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1. Um was geht es? Einleitung

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»Als Hirnforscher muss ich sagen: Dass wir für Geld arbeiten, war die dümmste Idee, die wir in unserer Menschheitsgeschichte entwickeln konnten.«1 GERALD HÜTHER

»New Training«. Oder: »New Learning«. Irgendetwas mit New oder agil oder 0. Oder X. So müsste es eigentlich heißen, dieses Buch. Unsere Arbeitswelt wandelt sich enorm – also sollte sich auch die interne Weiterbildung in den Unternehmen wandeln. Die Digitalisierung verändert tagtäglich unser (Arbeits-)Leben und damit auch die Bildungsund Lernmöglichkeiten. In den Unternehmen bilden wir Menschen aus, ohne konkret zu wissen, wie ihr Arbeitsplatz in nur wenigen Jahren aussehen wird. Das Wissen wandelt sich gefühlt minutenschnell – herkömmliche Bildungs- und Trainingskonzepte sind zu langsam und werden (hoffentlich) von individuellen Bildungskonzepten abgelöst: maßgeschneidert, gegebenenfalls adaptiv, leichtfüßig und nutzerfreundlich, motivierend, ökonomisch, flexibel.

Auch unsere Gesellschaft ist Veränderungen unterworfen – die individuelle Persönlichkeitsentwicklung wird immer wichtiger. Die meisten klassischen Bildungskonzepte sind dafür jedoch ungeeignet: Sie bilden keine klugen, erfahrenen, zur Selbstreflexion fähigen Menschen aus und weiter. Die Fehler der schulischen Bildung werden in der betrieblichen Bildung oft genug weitergeführt. Das Fachwissen, auf dessen Vermittlung sich die Schule bislang konzentriert hat, ist, überspitzt gesagt, passé. Schließlich können wir doch alles googeln – und tun das auch. Aber: Sind die wesentlichen Antworten auf das Leben tatsächlich in den Suchmaschinen zu finden?

Schließlich sollte doch etwas hängen bleiben – ein Wissen, das sofort wieder vergessen wird, bringt uns nicht weiter. Ergo: Wir benötigen Wissen, das wir so verinnerlicht haben, dass es uns zur Verfügung steht, wenn wir es brauchen.

Dieses Buch will Ihnen neue Antworten auf viele der Fragen geben, die mit dem viel beschworenen Wandel einhergehen. Und es stellt das Bisherige kühn infrage. Es gibt Ihnen das nötige Werkzeug an die Hand, das Sie für das aufregende Thema Weiterbildung in Ihrem Unternehmen brauchen. Sie dürfen also weiter wandeln, die Ärmel hochkrempeln und nach vorne schauen.

Sie werden beim Lesen (und sicherlich in Ihrem Arbeitsalltag) auf viele Stichworte aus der neuen Arbeitswelt stoßen: New Work, New Learning, Working Out Loud (WOL), der Upstalsboom Weg, agiles Arbeiten, Corporate Learning & Co. Immer klingt es nach Veränderung und Neuem. Der Wendepunkt zu diesen neuen Arbeitskonzepten liegt bereits hinter uns, auch wenn es noch nicht alle bemerkt haben. Wir können nur so weit sehen, wie wir den Kopf heben können. Alles, was diese neue VUCA-Welt angeht, können wir nicht erkennen und vor allem nicht beurteilen.

VUCA – das steht für Volatilität (Unbeständigkeit), Unsicherheit, Complexity (Komplexität) und Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Dabei ist eines ganz sicher: »Die Ungewissheit (Unplanbarkeit) ist die stärkste Gewissheit, und so langsam wie jetzt wird die Entwicklung wohl nie wieder sein!«2

Dieses Buch will provozieren, es will eine Wende einläuten, den Weg bereiten und alles durcheinanderbringen. Disruption, das Zerschlagen des Bisherigen, ist nicht umsonst ein zentraler Begriff unserer Zeit. Er gilt auch für die recht behäbige Trainingswelt, in der Überflüssiges wegfallen und das tiefe Anliegen wieder im Mittelpunkt stehen muss. Ohne ein radikales Um- und Andersdenken werden wir nicht weiterkommen. Wir lösen die Probleme, die wir jetzt haben, nicht mit den Mitteln, dem Wissen und der Haltung, mit denen wir sie geschaffen haben.

Trainings, die inhaltlich tagelang an der Oberfläche dümpeln und sich um die allgemeinen Soft-Skill- und Kommunikationsthemen ranken, werden Menschen wohl kaum dazu bringen, grundlegend anders zu denken und zu handeln. Und sie vermitteln auch nicht die Fähigkeiten, die wir in Zukunft immer mehr brauchen werden.

Die Entscheiderinnen und Entscheider in den Unternehmen brauchen Ratgeberinnen und Ratgeber*, die sich in ihren Disziplinen meisterhaft auskennen und wissen, wie das Neue in Form von Bildung ausgerollt werden kann – so, dass es einen Mehrwert hat. Sie sollten uns einen Lern- und Entwicklungsraum ermöglichen, in dem wir neu denken können. Wer als Trainerin oder Trainer so weit kommen möchte, braucht das entsprechende Rollenverständnis, eine Mission, Mut, Wissen und Kompetenz.

Eine Trainingsabteilung, deren Mitarbeiter und vor allem Chefs nur eine punktuelle Wissensübersicht haben und nicht agil sind, darf keinesfalls darüber entscheiden, wie Bildung und Weiterentwicklung im Unternehmen gelebt wird – ihr Horizont ist einfach zu klein.

Menschen zu einem anderen Verhalten zu bewegen und davon zu überzeugen, geschieht nicht durch öde Standardtrainings – es geschieht durch Einsicht, durch intrinsische Motivation. Es braucht eine emotionale Erschütterung – einen Aufruhr. Lernende, die ihre Neugier wiederentdecken, sind Gold wert. Sie bringen dem Unternehmen Wissen und Energie, eine Haltung, die Bisheriges und vor allem Festgefahrenes infrage stellt, sie stärken das Unternehmen und sind ein Garant für seine Weiterentwicklung. Doch genau das möchten viele der leider oft sehr behäbigen Personalabteilungen nicht.

Vielleicht bin ich eine Kassandra, die ruft. Doch es fällt mir mit jedem Jahr schwerer, einfach nur zuzuschauen, wie zig Millionen Euro für überflüssige oder unsinnige Bildungsmaßnahmen ausgegeben werden – statt auf einer Ebene zu arbeiten, auf der wirklich etwas Neues vorangebracht wird, zum Beispiel:

Eine agile Haltung und eine tief greifende Kooperation

Ein werteorientiertes Miteinander

Die Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die zeitgemäß sind

Eine hochwertige Fachlichkeit

Die Entwicklung von sinnstiftenden Aufgaben und Aktivitäten

Eine Weiterentwicklung, die auch das Gemeinwohl im Blick hat

Dafür braucht es Lehrmeisterinnen, die selbst über all das verfügen, was die Menschen lernen sollen, und die wissen, wie sie diesen Menschen hochkarätige Lernprozesse ermöglichen können. Und es braucht Trainingskonzepte, die Ressourcen bündeln und schonen.

Die Zukunftsfähigkeiten, das sind unter anderem Kreativität, kritisches Denken, Kommunikationsstärke und der Wille zur Kollaboration. Diese vier Fähigkeiten sollen helfen, unsere Ambiguitätstoleranz zu stärken – und die braucht es, um mit den vielen Unterschiedlichkeiten der Menschen (z. B. auf der kulturellen Ebene), mit denen wir zusammenleben und -arbeiten, zurechtzukommen.

Wichtig ist meiner Meinung nach außerdem die Sensibilität, die persönliche Durchlässigkeit. Und es geht auch um eine Sicht auf die Zusammenhänge und Werte: Wenn wir es nicht schaffen, dort hinzuschauen, wo die Menschen das ausbaden, was wir verursachen, dann fehlt es an globalem Denken und Verantwortungsbewusstsein. Wir müssen uns berühren lassen von dem, was wir »anrichten«, aber natürlich auch von den positiven Auswirkungen unseres Tuns und Wirkens.

Wir brauchen die Fähigkeit zu kollaborieren, denn je größer die wechselseitigen Abhängigkeiten auf dieser Welt sind, desto wichtiger ist die Zusammenarbeit zwischen uns Menschen und Völkern. Wertvolle Ideen und Innovationen entstehen nicht mehr allein am Schreibtisch, im Bastelkeller oder in der berüchtigten Garage, sie profitieren von vernetztem Wissen. Im Idealfall kommen wir zu einem ethischen Bewusstsein, wie es Gerald Hüther einmal beschrieben hat: »Wir müssen Formen finden, wie wir unser Zusammenleben so organisieren, dass wir nicht mehr so viel Energie verbrauchen, dass wir endlich die Ressourcen dieser Erde zu schätzen wissen und dass wir die Vielfalt des Lebendigen wieder wahren.«3

Wie kann eine solche Haltung in die Welt der Unternehmen Einlass finden? Das, was bisher Training hieß, bietet dafür wertvolle Möglichkeiten: Einflüsse von außen, Weiterentwicklung, Perspektivenwechsel, Inspiration. Neue Räume und Formen der Begegnung.

Dafür brauchen wir besondere Menschen: Menschen, die uns als Modell oder besser Vorbild dienen, wie das gelingen kann, und die uns eben jene Fähigkeiten zeigen und vorleben, die wir jetzt und zukünftig brauchen. Wir brauchen besondere Momente, Zeiten und Ereignisse während der Veränderung eines Unternehmens, die alles zum Drehen bringen. Und wir brauchen Bildungskonzepte, die punktgenau das ermöglichen, was gebraucht wird. Dazu gehören auch diese Magic Moments – Ereignisse, die alle Beteiligten mitnehmen, emotionale Erschütterungen, die im positiven Sinne Spuren hinterlassen und die der Anfang des Neuen und der Transformation sind.

Ganz klar, solche Veränderungen und Umstrukturierungen der Arbeitswelt ziehen sowohl Hoffnungen als auch Ängste nach sich, denn die Menschen können die Auswirkungen auf sich und ihr Leben noch nicht ausreichend einschätzen. Viele Menschen fragen sich beispielsweise, wie sie die immer weiter verschwimmende Grenze zwischen Arbeit und Privatleben leben können. Und wie kann es gelingen, die Arbeit theoretisch von jedem Ort der Welt aus zu tun?

Auch die Präsenz in den sozialen Medien erschwert eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatsphäre, insbesondere dann, wenn die beruflichen und privaten Kanäle auf einem Handy zusammenlaufen. Während sich jemand gerade privat auf seiner Facebook-Seite umschaut, kommen noch E-Mails herein, die beruflicher Natur sind. Es ist schwer, damit einen gesunden Umgang zu finden. Und auch dieser Aspekt hat mit der Qualität der innerbetrieblichen Weiterbildung zu tun: Schließlich sind die persönliche Entwicklung von Menschen, der Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit und eine ausreichende Work-Life-Balance ebenso wichtig wie ihr Fachwissen.

Eines ist sicher: Das Lernen im Unternehmen ist maßgeblich für den Erfolg des Unternehmens und der Mitarbeitenden. Lernen, Weiterbildung und Weiterentwicklung sind der Motor, um neues Wissen zu erzeugen und zu implementieren, es also nutzbar zu machen. Sie sind die Grundlage für viele Entscheidungen und Verbesserungen und der Quellcode der Kompetenzerweiterung – von Einzelnen, von Teams und dem gesamten Unternehmen.

Lernen als Prinzip und Haltung führt zum Kern persönlicher Weiterentwicklung, dem lebenslangen Lernen. Eine Weiterbildung auf der Höhe der Zeit hat aber natürlich auch rein wirtschaftliche Vorteile: Sie verbessert die Geschäftsergebnisse, steigert und fördert die Effizienz und Produktivität und ermöglicht sprunghafte Wettbewerbsvorteile.

Eine von vielen guten Nachrichten: 60 Prozent aller Mitarbeitenden würden sich gerne mehr weiterbilden – das besagt eine Studie, die die Haufe Akademie mit dem Marktforschungsunternehmen Forsa bei 1018 Angestellten durchgeführt hat. Dabei stehen Seminare und Tagungen hoch im Kurs.4

Gerade in herausfordernden Zeiten und schwierigen Bereichen hilft eine moderne Weiterbildung, gute (Geschäfts-)Ergebnisse zu erzielen:

Schlüsselpositionen können besser herausgearbeitet, gefördert, entwickelt und gestärkt werden.

Die vielfältigen Change-Management-Prozesse, Fusionen, Restrukturierungen und Produkteinführungen können optimal begleitet werden. Dafür ist eine zeitgemäße Weiterbildung Antrieb, Schmierstoff und Katalysator zugleich.

So wie sich die Arbeitswelt in New Work wandelt, sollte sich auch das Lernen wandeln, sperrige Konzepte sollten aufgebrochen und ersetzt werden: durch Corporate Learning, agile Blended-Learning-Konzepte und neue Formen und Dimensionen, in denen Lernen gestaltet wird und geschieht. Dazu später mehr.

Das Konzept des lebenslangen Lernens birgt ungemein viel Potenzial in sich. Jeder sollte diesen Weg gehen. Nur so haben wir die Chance, uns für das Jetzt und die teilweise sehr ungewisse Zukunft zu rüsten. Machen wir uns fit für den Wandel – das geschieht durch Lernen.

Doch sind die Möglichkeiten zu lernen so vielfältig geworden, dass wir sie als einzelne Menschen gar nicht wirklich überblicken können – das gilt auch für Führungskräfte, die über das Weiterbildungskonzept in ihrem Unternehmen entscheiden oder diesen Prozess delegieren. Genau für sie wurde dieses Buch geschrieben. Ein wirksames Learning- oder Bildungskonzept in Unternehmen unterstützt sinnvollerweise nicht nur das Faktenlernen und die Vermittlung von purem Wissen, es bezieht die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden ein. So kann das Unternehmen seine Beschäftigten weitaus mehr als starke Partner in den zukünftigen Veränderungsprozessen sehen und auch halten.

*In diesem Buch sollen sich alle angesprochen fühlen. Da mir Dogmen fernliegen, habe ich mich für eine spielerische Form des Genderns entschieden. Mal nutze ich die weibliche Form, mal die männliche, mal die allgemeine / neutrale, wenn es sich anbietet – und hoffe auf die gedankliche Flexibilität meiner Leserinnen und Leser!

Wir brauchen andere Trainings!

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