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Der Eisenacher Kongreß
Nach Eisenach
ОглавлениеWie man sich leicht vorstellen kann, entbrannte nunmehr heftiger als je der Kampf zwischen den beiden sozialistischen Fraktionen. Erklärungen flogen herüber und hinüber, und die Szenen, die sich in zahlreichen Versammlungen abspielten, spotteten jeder Beschreibung. Insbesondere waren es die Gewerkschaften, die unter der gegenseitigen Zerfleischung schwer litten. So kam zum Beispiel in der Metallarbeiterschaft die Wahl eines Präsidenten nicht zustande, weil eine vollständige Zersplitterung der Stimmen eintrat, außerdem wurde die Wahl nur bei 23 Abstimmungen anerkannt, bei 17 wurde sie verworfen.
Von jetzt ab schlug der „Sozialdemokrat“ einen Ton an, wie er bisher nur selten vorkam, und fälschte Tatsachen und Berichte in einer Weise, daß die Leser derselben ein vollständig falsches Bild von der Bewegung auf unserer Seite bekommen mußten.
Am 10. September verließ Schweitzer das Gefängnis. Am 12. September kündigte er in einem längeren Ausruf eine Rundreise durch Deutschland an, wobei er hinter verschlossenen Türen vor seinen Anhängern erschien, „um überall Ordnung und strenges Recht zu schaffen“…. „Fürchten werden meine Gegenwart,“ hieß es in dem Ausruf, „alle diejenigen, welche sich einer bösen Absicht oder einer Verletzung der Arbeitersache schuldig wissen; mit Freuden begrüßen werden mich diejenigen, welche als Bevollmächtigte, Agitatoren oder in sonstiger Eigenschaft treu zur Fahne gehalten haben.“
Glaubt man nicht einen gewissen Jesu zu hören, der ein Gericht über die Guten und die Bösen ankündigt, wobei die Böcke von den Schafen gesondert werden sollen?
Auf dieser Tour beobachtete Schweitzer die alte Taktik, daß überall, wo er über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen interpelliert wurde, er entweder schwieg oder mit spöttischen Bemerkungen darüber hinwegging.
Dem „Volksstaat“ gegenüber nahm er dieselbe Taktik ein wie gegenüber dem „Demokratischen Wochenblatt“. Niemals wurde der Name des „Volksstaat“ genannt, und von der Partei sprach er nicht anders als von der Eisenacher Volkspartei.
In Augsburg, wohin er ebenfalls auf seiner Rundreise kam, verlangte er von den dortigen Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins das Eingehen des von ihnen gegründeten Wochenblatts „Der Proletarier“. Als diese sich weigerten, seinem Verlangen nachzukommen, drohte er, daß er alles aufbieten werde, das Blatt zugrunde zu richten, sollte darüber die Bewegung in Bayern um fünf Jahre zurückgeworfen werden. Ein kleines Blättchen, „Der Agitator“, den Schweitzer dann zu Neujahr 1871 ins Leben rief, das vierteljährlich nur 15 Pfennig kostete, sollte in erster Linie bestimmt sein, massenhaft in Bayern verbreitet zu werden, um dort die obstinaten Elemente im Zaume zu halten.
Von seiner Rundreise zurückgekehrt, erklärte er, „daß die Partei niemals stärker, niemals einiger und zahlreicher gewesen sei als in diesem Augenblick“. Die Unwahrheit dieser Behauptung wurde dadurch bewiesen, daß zwischen ihm und Mende-Hatzfeldt von neuem der Zank ausbrach. Mende berief eine Generalversammlung nach Halle, die sich gegen Schweitzer erklärte, und veröffentlichte eine Broschüre, in der er Schweitzer aller möglichen Schandtaten zieh. Daß es so kommen würde, war vorauszusehen. Während aber Schweitzer ankündigte, daß mit dem 1. Januar 1870 der „Sozialdemokrat“ in vergrößertem Format erscheinen werde – es waren die Anstrengungen eines Schwindsüchtigen, der sich den Anschein von Kraft gibt —, mußte Mende ankündigen, daß, falls nicht bis zum 15. Januar für sein Organ, die „Freie Zeitung“, 1000 neue Abonnenten herbeigeschafft würden, er dasselbe werde eingehen lassen. Die größere Macht war also auf Schweitzers Seite. Die Generalversammlung seines Vereins berief Schweitzer auf den 5. Januar 1870 und die folgenden Tage nach Berlin.
Vorher, am 7. November, war es in Berlin zu einer großen Auseinandersetzung zwischen der Fortschrittspartei und den Lassalleanern gekommen. Der Abgeordnete Professor Virchow hatte im preußischen Abgeordnetenhaus einen Abrüstungsantrag gestellt, der nachher von der Mehrheit des Abgeordnetenhauses verworfen worden war. Die Fortschrittspartei wollte diesen Antrag durch das moralische Gewicht einer Volksversammlung unterstützen lassen, die auf den erwähnten Tag einberufen worden war. Eine Verhandlung wurde aber unmöglich gemacht durch die Lassalleaner, die massenhaft erschienen waren und den Vorsitz in der Versammlung beanspruchten. Als nun ein großer Tumult ausbrach, schloß der Abgeordnete Löwe-Galbe die Versammlung. Darauf eröffnete Tölcke sofort dieselbe aufs neue. Er hatte in der Voraussicht, daß die fortschrittliche Versammlung gesprengt werde, eine zweite Versammlung in dasselbe Lokal polizeilich angemeldet, und die Polizei hatte diese gleichzeitige doppelte Anmeldung zu einer Versammlung in ein und dasselbe Lokal angenommen. Wider alle bisherige Gepflogenheit waren auch die Versammlungen polizeilich nicht überwacht. Tölcke präsidierte, Schweitzer sprach. In der vorgeschlagenen Resolution war kein Wort gegen die Regierung enthalten, dagegen wurde die Fortschrittspartei als Gegnerin des allgemeinen, gleichen Wahlrechts und Gegnerin des Normalarbeitstags verurteilt und die Abschaffung der stehenden Heere und die Einführung der Volkswehr, gegründet auf militärische Jugenderziehung, verlangt.
Schweitzer suchte also wieder einmal den Standpunkt vergessen zu machen, den er in Militärfragen vorher wiederholt eingenommen hatte.
Nebenbei bemerkt: In der sächsischen Zweiten Kammer wurde um jene Zeit ein Abrüstungsantrag mit 55 gegen 21 Stimmen angenommen.
Auf dem am 9. September begonnenen Internationalen Arbeiterkongreß in Basel bildete den Hauptpunkt der Verhandlungen die Haltung der Sozialisten zur Grund- und Bodenfrage. Die Debatte hierüber füllte mehrere Sitzungen. Schließlich stimmten von 75 Delegierten 54, darunter Liebknecht und Spier, für folgende Resolution:
„Der Kongreß erklärt, daß die Gesellschaft das Recht hat, das individuelle Eigentum an Grund und Boden abzuschaffen und den Grund und Boden in Gemeineigentum zu verwandeln.“
Ebenso stimmten die beiden dem zweiten Teil der Resolution zu, der lautete:
„Der Kongreß erklärt auch, daß es notwendig ist, den Grund und Boden zum Kollektiveigentum zu machen.“
Diese Beschlüsse riefen in Deutschland großes Aufsehen hervor, insbesondere fiel die volksparteilich-demokratische Presse über diese Beschlüsse her, die sie als eine Ungeheuerlichkeit bezeichnete. Statt daß nun Liebknecht den Beschluß des Kongresses gegen die Angriffe verteidigte, erklärte er in der letzten Nummer des „Demokratischen Wochenblatts“, die erschien: