Читать книгу Artemisia annua - Heilpflanze der Götter. Kompakt-Ratgeber - Barbara Simonsohn - Страница 7
ОглавлениеHistorie und Botanik
Artemisia annua wird als Heilpflanze bereits seit mehr als 2000 Jahren in China verwendet und ist dort ein fester Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Auf Chinesisch heißt die Pflanze Quinghao, und über sie steht bereits etwas in der antiken »Materia medica« geschrieben – einer Sammlung an Texten über heilkräftige Substanzen aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung.
Der erste Hinweis auf die Wirkung als Malaria-Mittel wurde von Ge Hong im vierten Jahrhundert erbracht. Im alten China wurde Artemisia annua für die verschiedensten medizinischen Zwecke verwendet, zum Beispiel als Entwurmungsmittel, als Antiseptikum zur Desinfizierung von Wunden, bei Durchfall, als Antibiotikum gegen Keime jeder Art, als fiebersenkendes Mittel, bei Gelenkschmerzen, Nasenbluten, Abszessen, Erkältungen, Hämorrhoiden, zur Stärkung des Immunsystems und zur Heilung gut- und bösartiger Geschwulste. Die Chinesen nutzten die Pflanze auch zur Eindämmung von Gerüchen, die von Verstorbenen auf Friedhöfen ausgehen, und zur Vertreibung von Insekten.1
Herkunft und Anbaugebiete
Auf Englisch heißt die Pflanze annual wormwood, sweet annie oder sweet wormwood, was auf ihre Wirkung als Entwurmungsmittel hinweist. Ursprünglich beheimatet oder endemisch ist Artemisia annua in den nordchinesischen Provinzen Chahar und Suiyuan auf 1000 bis 1500 Metern Höhe. Mittlerweile hat der Einjährige Beifuß die gemäßigten, subtropischen und tropischen Zonen weltweit erobert. Die Pflanze wächst sogar in Wüsten und Halbwüsten mit Hauptverbreitung in der nördlichen Hemisphäre. In Europa und in den Vereinigten Staaten von Amerika wächst Artemisia annua wild oder im Anbau. Länder, in denen die Pflanze als Kulturpflanze und als Wildpflanze heimisch ist, sind zum Beispiel Deutschland, die Schweiz, Österreich, Argentinien, Bulgarien, Frankreich, Ungarn, Italien, Spanien und Ex-Jugoslawien. Im großen Stil und auch kleinbäuerlich wird Artemisia annua in tropischen Ländern angebaut, wo die Pflanze vor allem als Malaria-Mittel genutzt wird. Hauptanbaugebiete für den Einjährigen Beifuß als Quelle von Artemisinin sind China und Vietnam sowie Rumänien, wo die Pflanze hauptsächlich der Destillation ätherischer Öle dient. Artemisia annua wird aber auch in großem Umfang in Afrika geerntet; hier sind Nigeria und Kenia die Hauptanbauländer zur Gewinnung von Artemisinin. Auf dem afrikanischen Kontinent nahm der Anbau Fahrt auf, nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO die Artemisinin-Kombinationstherapie ACT – Artemisinin Combination Therapy – zum Kampf gegen die Malaria auslösenden Parasiten empfahl, die bereits gegen zahlreiche Medikamente resistent geworden waren. Artemisinin findet sich in den drüsigen Haaren der Blätter, die daher als wertvollste Pflanzenteile gelten und kurz vor der Blüte die höchste Artemisinin-Konzentration aufweisen. Die Produktion von einem Kilo Artemisinin erfordert etwa 1200 Kilogramm getrockneter Blätter, das entspricht etwa dem Ernteertrag von 1,2 Hektar Anbaufläche.
Firmen und Entwicklungshilfeorganisationen wie Anamed gehen dazu über, Hybriden mit einem möglichst hohen Artemisinin-Gehalt zu kultivieren.
INFO
WAS IST ANAMED?
Anamed ist aus der 1985 im Kongo begonnenen medizinischen und kirchlichen Entwicklungshilfearbeit des Apothekers Dr. Hans-Martin Hirt entstanden. Die dort und in Folge weltweit gewonnenen naturmedizinischen Erkenntnisse für eine eigenverantwortliche, nachhaltige und allen Menschen zugängliche Gesundheits- und Nahrungsvorsorge prägen den Verein.
Hybriden sind Pflanzen, die keine Samen mehr bilden und nur vegetativ durch Stecklinge vermehrt werden können. Die Vermehrung durch Stecklinge ist einfach: Sie wachsen fast zu 100 Prozent an. Diese Pflanzmethode ist aber teurer als das Säen. Pharmafirmen, welche Medikamente aus Artemisia annua herstellen, erwarten eine gleichbleibend hohe Konzentration von Artemisinin, die durch Hybriden eher gewährleistet ist. In Vietnam mit seinen besonders günstigen Anbaubedingungen werden Spitzenwerte von 20 Kilogramm Artemisinin pro Hektar Anbaufläche erzielt.
Daten zur Pflanze
Artemisia annua ist, wie der lateinische Name zum Ausdruck bringt, eine einjährige Pflanze. Sie erreicht bis zu 2,5 Meter Höhe, und ihre Zweige sind abwechselnd angeordnet. Der engste Verwandte im Pflanzenreich ist der Absinth oder Wermut, mit lateinischem Namen Artemisia absinthum.
Es gibt ungefähr 400 Artemisia-Arten. Bei uns ist der Meeresbeifuß – Artemisia maritima – heimisch, den wir im Naturpark Wattenmeer finden, und der Gemeine Beifuß, Artemisia vulgaris, den schon unsere Vorfahren, die Germanen, als Heilpflanze und als Räucherwerk für rituelle Zwecke schätzten. Die Unterscheidung der einzelnen Spezies stellt selbst für Biologen eine Herausforderung dar, weil sie sich morphologisch oft sehr ähneln. Artemisia annua gehört zur Familie der Korbblütler oder Asterngewächse. Korbblütler sind zum Beispiel Sonnenblumen, Chrysanthemen, Löwenzahn, Gartensalat und Artischocke.
Die Blätter verströmen dank ihrer zahlreichen ätherischen Öle einen betörenden Duft. Sie sind 2,5 bis fünf Zentimeter lang, ein bis drei Zentimeter breit und zwei-bis dreifach fein gefiedert und besitzen kammförmig gesägte Blattzipfel. Die Stängel sind meist vollständig kahl. Die Blüten zeigen sich winzig, ähnlich wie bei unserem heimischen Beifuß, gelb und in losen Rispen angeordnet, mit ihren nickenden Blütenköpfchen in Abständen von nur zwei bis drei Millimetern. Auch sie duften betörend. Die Blütenstände sind körbchenförmig. Die Samenhülle ist ebenfalls winzig und nur einen Millimeter lang. Von Natur aus wird die Pflanze von Insekten oder Wind bestäubt.2 Sie braucht in der Blütezeit, die Mitte August beginnt, eine Tageslichtlänge von 13,5 Stunden.3 Heute baut man Artemisia annua in vielen Ländern der Welt wegen der Gewinnung von Artemisinin an, weil die synthetische Herstellung dieses Anti-Malaria-Mittels zu teuer ist und sich daher nicht rentiert. Die Sorten, die dafür verwendet werden, erreichen ihre höchste Artemisinin-Konzentration vor der Blüte am Ende ihres Wachstumszyklus. Die Pflanze gilt als extrem robust und quasi frei von Krankheiten und Schädlingsbefall. Manche Pflanzen werden von einem Pilz befallen, der aber nur höchstens ein Prozent der Pflanzen betrifft. Im industriellen konventionellen Monokultur-Anbau werden oft Herbizide eingesetzt, weil die jungen Setzlinge empfindlich auf Unkräuter reagieren.
Zwar ist das Genom der Artemisia-annua-Pflanze noch nicht endgültig entschlüsselt, trotzdem ist die Pflanze die bei Weitem am gründlichsten erforschte Vertreterin der Artemisia-Pflanzenfamilie.
Es bleibt dennoch viel Forschungsarbeit zu leisten, da die Pflanze außer Artemisinin noch jede Menge weitere Inhaltsstoffe enthält, die gesundheitliche Wirkung versprechen.
Artemisia-Anbau zu Hause
Artemisia annua wächst in unseren Breiten! Sogar sehr gut, wie ich dank einer kleinen »Artemisia-Plantage« von vier Pflanzen letztes Jahr erleben konnte. Zwei Pflanzen hatte ich selbst gezogen, zwei von einer Gärtnerei (→ Bezugsadressen, Seite 120) zugeschickt bekommen. Alle vier entwickelten sich prächtig und hatten zur Erntezeit kurz vor der Blüte fast dieselbe Größe von etwa 1,50 Meter.
Das Kraut ist nur einjährig, sodass man die Pflanze nicht draußen überwintern kann. Man lässt einfach eine der selbst gezogenen Pflanzen blühen und erntet die Samen. Eine einzelne Pflanze produziert etwa 2000, sodass Sie die Winzlinge in eine kleine Butterbrotpapiertüte geben und damit Ihre ganze pflanzenbegeisterte und gesundheitsbewusste Verwandtschaft samt Freundeskreis versorgen können. Die Samen sind gut haltbar und verlieren pro Jahr weniger als zehn Prozent ihrer Keimfähigkeit, wenn sie trocken und kühl aufbewahrt werden.
Kleine Artemisia-Pflänzchen in guter biologischer Erde
Wenn Sie in Europa leben, sollten Sie schon im Februar Artemisia-Samen im Wohnzimmer oder, falls vorhanden, im Wintergarten oder Gewächshaus aussäen. Die Samen sind sehr klein. Rechnen Sie für einen Samen etwa fünf Zentimeter Fläche. Wichtig ist es, den Samen nur auf die Erde zu streuen und nicht mit Erde zu bedecken. Artemisia-Samen sind nämlich sogenannte »Lichtkeimer«. Das Saatbeet können Sie auf der Fensterbank stehen lassen. Schon nach drei bis sieben Tagen keimen die Samen. Wenn man mehr als einen Samen pro Quelltopf verwendet hat, muss man vorsichtig vereinzeln. Verwenden Sie am besten kleine Anzuchttöpfchen aus Torf, die Sie später nach draußen in den Garten pflanzen können, ohne die empfindliche Pflanzenwurzel zu beschädigen.
Ideal ist es, wenn man die Pflanzen, solange sie nicht an ihrem endgültigen Platz sind, von unten gießt, ähnlich wie Azaleen. Artemisia-annua-Pflanzen lieben Sonne und brauchen »feuchte Füße«, die Erde darf nicht austrocknen. Die Pflanze braucht viel Licht, daher ist ein Fensterbrett nach Süden ideal.
Bei gutem Wetter können Sie dann die Pflänzchen ab April, sonst nach den Eisheiligen Ende Mai ins Freiland bringen. Artemisia-Pflanzen vertragen Kälte bis zu minus zwei Grad Celsius.
INFO
PFLANZTIPP ERDE
Am besten nehmen Sie Bio-Anzuchterde aus dem Handel. Wer sie selbst herstellen möchte, hier das Rezept: Sie nehmen einen Teil mindestens ein Jahr alte Komposterde, einen Teil Sand und ein bis zwei Teile Wasser. Komposterde können Sie selbst im Kompostbehälter herstellen oder kaufen. Diese drei Komponenten vermischen Sie gründlich.
Wenn die Pflänzchen etwa 15 Zentimeter groß sind, sollten Sie sie mit mindestens einem halben Meter Abstand auspflanzen. Sie graben einfach ein Loch und setzen das Torftöpfchen samt Pflanze ein.
Die Erde, in welche die Pflänzchen gepflanzt werden, sollte fruchtbar und locker sein. Wer Mischkultur zum Beispiel mit Salat oder Buschbohnen möchte, pflanzt Artemisia mit einem Meter Abstand und dazwischen die anderen Kulturen. Sind diese reif und können geerntet werden, machen sie dem weiteren Wachstum der Artemisia-Pflanzen Platz.
INFO
PFLANZENVERMEHRUNG ZU HAUSE
1 Wenn Sie nur eine Artemisia-Pflanze haben, können Sie sie selbst vermehren, indem Sie Stecklinge ziehen. Von einer kräftigen Mutterpflanze, die etwa zwei bis vier Monate alt ist und noch nicht blüht, schneiden Sie mit einem scharfen Obstmesser fünf bis zehn Zentimeter lange Zweigspitzen ab. Die untere Hälfte wird entlaubt. Jetzt nehmen Sie einen Eimer oder eine Schüssel, die Sie mit Wasser füllen, in das Sie etwas organischen Dünger gegeben haben. Sie decken das Ganze mit Fliegengaze ab und befestigen diese mit einem Gummiband am Rand. Stecken Sie die Zweiglein von oben durch das Netz. Das Ganze kommt an einen hellen Platz, aber nicht in die volle Sonne. Riecht das Wasser schlecht, wird es gewechselt.
2 Alternativ können Sie schräg angeschnittene Stecklinge in ein Saatbeet stecken – bis zur Hälfte schräg in feuchte Anzuchterde, das fördert die Wurzelbildung.
3 Die dritte Methode besteht darin zu warten, bis die Pflanze mindestens 50 Zentimeter hoch gewachsen ist. Sie schneiden die Hälfte der unteren Zweige ab. Die verbliebenen biegen Sie nach unten zur Erde und beschweren sie mit einem Stein. Nach etwa vier bis fünf Wochen bilden sich am beschwerten Teil Wurzeln. Jetzt können Sie den Ableger von der Mutterpflanze trennen und an eine beliebige sonnige Stelle im Garten verpflanzen.
Das Beet sollten Sie regelmäßig hacken und gießen. Mulchen mit angetrocknetem Rasenschnitt ist eine gute Idee, wenn Sie nicht zu viele Nacktschnecken in Ihrem Garten haben. Rasenschnitt ist der ideale Dünger und hält den Boden feucht. Dasselbe können Sie auch mit Beinwellblättern machen. Um das Pflanzenwachstum zu fördern, empfiehlt sich organischer Dünger wie Hornmehl.
Ernte und Verarbeitung
Die Blätter der Artemisia-annua-Pflanze sind der heilkräftigste Teil mit den meisten Inhaltsstoffen. Wichtig ist es daher, den Einjährigen Beifuß vor der Blüte zu ernten: In diesem Stadium sind die Blätter am gehaltvollsten. Später würde die Energie in die Blüten gehen. Wer den richtigen Erntezeitpunkt verpasst hat, kann aus den Blüten Tee zubereiten.
Wenn Sie die ersten kleinen Knospen entdecken, ernten Sie einfach die gesamte Pflanze ab, es sei denn, Sie brauchen die Samen. Halten Sie einen Zweig fest, und streifen Sie die Blätter kräftig von oben nach unten ab. Die Blätter geben Sie auf ein großes Brett. Schneiden Sie sie mit einem Messer in ein Zentimeter große Stücke. Diese Stücke breiten Sie sofort danach auf einer Plane aus und legen sie zum Vortrocknen in die Sonne. Danach trocknen Sie sie bei 40 Grad Celsius fertig. Ich verwende dazu ein Gerät mit Temperaturregelung, das es im Internet zu beziehen gibt.
Die Stiele sollten Sie nicht wegwerfen. Sie können sie ebenfalls klein schneiden, trocknen und beispielsweise als Zusatz zu Tierfutter verwenden.
Wenn die Blätter völlig trocken sind, können Sie sie in Gläser, in eine Papiertüte oder in einen Plastikbeutel für Lebensmittel abfüllen und dunkel und trocken lagern. Die Qualität der Blätter erkennt man daran, dass sie leuchtend dunkelgrün sind, keine Blüten oder Stiele enthalten und frisch wie Heu riechen. Diese Teegrundlage – die Sie auch kaufen können – darf nicht gräulich oder bräunlich sein und auch nicht muffig riechen. Dann ist nämlich das Chlorophyll deaktiviert, und auch andere wichtige Inhaltsstoffe wie Fettsäuren sind zerstört.
Mehr zur Tee- und Blattpulver-Nutzung erfahren Sie ab Seite 96 ff.
Setzlinge werden auf der Plantage eingepflanzt.