Читать книгу Dein Geschenk an Dich - Beate Reinecker - Страница 7
Der Laufstall
ОглавлениеDu konntest deine Freiheit nicht begreifen, nicht genügend schätzen. Sie war immer da, um dich herum und du brauchtest für sie niemals zu kämpfen. Doch die Angst war dein ständiger Begleiter. Es war dir aus den vielfältigsten Gründen nicht möglich, innerlich frei und unabhängig zu leben. Du suchtest in deiner Unerfahrenheit einen Schutzraum. Wenn Schlösser hinter dir zuschnappten und Verbote vor der Haustür hingen, fühltest du dich auf der sicheren Seite. Du hattest das Gefühl, dass sich jemand um dich kümmert und dass du geliebt wirst. Als du in jungen Jahren frei und unabhängig durch die Straßen deiner Stadt liefst, sahst du von weitem einen geschmückten Ort, der sehr einladend aussah. Dieser Platz blendete dich, denn er versprach dir Sicherheit und Geborgenheit im Großstadtdschungel. Es blitzte und glänzte am Ort deiner Träume. Alles schien so sicher, abgesichert und aufgeräumt. Es herrschten strenge Regeln und Verbote. Du giertest nach Sicherheit, nach Vorschriften, denn es war für dich zu mühsam, selber zu denken. Andere sollten sich die Mühe machen, zu reflektieren und die Welt zu interpretieren. Du wolltest dich in einer kuscheligen Ecke verstecken, ausruhen und abwarten. Doch das führt in die Lethargie und zu einer schlimmen Starre. Die Zwangsjacke droht, wenn du nicht für deine Freiheit und Selbstbestimmung eintrittst. Die Destruktiven lieben die stillen Opfer. Sie saugen sie aus und verpassen ihnen einen Maulkorb. Der Bequeme wird eingesponnen und ausgesaugt. Nichts bleibt von ihm oder von ihr übrig, wenn der Stachel der Fremdbestimmung ins Gehirn vordringt. Die Wehrlosigkeit, die Bequemlichkeit, die Orientierungslosigkeit haben den Weg zur Selbstaufgabe, zur Starre bereitet. Als du auf der Suche nach der Sicherheit warst, verwechseltest du das schummerige Leuchten des Verlieses mit dem wohligen Ort einer wirklichen Heimat. Du verwechseltest den Laufstall mit einem Ort, an dem du »du selbst« sein kannst und darfst. Doch du liefst geradewegs in die Fänge der Fremdbestimmung. Du wolltest ankommen, zu Hause sein, in Sicherheit und Geborgenheit leben. Schnell warst du zu vielen Kompromissen und dem Verrat deiner Vorlieben, Freiheiten und noch unbeholfenen Überzeugungen bereit. Das Schimmern des Verlieses lockte und du klebtest auf den Stufen zur Unfreiheit. Du wurdest eingesponnen. Dein Denken und Fühlen gehörte und gehorchte dir nicht mehr. Du zappeltest am Haken, am Widerhaken. Du tauchtest ein in die Welt der scheinbaren Sicherheit. Hier herrschten nun strenge Regeln, feste Rituale, Verbote und Gebote. Du konntest das Denken anderen überlassen und du spürtest eine Entlastung. Die vielen Regeln und Verbote suggerierten dir, dass es jemand gut mit dir meint. Deine Freiheit gehörte nun zur Vergangenheit. Dir war es in deiner Jugend nicht möglich gewesen, sie angemessen zu schätzen. Du warst von ihr umgeben und du hattest mehr als genug von der großen, wilden Freiheit. Doch ein ängstlicher Mensch kann diesen Freiraum oft nicht genießen. Der große Raum, die vielen Chancen und Wege können verunsichern. Du suchtest Schutz und klettertest in den geschmückten Laufstall. Überall hingen Schilder, Verbote und genaue Vorschriften. Das Denken übernahmen nun andere. Es wurde für dich gesorgt, gedacht und geplant. Du wurdest verplant. Dein Leben verlor sich im Denken der anderen. In deinen Sternstunden schautestest du durch den Zaun. Die Außenwelt war zum verbotenen, gefährlichen Gebiet erklärt worden. Manchmal überwandest du kurz deine Angst und die Vorurteile. Du gönntest deinen Augen ein wenig Abwechslung. Es gab eine Welt außerhalb deines Laufstalls. Zu deinem Erstaunen war diese Welt schön, reizvoll und sie schmeckte nach Abenteuern, Freiheit. Du dachtest an frühere Zeiten zurück. Damals liefst du frei und unbekümmert durch die Stassen. Du konntest links und rechts abbiegen. Es war dir zu jenen Zeiten nicht bewusst und die Freiheit machte dir Angst. Nun vermisst du sie von Tag zu Tag mehr. Der Laufstall kann dir keine Geborgenheit mehr bieten, er ist zur Qual geworden. Du schwörst dir: »Wenn ich noch einmal den Weg nach draußen in die Freiheit finde, so werde ich sie niemals mehr aufgeben!«