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Wenn Krimi und Bibel sich treffen
Einleitung

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Warum mögen wir Krimis? Was reizt uns an Büchern oder Filmen, in denen Untaten begangen und Verbrechen verfolgt werden? Warum betrachten wir das, was uns in Wirklichkeit eher abschreckt oder Angst macht, mit größter Faszination, wenn es uns zwischen zwei Buchdeckeln oder auf dem Bildschirm begegnet?

Der Reiz von Krimis für Menschen jeden Alters und aus allen gesellschaftlichen Gruppen hat viele Gründe. Zu den wichtigsten gehört natürlich die Spannung. Wir fragen uns: Wer ist der Täter? Wie ging die Tat vonstatten? Wird er – oder seltener: wird sie – geschnappt? Wir rätseln mit, wenn es um die Aufklärung des Falles geht, und fiebern mit bei der abschließenden Verfolgungsjagd. Wir selbst jagen die Täter vom Lesesessel oder vom Wohnzimmersofa aus und lassen nicht locker, bis sie hinter Schloss und Riegel sind.

Spannend muss ein Krimi also sein, aber Spannung ist nicht alles. Von einem guten Krimi erwarten wir nicht nur, dass er uns auf die Folter spannt, sondern auch, dass er uns Einblick in das Denken und Fühlen interessanter Personen vermittelt. Von den Menschen, denen wir begegnen, wollen wir mehr erfahren, als was sie tun, um ein Verbrechen zu vertuschen oder aufzuklären. Wir wollen sie als Charaktere kennen lernen, mit ihren Meinungen, Motiven und Marotten. Gute Krimis sind deshalb immer auch Psychogramme. Sie zeichnen Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, beschreiben nicht nur, was sie tun, sondern lassen auch erkennen, was sie dazu bringt. Das gilt für die Seite der Kriminellen ebenso wie für die der Kriminalisten. Hier wie dort erlauben Krimis einen Blick in das Innere von Menschen, die – jeweils auf ihrem Gebiet – zu Außergewöhnlichem fähig sind.

Nicht weniger als das Innere der dargestellten Personen erkunden Krimis das Innere von sozialen Beziehungen. Lesend oder zuschauend erleben wir, wie zwischenmenschliche Konflikte zu Verbrechen führen oder kriminelle Untaten aus gesellschaftlichen Missverhältnissen erwachsen. Ebenso wichtig ist das Soziale bei der Aufklärung und Ahndung von Verbrechen. Wenn Kommissar(in) und Tatverdächtige(r) sich gegenübersitzen, geht es immer auch um ihr zwischenmenschliches Verhältnis, wenn sich die Zellentür hinter einem Überführten schließt, immer auch um ein gesellschaftliches Interesse. Nicht von ungefähr entwickeln sich gute Krimis deshalb oft zu kleinen Sozialstudien.

Schließlich gehört zum besonderen Reiz von Krimis, dass sie uns entlasten. Das scheint zunächst der fesselnden Wirkung während der Lektüre zu widersprechen, gilt aber nichtsdestotrotz. Denn zum einen müssen am Ende ja nicht wir vor den Richter treten, selbst wenn wir im Geiste mit von der Partie waren. Zum anderen enden Kriminalgeschichten in der Regel mit der Aufklärung des Falles und gönnen uns damit das Gefühl, dass die chaotische Welt, in der wir leben, doch noch durchschaut und die Störungen ihres Gleichgewichts wieder in Ordnung gebracht werden können. Auch wenn dafür besonders scharfsinnige Kommissare und außergewöhnlich tatkräftige Ermittlerinnen nötig sind, scheint letztlich doch garantiert, dass Aufrichtigkeit siegt und dem Unrecht Einhalt geboten wird. So sehr Krimis durch ihre spannende Handlung den Pulsschlag in die Höhe treiben, so sehr tragen sie mit dieser Wirkung zugleich zur Stabilisierung unseres Gefühlshaushaltes bei. Die Aufputschwirkung bei der Lektüre entlädt sich in einem erleichterten Aufatmen, wenn wir den Buchdeckel zuklappen oder den Fernseher ausknipsen.

Spannung, psychologische und soziologische Tiefenschärfe sowie moralische Sinnstiftung – die Kriminalgeschichten der Bibel haben in diesen Punkten nicht weniger zu bieten als die Krimis unserer Tage. Auch wenn nicht jede von ihnen alle diese Ansprüche gleichermaßen erfüllt, lohnt sich ihre Lektüre auch mehr als 2000 Jahre nach ihrer Entstehung. Allein die große Anzahl biblischer Geschichten, in denen Verbrechen begangen und aufgeklärt werden, müsste Krimifreunde aufmerken lassen. Die vorliegende Auswahl von 25 Texten deckt das Feld noch keineswegs vollständig ab. Vom kleinen Eigentumsdelikt bis hin zum staatlich geplanten Massenmord reicht die Bandbreite der erzählten Vergehen, von Gier über Eifersucht und Hass bis zum politischen Kalkül die Liste der Tatmotive. Könige finden sich ebenso unter den Tätern wie Straßenräuber, schutzlose Frauen gehören genauso zu den Opfern wie eifrige Propheten. Streckenweise liest sich die Bibel fast wie eine Kriminalgeschichte der Menschheit.

Um Tathergang und Identität des Täters machen die biblischen Geschichten im Unterschied zu vielen Krimis unserer Tage meist kein Geheimnis. Oft sehen wir selber lesend zu, wie das Verbrechen begangen wird. Die kriminalistische Spannung der Erzählungen speist sich dann vor allem aus der Frage, ob und wie der Täter entdeckt und durch wen er zur Rechenschaft gezogen wird. In zahlreichen Fällen nimmt Gott selbst oder ein von ihm Beauftragter die Ermittlungen auf. Vielfältig und ausgefallen sind die Methoden, die dabei zum Einsatz kommen. Die für den Krimi typische Höchstleistung des Kommissars steigert sich teilweise bis in den Bereich des Wunderbaren.

Woher kommt das »kriminalistische« Engagement Gottes, das diese Geschichten erkennen lassen? Nach dem Zeugnis der Bibel entspringt es vor allem seinem Gerechtigkeitssinn. Gott fühlt sich durch das von Menschen begangene Unrecht persönlich herausgefordert und zum Eingreifen gedrängt. Denn schließlich ist jedes Verbrechen auch ein Aufstand gegen den, der den Menschen das Leben geschenkt und ihnen Regeln für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben gegeben hat. Die kriminelle Untat bedeutet deshalb immer auch ein Vergehen gegen Gott. Im Kern spiegelt sich somit in jedem Kriminalfall jener erste Fall wider, der die Menschen das Paradies gekostet hat: der Sündenfall.

Um seiner selbst willen wie um der Opfer willen kann Gott das Unrecht nicht einfach ignorieren. Dennoch werden in der Bibel nicht alle Verbrechen sofort durch ihn gesühnt. Manchmal wird der Täter gar nicht ermittelt, manchmal verzichtet Gott bewusst auf die Strafverfolgung und lässt den Dingen ihren Lauf. Das hängt dann meist mit seinen weiter gehenden Plänen zusammen. Trotzdem ist es in den Kriminalgeschichten der Bibel Gott, der in allem kriminellen Chaos die Aufrechterhaltung von Ordnung verbürgt und sichert. Er kommt noch dem raffiniertesten Verbrecher auf die Schliche, vor seinem plötzlichen Zugriff ist kein Täter sicher. Damit stärkt die Bibel im Unterschied zu vielen heutigen Krimis das Vertrauen in einen endlichen Sieg des Guten und der Gerechtigkeit nicht einfach durch den glücklichen Ausgang ihrer Kriminalgeschichten, sondern indem sie mit diesen Geschichten auf die Macht und das heilschaffende Wirken Gottes verweist. Dies gilt auch dort, wo sich Gottes Handeln nicht unmittelbar in der Ahndung eines Verbrechens zeigt, sondern wo er dem Bösen Raum und Zeit lässt. Auch mit diesen Geschichten will die Bibel letztlich das Vertrauen stärken, dass Gott die Welt trotz aller menschlichen Untaten nicht im Stich lässt, sondern den endzeitlichen Sieg des Guten und der Gerechtigkeit garantiert.

Der Graben, der uns wegen Veränderungen in gesellschaftlichen Verhältnissen, religiösen Bräuchen, moralischen Vorstellungen und rechtlichen Bestimmungen von den biblischen Kriminalgeschichten trennt, ist also kleiner, als es zunächst scheinen mag. Nicht nur, dass sie uns als spannende Krimis unmittelbar ansprechen; als Erzählungen von Schuld und Sühne, von menschlichem Vergehen und göttlicher Gerechtigkeit behandeln sie auch Grundfragen unseres Daseins. Zum einfacheren Verständnis können einige Hintergrundinformationen hilfreich sein, die jeweils innerhalb der kurzen Einleitungen zu den folgenden Bibeltexten gegeben werden. Wenn durch sie das unmittelbare Verstehen der Situation erleichtert ist, können Handlung, Personal und Pointen ihren Reiz umso direkter entfalten. Der theologische Gehalt der Geschichten erlaubt es dann, dass man beim Lesen nicht nur einem Verbrechen, sondern zugleich sich selbst auf die Spur kommt, dass man nicht nur einen Fall löst, sondern auch den eigenen Fall entdeckt. Deshalb können Menschen, die als Leserinnen oder Leser von Kriminalgeschichten zwangsläufig auf der Suche nach Klarheit und Sinn sind, in diesen Geschichten auch Sinn und Orientierung für ihr eigenes Leben finden.

Am Anfang war der Mord

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