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Die Vorgeschichte:
Berlin und seine Bären
Оглавление„Ein fruchtbares Gelände für sumpfige Typen, seit 750 Jahren.“ (Wolfgang Neuß)
Vor langer Zeit lebten in der Gegend ums heutige Berlin Germanen. Dann ließen sich Slawen hier nieder und bauten im heutigen Brandenburg und Köpenick ihre Burgen. Das war damals keine allzu reizvolle Gegend. Es gab keine Rohstoffe, nichts, was sich zu erobern lohnte, nur Sumpf und Sand. Und so glauben viele Sprachforscher, dass der Name „Berlin“ von dem slawischen Wort Berl abstammt, was so viel bedeutet wie feuchte Stelle oder Morast.
Doch auf der Spree befand sich eine kleine Insel, ein strategisch günstig gelegener Ort, der auch heute noch das historische Zentrum von Berlin bildet. Diese Insel trug aber zu Beginn einen anderen Namen. Wie er zustande kam, darübestreiten sich die Gelehrten. Wir haben dazu unsere eigene Theorie entwickelt.
Begeben wir uns ein paar Jahrhunderte zurück, an den Anfang des 13. Jahrhunderts, wo auf der damals noch stark bewaldeten Spreeinsel eine folgenschwere Begegnung stattfand…
Ein trüber Tag im Sumpf. Lautes Donnergrollen erfüllt die Luft, es regnet unaufhörlich und das kleine Waldstück in der Nähe des Spreeufers versinkt im Morast. Ein Mann ist auf der Jagd. Wachsam schleicht er über den matschigen Waldboden. Da sieht er einen Schatten, der hinter einem großen Busch verschwindet. Er tritt hinter den Busch und hebt seinen Speer zum Angriff, als ein greller Schrei das Blut in seinen Adern erstarren lässt. Vor ihm auf dem Waldboden kauert eine junge Frau, die Beeren sammelt.
Bärenjäger
Was machst du hier?
Beerensammlerin (ängstlich)
Was?
Bärenjäger (der seinen Speer sinken lässt)
Wo liegt dein Dorf? Ich dachte, die Gegend wäre unbewohnt.
Beerensammlerin
Unbewohnt? Nein! Mein Dorf ist über Fluss. In Berl.
Bärenjäger
Ihr habt Bären im Überfluss? Davon habe ich noch nicht viel gemerkt. Ich bin nämlich auf der Jagd nach einem, und es hieß, hier in der Gegend gäbe es jede Menge davon.
Bärensammlerin
Berl? Ja, hier auch Berl.
Sie steht auf und stapft auf dem inzwischen extrem aufgeweichten Waldboden von einem Fuß auf den anderen.
Bärenjäger
Ja, Bär! Groaaar! (hebt die Arme und stapft, wie sie, breitbeinig von einem Fuß auf den anderen) Groaaaar! Wo? Wo Bär, wo Groaaar? Hast du Bär gesehen?
Beerensammlerin
Bär? Hier Berl! Oder wie heißt…? (denkt kurz nach) „Sumpf! Matsch!“
Bärenjäger
Augenblick! Du sagst ‚Berl’, aber ich spreche von ‚Bär’! Dem großen, wilden Tier, von dessen Fleisch sich ein Dorf einen Monat lang ernähren kann, und dessen Fell einen vor der Kälte des Winters schützt.
Beerensammlerin
Ah! Medved! Honigesser! Nein! Die gibt es hier nicht. Hat es nie gegeben. Nur Waschbären und Eichhorn.
Bärenjäger (enttäuscht)
Da haben sie mir ja einen schönen Bären aufgebunden…
Die beiden sehen sich an und lachen.
Bärenjäger
Berl! Die slawischen Händler, die ich auf dem Weg hierher traf, wollten mich nur vor dem Sumpf warnen!
Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und die beiden haben sich auf einen umgestürzten Baumstamm gesetzt. Es ist dunkel geworden, und weder der Mann noch die Frau würden den Weg zurück in ihr jeweiliges Dorf finden.
Bärenjäger
Ich bin für einen längeren Ausflug ausgerüstet und kann mir ein notdürftiges Lager bauen. (zögert kurz) Wenn du willst, kannst du heute Nacht bei mir bleiben. (fügt er rasch lächelnd hinzu) Ich verspreche dir auch, mich zu benehmen!
Die Frau sieht ihn zunächst skeptisch an, dann lächelt sie.
Beerensammlerin
Nachtlager auf matschigem Berl-Boden? Warum nicht?
Und die beiden schicken sich an, ihr Nachtlager zu bereiten, in der Absicht, im Morgengrauen sofort wieder in Richtung Heimatdorf aufzubrechen. Doch es kommt anders.
Fünf Jahre später ist von den Bäumen und Büschen, die unseren Lagernden Schutz boten, nicht mehr viel übrig. Anstelle des Waldes steht nun eine kleine Siedlung mit fünf Holzhäusern. Aus der größten der Hütten kommt unser Bärenjäger mit einer Axt, um Feuerholz zu hacken. Hinter dem Haus spielen zwei Kinder, und die slawische Beerenpflückerin hockt neben einer Ziege und melkt diese. Am Ortseingang steht ein einfaches Schild auf einem Holzpflock mit der Aufschrift „Cölln“.
Tatsächlich wird Cölln im Jahre 1237 auf der Spreeinsel erstmals urkundlich erwähnt. Ob dieser Name ebenfalls einer slawischen Umschreibung für Sumpf entsprang (Kol, Kollne) oder ob der reiselustige Bärenfänger ursprünglich aus dem schönen Rheinland stammte und vom Namen seiner Heimatstadt inspiriert wurde, ist nicht bekannt. Und obwohl Berlin erst sieben Jahre später aktenkundig wurde und sich erst 1307 mit Cölln zu einer Union zusammenschloss, gilt dieses Jahr allgemein als sein Entstehungsjahr.