur Teilnahme an den Krönungsfeierlichkeiten noch nicht erhalten.«

Wie unbewusst entzog Lord Melbourne ihr seine Hand und legte sie nachdenklich ans Kinn.

Als er mit ruhiger Stimme antwortete, sah er Lady Genevieve nicht an.

»Es ist kein Versehen!«

Einen Moment lang schien es ihr die Sprache zu verschlagen.

Dann fragte sie in ungläubigem Tonfall: »Wollen Sie damit sagen, daß ich keine Einladung bekommen werde?«

»Ja! Die Queen hat deinen Namen bei der Vorlage der Gästeliste gestrichen.«

»Das ist unmöglich! Das glaube ich nicht!« brach es unbeherrscht aus Lady Genevieve hervor. »Wie kann sie wagen . . . wie kann sie annehmen, daß ich mir das bieten . . .«

Sie verstummte, und Lord Melbourne ließ einen leisen Seufzer hören.

»Sie sind ein wenig unvorsichtig gewesen, meine Liebe.«

»Sie meinen . . . mit Osric Helstone?«

»Unter anderem. Aber vielleicht hat die Liaison mit ihm und die Art und Weise, wie darüber geredet wurde, die Dinge auf die Spitze getrieben.«

»Sie meinen damit diese gehässigen alten Weiber, die es nicht ertragen können, daß er mir den Vorzug gibt. Seit Jahren versuchen sie vergeblich, ihm ihre triefäugigen Töchter anzudrehen. Und nun sind sie entschlossen, ihn mir wieder abzujagen. Wenn sie ihn schon nicht ergattern können, soll niemand ihn haben, wie?«

Lady Genevieve bebte vor Wut und Empörung, und ihre Augen funkelten wie die einer Wildkatze.

»Damit magst du nicht unrecht haben, meine Liebe«, gab Lord Melbourne zu. »Aber gleichzeitig muß ich dich daran erinnern, daß ich dich noch vor kurzem sehr eindringlich gewarnt habe. Die Zeiten haben sich geändert. Was unter der Herrschaft des lebenslustigen George IV. erlaubt war, ist nun aufs Äußerste verpönt!«

Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen, als erinnere er sich voller Wehmut an die Ungebundenheit und Freizügigkeit jener vergangenen Tage, in denen sich die Ladys beinahe genauso hemmungslos hatten geben können wie die Herren.

»König William und Königin Adelaide«, fuhr er fort, »taten, wie du weißt, ihr Bestes, um Sitte und Moral wieder zur Geltung zu bringen.«

Lady Genevieve lachte verächtlich.

»Der König war wohl kaum zum Sittenrichter bestimmt. Denken Sie an seine zehn Bastarde, die Mrs. Jordans ihm schenkte!« rief sie heftig.

»Nichtsdestoweniger«, entgegnete Lord Melbourne, »er setzte neue Maßstäbe, und die meisten Leute richten sich inzwischen danach.«

Er sah Lady Genevieve verständnisvoll an, während er sprach. Und sie zwang sich zu einem Lächeln.

»Ich bin nie eine Mitläuferin gewesen.«

»Das weiß ich«, antwortete er, »aber du mußt bedenken, daß die Queen noch sehr jung, sehr unschuldig und sehr eifrig ist.«

Lady Genevieve setzte schon zu einer abfälligen Antwort an, als sie sich daran erinnerte, daß alle Welt glaubte, Lord Melbourne und die Queen seien ineinander verliebt.

Ob dies der Wahrheit entsprach, wußte sie nicht. Es stand jedoch fest, daß die junge Monarchin ihn verehrte und ihm schwärmerisch zugetan war. Und es gab auch keinen Zweifel daran, daß Lord Melbourne, der zweimal als Mitbeklagter in einem Scheidungsprozess verwickelt war und wie durch ein Wunder unbeschadet daraus hervorging, nun seinen Skeptizismus und Zynismus mäßigte. Bei allem, was er sagte und tat, nahm er ganz offensichtlich Rücksicht auf das unschuldige Gemüt der Queen.

Seinen Freunden erschien es unglaublich, daß er es fertigbrachte, alle seine Abende mit ihr zu verbringen, um Halma und Mühle mit ihr zu spielen.

Lady Genevieve hatte sogar gehört, daß sich die Augen des Premierministers mit Tränen der Rührung füllten, wenn er von Königin Viktoria sprach.

Sie entschloß sich also zur Vorsicht, und anstatt wie beabsichtigt sich in scharfen Worten über die junge Queen auszulassen, sagte sie diplomatisch: »Vielleicht können Sie Ihre Majestät davon überzeugen, daß es ein nicht wiedergutzumachender Fehler wäre, auf den alle Mitglieder meiner Familie sehr empfindlich reagieren würden, wenn sie mich von der Teilnahme an der Krönungszeremonie ausschließt.«

Lady Genevieve hatte, noch während sie sprach, das Gefühl, daß dieser Einwand nicht besonders überzeugend war.

Ihr Vater war tot. Ihre Mutter lebte im hintersten Dorset und ließ sich niemals bei Hofe sehen. Ihre anderen Verwandten und die waren zahlreich hatte sie durch ihren Lebenswandel derart vor den Kopf gestoßen, daß sie ihr diese Blamage und Zurücksetzung durch die Königin durchaus von Herzen gönnten.

Sie stellte fest, daß Lord Melbourne von ihrem Argument tatsächlich nicht beeindruckt war, und deshalb fügte sie rasch hinzu: »Überdies habe ich noch einen anderen und viel wichtigeren Grund gegen die Entscheidung Ihrer Majestät ins Feld zu führen. Ich werde mich mit Lord Helstone vermählen.«

Erstaunt und zugleich ungläubig sah Lord Melbourne sie an.

»Mit dem ehescheuen Earl?« fragte er. »Bist du da ganz sicher?«

»Ganz sicher.«

»Das ändert natürlich alles«, sagte er. »Doch um genau zu sein: Hat Helstone ausdrücklich und offiziell um deine Hand angehalten?«

Lady Genevieve vermochte nicht, ihm in die Augen zu schauen.

»Nicht in der üblichen Form«; räumte sie zögernd ein. »Aber das wird er noch tun.«

»Ich wünschte um deinetwillen, ich könnte dessen sicher sein«, versetzte Lord Melbourne ruhig.

Er erhob sich vom Sofa und ging zur Feuerstelle hinüber.

In einer unnachahmlich eleganten Pose lehnte er sich, die Arme ineinander verschränkt, mit dem Rücken gegen das Kaminsims.

Nach einem Augenblick des Nachdenkens meinte er: »Genevieve, ich kenne dich, seit du als Baby in der Wiege lagst. Dein Vater war mein bester Freund, und deine Mutter war sehr verständnisvoll und hilfsbereit mir gegenüber in einer Zeit, in der es mir sehr schlecht erging.«

Lady Genevieve wußte, daß er die Zeit meinte, als er gegen den Willen seiner Familie die schöne, exzentrische und eigenwillige Lady Caroline Ponsonby heiratete. Sie war die einzige Tochter des Earl von Bessborough gewesen und hatte durch ihre Liebe zu Lord Byron einen öffentlichen Skandal heraufbeschworen.

1828, vor zehn Jahren, war sie gestorben. Lady Genevieves Mutter hatte oft davon erzählt, welche Geduld, welches Verständnis und welche Nachsicht Lord Melbourne seiner Frau entgegenbrachte, bis sie an einem schweren Nervenleiden unheilbar erkrankte und schließlich starb.

Es muß eine schlimme Zeit für ihn gewesen sein, denn das einzige Kind aus seiner Ehe mit Lady Caroline, ein Sohn namens Augustus, war schwachsinnig zur Welt gekommen und starb ein Jahr nach seiner Mutter.

»Papa und Mama haben Sie stets sehr geliebt«, sagte Lady Genevieve. »Genauso wie ich es tue.«

»Ich weiß«, antwortete Lord Melbourne, »aber umso mehr wünschte ich, du hättest manchmal etwas bereitwilliger auf meine Warnungen gehört.«

Lady Genevieve zuckte die Schultern.

»Das Leben ist kurz, und ich habe keine Lust, zu versauern.«

»Du weißt, Frauen können sehr grausam und unnachsichtig sein gegenüber einer Geschlechtsgenossin, die schöner ist als sie selbst und es obendrein noch wagt, sich über die gesellschaftlichen Normen hinwegzusetzen.«

»Wir sprachen von Osric«, sagte Lady Genevieve.

»Ich weiß, ich hoffe, daß dir gelingt, was zahlreichen Frauen vor dir nicht gelungen ist. Ich glaube nur, daß du eines übersiehst.«

»Was?« fragte sie fast feindselig.

»Ein Mann sucht sein Vergnügen und wer könnte ihm das verübeln? Das gilt erst recht für einen so attraktiven und anziehenden Mann wie Helstone, auf den die Frauen buchstäblich fliegen. Aber von seiner Gemahlin verlangt er einiges mehr als die Befriedigung seiner Begierden.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen«, antwortete Lord Melbourne zögernd, als suche er nach den richtigen Worten, »daß ein Mann an seine zukünftige Frau gewisse Ansprüche stellt. Vor allem möchte er, daß sie rein und unberührt in die Ehe geht. Jeder trägt ein Ideal in seinem Herzen, und er will, daß die Frau, die einmal seinen Namen trägt, diesem Ideal entspricht.«

»Rein und unberührt!« wiederholte Lady Genevieve fassungslos.

Sie konnte ein höhnisches Lachen gerade noch zurückhalten, denn ihr fiel ein, daß dies in der Tat das gewesen war, was Lord Melbourne bei Caroline Ponsonby gesucht hatte und was er an der Königin liebte.

Sie wußte, es hatte viele Frauen in seinem Leben gegeben. Und doch war er im Grunde seines Herzens ein Idealist, der in einer jungen, unreifen, kindhaften Frau die Verkörperung seiner Träume sah.

Sie schluckte die Worte hinunter, die ihr auf der Zunge lagen, und bemerkte: »Es ist ein wenig spät, von mir zu erwarten, daß ich noch einmal so sein könnte, wie ich mit siebzehn war.«

»Das ist richtig«, stimmte Lord Melbourne ihr zu. »Und Helstone mag deine Leichtfertigkeit, deine Mißachtung der Konventionen und deine Ungebundenheit durchaus interessant finden. Doch bist du ganz sicher, daß er diese Eigenschaften auch bei seiner zukünftigen Frau sucht?«

»Er wird mich heiraten«, erklärte Lady Genevieve eigensinnig.

Lord Melbourne seufzte.

»In diesem Fall gibt es nichts mehr zu sagen, meine Liebe.«

Er sprach die Worte mit einem charmanten Lächeln, und Lady Genevieve sprang auf, lief auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern.

»Wenn Osric mich heiratet, Vetter William, werde ich mir alle Mühe geben, mich zu bessern, auch in meinem Verhalten zu anderen. Und als seine Frau wird niemand mir den Zutritt bei Hofe verwehren können.«

»Nicht, wenn du dich entsprechend verhältst.«

»Du kannst dich auf mich verlassen«, versprach Lady Genevieve. »Und du wirst dafür sorgen, daß ich zur Krönung geladen werde, nicht wahr?«

»Das ist unmöglich«, erwiderte Lord Melbourne. »Es sei denn, dein Verlöbnis mit dem Earl würde noch vor dem achtundzwanzigsten Juni bekanntgegeben.«

Lady Genevieve preßte die Lippen zusammen.

»Ich habe also noch eine Galgenfrist«, flüsterte sie mit belegter Stimme. »Na schön, ich werde sie verdammt gut nutzen. Darauf können Sie sich verlassen!«

»Und versuche, nicht zu fluchen«, mahnte Lord Melbourne. »Die Queen wie viele junge Mädchen ist äußerst entsetzt, wenn jemand in ihrer Gegenwart einen Fluch benutzt.«

»Wie können Sie das nur ertragen, Vetter William?« fragte Lady Genevieve. » Sie und all die anderen?«

Lord Melbourne zögerte, bevor er antwortete.

»Ich bin der festen Überzeugung, daß alles, was ich in meinem Leben gelernt habe, alles Wissen und alle Erfahrungen, die ich zusammengetragen, alles Schwere, das ich erlitten habe, nur einen Sinn hatte: einer jungen Frau zu dienen, die einmal - davon bin ich felsenfest überzeugt - eine große Königin werden wird.«

»Glauben Sie das wirklich?«

»Ja«, sagte er schlicht. »Und was noch wichtiger ist: Sie vertraut auf mich.«

Lady Genevieve schwieg.

Sie erinnerte sich daran, daß jemand ihr erzählt hatte, nach Meinung der Queen sei Lord Melbourne der aufrichtigste, liebenswürdigste und verständnisvollste Mann der Welt.

Nachdem der Premierminister sich mit einem zärtlichen Kuß von ihr verabschiedet hatte, ergriff Lady Genevieve eine wertvolle Alabasterstatue und schmetterte sie wütend zu Boden, so daß sie in tausend Stücke sprang.

Dann begann sie laut und heftig zu fluchen.

Sie verfluchte den Hof, die verleumderischen alten Weiber, die in alles ihre Nase steckten und der Queen mit ihren ewigen Skandalgeschichten unablässig in den Ohren lagen.

Als Lady Genevieve den Salon verließ, standen die Diener mit schreckensbleichen Gesichtern wie erstarrt in der Nähe der Tür, während die Zofen sich auf dem Treppenabsatz versammelt hatten und in ein unterdrücktes Kichern ausbrachen.

Immer noch fluchend stieg Lady Genevieve in den ersten Stock hinauf und betrat ihr Schlafzimmer, das gerade von zwei Zofen in Ordnung gebracht wurde. Wütend warf sie die Tür ins Schloß und stürzte sich auf die beiden wie eine Furie. Der jüngeren versetzte sie einen Schlag ins Gesicht, die andere traktierte sie mit einer Haarbürste. Weinend lief das Mädchen aus dem Zimmer.

Der Wutausbruch schien Lady Genevieve gutgetan zu haben, denn eine halbe Stunde später, als ihr der Besuch Lord Helstones gemeldet wurde, bedachte sie das Mädchen mit ihrem strahlendsten Lächeln. Sie wirkte schön und begehrenswert wie immer.

Als sie die Treppe ins Erdgeschoß hinunterstieg, trug sie ein reich besticktes und mit Samtschleifen geschmücktes Musselinkleid. Über dem Arm hing ein spitzenbesetzter Seidenschal, und in der Hand hielt sie einen sogenannten Kiepenhut mit prächtigen bunten Hahnenfedern und einem feinen Schleier, der ihr Gesicht nur zart verhüllen würde.

Stolz betrat sie zum zweiten Mal an diesem Tag den Salon.

Lord Helstone stand an derselben Stelle vor dem Kamin, wo auch Lord Melbourne auf sie gewartet hatte.

Er wirkte äußerst elegant in dem modisch geschnittenen Cutaway und mit dem hohen, blütenweißen Hemdkragen unter dem markanten Kinn.

Als ihr Blick auf ihn fiel, bemerkte Genevieve zum ersten Mal eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern.

Ja, sie hatten etwas Gemeinsames. Es war die Atmosphäre weltmännischer Überlegenheit, die sie umgab. Von beiden ging ein Strom der Selbstsicherheit und Autorität aus. Nichts vermochte sie aus der Ruhe zu bringen. Und es schien für sie keine Situation zu geben, der sie nicht augenblicklich gewachsen waren.

Lady Genevieve schloß die Tür hinter sich und blieb stehen, den Kopf so gedreht, daß ihr Profil am wirkungsvollsten zur Geltung kam.

Sie wußte, daß die Eleganz ihres Kleides und die Schönheit ihrer Erscheinung ihren Eindruck auf ihn nicht verfehlen würden.

Lord Helstone besaß einen außerordentlich feinen Blick für Schönheit in jeder Form.

»Ich habe mich schrecklich nach dir gesehnt, Osric«, sagte sie schließlich mit einschmeichelnder Stimme.

»Ich wollte mit dir sprechen, Genevieve.«

Lady Genevieve ging auf den Earl zu.

Als sie dicht vor ihm stand, hob sie das Gesicht mit einem schmachtenden Ausdruck zu ihm empor.

»Sind Worte denn so wichtig?« flüsterte sie.

Er blickte auf sie nieder, in seinen Augen stand ein harter Glanz.

»Nimm Platz, Genevieve. Es gibt einige Dinge, die wir unbedingt miteinander besprechen sollten.«

Er sah das leichte Flackern, die Abwehr in ihrem Blick. Dann zuckte sie die Achseln warf schmollend die Lippen auf und ließ sich auf dem Sofa nieder.

Sein sachlicher Ton hatte sie gekränkt, aber sie wollte es nicht auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen.

»Ich höre«, erklärte sie mit einem schnippischen Unterton.

»Als wir das letzte Mal zusammen waren«, begann der Earl, »machtest du die Andeutung, daß du ein Kind von mir erwartest.«

Lady Genevieve lächelte.

»Das ist wahr«, sagte sie. »Ich dachte, es würde dich glücklich machen. Stell dir vor - ein Erbe, ein Sohn, der deinen Namen tragen wird! Ist es nicht das, was jeder Mann sich wünscht?«

»Unter gewissen Umständen ja«, stimmte der Earl zu. »Ich möchte auf jeden Fall sicher sein, daß es auch mein Kind ist.«

Lady Genevieves Augen wurden weit.

»Osric, wie kannst du daran zweifeln? Du müßtest wissen, daß es keinen anderen Mann mehr in meinem Leben gegeben hat, seitdem wir uns kennen! Du bist alles für mich alles! Wie kannst du annehmen, daß ich in dieser Zeit einen anderen Mann auch nur angesehen hätte!«

»Da gibt es noch etwas, das für mich von größter Wichtigkeit ist!«

»Und das wäre?«

»Ich möchte die absolute Gewißheit haben, daß du tatsächlich schwanger bist.«

»Wie kannst du das in Frage stellen! Gut, ich gebe zu, es ist noch sehr früh. Aber eine Frau kennt sich aus in diesen Dingen. Und ich bin ganz sicher, daß ich dir einen Sohn schenken werde!«

Der Earl schwieg.

Mit leiser, betörender Stimme fuhr sie fort: »Wann können wir heiraten? Ich möchte, daß wir nicht mehr zu lange damit warten.«

»Nein, da stimme ich mit dir überein«, erwiderte der Earl. »Deshalb würde ich vorschlagen, du setzt jetzt deinen Hut auf, und wir fahren sogleich bei Sir James Clark vorbei.«

»Sir James Clark?« fragte Lady Genevieve überrascht. »Wer ist das?«

»Der Leibarzt der Queen und ein Gynäkologe von Weltruf.«

Einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann sagte Lady Genevieve: »Es ist noch zu früh, um derartige Vorkehrungen zu treffen. Ich sehe keine Ursache, den Arzt schon zu diesem Zeitpunkt aufzusuchen. Ich fühle mich ausgezeichnet - ja, in der Tat, ich habe mich noch nie so wohl gefühlt wie in den letzten Wochen.«

»Was ich von Sir James Clark erfahren möchte«, versetzte der Earl unbeirrt, »ist, ob das Kind, das du unter dem Herzen trägst, auch wirklich von mir ist. Wenn das der Fall ist, werde ich den Gedanken an eine Heirat ernsthaft in Erwägung ziehen.«

Lady Genevieves Blick begegnete dem seinen.

»Ich sehe keinen Grund, weshalb ich mich einer derart entwürdigenden Prozedur aussetzen sollte«, erwiderte sie trotzig.

»Warum sagst du mir nicht die Wahrheit?« fragte der Earl. »Du weißt sehr wohl, daß du kein Kind bekommst und aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie eins bekommen wirst.«

Lady Genevieve schwieg. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Was sollte sie ihm antworten?

Sollte sie ihn anlügen, ihn wütend anfauchen oder seinem Ansinnen nachgeben?

Doch bevor sie antworten konnte, sagte er mit ausdrucksloser Stimme: »Zufällig weiß ich, daß du nicht in der Lage bist, Kinder zu bekommen. Du hast schon versucht, Rodney einen Sohn zu schenken. Vergeblich, nicht wahr?«

»Wer hat dir das erzählt?« schrie Lady Genevieve böse. Dann schien es ihr einzufallen. »Natürlich, ich kann mir denken, von wem du diese Dinge erfahren hast: Von Willoughby Yaxley! Seine Schwester, diese heimtückische Schlange, hat den Mund nicht halten können. Dabei hat Louise mir schwören müssen, nie und mit niemandem über das zu reden, was ich ihr anvertraute.«

»Jedenfalls hat sie die Wahrheit gesagt.«

»Na gut im Augenblick habe ich noch kein Baby«, gab Lady Genevieve verärgert zu. »Aber das besagt noch lange nicht, daß ich niemals eins bekommen kann!«

Virginia und der ehescheue Graf

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