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Punkte, Linien, Zeichen. Eine leicht zu entschlüsselnde Schrift, dachte sie. Man erkannte wieder. Aber ja!, sagten die Leute, baten sie darum, in ihren Skizzenblock hineinschauen zu dürfen. Das ist doch, nicht wahr? Sagten es erstaunt, hatten eine Weile gebraucht, um das, was sie sahen, mit dem in Zusammenhang zu bringen, was sie kannten. Sie fuhr mit spitzem, weichen Bleistift über das Papier, machte sich Notizen über das Gesehene. Wie Kiefern wuchsen, wenn man sie ließ, wie vielfältig die Form. Die Äste frei stehender Kiefern verschlungen, Bögen, Schwünge, die Rinde dunkel und dann nach oben hin von leuchtender braungelber Farbe. Schon beim Hinsehen spürte sie auf ihren Handinnenflächen Risse und Glätte. Sie sah von der Steilküste hinab auf die graue See. Schritte, die hinter ihr aufhörten. Eine männliche Stimme, man konnte sich in ihr wohl fühlen. Schön hier, sagte der Mann. Sprach aus keiner Höhe auf sie herab, war also nicht eben groß, auch nicht klein, da sie als groß gewachsen galt. Sie wandte sich jedoch nicht um. Wollte nicht enttäuscht werden durch nebensächliches Gesicht. War von Stimmen fast noch abhängiger als vom Aussehen der Menschen. An den Klang geborstener Stimmen, wie sie sich ausdrückte, an die eintönigen in oberer Tonlage, an grelle und gequetschte konnte sie sich nie gewöhnen. Fast noch mehr aber stießen sie Männer ab, die volltönend redeten, in Versammlungen lange sprachen, und sie hatten aber auch überhaupt nichts gesagt. Die Stimme nicht zu dunkel und reich im Klang. Sie murmelte etwas. Sollte der Mann gehen, bliebe seine Stimme noch eine Zeitlang bei ihr. Wieder sprach er. Kann man sehen? Wortlos hob sie den Block über die Schulter, ließ den Arm wieder sinken, zeichnete weiter. Der hinter ihr gab nicht nach. Machen Sie das beruflich? Na schön, wandte sie sich eben um, sah ihn an. Mitten in die Augen hinein. Hellbraun die, gelbbraun seine Haut. Er war von mittlerer Größe, wie sie sich gedacht hatte, mager, doch athletisch. Haare zentimeterkurz geschoren, das Gesicht länglich-oval, die Nase scharf, der Mund vorgewölbt, starke Mundfalten. Ein Kopf, wie man ihn in der römischen Abteilung von Museen sah. Mochte Mitte Vierzig sein oder drüber oder drunter. Aus Spaß, antwortete sie ihm endlich. Aber Sie haben eine Ausbildung! Sie nickte, lächelte nun doch. Seine Lippen zogen sich bis zum Zahnfleisch zurück, der Mund schloss sich wieder. In den Augen blieb Lächeln übrig. Weiteres Ausfragen erfolgte, ob sie im Dorf wohne und bei wem. Nur so funktioniert das, sagte er dann. Beziehungen. Man kennt sich. Spöttisch breitete er sich über Waren-Kreislauf aus, über Rückkehr zu einfachen Tauschgeschäften in hochzivilisierter Zeit, da besonders Begehrtes für Geld kaum zu haben war. Aber das System schafft feste zwischenmenschliche Bande, und so könnten wir vielleicht doch von Sozialismus in hiesigen Breiten sprechen, endete er. Wenigstens kein übliches Geschrei über die Zustände hierzulande. Wehleidigkeit nervte sie. Lachen dagegen immer willkommen. Waren ja das Land, in dem politischer Witz hoch im Kurs stand, in dem man sich Dummheit von der Seele lachte. Ihr Lächeln die Antwort, die er hatte haben wollen. Er legte seinen Kopf zurück, sah sie aus den Augenwinkeln heraus an. Ich bin heute Abend in der Dorfkaschemme. Sie reagierte nicht. Sieht man sich? - Vielleicht. In seinen Augen wieder ein Lächeln, war nicht nur Freundliches drin. Er ging.

Einige Striche. Kein Eindruck mehr von Weite kam von der See auf sie. Dachte stattdessen an Jo. Ob er sich zu essen machte oder wenigstens essen ging. War so nachlässig mit sich, ihr Jo.

Eine Treppe führte gerade den Steilhang hinunter, Baumstämmchen an den Seiten hielten den Sand fest. Sie lief auf nassem, festem Sand, kaum Fußspuren hinterlassend. Das Meer unruhig, immer gleiches klatschendes Geräusch auslaufender Wellen, die kamen manchmal bis an die Schuhe. Konnte man lange um diese Jahreszeit gehen, ohne einen Menschen zu treffen. Traf man doch einen, grüßte man. Wo wenige Menschen waren, beachtete man sich. Lichter wurde der Himmel, das Grau des Wassers um Farbnuancen verändert. Stimmungen, Farben wechselten, da bekam man alles bis hin zum Hochdramatischen. Jeder Tag an der See ein anderer, manchmal noch eine Ahnung vom Vortag, meist überhaupt keine. Mitunter konnte man Angst kriegen vor Unberechenbarkeit, Rauheit. Dagegen das Immerblau des glatten Schwarzmeers im Sommer. War beim ersten Aufenthalt mit Jo regelrecht enttäuscht gewesen. Baltiskoje morje, sagte sie leise-zärtlich, die aus wenigem Schulrussisch in ihrem Kopf verbliebenen Worte, vor sich hin.

Die Kneipe voll, verraucht. Wegen großen Respekts vor den Einheimischen war sie nie hineingegangen. Sollten die ihren Raum für sich haben. Nun aber war da jemand, der ihr Gesellschaft angeboten hatte. Sie sah an den aufblickenden, starrenden Männern vorbei. Eine Hand winkte, gehörte ein länglich-ovaler geschorener Schädel dazu, aus dem ein Grinsen herausfiel. Sie durchquerte den Raum. Sonst liege ich um diese Zeit im Bett und lese, sagte sie. Was soll man abends anderes tun. In seinen Augen leichter Spott, wie sie das nun schon mal gesehen hatte. Auch' n Bier? Gut ist es hier oben ja nicht. - Auf keinen Fall. (Das Gefälle ging von Nord nach Süd, im Sächsischen kriegte man das beste Bier.) Aber trotzdem, sagte sie. Warm wurde ihr. Alkohol stieg ihr immer schnell zu Kopf. Es plauderte, lachte aus ihrem Mund. Beinahe gleichzeitig hörte sie auf die Einheimischen, ihre mecklenburgische Redeweise, wollte wissen, woher er kam, vor allem das, damit gleich sicher war, es blieb bei diesem einen Abend. Auf einen Abend konnte sie sich einrichten. Doch auch, dass er in Hauptstadt der Deutschdemokratischen wohnte wie sie, musste überhaupt nichts bedeuten. Sie überspielte Erschrecken durch schnelle weitere Frage. Und was machen Sie beruflich? - Ich bin Journalist. - Oh Gott. (Waren das doch die Leute, die in den Zeitungen alles auf die schöne Menschengemeinschaft, auf immerwährenden Fortschritt et cetera zusammenlogen, Überholen - den Kapitalismus -, ohne einzuholen, und solche Witze, während die Wirtschaft in den Fugen krachte in über dreißigjähriger Republik und Ideologie schwer renovierungsbedürftig war. Na ja, wer zwischen Zeilen zu lesen verstand, dem wurden von wenig angesehenem Berufsstand auch Wahrheiten zuteil.) Freiberuflich!, wandte er ein. - Geht denn das bei uns? - Es muss! Er zog die Lippen auseinander. Die obere Zahnreihe wurde sichtbar bis fast zu Backenzähnen hin. Offenbar erprobte Methode. Wirkte auch bei ihr. Hatte sie ihn gefragt, jetzt fragte er sie. Ernsthaft, irritierend gründlich. Lag vielleicht an seinem Beruf, dass er Menschen auch dann ausfragte, wenn es keinen Sinn für ihn machte. Auf Fragen musste man antworten. Fiel ihr nicht ein, dass sie Antwort auch hätte verweigern können in der Annahme, es interessiere ihn ja nicht wirklich. Antwortete ihm also getreulich, erzählte wie ein Kind. Dass sie Jo noch vor ihrem Studium kennengelernt hatte. Als Jo ihr sagte, sie könne bei ihm einziehen, hatte sie nicht besonders nachgedacht. Ein solches Angebot von einem ausgewachsenen Mann, Regisseur beim Fernsehen, an ein neunzehnjähriges Mädchen aus der Provinz mit gerade mal Abitur in der Tasche und dem festen Vorsatz, die Aufnahmeprüfung an der Weißenseer Kunsthochschule zu bestehen! Sprach über Jo aber auch, um den Mann abzuwehren, der mit seinem Lächeln, seinen Fragen nach ihrer Seele grapschte, möglicherweise, ohne es selbst zu bemerken. Sah in diesem scharfgeschnittenen Gesicht einen Zug von Hochmut, der darauf schließen ließ: In Wahrheit machte er sich nicht viel aus Frauen, überhaupt nicht viel aus Menschen. Tat andererseits auch wohl, mit jemandem zu reden, der wollte, dass sie redete. War immer gut, von Fremden gefragt zu werden. Sah man sich selbst deutlicher. Hatte auch was von Gespräch mit Beichtvater, in den man alle Worte hineinschütten konnte. (Obwohl überwiegend katholisch erzogen, hatte sie die Beichte nie erprobt. Stellte sich heute vor, es würde die Seele erleichtern.) Einem Fremden was zu sagen, kam dem gleich. Morgen hatten sie sich vergessen und das, was gesagt wurde, auch. War noch nicht spät, als sie aufstand, wollte übertriebene Mitteilsamkeit wettmachen, indem sie Gefühl für Zeit demonstrierte. Auch er stand auf, um ihr in die Jacke zu helfen. Ungewohnt, diese Höflichkeit. Übrigens, ich fahre morgen durch die Gegend. Wenn Sie Lust hätten ... Hatte ich sowieso vor, redete er weiter. Wenn man schon mal hier oben ist. Man muss die Gelegenheit nutzen. - Mit dem Auto sieht man mehr, versuchte sie eine Entschuldigung für die eventuelle Annahme des Angebots. - Mehr nicht, anderes, korrigierte er. Also? - Warum nicht. Sie hatte das undeutliche Gefühl, sich auf etwas einzulassen, das ihr womöglich nicht gut bekommen würde.

Dunstiger kühler Maimorgen. Das Gras des kleinen Bauernhofs feucht. Auf der Straße ein paar Männer, Frauen mit Fahrrädern unterwegs, wahrscheinlich zur Genossenschaft. Sie grüßte, war das gewohnt von ihrer Kindheit in thüringischem Dorf, wurde auch mal zurückgegrüßt. Vor der feldsteingemauerten Kirche ein roter Wartburg. Wohl sein Auto. Der Wagenschlag wurde geöffnet. Grinsekatze noch nicht aufgewacht, sekundenkurzes Lächeln wie gegen seinen Willen. Aus den Federn gefunden? - Das ist nie mein Problem, sagte sie. Während sie fuhren, entschuldigte er sich für seine Rostlaube, fragte, ob sie eine Anmeldung auf ein Auto laufen hätte, empfahl, sich anzumelden. Wenn sie das Auto nicht brauche, könne sie Geld damit verdienen, die Anmeldung bei fälliger Lieferung an andere weitergeben. So ist das bei uns in der Zone. Lachen aus dunkler Kehle. (Er hatte wohl viel Spott nötig. Noch nie hatte sie jemanden gehört, der dieses Wort über das eigene Land gebrauchte. Und war doch Journalist. Aber vielleicht brachte ihn gerade sein Beruf in große Missstimmung.) Immer noch billiger, auf ein neues Auto was draufzuzahlen, als jemandem eine Schrottkiste abzukaufen. Waren also wieder beim üblichen Thema: Mangel, Unzulänglichkeiten, Absurditäten hierzulande. Erschien ihr wie ein Ritual, darüber zu sprechen, worüber man gestern und vorgestern auch schon gesprochen hatte. Man hatte was, über das man noch lieber sprach als über das Wetter. Der Austausch schaffte einen Grundkonsens. Das Gefühl gegen die da oben stiftete einen Zusammenhalt zwischen den Menschen. Die Gespräche sicher auch notwendiges Ventil. Allerdings, sie langweilten Gespräche, die nicht irgendwann - irgendwann! - zu etwas führten. Lange blieb es dunstig, woraus sich eine Staffelung der Landschaft ergab. Mal ließen sie den Wagen stehen, liefen am Bodden entlang, feuchte Ufer-Pfade durch dumpfig-sumpfig riechendes hohes Schilf. Freie Sicht bei einem Weg oberhalb des Wassers. Lange hätte sie laufen können. Wer lief schon mal mit ihr. Jo doch nicht. Ihr Begleiter drängte auf Umkehr. Sie fuhren wieder, stiegen aus, besahen mal eine Kirche, mal ein Städtchen, schauten auf den Bodden hinaus, stiegen aus, ein. Hatte er wohl einen Blick, aber keine Ruhe. Auch keinen Hunger. Sie meldete sich dann doch. Ach ja, entschuldige, sagte er. Beim nächsten Bäcker holst du uns was. Heute Abend gehen wir dann in die Kneipe. Das plötzliche »du« fuhr ihr durch und durch. Erschreckte sie auch, wie er über sie verfügte. Als wäre sie eine Katze und würde am Nackenfell gepackt und aufgehoben, so dass sie in eine Tragestarre verfiel.

Abends gingen sie, die See zu begrüßen. Zum Angstkriegen gewaltvoll war sie. Feuer ertränkte man schließlich. Gegen Wasser hatte man keine Macht. Da sind wir hergekommen, sagte sie nach langem Hinblicken. Und wenn wir von der Erde verschwunden sind, das Meer ist immer noch da. Das ist gut. - Weiß nicht. Ist doch schade, wenn wir nicht mehr da sind. Sie wandte ihren Blick ihm zu. Er hatte seine Lippen wieder in die Breite gezogen. Kannte sie nun die verschiedenen Arten, wie er lächelte: Nur mit den Augen, liebevoll oder spöttisch. Oder er öffnete den Mund zu einem breiten, jungenhaften Lachen. Sollte jedenfalls so aussehen. Manchmal bewegte er nur die Lippen, ohne sie zu öffnen, und seine Augen blieben ernst. War dann Grimasse, sollte auch eine sein. - Ich hätte gedacht, dass du Menschen nicht sehr magst. - Aber ich mag mich. Und du, magst du dich nicht auch? - Ich könnte schon hin und wieder auf mich verzichten. - Glaub ich dir nicht. Er legte seinen Arm um sie. Vielleicht wie ein ganz guter Freund. So was wollte sie mal denken.

Ließen sich in der Kneipe zum Bier Kartoffelsalat mit Spiegeleiern bringen, hätten auch Kartoffelsalat mit Boulette haben können, aber Eiern trauten sie mehr als gebratenem Hackfleisch. Sie bekam ihre Augen nicht von ihm los. Die vielen Stunden miteinander schafften fatale Nähe. Wusste von sich, sie sprach auf Männer an. Sie fuhr die Linien und Flächen seines eigenartigen Gesichts lang. Mochte, dass er zehn, zwölf Jahre älter war. Drängte ihr die Vorstellung auf, er wäre klüger und könne nötigenfalls Widrigkeiten von ihr abhalten. Noch immer hatte sie sich nicht von dieser Erwartung gelöst, obwohl sie durch Jo eines Besseren belehrt sein sollte. Nach langem Tag brauchte Gemeinschaft nicht mehr durch viele Worte bewiesen zu werden. Wenigstens wich er ihren Fragen nicht aus. In seiner Ehe (ja, natürlich, der Mann Harald verheiratet!) gab es einen vierzehnjährigen Sohn. Gegenüber reichhaltigerem Familienleben war er abgeneigt. Wenn meine Frau mich doch mal satt haben sollte und mich rauswirft, ich wollte eine Partnerin ohne Familie, sagte er. Den Satz behielt sie. Der schien sich auf sie zu beziehen.

Spät in der Nacht begleitete er sie zu ihrem Bauernhof. An schwarz gebeizter langer Bretterwand nahm er ihren Kopf zwischen seine Hände, presste seinen Körper gegen ihren und sie gegen die Wand. Sie spürte seine Erregung deutlich wie noch nie bei einer Umarmung, waren fast gleich groß, vielleicht deshalb. Zündete der Mann sie an, damit sie dann lichterloh brannte, und was dann? Sie war ihm von einer Sekunde zur nächsten verfallen, war niemals jemandem so ausgeliefert gewesen, im ganzen Leben nicht. Versuchte aber doch, die deutlich vor Augen stehende Katastrophe abzuwenden. Hatte die Vorstellung, sie müsse lediglich der Bretterwand entkommen. Dann würde sie laufen, laufen, und in der Kammer im Bauernhof wäre sie dann in Sicherheit. Lass mich gehen!, bat sie. Lass mich, bitte! Heißes Wasser trat ihr in die Augen vor lauter Inständigkeit. Aber warum denn, warum denn bloß?, fragte er zwischen den Küssen, die sie fast erstickten. Fuhren sich gegenseitig in die Schlünde und bissen leicht auf schlängelnd-feuchte Ungeheuer. Lass mich, lass mich!, klagte sie. War nicht imstande, mehr als diesen Satz zu sagen. Eine so dringliche Bitte! Konnte er sie doch leicht loslassen, stehenbleiben, bis sie weggerannt war! Er aber verstand nichts. Wohl, weil sie anderes sagte, als tat, und in ihrer Kopfschwachheit nichts herausbrachte an irgendwelchen Argumenten. Hatte nichts mit Verliebtheit, geschweige denn Liebe zu tun, dass sie von einem Augenblick auf den nächsten nicht mehr über sich selbst verfügen konnte. War wohl vom Wahnsinn befallen. Wollte aber mit Wahnsinn nichts zu tun haben. Bitte!, sagte sie zum letzten Mal, sah die schwarze Bretterwand vor sich. Könnte sie bloß loslaufen, die Wand hinter sich bringen! Als er sie losließ, war es zu spät, ihr eigener Wille von nun an - für wie lange? - ausgeschaltet. Würde alles ihm zuliebe tun.

Nach dem Aufwachen packte sie ihre Sachen. War offenbar doch zu paar Stunden Schlaf gekommen. Wie immer hatte die Bäuerin in der Küche ein Frühstück bereit. So plötzlich!, meinte die Bäuerin, als sie ihr mitteilte, sie müsse gleich abreisen. Ich hab mit Berlin telefoniert, sagte sie. Ich hab ein Angebot. Das muss ich mir anhören. - Arbeit geht vor, sagte die Bäuerin, bestellte Grüße an Bruder und Schwägerin. Über ihren Bruder war sie zu dieser Adresse gekommen. Bevorzugt, wer eine private Unterkunft an der See wusste. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund hatte die Küste fest im Griff.

Sie fuhren von der Insel. Er nannte den Namen einer Stadt als nächstes Ziel. Was immer er ihr vorschlug, sie war einverstanden. Einfach mal durch die Gegend kutschieren. (Jo fuhr ungern. War er auf Suche nach Schauplätzen für einen Film, saß sein Kameramann am Steuer. Sie kamen selten weiter als bis zum Stadtrand und im Sommer ans Schwarze Meer.) Nie grelle Sonne. Die Zweige gegenüberliegender Bäume trafen sich und gaben ein Dach ab. Kaum noch existierten Feldwege mit Obstbäumen, Hecken am Rande. Die großräumige Bewirtschaftung des Bodens ließ dies offenbar nicht mehr zu. Wenigstens durchzogen Alleen die hügelige Landschaft, Eis hatte den Boden gedrängt, geschoben. Die Dörfer bescheidene Siedlungen wie eh. In diesem Landstrich, sagte man, würde auch ein Weltuntergang erst hundert Jahre später bemerkt. Sie fuhren durch Buchen- und Mischwälder. Manchmal sah sie auf ihn, sein Profil, hohe Stirn, schmale Nase, vorgewölbter Mund. Traf sie ein Lächeln, wurde ihr schwindlig.

Auf breitem Platz vor einem Schloss parkten sie. Das Schloss, die Sommerresidenz der Großherzöge von Schwerin, gerade restauriert, so Harald, Dreigeschossig, die Geschosse voneinander abgesetzt, das ebene Dach von Balustraden umgeben, ein niedriger Turm über dem Eingang. Vom Schloss gleich zwei Alleen hinunter auf einen tempelähnlichen Bau. Sie umrundeten das Schloss, die rückwärtigen Seitenflügel. Gingen die Hauptachse hinunter zu dem Tempel. Seitlich der Alleen eingeschossige Häuser für Bedienstete, eines am anderen. Plätze taten sich auf. Das Zeichen über dem schmucklosen Zentralbau, ein von einem X durchkreuztes P auf der Kuppel, machte ihn als Kirche kenntlich. Hätte auch ein Theater sein können oder eben ein Tempel. Soll ich das nun schön finden? - Merkwürdig, sagte Harald. - Das ja. Auf dem Weg zurück zum Schloss wies Harald auf einen Marmorstein im langen Rasenstück zwischen den Alleen. Gedenkstätte für 200 ermordete Antifaschisten aus 11 Nationen des KZ Reiherhorst, las sie. Die Amerikaner haben fünfundvierzig die Einwohner gezwungen, die Toten des KZ's hierherzubringen und zu beerdigen, sagte Harald. Hier zwischen ihren schönen Schlossalleen, auf denen die Adligen Sonntags zur Kirche ritten. - Sehr gut!, sagte sie, die in der Schule stark antifaschistisch Erzogene. Ein Wasserlauf aus dem Städtchen verbreiterte sich am Schlossplatz zu einem See. Das Wasser wurde in einem Kanal aufgefangen, stürzte ein Wehr abwärts, nahm seinen Weg in einen Wald hinein. Harald legte seinen Arm um ihre Schulter. Gingen so, folgten dem Wasser. Beidseitig ebene Wege zum Flanieren. Der Kanal, bis fast zum Rand mit Wasser gefüllt, verbreiterte sich plötzlich, das Wasser fiel hinab in ein breites Becken. Springquellen tummelten sich. Brücken, Wehre folgten. Floss das Wasser dann wieder ganz mählich, spiegelten sich Bäume und Himmel in ihm. Hell war es. Auf den Anhöhen seitlich der Flanierstrecke Buchen im ersten Grün. Immer geradeaus, und dann bist du auf einem Feld, sagte Harald. Gingen vom Kanal weg in den Wald. Sie sah auf moderndes Laub, die glatten grausilbernen Buchenstämme, die einen dunkler als andere. War mit einem Mal wie ein Traum. Wollte sie unbedingt, der Traum sei kein Traum. Strengte sich an, sich aus dem tranceähnlichen Zustand zu befreien. Schien ihr, sie könne das Leben, das sie bisher geführt hatte, kaum noch aushalten. Na du? Harald strich ihr mit der flachen Hand über das Gesicht. Na du, antwortete sie, verzog das Gesicht zu fröhlicher Grimasse. War ja schön hier, so unsagbar schön. Eben das machte sie traurig. Konnte den Gedanken nicht ertragen, diesen Wald wieder zu verlassen, stellte sich vor Harald, legte ihren Kopf an seinen, wiegte sich, schob seine Hand an ihre Kehle, drückte darauf. Na?, sagte er bedenklich, Sie schaute die Bäume hinauf. Endlich hörte der Schmerz auf. War sie noch glücklich. Sollte es diesen einen Augenblick geben bis in Ewigkeit und danach keinen mehr.

Nicht so weit der Endpunkt der heutigen Fahrt: eine alte Stadt, viele Backsteinbauten. Der Wind hatte genug Platz in ihr. Die Stadt großzügig angelegt, war sicher mal von wirtschaftlicher Bedeutung gewesen. Alte Getreidespeicher fielen ihr auf. Die Stadt leistete sich zwei große gotische Kirchen und dazu ein Rathaus mit der für den Norden typischen gestaffelten, das Dach überragenden Giebelwand. Wanderten im Sturmschritt hindurch. Als würde er was versäumen!, dachte sie.

Hatte Harald einem Schriftsteller versprochen, zur Lesung zu kommen. Vielleicht konnte er einen Artikel über dessen neuestes Buch unterbringen in überregionaler Kulturzeitschrift, wenn der Mann auch nicht zu den ganz interessanten Autoren des Landes gehörte. Harald - wusste sie inzwischen - hatte mal Kulturwissenschaft studiert, heute machte er alles, was eine politische Stellungnahme nur in Maßen forderte: Kultur, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Regionales. Die Redaktion der Zeitung, in der er mal festangestellt war, nahmen ab, schlugen auch selbst vor. Der Saal wohlgefüllt. Der Schriftsteller ein rundgesichtiger, dicklicher Mann, die schwarzen Haare lichteten sich. Las im Schein einer Leselampe, leise, etwas nuschelnd, hintereinander weg, ohne etwas besonders hervorzuheben. Dieses Dahinreden fast ohne Pause, Zögerer, hatte auf sie Wirkung. Wie im Einschlafen, doch ohne einzuschlafen, hörte sie die Worte, standen vor ihr Bilder auf. An einer Wand lehnte Harald, schaute ein-, zweimal durch die Kamera, ging durch den Raum, als gäbe es keine Zuhörer. Sein Gang leicht, schleichend, unter diesen Umständen besonders leicht. So und so hockte er sich vor den Lesenden, richtete die Kamera auch auf die Zuhörer. Setzte sich neben sie, kritzelte auf seinen Schreibblock von den Antworten des Mannes vorn, der mit unverständlicher Geduld auf seine Zuhörer einging. Anscheinend froh über geistige Erbauung und Belehrung, verließen die Leute den Raum. Sie blieb am Ausgang stehen, sah auf Harald und den Schriftsteller. Haralds Hände verhakten sich ineinander, lösten sich zu solchen und solchen Gesten, sein Gesicht ebenfalls in Bewegung von Grinsekatze bis ernst-langer Miene. Die beiden gaben sich förmlich die Hand, in Haralds Gesicht sein gewinnendstes, breites Lachen. Der Schriftsteller schaute ihm nach. Als sein Blick auf sie traf, sah er beiseite. Ja, heute gehört er mir, dachte sie.

Ihr Gepäck schon auf dem Zimmer, so dass sie gleich in den Gastraum des Hotels gingen. Iss, was du willst, sagte Harald. Ich lad dich ein. - Ich verdiene selbst! - Das nächste Mal lädst du mich ein!, sagte er. Das nächste Mal! Sie ließ den Satz nachklingen. Er soll so was nicht sagen, wenn er es nicht so meint!, dachte sie, bestellte, was er bestellte. Dir schmeckt's anscheinend. In seinem Lächeln musste Spott nicht unbedingt liegen. Wusste man bei ihm nie, woran man war. Mir schmeckt's, wiederholte sie, dachte daran, dass sie die Nacht miteinander verbringen würden und ob es am nächsten Morgen doch keinen Abschied für immer geben würde.

Der Gang ins Doppelzimmer nun für sie doch nicht selbstverständlich. Ohne weitere Vorrede zog er sich aus, seine Haut nirgendwo heller. Hatten ihre Hände schon von seinem Körper erzählt, so dass Schönheit sie nicht wunderte. Machte sie also auch keine Umstände, dachte sich an einem FKK-Strand. Mochte er sie jetzt oder später ansehen. Standen für einen Augenblick nackt-unschuldig da, klammerten sich im nächsten aneinander, als herrsche ein Orkan und ohne einander wären sie verloren. Erfolgten heftige wortlose mündliche Austausche, schnappten endlich nach Luft wegen so atemraubender Tätigkeit. Ihre Hände erkundeten eine Rückenlandschaft, von Schultern angefangen. Ihre Hände so furchtbar tastsüchtig, gelangten mit einem Mal in hübscheste mittige Gegend. Regte sich das Leben so sehr, dass sie auflachte über solches Wachsen und Gedeihen im Nu und wie sehr und dass sie sich Schönstes versprach von nächstem Tun. Fielen hinein ins noch nicht bezahlte Lager. Auf einmal hatte sie kein bisschen Geduld, nahm ihren lieben Herrn, den Herrlichen, bei der Hand, selbst erstaunt über nie zuvor bemerkte Eigenmächtigkeit. Gab ihm noch den einen Hinweis, er brauche sich nicht vorzusehen. Er sah sich nicht vor, in keiner Weise, wurde immer erstaunter, weil sie alles wollte, was er wollte. Manche Frauen fürchten ihn, sagte er. - Ich nicht, sagte sie, ich hab vor keinem Mann Angst. Ich habe nur Angst vor Enttäuschung. - Du willst viel! Er lachte. - Alles!, bestätigte sie. Männermörderin! Weißt du, dass in einem Mann eine Urangst ist, er würde nicht reinkommen. - Soll er auch nicht. Nicht gleich. Ich will was von haben. Er lachte, strich über ihren Körper. Du hast eine schöne Haut. Man merkt, du bist noch jung. Das hatte sie nun noch nie gehört und glaubte es auch nicht. Ich bin vierunddreißig, gab sie zu bedenken. - Siebzehn, sagte er. Siebzehn, siebenundsiebzig und siebenhundert. Du hast die Erfahrung von siebenhundert Jahren. Und du siehst aus wie siebzehn. Wenn du liebst, siehst du aus wie ein ganz junges Mädchen. Du müsstest dich mal anschauen. Es kommt mir direkt unanständig vor, mit einem so jungen Mädchen zu schlafen. Er wandte ihr den Rücken zu, verlangte, dass sie dicht bei ihm blieb und immer weiter streichelte. Erzählte, seine Mutter hätte ihn als kleinen Jungen so streicheln müssen, sonst sei er nicht eingeschlafen. War also ein verwöhntes Balg gewesen. Ihr fiel somit eine Aufgabe zu. Und da sie Aufgaben ernst nahm, war schon von Lehrern als gewissenhaft und gründlich eingeschätzt worden (stand so in ihren Schulzeugnissen), wandte sie sich spät von ihm ab. Als er sie weckte, dämmerte es erst. Durch Abgeschundenheit mancher Glieder ließen sie sich nicht abhalten von mehrgängigem Früh-Stückchen. Schliefen noch mal ein. Später saß sie im Hotel-Restaurant als hoffnungslose Frau. Ach, da schnitt sich der Gefährte wunderbarer Nacht sein Brötchen auf und hatte einen Appetit. Für sie war es eventuelle Galgenmahlzeit, da hatte sie nicht die geringste Esslust. Mochte Begräbnisse erst recht nicht am Morgen. Labte sie wenigstens ihre Seele an letzten Anblicken: seine Haut, seine Augen honigfarben, ja, jetzt wusste sie es, bei hellem Licht honigfarben. Der Schimmer seines Kopfhaars eher dunkel blond als hellbraun. Du musst essen!, sagte der tüchtige Kämpe. Du hast schließlich was geleistet. - Kann nicht, sagte sie und nach langem Auf-ihn-Sehen endlich mit Stimme fast ohne Ton: Sehen wir uns wieder? - Dummkopf, erwiderte er. Das schien ihr eine handfeste Antwort. Doch so müde-matt kriegte sie ihre Ängste nicht unter Kontrolle. Konnte nur hoffen, dass ihr das Schlimme (Folter bis Todesstrafe für sich oder jemanden ihr Liebem) erspart blieb, das aus so einer Nacht zwangsläufig folgte. Sie fragte nach nichts, schob so mögliche schlechte Botschaften noch hinaus. Zum Beispiel, dass er noch andere Termine hätte, sie mit dem Zug nach Hause fahren müsste. Da er nichts darüber verlauten ließ, blieb Trennung aufgeschoben, jedoch nicht aufgehoben. Zogen sie aus dem Hotel aus und fuhren weiter landeinwärts, bis sie - irgendwann - dann doch die Ausläufer allerhässlichster Großstadt, ihre Krakenarme, erreichen würden. (Dass sie immer so dachte, wenn sie mal weg von der Stadt war. Nachher ließ es sich doch leben in ihr!) Schaute auf ihren Herrn Harald, der nichts ahnte von ihrem Unglück, ihrer Fassungslosigkeit. Seine Hände auf dem Steuer lang, kräftig und wohlgeformt. Handarbeiter vielleicht noch sein Großvater gewesen, sein Vater wohl nicht mehr. (Zu Gesichtern sah sie immer auch Hände, war Übereinstimmung wie Dissonantes aufschlussreich.) Liebte schon allein diese Hände. Blieb ihre Linke schließlich nicht in ihrem Schoß mehr liegen, strich über seine Jeans, legte sich dort hin zur Ruhe. Darf ich? - Wenn du Biest nicht auf andere Ideen kommst. Im Lachen verging ihre Traurigkeit. Müdigkeit machte gleichgültig bis in übernächste Stunde.

Wäre gern in ihre Kammer verschwunden, ohne Jo zu sehen. Doch Jo im Hauptraum fast immer anwesend. Würde erste Begegnung wahrscheinlich gleich erfolgen. Sähe er es ihr an und fragte sie, wollte sie ohne Umschweife bekennen. Konnte ihn nicht schonen. Sie fand ihn wie erwartet: in seinem Lehnsessel, um ihn herum verstreut Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Manuskripte. Jo blickte auf: Wolltest du nicht später kommen? Das Freundliche in beiläufiger Frage nur für sie zu erkennen. Fremde konnten seine Gemütsbewegungen kaum ausmachen, außer wenn er lachte. Sie betrachtete müde das großflächige Gesicht ihres alten Freundes: die Nase gerade, stumpf, die Augen groß, etwas hervortretend. Bei einem Lichteinfall hatte sie schließlich bemerkt, sie waren nicht dunkel, sie hatten gar keine Farbe, allenfalls war eine Spur Blau drin. Die Haare dicht, dunkel, von wenigen grauen Fäden durchzogen. Obwohl in Einzelheiten nichts Besonderes an ihm war, das starke Haar ausgenommen, galt er als gutaussehend. Mochte seine Größe, seine kräftige Statur dazu beitragen. Die Unbeweglichkeit seiner Mimik hatte ihr früher imponiert. Er wirkte so männlich, gelassen. Lange hatte er ihren Erwartungen entsprochen und sie es als so wahnsinniges Glück angesehen, dass er sie bei einer Probe im Studio unter den Kleindarstellern herauserkannt hatte als eine, die was mehr wollte. War nicht bei einem Abenteuer geblieben, in dieser Branche besonders verwunderlich. Vielleicht, weil ihn seine Frau gerade verlassen hatte. Alles bei dir war schon angelegt, sagte er, sprachen sie über seine rasche Entscheidung. Du warst keines von diesen Mädchen, das habe ich nach dem ersten Abend gewusst. Und es war klar, welche Mädchen er meinte. Vorher hatte sie nichts von Treue gehalten, da die Männer, die sie kennenlernte, nichts davon hielten. Jo aber hatte sie angebetet, und sie hatte während des ganzen Studiums in Weißensee nach keinen anderen Männern geschaut. War's schön?, fragte er. Sie hatte immer noch nichts gesagt, nur angeschaut, was sie im Begriff war aufzugeben. Ja schon, sagte sie. Schön war's, schön, aber dann doch etwas langweilig. Jo hatte genug gefragt, kannte das von ihr schon, dass sie von einer Reise wie eine Fremde kam. Sie ging die Stufen hinunter in den unteren Teil der Wohnung mit Kammern und der Küche. Dort das übliche Chaos. Sie ordnete, wusch ab. Indem die Ordnung zunahm, nahm ihr Ärger ab. Sie ging daran, ein kleines Mittagessen zu machen von dem, was noch an Vorräten da war. Wenigstens versorge ich ihn, dachte sie, hielt diese Feststellung ihrem in letzter Zeit häufig aufkommenden Gefühl entgegen, sie bliebe ihm etwas schuldig. Offenbar kann ich nicht ohne das Eine sein, sagte sie sich. Es kam schon noch vor, dass Jo sich ihrer als Frau vergewissern wollte. Doch da seine Versuche halbherzig und leidenschaftslos waren, redete sie ihm die in der Regel aus. Beharrte er, war es für sie eher eine caritative Handlung, so dass sie dachte, sie würde auch zum Beruf der Hure taugen. Du bist so still!, hatte er die erste Zeit gesagt, ihre Veränderung bemerkt. Aber er konnte dies ja auf ihre Unfähigkeit zurückführen. Und sie war tatsächlich an sich irregeworden. (Nun allerdings wusste sie, mit ihr war alles richtig.) Gemeinsam begründeten sie seine Lustlosigkeit mit Schwierigkeiten in der Arbeit. Denn zum ersten Mal war ein Versagen aufgetreten, nachdem wieder einmal ein Projekt gestorben war. Wohl bekam Jo jeden Monat vom Fernsehen ein gutes Gehalt, doch kaum einen Film. Wenn doch, dann keineswegs überragende Stoffe und er an Auflagen gebunden. Man hatte Jo im Studium eine große Begabung nachgesagt. Er selbst hatte viel von sich erwartet. Nun war er Ende Vierzig und hatte weder Viel noch Außerordentliches geleistet. Das drückte ihn. Sie hatte versucht, mit ihm Geduld zu haben. Doch so nachsichtig sie in Vielem sonst war, in der Liebe gelang es ihr nicht. Da hatte sie nach ein-, zwei Malen, wo ihm nichts gelang, regelrechte Panik ergriffen, es würde nie wieder was mit ihnen. War sich im Übrigen nicht sicher, ob Unvermögen nur am beruflichen Misserfolg lag. Konnte der Grund sein, konnte ein Grund unter anderem sein oder überhaupt keiner. Inzwischen schlief jeder in seiner Wohnungshälfte. Er bewohnte die beiden durch eine Glastür getrennten sehr großen Haupträume, sie die Kammern im tiefer gelegenen Trakt, beim Bau für das Personal vorgesehen. Die Kammern zeichneten sich durch Helligkeit aus. Zu den Mahlzeiten traf man sich in der Wohnküche am Ende des Gangs.

Als sie Jo wegen des Essens Bescheid sagte, stand er sogleich auf, hatte also nur auf ihren Ruf gewartet, ging ihr nach. Was du inzwischen gegessen hast, möcht ich wissen, sagte sie wütend vor sich hin. Auf seinem Platz am Küchentisch sah er ihr zu, wie sie deckte, das Essen auftat. Dankbarkeit in seinem Gesicht. Das nicht so stumm, wie es schien, kannte man ihn genau genug. Schien ihr Jo wie ein großer Junge trotz des Altersunterschieds zwischen ihnen. So hatte sich in den Jahren des Zusammenlebens ihr Verhältnis zueinander gewandelt! Wollten vielleicht alle Männer im Grunde irgendwann wieder ihre Mutter und sonst nichts. Sie wich seinen Blicken aus, tat, als sei sie sehr in Gedanken, behielt ihn - die Lider halb gesenkt und scheinbar abwesend - immer im Auge. Da sie nicht redete wie sonst meist, sagte er schließlich was: Schlecht siehst du aus. Mickrig. Ja, richtig mickrig. Ich denke, du wolltest dich erholen. In seinem Blick nicht der geringste Argwohn. Sie erklärte, sie habe die Nacht aus unerfindlichen Gründen schlecht, ja fast überhaupt nicht geschlafen. Zufrieden, dass sie wieder bei ihm war, fragte er nicht weiter. Wusste sie ja, er litt unter ihrer Abwesenheit, obwohl er zuredete wegzufahren, war ihr danach zumute. Er wollte sie nicht einsperren. Dann hab ich wenigstens mal Ruhe vor dir, sagte er, deutete bisweilen an, dass er sein Strohwitwer-Dasein gehörig ausnutzen wolle. Dass sie nie auf diese Andeutungen einging, enttäuschte ihn. Ob sie denn gar nicht eifersüchtig sei, fragte er manchmal. War vielleicht ein Mangel, dass sie keine Angst hatte, ihn zu verlieren. Wünschte sich sogar manchmal, er fände eine andere. Die Beziehung war so ausrechenbar geworden und sie in einem Alter, in dem sie dies - anders als Jo wahrscheinlich - noch nicht schätzte.

Sie schlief in den Nachmittag hinein, holte versäumten Schlaf nach, blieb noch lange liegen, unfähig, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass nun alles wie immer ablaufen solle. Hatte große Unlust, einen Überdruss am Leben überhaupt. Leere war in ihr und ein schaler Geschmack im Mund wie von einem schlechten Abenteuer, was es doch nicht gewesen war. Wusste nicht mehr, was sie wollte, wünschte. War das vielleicht das Schlimmste. Als sei sie sich selbst abhanden gekommen. Nichts mehr, woran sie sich halten konnte.

Hatte wenigstens kleinen Pflichten nachzukommen: das Abendbrot zu bereiten. Um unverkennbare Missstimmung zu bemänteln, redete sie sich damit heraus, sie habe sich wohl erkältet, sagte sogar etwas von Kopfschmerzen, obwohl sie Lügen sonst nie in den Mund nahm, und war auch keine ganze Lüge. Jo mitleidig. Der Gedanke, sie könnte ihn mit einem anderen Mann hintergangen haben, lag noch immer außerhalb seines Vorstellungsvermögens.

Am Morgen des anderen Tages hatte sie wieder Gewalt über sich, konnte mit Jo sein, als sei nichts gewesen. Dachte an Harald mit immer größer werdender Sehnsucht. Klingelte das Telefon, rannte sie von ihrer jeweiligen Beschäftigung zum Apparat, obwohl die Anrufe alle für Jo waren. Wer rief sie schon an. Hatte nie so eifrig Telefondienst versehen. Was ist?, fragte Jo schließlich. Der Verlag müsste sich melden, murmelte sie, sagte Schwindelei nur ganz leise. Dann ruf doch du an!, riet Jo. Sie knurrte Widerspruch.

Der Tag verging, der nächste. Sie erledigte nur dringlichste Einkäufe. Am dritten Tag war dann doch gerade Jo am Apparat. Für dich!, rief Jo den Gang hinein. Sie stürzte an den Apparat. Hörte seine Stimme und war mit einem Male in einem Raum ganz abgeschlossen für sich allein mit ihm. Seine Stimme diesmal sehr jung, hell. Du kannst heute Nachmittag vorbeikommen. Wenn du willst, natürlich nur, sagte er sehr höflich. Ja, sagte sie und wiederholte, nicht imstande zu mehr Worten, nach kurzer Pause noch einmal: Ja. Jo sagte sie, sie müsse am Nachmittag weg. In den Verlag?, fragte er. Nach ihrem Kopfschütteln bekam sein Blick ein wenig Härte, wie wenn er nachdächte.

Abgewetzt das Haus, in dem Harald wohnt wie alle Häuser um den Hackeschen Markt. Eine schwere Tür, die Treppe breit, sehr hoch. Das Geländer aufwendig gedrechselt. Wenn man schon dem Treppenhaus so viel Bedeutung einräumte, wie mussten dann die Wohnungen sein! Im zweiten Stock traf sie auf ein Schild, in Messing geprägt sein Vor- und Nachname und zuvor der einer Frau. Fuhr ihr dieser Frauenname vor seinem Vor- und Nachnamen ins Herz wie etwas sehr Böses, Scharfes. Kündete messingene Platte von unverbrüchlicher Zusammengehörigkeit, womöglich über den Tod hinaus. Wegen großer Täuschung hätte sie laut wehklagend umkehren können, aber nichts da, musste ihren Leidensweg weitergehen. Ihr Kopf übervoll vom merkwürdigen Frauennamen Thea, drückte sie gegen Klingelknopf. Hörte bald Schritte, aber es blieb dunkel hinter den gläsernen Scheiben. Thea-Thea. Wurde in eine Dämmerung eingelassen. Harald in hellen Jeans und khakifarbenem Hemd gerade noch zu erkennen. Am Ende ihrer Kraft, lehnte sie sich an ihn. Hatte bis zu dem Augenblick an Wiedersehen nicht glauben können. Betäubender westlicher Aftershave-Duft umhüllte ihn. War fast zu viel für sie: ein Mann, der so aussah wie er und auch noch auf sich hielt. Sie doch bloß ein großgewachsenes, dunkelhaariges älteres Mädchen, grad noch nicht mager und eher spitznasig, mit Mausaugen, wie Jo sagte, weil sie etwas eng standen. Na ja, na ja, sagte Harald endlich und löste sich aus ihrer Umarmung. Wenn du nicht angerufen hättest! Sie sagte den Satz so, als hätte sie dann wahrscheinlich sterben müssen. Ich habe aber angerufen. Ich hab doch gesagt, ich rufe an, erwiderte Herr Harald. - Was man sagt, ist eines, was man tut, ist das andere. Sie beharrte auf dem Recht, ein paar Tage unglücklich gewesen zu sein. So ungläubig? - Ja. Immer. In allem. Wäre ich ein Mann, müsste ich Thomas heißen. - Thomasia?, schlug er vor. - Klingt nicht, sagte sie. Mochte ihn nicht loslassen, was ihn offenbar belustigte. Sie betraten sein Zimmer. Groß war es, wie sie sich gedacht hatte, noch größer als ihre Räume zu Hause. Die Stuckdecke geweißt, das Innere des Stuckovals blau getüncht wie ein Himmel. Regale bis an die Decke hinauf, antike Möbelstücke. Teppiche auf dem Parkettfußboden. Wo die Wände frei waren, kleine Bilder, Originale. Eine breite, niedrige Liege, ein Teppich darüber. Etwa der Luxus, den sie sich und Jo gestattete. (Sie hatte Jos Wohnung nach und nach neu hergerichtet.) Ihre Sorge unberechtigt, Haralds Zuhause sei zu behäbig oder sonst von minderem Geschmack. Mochte Frau Thea ihre Hand im Spiel gehabt haben. Der Raum durch eine Glastür mit einem zweiten verbunden, dem von Frau Thea wohl. Sie leben so dicht beieinander, dachte sie beklommen. Lassen vielleicht sogar die Tür offenstehen. Thea-Thea, wiederholte sie, um sich zu gewöhnen. Tee davor oder danach?, fragte er. Es gibt auch Kuchen. Ich weiß doch, du magst Kuchen. Ihre Hände mussten sich ständig von seiner Anwesenheit überzeugen. Tee danach, konstatierte er. Sie nickte. Er war bereit, war sie es auch. Gab kein Vorspiel, als erstes ihre Hand bei ihm, wurde schon Gewohnheit. Von seinem fortdauernden leisen Reden vergaß sie alles im selben Augenblick, war in einem Zustand, der ihr nicht erlaubte, sich Worte zu merken. Erzählte er auch mehr für sich hin. Doch nach erstem Akt und Vorhang herunter durfte gemeinschaftlich geplaudert werden. Er hatte ihr den Rücken zugewandt. Fiel ihr wieder Aufgabe zu, mit lieben Händen über ihn hinwegzufahren, während sie redeten. Er voller Staunen über sie, sie über ihn. Behauptete er wieder, sie sei siebzehn, siebenundsiebzig und siebenhundert. Und du hast die Kraft von zehn Frauen. - Und du von zwölf Männern. - Sechs! Ich kenne mich selbst nicht! - So etwas gibt es doch nicht. Nur bei Frauen. - Du bist so eine. - Bei Frauen ist das nicht ungewöhnlich. Von Männern hab ich nie so was gehört. - Bei mir war es auch nie so. Ich hab viele Frauen gehabt. Ich war nicht immer ein Held. Er weidete sich am Erzählen von Missgeschicken, log, frühere Geliebte würden sicher nichts Gutes über ihn sagen, ihn gar Schlappschwanz nennen. - Und deine Frau? - Erklärte er sich nun länger. Das sei seit Jahren vorbei, sie sei auch älter. Traf für Ehemann traurigste Feststellung: Wahrscheinlich habe sie sich nie dafür interessiert. Ich hab gedacht, so ist das eben, sagte er. Was man sich als Halbwüchsiger vorstellt, bekommt man nicht. Ich hab auch Träume gehabt, wie es mit einer Frau sein könnte. Aber dann habe ich die Hoffnung aufgegeben. Immer dasselbe, habe ich gedacht. Es hat mich inzwischen gelangweilt. - Du hast dir die falschen Frauen ausgesucht. - Es gibt zärtliche Frauen. Da ist nicht viel mit Sex. Und es gibt heiße Frauen. Du zündest sie an, eine Explosion. Und alles ist vorbei. Aber du bist zärtlich und heiß. Die Mischung ist es, die findest du nicht oft. - Glaube ich nicht. Es ist doch ganz natürlich. - Glaube es doch. Ich habe ein bisschen Erfahrung. - Ich würde so gern für immer bei dir sein! - Ich habe eine Frau. - Ja. - Vor zehn Jahren wäre das vielleicht möglich gewesen. Langsam sagte er das. Aber heute hat sie keine Chance mehr! Sie wollte ihn. Aber das Leben seiner Frau zu zerstören, lag ihren Gedanken fern. Hielt sich sowieso nicht für eine Frau, derentwegen ein Mann eine andere verließ. Jo war allein gewesen, als sie ihn kennenlernte. Sie überlegte, was vor zehn Jahren zwischen Harald und seiner Frau gewesen war, dass er zu dem Zeitpunkt sie hätte verlassen können. Hatte er vorher leise von ihr geredet, redete nun sie von dem, was ihre Hände erfuhren, wie schön diese und wie schön jene Stelle und welche ganz besonders. Wollte er nun Bauchseite gestreichelt bekommen. Spürte sie auch da ihren gemeinsamen Wünschen nach. Nicht lange, da stieß er Stalltür auf und ließ feurigen beiden Rossen wieder freien Lauf, die rasten über sie hinweg, dass ihre Sinne schwanden. War ihr nach Sterben zumute. Schien ein kleiner, wünschenswerter Schritt von diesem Aufsteigen in Unendlichkeit bis zu gänzlichem Auslöschen. Du musst sagen, wenn du genug hast. - Das muss der Mann. Ich kann es nicht. Ich kann nicht aufhören, bis du aufhörst. - Ein letztes Mal!, versprach er. - Ja! - Wieder wandte er ihr den Rücken zu. Hätte sie sich nun gern ausgeruht. Deine Hand, deine Hand, murmelte unnachgiebiger Herrscher Harald. Durfte ihn nie loslassen, den im Kampf nicht Besiegten und jetzt Zufrieden-Kleinen. Stand der Gastgeber doch noch auf, damit sie Tee und Kuchen bekäme als Zehrung für den Weg. Sie freute sich an seinem Umhergehen in Nacktheit, dem athletischen Körper, an wunderbaren Männerorganen. Aber wäre gewiss mit weniger Prächtigem auch sehr zufrieden gewesen, denn Liebe verzauberte ihr den Mann. Wie du daliegst, sagte er, sie aus Ferne betrachtend. Wie denn? Lag sie doch noch immer so, wie er sie verlassen hatte. Schamlos, sagte er. Hast du nicht genug? - Doch. Eingeladen zu Tee und Kuchen, setzte sie sich auf. Da hockten sie nun, das Tablett zwischen sich. Teppichblumen ringelten sich an ihren Leibern hoch. Dachte sie sich Harald als indischen Derwisch, vollkommen beweglich sein Körper, die Hautfarbe stimmte in etwa. Sie sog den Duft von Tausendundeiner Nacht ein, aber war Sündrüchlein dabei und nicht bloß erzählt worden. Er lachte ausnehmend. Wie man sieht, es schmeckt dir wieder mal, sagte er. Du isst, wie du liebst. -Aber ich trinke nicht, und ich rauche nicht. Und man denkt, alles andere tue ich auch nicht. Aber das macht mir nichts. Ich lache bloß, wenn andere sagen, du trinkst nicht, du rauchst nicht, und in der Liebe ... Sie denken, da tauge ich auch nicht. - Man sieht es dir nicht an, sagte er. - Das ist gut. Sie überlegte, dass sie keine Männer haben wollte, die bei ihr nur das eine sehr ausgiebig in bisher nicht gekannter Weise erhofften. Den Blick auf die Uhr brauchte sie nicht, um zu merken, ihr Herr wurde unruhig. Ich zieh mich an, sagte sie. - Eine Viertelstunde noch. - Wenn ich deiner Frau begegne? - Du kannst aus jeder Wohnung im Haus kommen. - Was machst du, wenn sie was mitkriegt? - Ich leugne. Und dann ist es aus mit uns. - Aha, dachte sie. War nun wohl unterrichtet, völlig aufgeklärt und mit Tatsachen bekannt gemacht. Kleidung lag auf dem Boden, ein Stück im anderen wie kurzzeitig gehochzeitet habend. Zog sie nun das eine aus dem anderen heraus und sich über den Leib, der hatte als Speis genug gedient. Gastgeber brachte Besuch zur Tür, hielt ihr zum Kuss die Wange hin. (Hatte sie heute nicht geküsst, war wohl unnötiges, pubertäres Spiel.) Ich melde mich!

Am selben Tag ging es ihr gut, am nächsten weniger gut, war doch das Versprechen, sich zu melden, eher vage gewesen. Wartete tags darauf noch eindringlicher, bis sie sich mal eben aus dem Haus begab, denn musste ja nun Nahrung herangeschafft werden für zwei Menschen. Hatte Harald wohl bloß drauf gewartet, dass sie mal wegging, denn bei Heimkehr kündete Jo die Nachricht aus seinem Sessel, spuckte sie aus wie was ganz Widerwärtiges mit Augen wie Stein und gänzlich erstarrtem Gesicht: Dein Herr Dorisch hat wieder angerufen. War Jo vielleicht ein Troll, ein Unhold, bärenstark und bösartig. Wartete auf eine Gelegenheit, auf einen Tag, an dem er ihr es heimzahlen würde. Dorau, sagte sie. Und? - Nichts. Er ruft wieder an. Wasser schoss ihr in die Augen, dass sie sich schleunigst abwandte vom Mitbewohner und in ihre Kammern abtauchte.

Tage vergingen. Er macht sich keine große Mühe mit mir, dachte sie. Er hat sich gemeldet. Das genügt ihm. Wagte nicht, bei Harald anzurufen, obwohl die Frau tagsüber in der Redaktion arbeitete. Doch mal war sie krank oder nahm den monatlichen Hausarbeitstag, der berufstätiger Frau ab bestimmtem Alter zustand. Wählte endlich doch seine Nummer, zagend zunächst. Da nichts Schlimmes davon kam, in nächsten Stunden mutiger. Ja bitte? Mit einem Mal nüchterne Harald-Stimme. Jaja, entschuldige, brachte sie stotternd heraus. Hier bin ich. Lena. - Ich hätte dich auch angerufen, sagte er ruhig, gerade noch freundlich. Ich war unterwegs. Einmal habe ich dich übrigens angerufen. - Aber das ist schon Tage her! Hielt ein in ihrer Rede. Wollte ihm keinen Termin aufzwingen. Donnerstagabend, sagte er. Voraussichtlich. - Gut. - Wenn nichts dazwischen kommt. Aber dann melde ich mich. - Sag es auch Jo, wenn ich grad nicht da bin, bat sie. (Das musste Jo aushalten.)

Fuhr ihr eine Angst in Herz und Glieder auf den Metern von Straßenbahn in Haralds Haus, dass die Beine sie kaum trugen. Wurde ihr zur Gewissheit, dass Harald heute sagte: Es ist aus. Was hast du gedacht? Hatte sich in erwachsenem Alter kaum je so minder, so klein gefühlt. Niemals eines Mannes wegen. Erinnerte sich nur an ein Gefühl aus Kindheitszeiten. Da hatte sie vor der Mutter - wie oft - dagestanden mit blutrotem Gesicht, angeschuldigt wegen nichts. Hievte sich mit fast lahmen Beinen, schlappen Armen am Treppengeländer hinauf. Starrte auf das Türschild. Niemals würde sie sich an Thea-Thea gewöhnen. Und dann Haralds Duft um ihn und sie herum. Er hatte geduscht, sich grad mal den Bademantel übergezogen, Gürtel um Taille geschlungen. Da sah man, sie war schmal. Ich dachte, es lohnt sich nicht, mich anzuziehen!, sagte Harald, öffnete seinen Mund zu anzüglichem Grinsen. Als müsse sie trotz der ganzen Luft ertrinken, hielt sie sich an ihm fest. Bis die Angst großer Vorfreude wich. Sie fuhr den Spalt des Bademantels hinunter, der Gürtel leicht zu lösen. Der Kämpe stand gefechtsbereit. Ließ den also gar nicht mehr los, führte Mann und Maus und Katz in sein Zimmer, auf die Lagerstatt zu. Dachte sie, er hätte sich nun endlich verausgabt, würde über ihren streichelnden Händen einschlafen, wachte er wieder auf. Sie konnte beileibe nicht widerstehen, so todmüde sie eben noch gewesen war und lieber gern in seinem Arm ruhig gelegen hätte, als mit ihren Händen herum zu spazieren. Wie der kleine Häwelmann, sagte er nach soundsovielter Wiederholung freudvollen Ineinanderfahrens. Sie verstand nicht. Mehr, mehr, mehr. Kennst du nicht das Stormsche Märchen, wie der kleine Junge verlangt, in seinem Bett immer schneller die Wände entlangzurollen. - Kenne ich, ja, sagte sie, wunderte sich, dass ein Mann über Märchen redete, sagte sich aber, das sei sehr gut, da sie davon lebte, Kinderbücher, Märchen zu illustrieren. Es ist ein sexuelles Märchen, behauptete er. Mehr, mehr, mehr. So bist du. - Aber wenn du nicht mehr willst, will ich auch nicht mehr!, setzte sie entgegen. Je länger das uralte Rein-und-raus-Spiel dauerte, umso verrückter wurde es. Er benutzte derbe, aber gute Ausdrücke. Du fickst mich tot, sagte er. - Und du mich, sagte sie. Er fand wieder viele schöne Worte und Bilder, die sie leider im Hören schon vergaß. Mal setzten sie sich auf kleines Sofa, er brachte zu essen auf kleinen Tisch und ein Getränk, aus Wermut, Gin, weiterem, auf die Mixtur hielt er sich was zugute. Wie Mondlicht das von der Straßenlampe. Im blauen Oval der Stuckdecke Fensterkreuz-Schatten. Ihr schien, sie sei noch nie so glücklich gewesen. Er so voller Hingabe und männlich zugleich, unbesiegbar, ein Stier, ein Kentaur, ein Gott oder Halbgott ganz sicher. Du könntest über Nacht bleiben, sagte er, klärte über familiäre Abläufe auf: Der Sohn war vor einigen Jahren - der Schule wegen - ganz auf das Dorf gezogen, lebte die Woche über bei einer Nachbarin. Hatte Harald freitags einen Termin, fuhr seine Frau allein zum Sohn. Die Frau arbeitete nur vier Tage in der Woche. Geht nicht, sagte sie - blutenden Herzens - zu seinem Angebot, hatte noch eine Verantwortung gegenüber altem Freund. Warum nicht? - Ich habe es Jo nicht gesagt. - Ruf ihn an. - Ich muss es ihm einmal im Voraus sagen! - Weiß er nichts? - Vielleicht, vielleicht nicht. - Soll ich dir ein Taxi bestellen, ich bezahle es dir! - Die Straßenbahn fährt noch! Sie war sparsame Wirtschafterin, auch mit fremdem Geld. Während sie sich anzog, schlugen ihre Zähne aufeinander. Einen Höllenlärm machte das in ihrem Kopf. Hatte dabei nicht mal das Gefühl von Kälte. In ihrer Kindheit hatte sie Jungen, Mädchen gesehen, die aus dem Wasser kamen, bibbernd, bleich, die Lippen blau, ihre Zähne klapperten. Sie lachte. Hörst du es?, fragte sie. Ich klappere mit den Zähnen. - Ich höre es. Er lachte. Warum frierst du? - Weiß nicht. Auf einmal ist das gekommen. Sie lachte weiter. Ihr Unterkiefer gab keine Ruhe. Auch ihr Körper zitterte. Wenn ich müde bin, fange ich an zu frieren, sagte sie. Vielleicht bin ich müde. - Mein armer Schatz. Du hast dich erschöpft, sagte liebe- und mitleidvoller Liebhaber, brachte sie an die Wohnungstür, hielt ihr die Wange zum Abschied hin, wartete, bis sie unten an der Haustür war. Zu Hause Jo noch vor dem Fernseher, sah sich einen Film an, wahrscheinlich in ARD oder ZDF, selten die eigenen Sender eingeschaltet. (Brauchte man die anderen Kanäle wie Luft zum Atmen.) Du bist spät dran, sagte er. Wo warst du denn? Sie hatte nun gar keine Lust, sich was auszudenken, ging wortlos in ihre Schlafkammer.

In dieser Nacht kam Jo, legte sich neben sie ins schmale Bett. Ein neues Parfüm?, fragte er. - Es hat doch keinen Sinn. Nüchtern ihre Worte. Er umarmte sie. So wird's sowieso nichts, sagte sie. Jo dreimal so stark wie sie und sie ja keine Jungfrau. Sie gab auf. Es wird nur noch dieses eine Mal passieren, dachte sie. Passierte denn doch nichts. Mit Willen war dem Unvermögen nicht beizukommen. Froh war sie, triumphierte aber nicht. Jo am Bettende mit Vorwürfen gegen sie. Du willst nicht mehr mit mir. Daran liegt es. Du bist schuld, weil du nicht mehr mit mir willst. - Ich hab schon noch mit dir gewollt, sagte sie sanft. Aber jetzt nicht mehr. - Nie mehr? - Nein. - Du hast einen anderen! - Und wenn ich keinen anderen hätte. Ich will nicht mehr. - Ist es dieser ... Herr Dorau? Der Geruch an dir, ich wusste es! Sie schwieg. - Liebst du ihn? - Wie kann man so was sagen? - Du liebst ihn. Ich bringe ihn um! Liebt er dich? - Sicher nicht, antwortete sie. Er hat Familie. Wenn seine Frau von mir erfährt, ist alles aus. - Da kannst du mir nur leidtun. Er hat recht, dachte sie. Es kann auch mal sein, dass ich über Nacht wegbleibe, sagte sie und brachte diese Nachricht nun auch hinter sich. Wie ich dich hasse! Sein Gesicht zum Fürchten. Alle Gefühle daraus entlassen. So eine hat man nun großgezogen, hat alle Kraft in sie investiert. Und dann das. Vielen Dank! Sie sagte nichts dazu, dass sie schon vor ihm etwas erwachsen gewesen war, sagte nur: Tut mir leid. - Mir tut es leid. Und wie. Der Mann, der ihr halbes Leben lang ihr Freund gewesen war, erhob sich von ihrem Bett, warf die Kammertür hinter sich zu.

Immer später am Vormittag wurde es. Jo noch nicht aufgestanden, so dass sie endlich nach ihm sah. Lag er da mit offenen Augen. Im Raum ein saurer Geruch. Sie ging zu ihm, kniete sich vor die Liege, begann zu weinen. Seine Hand legte sich auf ihre Haare. Lena-Lenka, sagte er sein Kosewort. Weinte sie noch mehr. Ich wollte dir nie was Böses tun, Jo. Nie. - Aber du tust es. Du betrügst mich. Du weißt genau, wie's mir geht. Aber du lässt mich im Stich und betrügst mich. Du bist nur auf das eine aus. Ich hätte es wissen müssen. Mit dem Erstbesten fliegst du mir davon. Und er will dich nicht mal. Der Scheißkerl fickt dich bloß. Fickt er wenigstens gut? - Jo! Sie legte alles Flehen in seinen Namen, damit er aufhörte, gemeine Worte zu sagen. Duckte sich ganz in sich zusammen beim Danach-Fragen, ob sie ihm vielleicht einen Kaffee kochen dürfe und ein Ei. Nein! Jo tat die Verweigerung eines Dienstes an ihm gut. Einen Kaffee, Jo, bitte! Sagte sie so, als hinge wer weiß was von ab. Tränen liefen immer weiter ihre Wangen hinunter. (War lange keine Heulsuse mehr gewesen.) Na schön, einen Kaffee!, ließ sich Jo zu gnädiger Antwort herbei. Glücklich, etwas für ihn tun zu können, lief sie in die Küche, bereitete ein Frühstück wie sonntags, brachte es in sein Zimmer. Stand eine Weile, sah auf den vom Alkohol Betäubten, leise Schnarchenden. Hatte sie nun das Unglück angerichtet oder wer? Sie stellte das Tablett auf einen Hocker neben der Liege. Jo! Sie berührte seine Hand. Dein Kaffee, Jo! Er öffnete die Augen, orientierte sich. Sie schenkte ein, wartete, dass er sich aufrichtete. Wischte er plötzlich mit der Hand über die Tasse. Lief der heiß über ihre Haut ins Bett. Erst später, dafür nachhaltig spürte sie den Schmerz. Dann will er es eben so, dachte sie, schloss die Tür hinter sich. Wollte mit dem da drin vorläufig nichts mehr zu tun haben. Jede Arbeit war auch Handwerk, sie arbeitete weiter, wo sie aufgehört hatte, um nach Jo zu sehen. Sagte sich nach einer Stunde, ein unglücklicher Mann dürfe schon mal Kaffee ins Bett kippen.

Wäre ganz schön gewesen, Harald hätte danach noch mal angerufen. Aber was wusste er davon, dass sie grad dann von ihm hören wollte, nachdem er sich als Mann bestätigt hatte, wegen ihres Urmisstrauens, sie könne nach Gebrauch vielleicht doch weggeworfen werden. Krochen die Stunden in klebrigem Schneckengang, bis es genug Wochenende sein würde. Hörte Schritte, ging Jo ins Bad, in die Küche. Dort auf dem Tisch ihr Zettel mit der Angabe, was er sich jeweils aufwärmen könnte. Wollte ihm nicht mehr unter die Augen geraten. Aus den Augen noch nicht gleich aus dem Sinn, aber wenigstens wollte sie ihn nicht durch Anblicke noch mehr gegen sich aufbringen.

War dann das Wochenende um. Jo fand sich um gewohnte Zeit zum Frühstück ein. Hatte sich irgendwas zurechtgedacht, mit dem er erst mal überleben konnte. Zum Beispiel, dass sie ja bloß Geliebte war von jemandem, und das musste noch nicht so viel bedeuten oder so. Wenigstens konnten sie nun wieder aneinander vorbeigehen, was notwendig war, wenn man in einer Wohnung wie dieser lebte mit nur einem Ausgang durch den Hauptraum. Fast freudig für sie der Wochenbeginn durch Hoffnung auf Haralds Anruf von heute an. Doch der ließ sich nicht hören. Die Tage wogen immer schwerer, letzter noch mehr als vorletzter, legten sich auf ihre Seele. Am Ende nicht die geringste Zuversicht, aber ohne die ließ sich nicht leben. So wählte sie wieder seine Nummer, ließ es immer öfter in Stille hinein klingeln, bis ihr Antwort entgegenschallte von weiblicher brüchig-alter Stimme. Hallo, hallo!, rief die Frau in herrischem Tonfall, obwohl sie doch gar nicht wissen konnte, wer nicht antwortete. Klang ihr das Hallo ewig nach.

Eine Filmproduktion war angelaufen. Man verlangte immer nur Jo, so dass sie nicht mehr ans Telefon ging. Wenigstens hatte Jo zu tun. Mal erkundigte sich Jo nach ihrem Liebhaber, nicht mal höhnisch. Du wirst verarscht, meine Kleene, sagte er.

Hätten einige Wochen vergehen können, schließlich hätte sie Jo geglaubt. Dazu ließ es der Andere dann doch nicht kommen. Rief an, entschuldigte sich mit Terminen, wäre dauernd unterwegs gewesen. Hättest du doch was gesagt! Ich hab so gewartet! Mit einem Mal schluchzte sie auf, wo doch Zeit des Dahinvegetierens in dem Augenblick vorüber war. Wurde Heulsuse nun wohl Mode bei ihr. Du sollst nicht warten, ich habe es dir schon mal gesagt! Sagte der Mann das so, als ob man sich so was einfach befehlen könne. Es macht mir ein schlechtes Gewissen! - Du brauchst mir bloß mal Bescheid zu geben! Trug ihre Bitte mit zartester Stimme vor. - Ich bin immer frei gewesen!, entgegnete er. Zurechtweisung stand älterem Mann offenbar zu. Ich brauche das. Ich bin so. Meine Frau akzeptiert das. Sonst hätte sie sich schon längst von mir getrennt. - Sehen wir uns? Kaum noch zu hören, was sie fragte. Morgen, war seine Antwort. Ich denke, morgen Abend.

Und wieder auf den Metern von Straßenbahnhaltestelle zu seinem Haus die Gewissheit, er wolle sie nur sehen, um ihr Lebewohl zu sagen. Die Beine trugen sie kaum zur Hinrichtungsstätte. Was hatte er ihr angetan oder wer hatte ihr das angetan, dass sie sich bei wirklicher Liebe statt erhoben so minder fühlte? Hatte dann doch keinen Anlass für Befürchtung gehabt, denn er war bereit für die Liebe. Sie löste wieder dem Frischgeduschten den Gürtel des Bademantels und führte gar nicht so kleinen Herrn Harald und großen Herrn Harald zu Wirkungsstätte, entledigte sich mit wenigen Griffen dessen, was so ganz unnötig ihren Leib bedeckte. Vergewisserte sich seines Körpers durch ständiges Begreifen, dass er schließlich loslachte, weil sie ihn so an Weiterem, Tiefergehendem hinderte. Legte sie sich, musste aber noch weiter schauen. Sollte er noch vor ihr auf den Knien verharren - aufrecht - damit sie alles sah, vor allem das, was da aufgereckt stand, von sich aus, keinem Befehl zugänglich im Gegensatz zu etwa einem Arm oder einem Finger. Jeder Gedanke an etwaige Minderheit war abhanden gekommen. War's ihr auch nicht bewusst: Seit Eintritt in Haralds Behausung hatte sie Regentschaft übernommen. Frau Thea für kurze Zeit hinweggefegt. Sie richtete sich auf, und wollte nun wieder die Zeugenschaft der Hand und so weiter. War alles wie beim letzten Mal und alles anders. Die Verlässlichkeit, die Freuden wie nie vorher erlebt. Redete er leise-begeistert dahin, antwortete sie vielleicht auch mal drauf. Konnte sich nicht genug tun, ihn anzusehen, solange noch ein Licht auf ihn fiel, und es fiel immer eines, später aus der Straßenlampe. Erkundete in Pausen seinen Körper mit leichten Fingern, küsste mit vorsichtigen Lippen, so dass ein Regen und Wachsen begann. Reichte ihr Mund, ihre Kehle bald nicht aus, ihn zu fassen. Warnend gab er Zeichen. Nie zuvor hatte sie geschmeckt. Hatte auch etwas Angst, dass es zu viel für sie sein würde. Stärker aber die Lust, alles von ihrem Allerliebsten zu kriegen, so dass sie nicht losließ. Sprach er nach leichter Erholung: So zu kommen, ist schlimm für mich. Ich kann nichts steuern, nichts für mich behalten für ein nächstes Mal. Wenn du es am Anfang machst, wirst du nichts mehr von mir haben. - Ich werde mich hüten, sagte sie lachend, nahm mit ihren Lippen die zu schnell trocknenden Spuren von seiner Haut, schmeckte nach und überlegte. Wie Ackersalat, sagte sie schließlich. (Ackersalat und Bucheckern, im Geschmack verwandt, die frühesten Erinnerungen ihrer Zunge, ihres Gaumens, waren mit Bildern verbunden. Die Bucheckern natürlich mit einem Buchenwald, die Bäume sehr hoch, das Astwerk lichtdurchlässig. Die kleinen, dunkelgrün-glänzenden Salatblättchen wuchsen auf einem Feld hoch oben am Berg wild zwischen anderem, das eigentlich angebaut war. Die Tante hatte sie mitgenommen. Die Mutter und sie waren für Monate bei der Schwester in Süddeutschland gewesen. Warum diese lange Reise geschehen war, wusste sie bis heute nicht. Aus jener Zeit einige Bilder haftengeblieben und der Geschmack von zerkauten, nussartig schmeckenden Blättchen. So viele Jahre ungebraucht, hatte das Gedächtnis die Erinnerung doch hergegeben.) Wie spät ist es?, fragte er in die Dunkelheit. - Woher soll ich das wissen? - Sag trotzdem, wie spät es ist! Sie hörte in sich hinein. Dreiundzwanzig Uhr siebzehn, sagte sie. Er schaltete kurz das Licht ein. Ich wundere mich über nichts mehr, sagte er. Du bist eine Hexe. Von da an hatte er einen außerordentlichen Glauben an ihre Fähigkeiten, Dinge zu sehen, die nicht gleich offenbar waren. Sie wurde sehr müde. Am liebsten würde ich bei dir einschlafen! - Das geht nicht. - Nein, das geht nicht, wiederholte sie gehorsam. Ich soll wohl jetzt gehen. - Ja. Es wäre besser. Sie stand auf, tastete nach ihrer Kleidung, nach ihrem Schmuck. (Zog sich für einen einzigen Blick von ihm so schön an, wie sie nur konnte.) Wenn die Haustür zu ist, klingele ich, sagte sie, küsste ihn. Er murmelte im Halbschlaf. Sie verschwendete keinen Gedanken darauf, warum sie ihn mitten in der Nacht verlassen musste. Wie sie auch nicht gefragt hatte, warum sie hatte kommen können. Bekam am nächsten Morgen nun doch ihren Anruf danach. Ich wollte mich nur kurz melden, sagte er, seine Stimme sehr tief, rau. - Es war so schön, sagte sie. - Ja. Ich meld' mich wieder. Das war nun der Anruf gewesen. Sie musste sich stundenlang sagen, dass er doch wenigstens angerufen hatte, und zudem, ohne dass sie hatte bitten müssen. Sollte sie sich einfach an die Tatsache des Anrufs halten.

Jo kam, ging. Bescheid sagte er nicht. Eines Morgens machte er sich ein großes Frühstück in der Küche, kochte viel mehr Kaffee als sonst, stellte alles auf ein Tablett und dazu Geschirr zweimal. Was soll das, Jo?, fragte sie, ahnungslos lachend. - Was du kannst, kann ich schon lange!, antwortete Jo. Es ist schließlich meine Wohnung. Da bekam sie mit, dass er eine Frau bei sich hatte. Erst am Nachmittag wagte sie sich durch das große Wohnzimmer nach draußen. Der Nachteil der Wohnung wurde erst recht deutlich. Dass Jo nun öfter eine Frau bei sich hatte, nahm sie hin als gerechte Erwiderung auf ihr Verhalten. Doch für seine wiederholten Mitteilungen, welch guter Liebhaber er sei, hätte sie ihn schlagen mögen. Zu sehr hatte sie unter seinem abnehmenden Verlangen, seiner Unfähigkeit gelitten und wusste inzwischen, was sie in besten Zeiten nicht an ihm gehabt hatte.

Von Jo in seiner Wohnung scheinbar nur noch geduldet, nahm der Gedanke an ein eigenes Zuhause zu, so dass sie sich im Verband bildender Künstler meldete. Man verwies sie an den Magistrat. Sie geriet auf eine Liste für dringende Fälle. Wohl war sie sich dieser Bevorzugung ihres Berufsstandes bewusst, hatten sonst nicht mal geschiedene Ehemänner in absehbarer Zeit Aussicht auf eigene Wohnung. Zogen die nicht zu ihren Geliebten oder wussten anderweitig Unterkunft, hockten sie noch lange bei ihrer Ehemaligen und den gemeinsamen Kindern. Dennoch quälte sie die Aussicht, in eines der gerade am Stadtrand entstehenden Neubaugebiete abgeschoben zu werden. Nie würde Harald sie dort besuchen, und für sich selbst konnte sie sich ein Leben Tag und Nacht in einer Satellitenstadt auch nicht vorstellen. Und über Tausch eine Stadtwohnung zu finden, war heute schwierig. Die Komfortwohnungen draußen schienen den in der Stadt Verbliebenen nicht mehr so anziehend wie vor Jahren. Auf einer Verbandssitzung traf sie Irene. Die wohnte in nächster Nachbarschaft, woraus sich so etwas wie eine Freundschaft ergeben hatte. In letzter Zeit hatten sie sich allerdings wenig gesehen. Kaum fragte Irene, wie es ihr gehe, erzählte sie los auf Teufel komm raus. Du glaubst nicht, wie mir vor diesem Marzahn graut! Ich bin dort vollkommen abgeschnitten! Irene lächelte, was sie sehr hübsch konnte. War überhaupt eine hübsche Person, sehr zierlich, die feinen Haare kurz geschnitten, stark gekraust. Du könntest meine Wohnung haben!, sagte sie. - Deine Wohnung?! - Wir ziehen aufs Land. Sie erfuhr, Irenes Freund war ein Bauernhof im Oderbruch angeboten. Sie wollten den Absprung aus der Stadt wagen, die Wohnung des Freundes allerdings behalten. (Die Miete ja zum Lachen.) Sie dachte an Irenes Wohnung: im fünften Stock gelegen, ein Balkon gegen die Straße hin. Die Straße stiller, abgeschiedener als jede andere im Stadtbezirk. Irene behauptete sogar, es gäbe über die Balkone der Straße hinweg nachbarliche Kontakte. Irene!, sagte sie nach langem Aufatmen. Also wenn ich die Wohnung kriegen würde! Bekam gesagt, sie solle doch noch mal alles in Augenschein nehmen.

Die Besichtigung fiel so aus, wie sie es sich schon im Vorhinein gedacht hatte. Besseres nicht vorstellbar: Ein schmales Zimmer zur dunkleren Hofseite hin. Der Hof klein, die Kastanie reichte bis zum Fenster. Ein sehr großes Zimmer zur Straßenseite. Die Küche bot noch Platz zum Sitzen. Das Bad würde - neu gestrichen - einen nicht ganz so trübseligen Eindruck machen. Also, wenn du da mitmachen würdest, sagte sie zu Irene und meinte das Spiel mit den Ämtern. - Wenn man helfen kann, erwiderte die Freundin-Kollegin mit ihrem hübschen Lächeln. Aber morgen zieh ich natürlich noch nicht. - Ach, Irene! Wenn ich ne Aussicht habe. Sie ließ sich vom Bauernhof im Oderbruch berichten, nahm allerdings nicht nur freundschaftlichen Anteil. Je weiter der Ausbau gedieh, umso näher rückte der Einzug in eine eigene Wohnung mitten in der Stadt. Sie tranken heftig Kaffee, bedienten sich an dem mitgebrachten Kuchen, bedienten sich mit selbsthergestelltem Eierlikör und luden sich - fröhlichster Laune - schon jetzt in ihre zukünftigen Behausungen ein. Das wird meine erste eigene Wohnung, dachte sie. Ich fange ganz neu an und muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Nicht mal den Bäcker musste sie wechseln, blieb in der Gegend, in der Nähe des Friedhofs, der sich über den Berg hinzog, von dem der Stadtbezirk seinen Namen hatte. Eine Kirche an der oberen Allee, nicht zwischen Häuser eingebaut wie viele in der Gegend. Der Alex zwei Straßenbahnstationen weiter, bis zu Haralds Wohnung am Hackeschen Markt noch einmal fünf Minuten Straßenbahnfahrt. Das alles war gut für sie. Wäre am liebsten schon morgen wiedergekommen, um die Tapeten abzureißen und mit dem Renovieren zu beginnen. Wie nimmt Jo es auf?, fragte Irene mitten in schönste Vorstellungen hinein. - Weiß nicht. War mit einem Mal unsicher, ob Jo ihren Auszug wirklich gutheißen würde. Ich zieh ja bloß um die Ecke, beruhigte sie sich und Irene. Die Freundinnen gingen, um nötige Formalitäten gleich zu erledigen. Im Erdgeschoß öffnete ihnen eine schlampig aussehende dicke Frau. Die Wohnung düster. Zwei kleinere Kinder - eigene oder schon Kindeskinder - krochen durch die Räume. Sie trug sich im Hausbuch als Irenes Untermieterin ein. Die Frau keine von der Sorte, die sich als Hüterin der Ordnung bestimmt sah, was nur gutzuheißen war, kümmerte sich jedoch nach Irenes Aussage um den Hof, zog Pflanzen, die trotz starken Schattens der Kastanie und Nährstoffarmut aushielten. Zur Besiegelung des Akts beklebten sie Irenes Briefkasten mit einem Heftpflaster, auf den sie ihren Namen schrieb, wurde so nach außen hin dokumentiert, Irenes Wohnung hatte Untermieterin. War das nur noch der Meldestelle bei der Polizei mitzuteilen.

War Jo zu Hause, kriegte er Mittagessen. Jo war zu Hause. Also kriegte er ein Mittagessen. Sie schälte Kartoffeln, ließ sie durch die Maschine laufen. Wer wird sich dann um Jo kümmern?, dachte sie. Frauen hatte er neuerdings, aber immer andere. (Möglicherweise brauchte er Abwechslung, war die Lust an Neuem ein ermunternder Faktor für liebesmüden Mann.) Noch säuberte sie die Wohnung, wusch die Wäsche, nahm alle ihre Pflichten wahr wie bisher. Ich muss es ihm sagen, dachte sie. Es wird ihm die Laune verderben, aber ich muss es ihm sagen. Angehäuft Kartoffelpuffer. Sie rief Jo. Sah dann auf zufrieden gabelnden Mann. Ich muss es ihm sagen. Jetzt!, dachte sie, öffnete den Mund. Ich hab eine Wohnung in Aussicht. Jo kaute und dann nicht mehr. Wieso?, fragte er endlich. Das ist deine Wohnung, Jo, sagte sie geduldig. Ich hab hier die ganzen Jahre mit dir gelebt. Aber jetzt geht das nicht mehr. Du bringst Frauen mit. Und ich hab einen anderen Mann. – Darauf läuft das also hinaus. Jo nickte. - Wir können uns treffen, wir können gute Freunde sein, Jo, alles. Und vielleicht fängst du ganz neu an. - Wie denn? Jo schrie. Zum dritten Mal?! Sie buk weiter, setzte sich mal hin, um nun auch zu essen. Die fünfzehn Jahre waren also nichts, sagte er nach langer Pause. - Wir sind an einem Punkt angekommen, Jo! - Mein Gott, du hast eine Affäre. Und ich habe Affären. Aber was hat das mit uns zu tun! Jo schrie wieder. Ich liebe dich! Also! Ich sag nichts mehr, dachte sie.

In der folgenden Zeit tat sie alles, um Jo zu beruhigen, umsorgte ihn, versicherte ihm, im Grunde trennten sie sich gar nicht. Sie brauche nur ihre eigenen vier Wände und mehr Platz zum Arbeiten. Seine Wohnung sei zwar groß, aber ungünstig für zwei, die zu Hause arbeiteten. Und er könne dann Frauen mitbringen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Harald rief an. Gegen elf! Hatte schon wieder aufgelegt, ehe sie ihn hatte fragen können, auf wie viel oder wenig Zeit sie sich einzurichten hätte. Zog sich in größter Geschwindigkeit um, stellte da inzwischen Rekorde auf. Ging an Jo im Wohnzimmer vorbei. Die Stimme ihres Herrn!, sagte Jo. - He? - Du musst dir die Werbung für »Grammophon« vorstellen, einer Plattenfirma. Ein Grammophonkasten, ein Trichter. Und mit Schnauze und Ohren in den Trichter hinein lauscht ein Hund. »Die Stimme seines Herrn« steht darunter. »His masters's voice«. Lächelte sie nun über sich böse: Jo hatte recht. Fand sie ja keine Ruhe, bis es Harald einfiel, sie anzurufen. Er bestellte sie irgendwann am Tag, irgendwann in der Woche. Kaum noch am Abend. Es ist unwürdig, sagte Jo. - Es ist unwürdig, wiederholte sie. Was soll ich machen? Rannte die Treppe hinunter, zur Straßenbahn, die so häufig nicht kam. Grämte sich schon, wenn sie fünf Minuten später da war, als Harald ihr angegeben hatte. Glaubte, das ginge von ihrer Zeit ab. Manchmal allerdings dachte sie, er entließ sie sowieso nach einer gewissen Zeit, gleichgültig, wie früh, wie spät sie kam. Wochen war sie in seine Wohnung geschlichen in Erwartung des Schlimmsten: dass er sie für immer wegschicken würde. Wenigstens diese Angst hatte sich verloren. Fiel dem Duftenden, Honigfarbenen um den Hals. Na, na, ich dächte, wir hätten uns in dem Monat schon mal gesehen, scherzte der Gottgleiche. Waren ihre Hände flink inzwischen schon sonst wo und schnell lose der leichte Mantel. Führte, getreuesten Knecht im Griff, zur Lagerstatt, war inzwischen eine Zeremonie, und wenn, dann Tee danach verlangt. Bestand er nicht mehr auf der Berührung durch ihre Hände, war das Pendel der Uhr wieder in Gang gebracht. Er setzte sich auf: das nächste deutliche Zeichen. Eine Stunde nur!, sagte sie. - War es nicht eine schöne Stunde? (Hatte eine Art, immer im Recht zu sein!) - Ja. - Ich versichere dir, wir haben ein Pensum hinter uns, was die Paare in der Straße in drei Monaten abarbeiten. - Aber warum sagst du mir nicht vorher, dass ich nur so kurz bleiben kann? - Du wärst enttäuscht. Das möchte ich nicht. - Sehen wir uns die Woche noch mal? - Kann sein. - Also sehen wir uns nicht? - Doch. Kann durchaus sein, dass wir uns sehen. Gab ihr die Antwort ungewisse Hoffnung. Wie haben es deine Freundinnen vor mir ausgehalten? - Gar nicht! Seine Lippen zogen sich über die Zähne. Viel Freundlichkeit und ein wenig Zynismus dabei. Klärte sie auf: Lediglich auf seinen Fahrten durch das Land oder früher auf Dienstreisen im Ausland hätte er mit allzu bereitwilligen Frauen was gehabt. Seien mal welche aus der Stadt darunter gewesen, hätten die höchstens drei Monate ausgehalten. Sie haben sich wie du beklagt, ich wäre mit meiner Arbeit verheiratet, sagte er. Die Wahrheit ist, ich hab das Interesse verloren. Das wollte sie nun gar nicht glauben. Ein solcher Mann, einer, der den Hals ebenso wenig voll kriegte wie sie, der seit wie viel (vielleicht zehn?) Jahren nichts mehr mit eigener Frau hatte und hatte nie eine feste Freundin gehabt? Ich hab dir doch gesagt, es ist mir immer langweilig geworden. Aber nun geh, mein Schatz. Ich muss noch was tun! Auf der Straße wurde sie ganz froh. Er wollte sie, weiter zählte nichts. Sollte sie ihm vielleicht wirklich glauben, dass ihr Herr Harald doch ein Geschmäckler war, abhing von Kleinigkeiten, die ihn ermunterten oder im Gegenteil, dass er ganz von Frauen abließ.

In Jos wie steinernem Gesicht konnte sie doch was lesen, Verachtung nämlich. Man sieht es dir an, sagte er. Und dieser Geruch! Eine Hure machte Jo aus ihr.

War mal ein ganzer Abend versprochen! Hüpfte sie davon, egal, was Jo nun dachte über Hörigkeit, also Aufs-Wort-eines-gewissen-Jemand-Horchen, wie ein Hund Lauscher aufsperrte gegen seinen Herrn hin. Während Auskundschaftens, wie Freude ihrem Liebsten und sich selbst noch zu bereiten sei, machte Herr Harald seine Späße und fragte, wo sie denn in den vergangenen siebenhundert Jahren gewesen sei. China? Indien? Sie lachte über seine Fantasien. Das hatte es in ihrem Leben nie gegeben und im Leben welcher Frau schon?, ein Mann mit solcher Wortlust, von anderer ganz zu schweigen. Haben es nicht auch andere Männer bemerkt? - Nein, gab sie nachdenkend zur Auskunft. Sie waren zufrieden mit sich, mit mir wohl auch. Ich dachte immer, ich brauche zwei Männer auf einmal. - Sechs würde ich denken und mehr, warf Harald ein. Sie versicherte ihm, sie habe nun nicht mehr den Gedanken, zwei Männer haben zu müssen. Sagte ihm aber nicht, vollkommene Sättigung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu erreichen. Aus jahrelangem Mangel war eine Angst gewachsen, nicht genug zu bekommen, und die wurde noch gespeist von der Vorstellung, er würde sie ja doch bald wieder verlassen, so dass dann neuer Mangel sie ereilte. (Hatte ihr ja gesagt, würde seine Frau von ihr erfahren, wäre es aus mit ihnen.) Harald redete weiter. Hatte ja schon mal Vermutung geäußert, sie sei eine Hexe. Folgerte aus unmenschlich hohem Alter zwangsläufig Kontakt zu teuflischen Mächten. Im Mittelalter hätte man dich auf dem Scheiterhaufen verbrannt, meine Liebe, sagte er. Hast du nicht rotlockige Haare? - Braune oder so. - Sie sind lockig und deutlich rot, beharrte er. - Bei Sonne höchstens ein Schimmer. - Und Hexenaugen hast du. Eins grün, das andere braun und grün. Das ist ganz besonders gefährlich. Man hätte dich verbrannt, ganz klar. - Ich habe Mausaugen und eine spitze Nase und seh aus wie ... als könnte ich nicht ... Sie stotterte, wollte sich durch wenig schonende Selbstdarstellung nicht ganz preisgeben. Musste Harald ja nicht mit ihren Augen auf sie schauen. - Aber der Kenner erkennt, sagte Harald. Du hast zweifarbige Augen, das erste deutliche Indiz, einen kleinen Höcker auf deiner Nase und lockige Rothaare. - Bockig ihre Widerrede: Hätte ich eben eine Sonnenbrille tagsüber getragen, meine Haare geglättet und den Rotschimmer weggemacht! - Sonnenbrillen waren noch nicht üblich!, gab Harald zu bedenken. - Ich hätte behauptet, ich habe braune Augen. - Aber ich hätte dich verraten. Deine zweifarbigen Augen und dass du deine Haare mit sonderbaren Tinkturen färbst, damit man den Rotschein nicht sieht und dass du sie glättest. Und jeder hätte mir geglaubt. Denn nun hätten die Männer gewusst, warum sie nachts nicht schlafen können und einer wie der andere Nacht um Nacht dich besuchen muss. Weinend hätte ich Holzscheite für dich gesammelt. Denn nur so hätte ich mich retten können. Sie dachte nach. Ihr schien auch wahrscheinlich, dass sie auf dem Scheiterhaufen geendet wäre. Vielleicht aus dem Grund, den Harald angab. Denn wenn sie liebte, gab es für sie kein Halten. Oder weil sie überhaupt von dem, was sie einmal wollte, nicht abzubringen war und sich ihre ansonsten große Anpassungsfähigkeit mit einem Mal erschöpfte. Ich hätte Tränen um Tränen um dich vergossen, meine süße Hexe, fuhr Harald fort. Ich hätte die Asche vom Platz gekehrt und sie in einem Kästlein aufbewahrt. Nacht um Nacht hätte ich dich um Verzeihung gebeten. Aber ich hätte meinen Frieden gehabt. Du wärst nicht mehr nachts mit dem Besen zur Feueresse hineingefahren, um mich zu vernichten. - Ich hätte dir verziehen, mein Lieber, antwortete sie ergriffen. Da ich so und so verbrannt worden wäre. - Sei froh, dass du denen damals entkommen bist. - Bin ich auch. - Und ich muss leiden. - Sie lachte. Ist es so schlimm? - Ich war in meinem Leben immer unabhängig. Von jeder Frau bin ich weggegangen und hatte noch etwas für mich und war stolz darauf. Aber du plünderst mich bis zum Letzten aus. - Bis zum Letzten? Sie streichelte ihn über Empfindsamstes. - Ich weiß nicht, wo noch was herkommt. Vielleicht habe ich nur das Gefühl von Orgasmus, und es kommt gerade ein winziges, kleines bisschen, ein Tröpflein. Als sie sich anzog, schlugen ihre Zähne wieder aufeinander. Er lachte. Also habe ich dich befriedet, sagte er. So derbe Ausdrücke er manchmal benutzte, gewöhnliche nahm er nie, spielte mit den Worten. Ja, hast du, sagte sie. - Dann bin ich froh. Denn dann kann ich hoffen, dass du es mal ein paar Wochen ohne mich aushältst. - Was?! - Ich mache Urlaub. Draußen auf dem Grundstück. - Aber! Die Worte gingen ihr aus. Hatte keine Kraft mehr. War offenbar seine Taktik, ihr was Unangenehmes mitzuteilen, wenn sie sich matt getanzt hatte. Du machst doch hoffentlich auch Urlaub!, sagte er, hatte es raus, von sich abzulenken. Wir sehen uns wieder, mein Schatz. Was sind vier Wochen! Heiteren Abschied wollte Harald. Ich bin so müde, ich kann nicht mehr denken, sagte sie. Ging weg von ihm, ganz durcheinander im Kopf von sich widersprechenden Gefühlen. Hatte er sie zu seiner Hexe erkoren und ihr also bindende Kräfte nachgesagt und danach ohne Aufhebens weggestoßen. War wohl doch nicht sie diejenige, welche, sondern er, der zu beliebigen Zeiten in Essen hineinfuhr, um in Küchen ziemliches Unheil anzurichten.

Lieber Liebe

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