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Mütter haben keine Angst

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„Mama, ich hab Durst!“ Eine kleine Hand hält mir erwartungsvoll ein Glas entgegen.

„Ja, Krümelchen, ich gehe ja schon und hole etwas.“

„Fanta, ich will Fanta!“ Breitbeinig baut sich der kleine Kerl vor mir auf. Ein Blick in den Kühlschrank verschafft mir Gewissheit. Nichts Trinkbares mehr da!

Also bleibt mir nichts anderes übrig, als in den Keller zu gehen und für Nachschub zu sorgen. Dort hat mein Mann sorgfältig Kisten mit Sprudel, Limo und Bier aufgestapelt.

ICH hasse den Keller.

Also, Korb geschnappt und auf nach unten.

Vor der Kellertür atme ich erst noch einmal tief durch. Dann drücke ich die Klinke herunter und öffne die Tür. Wieso nur krampft jedes Mal mein Magen, wenn ich hier unten bin? Wenn mich jetzt einer sehen würde! Eine erwachsene Frau, die Angst vor dem dunklen Keller hat. Lächerlich.

Beherzt knipse ich das Licht an. Na toll, die Birne flackert. Wie oft schon habe ich meinem Mann gesagt, dass hier eine Neonröhre reingehört. So richtig hell, damit jeder Winkel ausgeleuchtet wird. Männer!

Da, schon wieder flackert das Licht. Langsam schleiche ich die Treppe runter.

Mein Magen fühlt sich mittlerweile Bleischwer an. Links von mir rauscht es plötzlich. Ich zucke heftig zusammen. Mein Gott, nur das verflixte Wasserrohr. Björn hat bestimmt gerade Pipi gemacht, um Platz für seine Fanta zu schaffen.

Am Fuß der Treppe geht es nach links in den ersten Kellerraum. Noch liegt er im Dunkeln vor mir. Im Dämmerlicht, das durch das kleine vergitterte Kellerfenster fällt, steht eine schauerliche Gestalt vor mir. Ich sauge scharf die Luft ein und drücke schnell auf den Lichtschalter neben mir. Das Licht fällt auf einen alten Kleiderständer, den mein Mann irgendwann in den letzten Tagen hierhin gebracht hat. Darüber hängt ganz harmlos eine Arbeitsjacke.

Ich lache über mich selbst und fange an zu pfeifen. Nicht, weil ich Angst habe.

Nein, aber das lenkt mich ein bisschen ab.

Hinter diesem Raum liegt der Vorratskeller.

Wieder knarrt es in einer Ecke.

Meine Hände krampfen sich um den Tragebügel des Korbes und er fängt verdächtig an zu knirschen.

Als wenn es hier unten Monster gebe. „Diese blöden Gruselfilme. Ich sollte mir vielleicht keine mehr ansehen.“ Meine eigene Stimme gibt mir Mut und so bahne ich mir den Weg durch den Wohlstandsmüll, der hier unten vor sich hinstaubt. Schränke und Truhen, gefüllt mit altem Geschirr und Decken. Aus einer Kiste grinsen mich Weihnachtsmänner an.

Es wird Zeit, dass hier mal wieder richtig ausgemistet wird.

Im selben Moment, in dem ich die Tür zum letzten Keller öffne, geht das Licht aus.

Mein Herz fängt an zu rasen und meine Hände werden schlagartig feucht.


Björn (3 Jahre) und Charly

Zwei rotglühende Augen starren mich aus der Dunkelheit an. Einer Ohnmacht nahe entfährt meinen Lippen ein leiser Schrei. Ein Luftzug streift meinen Nacken und mein mulmiges Gefühl verwandelt sich langsam, aber sicher in Panik.

Hinter mir ertönen schlurfende Geräusche, etwas schleift an der Wand entlang. Mir wird speiübel.

Die roten Augen vor mir fangen an zu grollen. Wie ein Häufchen Elend mache ich mich ganz klein und versuche krampfhaft, mich hinter meinem kleinen Korb zu verstecken.

In diesem Moment geht das Licht wieder an und Björn steht vor mir. „Hast du etwa Angst im Dunkeln?“ Belustigt stemmt er seine kleinen Arme in die Hüften und sieht mich grinsend an. „Du hast geschrien.“

Ich schleiche mit wackeligem Schritt am Heizkessel vorbei, an dem zwei rote Lampen leuchten, hole zwei Limo und zwei Sprudelflaschen, schiebe meinen Sohn vor mir aus dem Keller und lösche das Licht.

Mütter haben keine Angst im Dunkeln!“, kläre ich ihn auf.

*

Gedankenspuren – Nicht alltägliche Kurzgeschichten von heiter bis besinnlich

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