Читать книгу 30 Minuten Stimme und Persönlichkeit - Bettina Schinko - Страница 8
Оглавление1.Wer spricht, kommt weiter
Eine mir bekannte Wissenschaftlerin forschte ein Jahr lang und kam zu guten Ergebnissen. Ihr Kollege war eher wenig an dem Projekt beteiligt. Als es ans Präsentieren ging, bekam sie kalte Füße und sagte zu ihm: „Mach du das doch.“ Er sprach, die Ergebnisse kamen gut an. Als es um die Verlängerung des Projektes ging, meinte der Professor zu ihr, er wisse gar nicht, was sie bei dem Projekt gemacht habe, und dass er mit ihrem Kollegen weiterarbeiten werde. Sie war sprachlos.
Oft kommen Klienten zu mir, die sagen: „Also im Meeting, da weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Es wurde ja schon alles gesagt. Und so viel mehr habe ich gar nicht beizutragen.“ Da sage ich: „Vorsicht. Denn wer spricht, wird gesehen. Gerade in Männergruppen ist es oft wichtig, dass jeder etwas sagt. Wenn du schweigst, bist du nicht dabei. Nur wer spricht, kommt weiter. Deswegen fasse ruhig mit deinen eigenen Worten alles noch mal zusammen.“
Sprich mit lauter, fester Stimme. Du meinst vielleicht, du sprichst zu laut. Aber wahrscheinlich bist du einfach nur präsent im Raum. Warum das so ist, erfährst du jetzt.
1.1Eigen- und Fremdwirkung
Wenn wir unsere Stimme hören, zum Beispiel auf dem Anrufbeantworter, dann ist sie uns fremd. Warum ist das so? Wir hören uns über innen. Das heißt, wir selbst nehmen unsere Stimme ganz anders wahr, als sie im Außen klingt. Du kannst folgende Übung machen:
Übung 1: Ohren abschotten
Halte die Hände parallel zu den Ohren, die kleinen Finger an den Wangen, die Finger geschlossen. Sage jetzt laut in den Raum: „Heute scheint die Sonne.“ So klingt deine Stimme im Raum und so hören dich andere Menschen. Überrascht? Sei dir bewusst, dass es eine Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwirkung gibt. Es kann sein, dass du meinst, du sprichst laut, aber nach außen klingst du leise. Mit dieser Übung kannst du deinen persönlichen Soundcheck vor einem Vortrag machen, wenn du ohne Mikro sprichst. Du machst dabei zwei Dinge: Du sprichst nach außen und sendest den Ton, aber dazu später mehr.
Was deine Stimme verrät
Deine Stimme zeigt deine Persönlichkeit. Bist du zu leise, dann versteckst du dich und die Zuhörenden nehmen dich nicht in deiner Stärke und in deinem ganzen Potenzial wahr. Wenn du polterst, dann überrollst du dein Publikum, wenn du deinen Mund nicht öffnest, dann möchtest du diese Worte vielleicht nicht sagen. Sprichst du mit zu viel Druck, weil dir dein Thema wichtig ist, dann läufst du Gefahr, dein Auditorium wegzudrücken. Klingst du schmatzig, ist dein Mund zu trocken; vielleicht bist du gestresst?
Eine gute Spreche dagegen nimmt die Ohren deines Auditoriums für dich ein.
Du hörst deine Stimme anders, als sie im Raum klingt. Leise Stimmen verstecken sich, wer beim Sprechen poltert oder zu viel Druck gibt, überfährt sein Publikum. Deine Stimme zeigt deine Persönlichkeit. Mit einer guten Spreche wirst du gehört. |
1.2Warum ein Stimmtraining?
Die Stimme öffnet Türen. Wir achten auf einen guten Body, trainieren in Fatburner-Kursen, quälen uns bei Mixed Martial Arts und entspannen im Flow-Yoga. Und das alles, um gut auszusehen und anzukommen. Doch zum perfekten Gesamtbild gehört die Stimme. Denn die Stimme erreicht das Gegenüber emotional. Wenn deine Stimme deine Persönlichkeit transportiert, du in deiner Kraft bist, dann hören andere dir zu. Sie nehmen neben dem, was du sagst, dich in deiner ganzen Person wahr. Mit diesem Buch lernst du: im Normalsprechton zu sprechen, deine Spreche zu senden, mit Pausen und Spannung umzugehen, lebendig zu sprechen.
Wie uns Sprache verbindet
Sprache ist mehr als die Worte, die wir sprechen. Du bekommst einen Anruf und sofort hast du ein Bild: Geschlecht, Alter, Herkunft, Bildungsstand, Haarfarbe, Temperament, Energielevel, Sympathiefaktor. Möglicherweise hörst du auch, ob die Person liegt, sitzt oder steht. Irritierend ist, wenn du dann merkst, dass dein Bild nicht stimmt.
Oder stell dir einen Vortrag vor, der dich müde macht, obwohl dich das Thema interessiert. Vielleicht beherrscht der Vortragende die Kunst des Monotons und spricht im Largo (sehr laaaaangsaaam). Manchmal stockt dem Redner der Atem, er spricht kurzatmig oder gar mit einem schneidenden, quietschenden Ton. Das überträgt sich auf unsere Stimme und wir können im Kehlkopf eine Enge spüren, ähnlich wie wir das Gesicht verziehen, wenn wir jemanden in eine Zitrone beißen sehen. Du siehst: Ungute Vortragsgewohnheiten übertragen sich unbewusst auf die Zuhörenden. Ganz anders packt dich eine Vortragende, die mit Engagement, Herzblut und Esprit spricht. Deren Atem die Stimme füttert und die im Normalsprechton (also nicht zu hoch und nicht zu tief) spricht. Dann fühlen wir uns beim Zuhören wohl. Wir sind im Bann dieser Person.
Mit deiner Stimme erreichst du dein Gegenüber emotional. Ein strapaziöser Einsatz der Stimme kann den Zuhörenden körperliches Unwohlsein verschaffen. Vortragenden, die nicht zu hoch und nicht zu tief sprechen und die ausreichend Luft beim Sprechen haben, hören wir gerne zu. |
1.3Dein Mindset
Es gibt Kriterien, wie ein guter Auftritt auszusehen hat: aufrechte Haltung, standhafter Blick, Brust raus, Bauch rein, dynamisch gehen. Wenn man diese Haltung von außen erzeugt, hält das 30 Sekunden. Dann muss man sich neu erinnern, sonst fällt man wieder in sich zusammen. Anders ist es, wenn wir von innen nach außen arbeiten: Mit dem richtigen Gedanken stehen wir aufrecht da, halten den Blickkontakt und treten dynamisch auf. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen, aber mit dem „falschen“ Gedanken kann auch ich nicht souverän auftreten.
Wie lautet der unterstützende Gedanke? Um zu verstehen, was ein hilfreicher Gedanke ist, schauen wir uns erst mal ein paar blockierende an. Diese haben eines gemeinsam: Der/Die Vortragende betrachtet sich vom Publikum aus. Wenn du das tust, hörst du deine innere Stimme sagen: „Alle gucken mich an“, „Alle erwarten etwas von mir“ oder „Alle denken, was hat der mir denn zu sagen?“. Mit diesen Sätzen bist du nicht bei dir, sondern sitzt im Publikum und betrachtest dich von außen. Das ist fatal. Das ist der Weg des sicheren Scheiterns. Selbst ich kann mit so einem Satz nicht sicher auftreten. Warum? Es sind Passivsätze.
Sei die Heldin deiner Geschichte. Helden sind aktiv. Das bedeutet, du brauchst ein aktives Verb für dein Mindset, für deinen Gedanken-Satz. Am besten fängt dein Satz mit „Ich“ an. Es gibt mannigfaltige Verben, sei kreativ! Hier einige Vorschläge:
Ich sehe euch alle!
Ich präsentiere!
I’ll rock the house!
Die Heldin, die den Jabberwocky töten soll, kommt nie aus dem Stadttor raus, wenn sie denkt: „Alle erwarten von mir, dass ich den Drachen töte.“ Aber wenn sie sagt: „Ich töte den Drachen!“, dann kann sie ausziehen, das Untier töten, zurückkehren und den Prinzen oder die Prinzessin heiraten. Der richtige Gedanke rollt dir den roten Teppich aus, der falsche Gedanke zieht dir den Teppich unter den Füßen weg. Unsere Gedanken beeinflussen unseren Körper und unsere Körperhaltung unsere Gedanken.
Der richtige Kick für die Bühne
Amy Cuddy hat mit ihrem Versuch des Power Posing (auf YouTube zu finden) bewiesen, dass bei Haltegesten oberhalb der Herzlinie der Testosteronspiegel ansteigt und der Cortisolspiegel sinkt. Bei Low Power Posing (zum Beispiel ein Sich-Zusammenziehen auf einem Stuhl) ist es vice versa. Das Testosteron ist das Jagdhormon, das brauchst du für die Bühne. Es lässt uns tatkräftig werden. Du kannst immer von zwei Seiten kommen: von außen – mit dem Power Posing – und/oder von innen mit dem Mindset.
Nur wer spricht, wird auch gehört. Wer gut spricht, dem wird gut zugehört. Deine Stimme klingt anders, als du sie hörst, da wir uns „über innen“ hören. Deine Stimme ist Ausdruck deiner Persönlichkeit und verrät, was du denkst. Mit einer guten Spreche und einem angenehmen Stimmklang fesselst du dein Publikum und erreichst es emotional. Der richtige Gedanke für einen guten Auftritt beginnt mit „Ich“ und einem aktiven Verb, zum Beispiel: „Ich sehe euch alle!“ Power Posing (Haltegesten oberhalb der Herzlinie) lässt dich tatkräftig werden. |