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Anmerkungen des Autors

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Seefahrt in den „good old days“ war noch eine spannende Angelegenheit. Besonders wohl für jene Zeitgenossen, die nicht zur See fuhren. Und mit den „good old days“ meine ich die Fünfziger und Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das war noch vor meiner Zeit, ich habe 1972 zum ersten Mal auf einem Frachter meinen Seesack abgestellt. Mit sehr gemischten Gefühlen, mein Wissen über diese Zunft beschränkte sich bis dahin nur auf einige wüste Geschichten, die mir zuvor bei „Tante Hermine“, einer damals bekannten Hamburger Hafenkneipe, aufgetischt wurden. Und einige schnulzige Schlagertexte, in denen immer wieder mal ein weißes Schiff nach Hongkong fuhr, der Seemann das Träumen lässt und der Junge bald wieder kommt. Aber trotzdem fuhr ich damals raus wie in der guten alten Zeit, auf betagten Stückgutschiffen in der Linienfahrt, lange Reisen, gute Liegezeiten.


Alte Postkarte von „Tante Hermines Kuhwerder Fähre“

Dank an Peter Nennstiel

Landgänge, die die meisten Janmaaten zunächst in Bars und manchmal in fremde Betten führten, ich erlebte auf diesen Reisen selbst meine wüsten Geschichten. Klischee und Realität waren verdammt nahe beieinander. Als „Aufwäscher“ hatte ich angeheuert, einfach, um mal die Seefahrt zu beschnuppern. Danach hatte ich mir den Besuch der Seefahrtschule vorgenommen, ich strebte die Laufbahn eines Funkoffiziers an.

Während ich in den Folgejahren mit dieser Ausbildung beschäftigt war, ging die gute alte Zeit still und leise den Bach runter. Und schuld daran war Malcolm McLean. Die wenigsten Seeleute dürften damals mitbekommen haben, wer ihnen das ursprünglich eingebrockt hatte. Die Sache mit dem Container nämlich. Besagter Mr. McLean war in den Fünfzigern Besitzer einer kleinen amerikanischen Reederei, der Pan-Atlantic Steamship Company. Und die glorreiche Idee, den Transport von Gütern zu beschleunigen, indem man das wilde Gemisch von losen Kisten, Säcken, Fässern und Ballen aufgab und die Ladung in genormte Transportbehälter stopfte, diese Idee hatte McLean schon vorher entwickelt. Malcolm McLean kaufte zwei alte Tanker, baute diese Gurken zu Transportern für solche genormten Behälter um und hatte damit den Startschuss für die weltweite Containerfahrt abgefeuert. Ganz unbemerkt, das war 1956, und die zahllosen Seeleute auf ihren herkömmlichen Frachtern, in den Bars und in den fremden Betten kriegten davon kaum was mit. Ich sowieso nicht, 1956 war ich sieben Jahre alt, besuchte in meiner Odenwälder Heimat eine Grundschule und war ziemlich sicher, dass Seeleute in den Masten großer Segelschiffe hingen und ständig mit Piraten kämpften.

„IDEAL X“ lautete der Name des ersten Containerschiffes, das McLean im April 1956 auf die Reise schickte. Nach Meinung vieler Seeleute klang dieser Schiffsname genauso bescheuert wie die Idee mit den Containern. Auf dem ersten Trip fuhr der Zossen von Newark nach Houston, mit gerade mal 58 dieser Kisten an Bord. Von da an war die Sache nicht mehr aufzuhalten, sehr langsam, aber stetig, drangen die Frachtbehälter auf die weltweiten Schifffahrtsmärkte vor. Ein schleichender Prozess, in den Sechzigern ging es für die meisten Seeleute noch weiter wie gehabt. Viele herkömmliche Stückgutschiffe klapperten die Häfen ab, benötigten dort noch reichlich Zeit für den Ladungsumschlag, und Hein Seemann ließ es an Land richtig krachen. Aber irgendwann, so in den Siebzigern, fanden sich immer mehr Janmaaten auf einem solchen „Schachteldampfer“ wieder. Und staunten, wie kurz doch eine Hafenliegezeit sein kann. Nun musste sich Hein mächtig beeilen, wenn er die Bars und die Betten noch bedienen wollte. Barbesuche endeten jetzt häufig halb nüchtern, und was die Betten betrifft, da war nun meistens „Shorttime“ angesagt, nicht mehr so oft „Nachtschicht“. „Verdammte Container“, wird so mancher Fahrensmann in den Bart gemurmelt haben. Und mit dieser Bemerkung, häufig gehört und manchmal auch selbst geflucht, hatte ich den Titel für dieses Buch gefunden.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die genormten ISO-Container sind eine der wichtigsten Erfindungen der Neuzeit, ohne diese Dinger und die damit verbundene Rationalisierung weltweiter Transport-Logistik gäbe es die gigantischen Warenströme der Gegenwart nicht, die Globalisierung wäre schon mangels ausreichender Transportmöglichkeiten gescheitert. Was vielleicht auch nicht jeder bedauern würde, aber egal. Mit den Containern entstand ein weltumspannendes Transportsystem, ausgeklügelt bis aufs Letzte. In der Seefahrt galt schon immer die Devise „Time is Money“, aber erst mit der Einführung dieser Transportboxen waren Reeder sowie Ex- und Importwirtschaft am Ziel ihrer Vorstellungen. Die Umschlagtechniken und die sonstige Hafenbewirtschaftung wurden bis zum heutigen Tag immer weiter entwickelt, Seeleute auf solchen Schiffen genießen mittlerweile kaum längere Liegezeiten als `ne ständig hin und her pendelnde Fähre. „Rein-Raus“ heißt es in den Häfen. Seeleute in den Sechzigern verstanden darunter noch was anderes...

Wie oben schon ausgeführt gehöre ich zu jener Generation von Seeleuten, die genau in den Übergang von der konventionellen Frachtfahrt zur Containerfahrt gerieten. Auf herkömmlichen Linienfrachtern begann ich als „Messbüddel“ und nach dem Erwerb meines Funkerpatentes landete ich zunächst in der Kühlschifffahrt. Rosige Zeiten für Janmaaten, Fahrtgebiet und Liegezeiten gaben noch was her. In meinem ersten Buch „Hast du mal einen Sturm erlebt?“ (Band 62 der maritimen gelben Buchreihe) habe ich diese Periode ausführlich geschildert. Danach ging es „Auf dicken Pötten um die Welt“ (Band 66 der maritimen gelben Buchreihe), auf Massengutschiffen erlebte man teilweise nach gemächlichen Überfahrten auch mal mehrwöchige Hafenaufenthalte. Im Oktober 1978 aber hatten sie mich zum ersten Mal erwischt, meine Reederei beorderte mich auf ein Containerschiff, Premiere für den Funker Schlörit. Nun lernte ich sie also kennen, die schnelle Fahrt auf den rasenden Kistentransportern. Und mit einer gewissen Beruhigung stellte ich fest, dass auf diesen Pötten auch nur mit Wasser gekocht wurde. Damals. Obwohl die „Schachteldampfer“ dieser Epoche im Vergleich zu heutiger Tonnage noch recht klein waren, zog sich der Hafenaufenthalt immer wieder mal in die Länge. Abhängig vom Fahrtgebiet natürlich, in modern ausgestatteten Häfen mit gut entwickelter Infrastruktur ging das Laden und Löschen schon flotter über die Bühne. Trotzdem, auch auf den Containerfrachtern erlebte ich noch so Einiges, der Film lief nur etwas schneller ab.

Auf ein paar dieser Trips will ich den Leser hier mitnehmen. Die Reisen auf dem Vollcontainerschiff SEATRAIN PRINCETON, im Liniendienst zwischen der kalifornischen Küste und verschiedenen Häfen Ostasiens. Ich möchte von meiner Zeit auf der SEATRAIN BENNINGTON erzählen, eingesetzt im klassischen Nordatlantikdienst, rüber zur US-Ostküste. Und ungeachtet der Tatsache, dass ich hier die Containerfahrt zum Titelthema machte, schildere ich auch eine Reise auf dem konventionellen Frachter AQUITANIA, die in krasser Form den Kontrast zur Containerfahrt veranschaulicht. Auf diesem Kahn kam ich direkt nach meinem Nordatlantik-Containertrip zum Einsatz, fünfeinhalb Monate Dienstzeit stehen im Seefahrtbuch. Auf See waren wir nur knapp sechs Wochen, wir lagen monatelang in diversen Häfen herum. Einige wenige Container als Decksladung, und die hätten wir beinahe noch im Sturm verloren. Schließlich dürfen mich die Leser noch auf die RIENZI begleiten. Ein Containerschiff, das in der Karibik im sogenannten „Feeder-Dienst“ fuhr. Wir hüpften von Insel zu Insel, hektisch war es aber nie. Eigentlich ein Traumtrip.

Ich werde also wieder von den Dingen erzählen, die die Seefahrt für mich so erzählenswert machen. Vom Reiz ferner Länder und Häfen. Von dem Respekt, den uns die See mit ihren Wetterkapriolen immer wieder abnötigte. Von den oft recht interessanten Typen, die sich an Bord befanden. Von bemerkenswert professionellen Seeleuten genau so wie von den Säufern und Dummschwätzern, die auf manchen Pötten ihr Unwesen trieben. Von packenden Situationen und dann wieder von monotoner Langeweile. Und von der Lebensgier der Janmaaten, wenn nach längerer Reise einige Stunden, eine Nacht oder in manchen Fällen mehrere Tage im Hafen für Abwechslung sorgten. Themen also, die hin und wieder einer deftigen Sprache bedürfen. Eben jener Sprache, der wir uns an Bord häufig bedienten, wir pflegten uns rustikal auszudrücken, ich pflegte es dann auch rustikal aufzuschreiben. So wird der Leser in diesem Erlebnisbericht all das wiederfinden, das sich wie ein roter Faden durch meine Seefahrtserinnerungen zieht. Schiffe und Häfen, Stürme und raue See, Monotonie und Hektik gleichermaßen, moderne, ihrer Zeit entsprechende Technik und sehr viel gelebte Tradition. Schräge Typen wie auch effizient arbeitende Fachleute, Hitze, Kälte, eingeschränkte Lebensbedingungen an Bord, und last but not least Kneipen, Bars und hin und wieder leichte Mädchen. Eben der Stoff, der sich hinter den mageren Zeilen verbirgt, mit denen mein Seefahrtbuch zehn Jahre in diesem Beruf ausweist.

Es sind die Erlebnisse eines Seefunkers, die ich hier niederschrieb. Den Lesern sollte bewusst sein, dass ich damit auch an einen ausgestorbenen Berufsstand erinnere, der technische Fortschritt ist schon vor etlichen Jahren über uns „Antennenheizer“ hinweggerollt. Kapitäne kommunizieren heute mit PC-ähnlichen Endgeräten über eine weitgehend automatisch gesteuerte Satellitenverbindung. Vorbei die Zeit jener Gestalten, die in ihrer Funkbude dem zirpenden Klang der Morsesignale lauschten und mit der Schlackertaste in schneller Tonfolge ihre Telegramme verschickten, in den Augen vieler Bordkollegen sowas wie schwarze Magie. Wir sind zu einer Fußnote in der Geschichte der Seefahrt geworden.

Es ist also völlig richtig, dass mein Verleger diese Schilderungen als Zeitzeugen-Dokumente versteht. Die Seefahrt der geschilderten Epoche unterscheidet sich in vielen Punkten von der Seefahrt der Gegenwart. Die Containerfrachter im Jahre 2014 sind Giganten, und jährlich werden neue Größen-Rekorde im Schiffbau gemeldet. Hätte uns damals jemand von Schiffen mit einer Ladung von 18.000 Standardcontainern erzählt, hätten wir uns an die Stirn getippt. Heute werden diese Pötte gebaut. Schiffe wie zu meiner Fahrtzeit mit Kapazitäten um die 800 bis 1.000 Container werden nur noch im regional begrenzten Zubringerdienst eingesetzt, als sogenannte Feeder-Schiffe. Liegezeiten haben sich extrem verkürzt, und nach dem Anschlag aufs World Trade Center in New York wurden weltweit Sicherheitsbestimmungen in den Häfen durchgesetzt, die mit rigorosen Kontrollen den Landgang noch mehr erschweren. Die Pötte sind vollgestopft mit modernster Technik und werden von grundlegend anders strukturierten Besatzungen gefahren. Überhaupt hat sich der Betrieb mit einigen wenigen europäischen Führungskräften und ausländischen, häufig wirklich exotischen „Mietbesatzungen“, zum Standard-Bemannungsmodell deutscher Reedereien entwickelt. Damit ist auch eine andere Lebenskultur auf den Schiffen heimisch geworden. Ich erzähle also von der Seefahrt einer vergangenen Zeit, die aber bereits die künftige Entwicklung in der Containerfahrt erahnen lässt.

Die geschilderten Ereignisse sind alle authentisch, lediglich einige Kalenderdaten sind zweifelhaft, da nicht mehr genau zu rekonstruieren. Nicht immer konnte ich noch feststellen, wann Kapitän X von Kapitän Y abgelöst wurde oder auf welcher von fünf aufeinanderfolgenden Reisen Steuermann Z im Puff versackte. Namen habe ich, wie schon in meinen ersten beiden Büchern, häufig verändert. Die Gründe ergeben sich oft aus den Begebenheiten, die zur Sprache kommen.

Mancher Fahrensmann war früher eine echte Wildsau und ist inzwischen zum seriösen Großvater herangereift, dem möchte ich seine Anonymität bewahren. Und viele Namen habe ich schlicht vergessen, dann habe ich die damaligen Kollegen einfach umgetauft.

Da, wie ich nun weiß, nicht nur alte Fahrensleute zu solchen Büchern greifen, sondern auch die eine oder andere Landratte ein Faible für solche Schilderungen hat, habe ich in diesem wie in meinen anderen Büchern immer wieder mal fachliche oder sonstige Hintergrunderläuterungen eingefügt, in Kursivschrift, um sie vom allgemeinen Erzählstrang zu unterscheiden. Alte Seeleute mögen das „überlesen“, unbefahrenen Lesern möge es nützen.

Bisher sah ich keine Veranlassung, eines meiner Bücher einer bestimmten Person aus meinem Umfeld zu widmen. Hier habe ich aber einen guten Grund dazu. Manfred Huber, Schiffselektriker, fuhr mit mir zusammen auf zwei Pötten, daraus entstand eine Freundschaft, die uns über viele Jahre verband, bis er leider viel zu früh im Jahre 2009 verstarb. Ich traf ihn 1980 zum ersten Mal, auf eben jener SEATRAIN BENNINGTON, die in diesem Band eine Rolle spielt. Und deshalb will ich mit diesem Buch ganz besonders an „Manni“ Huber erinnern, einen Seemann mit Leib und Seele, an Bord wie an Land ein Kumpel, mit dem mich zahllose Erinnerungen verbinden. Er war nicht ein Bordkollege unter vielen, er war ein Freund.

So, das war dann mal genug zur Einführung. Wir starten mit dem üblichen Ablauf: Urlaubsende, Anruf von der Reederei, in etwa immer der gleiche Schnack: „Herr Schlörit, wir haben wieder `nen Dampfer für sie. Kommenden Mittwoch fliegen sie nach Los Angeles, sie steigen auf der SEATRAIN PRINCETON ein. Ticket ist am Frankfurter Flughafen hinterlegt. Gute Reise!“ Das in dem Anruf genannte Ziel war austauschbar, der Schiffsname und der Mittwoch auch. Aber sonst war es fast immer der gleiche Text, den die Personalinspektoren am Telefon herunter beteten.

Der Rest war Routine, Koffer packen, einige persönliche Dinge regeln, mit den Kumpels noch mal um die Häuser gezogen, und dann ist der Abreisetag da. Und damit beginnt mein Trip mit diesen verdammten Containern…


Verdammte Container

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