Читать книгу Ich überlebte den Urlaub! - Bernard Le Cordonnier - Страница 5
Lieber mit Corinna im Schnee
als mit Corona im Bett!
ОглавлениеWir schreiben Sonntag, den 15. März 2020.
Die letzte Gondel der Hintertuxer Gletscherbahn schwebt ins Tal. Nun ist Schluss! Noch gestern skandierten meine Reiseteilnehmer beim Après-Ski im Hexenkessel das Lied „Tux-Tux-Hintertux“, gefolgt von „Cordula grün“! Nach dem dringenden Rat von Gesundheitsminister Jens Spahn soll sich ab sofort jeder, der aus den frisch ernannten Corona-Krisengebieten Italien, Südtirol und Tirol nach Deutschland einreist sofort in 14-tägige, häusliche Quarantäne begeben. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz lässt die Skigebiete Ischgl und St. Anton am Arlberg abriegeln und unter Quarantäne stellen. Da Geld die Welt regiert und so mancher Hotelier und die Betreiber der Bergbahnen wegen Gier oder wegen ihrer angespannten Wirtschaftslage Geschäft vor Gesundheit stellten, kam es so weit. Schuld ist erst mal niemand. Kanzler Kurz weist alle Ausländer an, auf schnellstem Weg in ihre Heimatländer zurückzukehren.
Ich persönlich gelte nun nach 8 Skiwochen, die ich als Skiguide in vielen genannten Krisengebieten einschließlich Schwedens verbracht habe, eigentlich als biologische Waffe. Im potenziellen Fall meines Dahinscheidens würde meine Asche wohl als Sondermüll behandelt und in einem Atom-Endlager bei Gorleben entsorgt. Möglicherweise ist mein Immunsystem aber durch 9 Jahre Afrika-Aufenthalt ohne sichtbare Erkrankungen abgehärtet. Es hat dort bereits Ebola und HIV-Viren erfolgreich getrotzt. Das könnte nun auch gegen das Corona-Virus geholfen haben!
Wie mir zugetragen wird liegt ein Skilehrer-Kollege in einem Schweizer Hospital im künstlichen Koma und wird beatmet. Der größte Teil der Reiseleiter-Truppe steht unter Quarantäne, die mehr oder weniger befolgt wird. Das gesamte Zillertal und die angesagten Aprés-Ski Tempel Tirols sind Corona-verseucht. Touristen werden, falls bekannt und ortbar, von den völlig überlasteten Gesundheitsämtern angewiesen, sich sofort auf eine Covid 19-Infektion testen zu lassen.
Wie ich selber erfahren darf, gibt es aber kaum Kapazitäten für diese Tests. Wer keine Symptome zeigt oder nicht als Direktkontakt mit einem Infizierten identifiziert ist, kommt gar nicht dran.
Somit drehe ich im Unterholz nur mir und dem Oberförster bekannten Bergwäldern fast unsichtbar einsame Quarantäne-Runden mit dem Mountainbike oder wandere alleine durch die schöne oberbayrische Berglandschaft. Auch einsame Skitouren mit Aufstiegsfellen verhelfen dank Corona nun zu Traumbedingungen, wie es sie sonst nur in Alaska gibt. Oberbayern wirkt fast wie ausgestorben und nach dem Abwurf einer Neutronenbombe. Die Vögel zwitschern, der Himmel ist stahlblau. Kondenzstreifen der sonst hoch über dem Inntal cruisenden Jets fehlen. Ein stiller, warmer Traum-April, der wie ein Juni wirkt! Irgendwie hat das auch was!
Vor dem Edeka-Supermarkt stehen schwarz gekleidete Security Sherrifs und achten auf die Einhaltung der neuen Abstandsregelung und der Maskenpflicht. „Social Distancing“ heißt die neue Devise. Körperliche Nähe wird nun durch virtuelle Nähe ersetzt. Angeblich wachsen die Menschen dadurch zusammen. Die Party ist wohl erst mal in der bekannten Form vorbei. Gewinner sind Amazon plus Telekom- und Cyber Sex Anbieter. Home-Office und Kurzarbeit werden zu Schlagwörtern.
Eine Dame mittleren Alters mit weißer Schutzmaske schnauzt mich an, zurückzutreten. Ich habe die rote Linie vor der Wursttheke der Fleischerei-Abteilung beim Frischeservice Edeka-Prechtl in Brannenburg um 5cm übertreten und folge beschämt ihrer Anweisung. Ein älterer Herr wird von einem Kunden angebellt. Sein dominanter Riechkolben war aus der Gesichtsmaske gerutscht. Noch vor 2 Tagen gab es jede Menge sorgloser Corona-Parties an sonnigen Isarstränden und am Chiemsee-Ufer mit Corona Bier und Aperol Spritz. Nun schob Landesvater Markus Söder diesem Treiben umsichtig und fürsorglich einen Riegel vor. Ausgangssperre bzw. Ausgangsbeschränkung heißt das neue Zauberwort, das sich kurz nach Italien und Österreich auch auf die übrigen Bundesländer der BRD und auf andere EU-Staaten ausweitet. Ein Zusammenhalt dieser Staaten ist in dieser Krise unsichtbar und die Globalisierung wird bald Infrage gestellt. Es gibt zuwenig Schutzkleidung und Atemmasken, da die Herstellerstaaten diese nun selbst benötigen.
Mehrere Probleme werden nun zweitrangig. Von der Flüchtlingskrise hört man kaum mehr etwas. Die EU-Aussengrenzen sind wegen Corona dicht und auch die Zahl der Armen und Vergessenen wird möglicherweise durch Infektionen schwinden. Wen interessieren in diesen Zeiten der eigenen Sorgen die schwarzen Insassen auf dem Mittelmeer in Havarie geratener Schlauchboote? Greta Thunberg hat erst mal Urlaub. „Fridays for Future“ ist vorerst ruhig gestellt. Bald gibt es Querdenker-Demos. Deren Teilnehmer wollen keine Masken tragen und ihre Grundrechte als freie Bürger einfordern. Viele davon kennen diese gar nicht, freuen sich aber, endlich mal wieder gegen das Establishment auf die Straße gehen zu dürfen.
Es fliegen kaum mehr Jets, der Himmel ist blau! Lufthansa ist im 5% Modus und wird trotz 9 Milliarden Staatshilfe und langsamer Wiederaufnahme des Flugbetriebes noch jahrelang finanziell am Tropf hängen und dem Steuerzahler auf der Tasche liegen. Tausende Jets der Airlines stehen weltweit auf teuren Parkplätzen und verschlingen hohe Wartungskosten.
Nachbarn werden wie zu guten alten Stasi-Zeiten pfeilschnell zu Denunzianten und zeigen potenzielle Super-Streader Events ehemals guter Nachbarn an, die auf heimischen Balkonen mit einem familienfremden Eindringling gefährliche Viren-Cluster bilden. Gut abgesegnet und vom Gesetzgeber fast schon empfohlen!
Delfine werden an der Strandmole von Lignano gesichtet, das Wasser der sonst dreckig-braunen und stinkenden Kanäle in Venedig ist kurzfristig klar. Man kann dort wieder Fische und den Grund sehen.
Manche loben das Virus und sehen es als harmlose Grippe. Virologen sind zerstritten. Wer recht haben wird, weiß nur die Zukunft. Kreuzfahrtschiffe dümpeln vor Anker, Besatzungen von Container-Schiffen sitzen auf den Weltmeeren fest.
Die Kollateralschäden durch menschliche Vereinsamung, durch das Wegsterben ganzer Berufsgruppen und die Neuausrichtungen des Schulsystems sind nicht absehbar. Kinder dürfen plötzlich Oma und Opa nicht mehr sehen und die demente Großmutter bekommt keinen Besuch mehr. Wenn sie nun bald stirbt, dann sicher mit Corona! Das stärkt die Quote! Geld gibt es nun plötzlich in Billionenhöhe zur freien Verteilung an fast alle. Die schwarze Null ist Geschichte. Geht doch! Solo-Selbständige erhalten, wenn sie kein externes Büro unterhalten, zumindest in Bayern nichts. Es bleiben die vollmundigen Versprechen der verantwortlichen Politiker, deren erklärtes Ziel es ist, Panik zu vermeiden. Viele Kriminelle nutzen sehr erfolgreich die Gunst der Stunde zum Abkassieren. Das Geld ist nie weg, es hat nur ein anderer! Rettungsschirme dramatischer Größenordnungen werden von den Regierungen fast aller Länder gespannt, um drastische Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft zu verhindern. Jedem, der ein wenig rechnen kann, ist klar, dass das alles nicht reichen wird, falls diese Krise länger als ein halbes Jahr dauern sollte. Und das dauert es jetzt schon und wird noch viel länger dauern.
Ganz besonders wird die Reisebranche getroffen und damit sind wir wieder beim Thema! Ich bin einer der wenigen Reiseleiter, die trotz Covid-19 Zeiten nach dem Lockdown 1 sporadisch wieder im Einsatz sind. Wer weiß wie lange noch?