Читать книгу Verschlüsselt - Geheimnisse einer Stadt - Bianca Eckenstaler - Страница 11

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»Ich bin wieder zu Hause«, rief sie, als sie zur Tür reinkam. Sie roch schon die Kartoffeln. Ihr Magen regte sich. Bis das Essen fertig war, würde sie versuchen, das Kästchen zu öffnen. Das Kästchen unterschied sich in der Farbe von dem anderen. Das Erste war grün, dieses war braun. Hatte die Farbe etwas zu sagen? Vielleicht erschloss es sich, wenn sie wusste, was in dem Kästchen ist. Auch auf diesem befand sich eine Inschrift und ein Zahlenschloss. Die Inschrift lautete:

Ein Gesöff für jeder Mann,von dem er nicht genug bekommen kann.

Es heilt die Kranken und stärkt die Schwachen.

Bella zog ihre Augenbrauen hoch. Was bedeutete das? Bezog es sich auf Medizin? Aber welche Medizin trank ›jedermann‹? Sie stand auf und lief zum Fenster. Von ihrem Zimmer aus konnte sie das Fenster von Anna sehen. Sie wohnte zirka 400 Meter Luftlinie entfernt. Anna, Susi und sie wollten am 30.12. mit dem Bus nach Amsterdam fahren und dort auf einem Schiff Silvester feiern. Es gab asiatisches Essen. Am 01.01. kämen sie zurück. Bella musste demnach schnell machen, damit sie weiterkam. Abfahrt ist am 30.12. um 10 Uhr. Sie hatte nur noch heute und dann wieder am 02.01. Zeit. Sie war froh, dass sie die erste Januarwoche noch Urlaub genommen hatte. Dann hätte sie genug Zeit, das Rätsel zu lösen, und das Schloss, zu dem der Schlüssel passte, zu finden. Das Rufen ihrer Mutter riss sie aus ihren Gedanken. Das Essen war fertig. Sie würde nachher weitermachen.

Ihr Vater trank zum Mittag immer ein Gläschen Bier. Das würde den Geschmack komplett machen, meinte er. Sie konnte sich das überhaupt nicht vorstellen. Das Mittagessen schmeckte ihr. Es gab Kartoffeln, Buletten und Rotkraut. Als Nachtisch gab es Kirschen aus dem Glas. Nun war sie satt. Nach dem Abwaschen ging sie zurück in ihr Zimmer. Sie war müde. Doch sie wollte jetzt nicht schlafen. Das Rätsel ging ihr nicht aus dem Kopf. Immer und immer wieder las sie es. Es musste etwas aus der Geschichte von Delitzsch sein, dachte sie. Sie blätterte in dem Buch, welches sie sich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. Doch wo sollte sie suchen? Sie ging die Seiten durch. Von Medizin las sie nichts. Allerdings fand sie einen Text über die Wirtschaft von Delitzsch. Darin hieß es, dass das Handwerk und die Herstellung sowie der Verkauf von Bier die wirtschaftliche Grundlage bildeten. Sie nahm sich erneut den Zettel zur Hand und las den Text. Jetzt fiel es ihr auf. »Jeder Mann« stand auf dem Zettel und nicht ›jedermann‹. Es war die Schreibweise und bezog sich auf den Mann und nicht aufjeden. Jetzt musste sie nur noch eine Zahl finden, die das Kästchen öffnete. Sie las sich den Text erneut durch und fand eine Zahl. 1390 wurde die Biermeile in Delitzsch eröffnet. Sollte das die richtige Zahl sein? Sie versuchte es. Es gab wieder einen Klick und der Deckel öffnete sich. Wow – sie war stolz auf sich! Die Gewohnheit ihres Vaters verhalf ihr zur Lösung. Sie musste schmunzeln. In dem Kästchen lag ein weiterer Zettel. Ein neues Rätsel erwartete sie.

Sie las:

Sie naschen Brot und Speckund huschen wieder ins Versteck.

Gern leben sie im Grünen und laufen durch die Dünen.Geh zu dem Ort, wo sie wohnenund deine Suche wird sich lohnen.

Sie legte den Zettel auf den Tisch und umklammerte mit ihren Händen ihren gesenkten Kopf. Bei den ersten beiden Sätzen ist sie sich sicher, dass es sich um Mäuse oder Ratten handelte. Aber wo versammelten sie sich? Jede hatte ihren eigenen Bau. Es konnte nur wieder ein Hinweis auf ein Bauwerk sein. Möglicherweise kamen dort sehr häufig Mäuse oder Ratten vor, egal wie sehr man sie bekämpfte. Vielleicht hat man dieses Bauwerk danach benannt? Doch sie kannte keines, was in Delitzsch diesen Namen trug. Mäusehaus oder Rattenhaus. Vielleicht war es auch ein Verweis auf einen Kindergarten, der damals so genannt wurde. Sie hörte oft Eltern sagen, was für tolle Mäuse sie zu Hause hatten. Allerdings meinten sie damit ihre Kinder. Das bekam sie sicher so nicht gelöst.

Sie beschloss rauszugehen, sich die Beine zu vertreten und nachzudenken. Sie lief in Richtung Kosebruch, wo sie auch mit Tom oft gewesen ist und erinnerte sich auf dem Weg dorthin, dass sie damals im Kosebruch einen Ohrring verloren und nicht wiedergefunden hatte. Das war traurig, da sie ihn zu Weihnachten von ihren Eltern bekommen hatte. Sie gestand es ihnen damals nicht, aus Angst, sie würden schimpfen.

Es hatte sich einiges im Kosebruch geändert. Der Kuhstall wurde geschlossen und das Feld lag brach. Vielleicht würden sie die Fläche den kommenden Sommer nutzen und etwas anbauen. Sie lief den langen Weg bis zum Teich, der komplett mit Schilf bewachsen war. Zum Hinsetzen war es zu kalt, also blieb sie stehen und schaute von dort auf den Teich. Ihre Gedanken waren bei Tom. Sie wusste nicht, ob er schon wieder auf See war und wie es ihm ging. Sie hatte nichts von ihm, keine Adresse und keine Telefonnummer. Traurig schaute sie auf das Schilf. Eine Maus, die herausrannte, holte sie aus ihren Gedanken zurück. »Stimmt. Da ist ja noch dieses Rätsel«, sagte sie vor sich hin. Sie zog den Zettel erneut heraus und las. Doch auch jetzt konnte sie nichts damit anfangen. Sie beschloss nach Hause zu gehen und das Rätsel vorerst zu Seite zu legen. Sie konnte heute auch nicht mehr in die Bibliothek zum Recherchieren. Außerdem musste Bella ihre Tasche packen, weil es morgen nach Amsterdam ging. Sie freute sich schon über die Ablenkung. Dann würde sie Susi und Anna auch erzählen, dass Tom sich von ihr getrennt hatte.

01.01.

Sie waren zurück zu Hause. Es war eine schöne Zeit in Amsterdam. Sie besuchten einen Bauernhof, schauten bei der Käseherstellung zu und tanzten viel. Weil sie die Silvesternacht durchgemacht haben, war Bella zu müde, um sich noch mit dem Rätsel zu beschäftigen. Sie wollte sich morgen gleich nach dem Frühstück dransetzen, jetzt fiel sie müde in ihr Bett.

02.01.

Sie wachte vom Geruch frischer Brötchen auf und hatte großen Hunger. Beim Essen erzählte sie ihren Eltern von ihrer Reise. Nach dem Essen wollte sie sich gleich dem Rätsel widmen. Vor dem Zettel sitzend las sie:

Sie naschen Brot und Speckund huschen wieder ins Versteck.

Gern leben sie im Grünen und laufen durch die Dünen.Geh zu dem Ort, wo sie wohnenund deine Suche wird sich lohnen.

Daraufhin blätterte sie in dem Buch über Delitzsch, doch sie konnte nichts darin finden. Also zog sie sich an und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Vielleicht stand etwas in den Büchern, die sie bereits zurückgegeben hatte.

Frau Müller freute sich, sie wiederzusehen. »Bella, wie weit bist du mit deinem Vortrag?«

Bella schaute sie an und meinte, sie bräuchte noch einige Informationen. Mehr wollte sie Frau Müller nicht erzählen. Bella fand keine Hinweise auf mögliche Bauwerke. Sie fragte: »Wo kann man noch hingehen, wenn man Infos über die Stadt und ihre Gebäude braucht?«

Frau Müller sagte: »Dann kannst du nur ins Stadtarchiv gehen.«

Bella überlegte. »Wo ist das?«, fragte sie.

»Das ist im Rathaus. Ich weiß aber nicht, ob es heute geöffnet hat. Du kannst nur fragen.«

Bella bedankte sich und machte sich auf den Weg, glücklicherweise war es geöffnet. Sie traf einen jungen Mann an, der gerade bei der Stadt Delitzsch eine Ausbildung machte und etwas müde wirkte. Wahrscheinlich hatte er Silvester auch gut gefeiert.

»Hallo«, sagte Bella.

Er schaute sie an und erwiderte den Gruß.

»Ich brauche Hilfe. Ich suche ein Gebäude oder einen Platz aus der Geschichte von Delitzsch, was auf Mäuse hindeutet oder bei dem Maus im Namen auftaucht.«

Er schaute sie fragend an und schüttelte den Kopf.

»Alles klar bei dir?«, fragte er.

Sie nickte entschlossen. »Bitte, ich brauche einen Anhaltspunkt.« Sie sah ihn flehend an.

Er konnte jedoch damit nichts anfangen und fühlte sich veralbert.

Bella entschloss sich, ihm den Zettel zu zeigen. »Okay. Meine Freundinnen und ich spielen Schnitzeljagd in Delitzsch. Jeder muss dem anderen ein Rätsel aufgeben und an den Ort gehen, der gesucht wird. Dort würde sich ein weiterer Hinweis verstecken«, log sie. Sie zeigte ihm den Zettel.

Das war für ihn auf jeden Fall überzeugend. Er las den Text. Er mochte Rätsel und war gleich Feuer und Flamme, schritt durch den Raum und überlegte laut. Er war noch nicht so lange im Archiv eingesetzt und wusste daher noch nicht so viel. »Ich heiße Matthias«, sagte er.

Sie sah ihn an. »Bella. Angenehm.«

»Gut. Schauen wir mal. Gibt es einen Hinweis, aus welchem Jahr das Gebäude oder der Platz sein sollen?«

Bella verneinte.

»Dann gehen wir mal logisch vor. Hier steht etwas vom Grünen und Dünen. Es könnte ein Hinweis auf einen Ort sein. Ein Feld ist es nicht. Das ist nicht grün. Entweder ist es der Stadtwald oder der Stadtpark. Soweit ich weiß, gibt es im Stadtwald keine Gebäude. Allerdings steht im Stadtpark ein Turm. Jetzt wäre natürlich interessant, wann er errichtet wurde, damit ich im Archiv nachschauen kann.« Ihm kam eine andere Idee. Er ging an den Computer und gab das Stichwort ›Turm‹ ein. Zum Vorschein kam der Schlossturm, der Breite Turm, der Hallische Turm und der Juliusturm. Den Breiten Turm schlossen sie aus, er stand nicht im Grünen. Bei dem Hallischen Turm war es strittig, da dieser in der Nähe des Wallgrabens stand. Sie zogen den Schlossturm und den Juliusturm in die engere Auswahl.

Bella las die Fakten über den Schlossturm, Matthias über den Juliusturm. Ihr Gefühl sagte, dass es nicht der Schlossturm sein konnte. Sie konnte sich jedoch nicht erklären, warum.

Matthias stieß zu ihr und sagte: »Schau mal. Der Juliusturm wurde 1903 errichtet, um die Abwasserbeseitigung zu unterstützen. Er heißt auch Mäuse- oder Schlammturm.« Er schaute sie an. Sie las sich den Text ebenfalls durch und sah auf. »Ja. Ich denke, dieser Turm ist gemeint.« Matthias sagte, der Turm ist nicht mehr in Betrieb, sollte aber der Stadt erhalten bleiben. Sie nahm ihre Sachen und wollte gehen. Doch er erwiderte, er wolle mitkommen. Sie sah ihn an und sagte, dass sie das aber nicht will. Sie sei ihm dankbar für seine Hilfe, aber das möchte sie allein machen. Enttäuscht zog er sich zurück. Sie verließ das Archiv und machte sich auf den Weg in den Park, wo der Mäuseturm stand. Sie dachte, ob sie vielleicht unfair gegenüber Matthias war? Doch sie wollte niemanden dabeihaben.

Am Mäuseturm angekommen lief sie um ihn herum und schaute, ob sie Schriftzeichen oder Gravuren im Putz fand. Nichts. Sie schaute auf den Boden und suchte nach Aussparungen. An der hinteren Seite des Turms sah sie etwas ganz versteckt im Gras blitzen. Es sah aus wie ein Mäuseloch. Es lag unter dem Grasansatz. Sie kniete sich hin und schob mit ihrer Hand das Gras beiseite. Sie bräuchte eine Schaufel, um das Gras und die Erde zu entfernen. Sie schaute sich nach etwas anderem um. Ein Stock würde es auch tun, dachte sie sich. Unweit vom Turm entfernt fand sie einen stabilen Stock. Sie nahm ihn und wühlte ein wenig an der Stelle. Das Loch kam mehr zum Vorschein. Sie versuchte mit ihrer Hand hinein zu kommen. Sie musste noch ein wenig wühlen. Schließlich kam sie ran. Ihre Hand passte gerade so in die Öffnung. Sie fühlte eine kleine Rolle an den Fingerspitzen. Sie musste sich hinlegen, damit ihr Arm länger wurde. Vorher schaute sie nochmal, ob auch keiner in ihrer Nähe war, der sie beobachtete. Dabei sah sie nicht, dass sich Matthias hinter einem Baum versteckte. Sie versuchte es erneut und bekam die Rolle zu fassen. Sie zog sie aus dem Loch und schob das Gras und die Erde wieder so hin, wie es vorher war. Sie trat es fest und entfernte sich von dem Turm. Die Rolle hielt sie in der Hand.

Sie lief zum Brunnen der Genesung, um sich dort auf eine Bank zu setzen. Sie wollte sich die Rolle in Ruhe anschauen. Da merkte sie, dass ihr jemand folgte. Sie schaute sich um und sah Matthias.

»Oh nein!«, brummte sie vor sich hin. »Was willst du?«, rief sie.

Er sah sie an und meinte: »Ich will dir helfen. Es ist immer gut, wenn man jemanden zum Gedanken austauschen hat.« Im Grunde hatte er recht.

Sie setzte sich und überlegte. »Gut. Du versprichst aber, dass du mit niemanden darüber redest.«

Seine Augen leuchteten. »Ich verspreche es. Aber jetzt muss ich zurück zur Arbeit. Ich hatte nur eine kurze Mittagspause. Wann und wo treffen wir uns?« Sie vereinbarten, dass sie ihn um 16 Uhr zum Feierabend abholte. Matthias ging. Sie schaute sich jetzt in Ruhe die Rolle an. Sie war aus Metall. Es fühlte sich wie Metall an. Sie hatte auch einen leichten Grünstich, wenn sie sie ins Licht hielt. Auf der Rolle war wieder ein Text zu erkennen. Ein Zahlenschloss schützte den Inhalt der Rolle. Doch dieses Mal war das Rätsel gar nicht so leicht zu lesen, denn die Buchstaben ergaben keinen Sinn.


Verschlüsselt - Geheimnisse einer Stadt

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