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Prolog

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Hoch oben über dem großen Strom auf dem bewaldeten Kliff gab es eine Lichtung von der aus man sowohl flussabwärts als auch ein stückweit flussaufwärts schauen konnte. Obgleich es einige Tagesreisen weit bis zum Meer waren, waren Woche um Woche Schiffe zu beobachten, wie sie sich bei günstigem, achterlichem Wind mit der Flut den Strom hinauf quälten. Es war lohnend dieses Wagnis auf sich zu nehmen, und die Gefahren, die Inseln und Untiefen, die der Fluss für die Seefahrer bereit hielt, zu umschiffen. Stromaufwärts winkte ein sicherer Handelsplatz, welcher in diesen unsicheren, kriegsbesetzten Zeiten im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert war.

An der Mündung eines kleineren Nebenflusses, umgeben von den Sümpfen des kleinen Deltas, entstand ein uneinnehmbarer Handelsplatz, der den Begehrlichkeiten von Kriegsherren und anderen marodierenden Banden trotzen konnte. Charakterlich ebenso fragwürdige, menschliche Untugenden, wie das Morden und Brennen marodierender Banden brachte der Handel mit sich. Geldgier und Wucherei waren durchaus akzeptierte, legitime Mittel, verliefen jedoch meist unblutig.

Von der kleinen Handelsniederlassung führte ein Pfad hinauf zum Kliff und durch den dichten Wald der das Kliff vollständig bis zur Abbruchkante bedeckte und ihn zu einem gespenstischen Ort werden ließ. Diesen Pfad, der auch Ochsenkarren Platz bot, nutzten häufig die Händler, welche in fernen Städten ihre Waren feilbieten wollten. Wenn dieser grausige Ort passiert war führte der Pfad nach wenigen Kilometern über eine Lichtung das Kliff wieder hinab, immer in Sichtweite des großen Stromes durch kleinere Niederlassungen und dann in die Haselmarschen hinein. Danach folgte sein Verlauf weiter dem Strom einige Tagesreisen bis zum Meer und zu den Inselfriesen, einem wehrhaften Volk mit rustikalen Sitten und Gebräuchen.

Dort, wo der Kliffwald landeinwärts endete, ging er in ein Hochmoor über. Weiter vom Strom entfernt mündete das Moor in einen langsam verlandenden See, dessen Schilfgürtel sich weit ins Binnenland erstreckte. Somit musste jeder Mensch, der das Kliff überwinden wollte den Pfad nehmen und konnte nicht auf anderen Wegen ausweichen.

Dieser See nun war zum Schilfgürtel hin nicht sehr tief, konnte aber, sofern man freies Wasser gewann über steinigem Grund einige Meter Tiefe erreichen. Der Fischreichtum hatte einen Fischer, der die Gefahren des großen Stromes nur allzu gut kannte dazu bewogen, sich im unzugänglichen hochgelegenen Moor anzusiedeln. Mit seinen drei Söhnen hatte er eine Hütte gebaut, welche vom Handelspfad aus nur äußerst schwer zu erreichen und nicht direkt auszumachen war.

Eigentlich war der Fischer kein schlechter Mensch, aber der Tod seiner Frau, die dem großen Fluss beim Reusen legen zum Opfer geworden war, hatte ihn hart gemacht. Auch seine Söhne, die er allein großgezogen hatte, waren recht raue Gesellen geworden. Ihnen graute es vor nichts und sie scheuten vor keiner Untat zurück. So geschah es, dass sie nicht nur den Fischen des Sees gewaltig zusetzten. Auch die reichen Kaufleute, welche zu Pferde oder mit dem Ochsenkarren auf dem Pfad vorbei kamen weckten ihre Begehrlichkeiten.

Von einigen dieser armen Seelen wurde in der Handelsniederlassung nie wieder etwas gehört und statt Fisch stand bei den Fischern so manches Mal Ochsenbraten auf dem Speiseplan. Handelswaren aller Art schmückten die Hütte und manches wurde im Wald vergraben. Die Gold und Silberstücke sowie die wertvollen Geschmeide nähte der Fischer in eine Ochsenhaut ein und fuhr damit hinaus auf den See, bis er freies Wasser gewann. Unweit der Stelle, wo bereits die früher hier ansässigen Stämme ihren Gerichtsplatz hatten und mancher Bösewicht „gewörgelt“ wurde, (das heißt in einen Sack gesteckt, ins Wasser geworfen und zu Grunde ging, biss er keine Blasen mehr schlug,) versenkte er die Ochsenhaut über steinigem Grund. Nur ein kleines Stück Holz an einer Schnur zeigte noch an, wo der Hauptlohn der Missetaten sich befand.

Eines Tages entlief das Pferd eines überfallenen Kaufmannes und lief schnurstracks zur Handelsniederlassung zurück. Nun vermutete man dort, dass das Verschwinden so manchen braven Mannes in greifbarer Nähe passiert sein musste. Bewaffnete Landsknechte strömten aus dem Tor zwischen den Barrikaden des kleinen Ortes hervor und das Kliff hinauf. Nach vielen Stunden der Suche wurden sie des Fischers und seiner Söhne habhaft und führten sie der gerechten Strafe, die sie sich „redlich“ verdient hatten, zu. Aber nicht nur die Fischer waren dem Tode geweiht, sondern auch der See. Viele, viele Jahre, in denen er weiter verlandete und zum Teich wurde, vergingen.

Totensee oder Die Odyssee des van Hoyman

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