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1. und 2. Monat
Оглавление25.09.2009
Na super! Heute hat mir die neue Firma nach vierwöchiger Einlernphase gekündigt und mich sofort freigestellt. Kündigungsfrist vierzehn Tage, d.h., ab 12.09. bin ich arbeitslos.
Begründung: Ich hätte von Anfang an Defizite aufgewiesen, die ich nie mehr aufgeholt habe.
Nur – wieso hat man mich dann vier Wochen behalten? Wieso einen Abend in der letzten Woche, als wir bis 22 Uhr geöffnet hatten, mir die Leitung und Schlüsselgewalt übergeben? Das verstehe wer will... Und vor der mündlichen Kündigung noch mit mir und der Personalleitung ein offenes, freundliches Gespräch geführt? Ich war so was von den Socken – mir wurde noch nie gekündigt!
Zuerst wollte ich nach Hause fahren. Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass mein Mann gar nicht zuhause war – ich wollte in diesen Momenten nicht alleine mit mir und meinen Gedanken sein, also einen Riesenumweg zu meinen Eltern gefahren.
Der Weinkeller meines Papas ist ziemlich groß – nach einer Flasche Wein in vier Stunden während eines süßen, aufbauenden Gespräches mit meiner Mama war ich wieder ziemlich gut drauf und hundemüde. Also nachmittags ins Bett gelegt und drei Stunden geschlafen.
Schön, wenn man noch Eltern hat, die einen so verwöhnen können und das auch tun!
***
26.09.2009
Heute morgen kam es mir schon komisch vor, dass ich vor einer Woche meine Periode hätte bekommen müssen. Meine Brüste spannen, der Bauch zwackt, so, als ob es jeden Moment losgehen würde. Ich schau bestimmt hundert Mal am Tag nach – Fehlanzeige. Na gut – Schwangerschaftstest besorgt. MAN, wenn man am Waschbecken steht, können fünf Minuten verdammt lang werden!
Oh-oh – 2 rosa Streifen!
Ich komme mir vor wie in einem Rosamunde-Pilcher-Roman: gestern zu Tode betrübt – heute himmelhoch jauchzend! Schließlich hatten mein Mann und ich schon viereinhalb Jahre daran gebastelt, endlich Nachwuchs zu bekommen...
Schnell meinen Mann angerufen, die frohe Botschaft überbracht – am anderen Ende der Leitung das große Schweigen. Dann ein: „Ist das sicher?“ - „Ja, hab einen Test aus der Apotheke besorgt.“ - „Heißt das jetzt, dass der Sekt und Wein im Kühlraum ganz allein für mich ist?“ Zum Glück für meinen Mann, dass es noch nicht möglich ist, jemanden durchs Telefon zu erwürgen!
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Meine Eltern sind völlig aus dem Häuschen. Es hagelt gute Ratschläge, die Zukunft des Enkels wird bis ins Detail geplant und bevor sie noch die Studienfächer theoretisch durchgehen, bremse ich sie: „Hey, es kann noch so viel passieren, es ist ja noch nicht auf der Welt!“ Aber davon wollen sie jetzt nix hören.
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28.09.2009 vormittags
Ich bin beim Arbeitsamt. Ups, 'tschuldigung, also Bundesagentur für Arbeit. Ich melde mich arbeitslos. Eine ältere Frau nimmt meine Daten auf. Ich erkläre, dass mir am Freitag gekündigt wurde und ich am Samstag erfahren habe, dass ich schwanger bin. Heute ist übrigens Montag. Die Dame fragt mich allen Ernstes, wann der Entbindungstermin ist und ob ich meinen Mutterpass dabei habe! Ich noch mal alles erklärt. Schööön langsam. Sie guckt mich an, als ob ich jetzt schon Muttidoof wäre.
„Naja, dann bringen sie Mutterpass beim nächsten Termin mit. Und wann ist der Entbindungstermin?“
AAAARRRGL!
„Weiß ich noch nicht. Ich weiß es selbst erst seit Samstag.“
„Na, das müssen sie im Mutterpass nachlesen!“
WIMMER!
Soll ich dann beim nächsten Termin auch schon den Eintrittstermin in den Kindergarten, Schule, Klavierstunden, Abiturtermin und Beginn des Studiums parat halten?
Weiterhin erfahre ich, dass eine Vermittlung „in meinem Zustand“ ziemlich schwierig wird und eher ungewiss ist.
Ähm, WIE war das noch mal mit der Gleichstellung? Also schwangere Frauen sind „wegen ihres Zustands“ schwer vermittelbar. Aha. Nun, der „Zustand“ dauert ja nicht ewig...
Des Weiteren erfahre ich, dass die ganzen Gehaltszettel, die ich Monat für Monat aufbewahre, für die Bundesagentur für Arbeit wertlos sind. Ich muss nun bei meinen ehemaligen Arbeitgebern der letzten vierundzwanzig Monate eine Arbeitsbescheinigung beantragen – sonst gibt es kein Arbeitslosengeld. Aha!? Also nur auf dem vom Bund vorgefertigten Formular sind die Daten etwas wert, obwohl sie genau dasselbe aussagen. Seufzend nehme ich den Berg an Formularen entgegen, registriere den Termin zur Arbeitssuchend-Beratung mit einem persönlichen Ansprechpartner.
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28.09.2009 nachmittags
Zuhause angekommen suche ich eine Frauenarztpraxis, da ich zu meinem vorherigen nicht mit dem Würschtle im Bauch gehen möchte. Dieser war grob und hatte einen angsteinflößenden Humor:
Arzt: „Sie haben da eine Zyste.“
Ich: „Aha, was heißt das?“
Arzt: „Das müssen wir beobachten. Wenn sie größer wird, ist das nicht gut.“
Ich: „Und was heißt das jetzt?“
Arzt: „Wenn sie größer wird, haben sie Krebs und müssen sterben.“
Öhm...
Die Praxis ist eine Gemeinschaftspraxis mit zwei weiblichen und einem männlichen Gynäkologen. Nächste Woche Montag ist ein Termin frei. Ich werde gefragt, ob ich lieber eine Frau oder einen Mann als Arzt hätte.
„Sind doch bestimmt alle nett und kompetent“, witzle ich, „der, der einen Termin frei hat soll mich übernehmen.“
Mal abwarten, ich hab da so eine Vermutung...
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29.09.2009
Bin neugierig. Ich surfe durchs Internet und stelle fest, dass ich schon in der 6. Woche schwanger bin – juhu! Nur noch 34 Wochen! Nach längerem Suchen bei Amazon habe ich zwei Bücher gefunden und bestelle diese – man will ja wissen, was in seinem Körper vorgeht, vor allem, weil mein Bauch weiterhin so komisch rummacht, als ob ich jeden Moment meine Tage bekommen würde. Es zoppelt, sticht, drückt wie wahnsinnig. Die Nächte sind eine Qual. Ich schlafe unruhig, träume bekloppte Dinge, wenn ich mich umdrehe, schmerzen meine Brüste so sehr, dass ich am liebsten wie ein kleines Kind heulen würde. Die sind aber auch riesig und fest geworden! Ach ja, und dann noch der Kampf mit dem Rauchen aufhören...
Habe gestern meine vermeintlich letzte Zigarette geraucht. Habe mir heute Vormittag doch wieder ein Päckchen geholt, drei geraucht, den Rest im Müll zerbröselt, damit ich nicht wieder in Versuchung komme. Habe ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, dass ich damit meinem Baby schade.
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30.09.2009
Ach du Scheiße, ist mir schlecht! SO also fühlt sich die morgendliche Übelkeit an. Oh man, und ich dachte schon, ich würde davor verschont werden, weil es mir bisher so gut ging.
Habe mir wieder ein Päckchen Zigaretten geholt, eineinhalb geraucht, den Rest wieder zerbröselt und weggeworfen. Schlechtes Gewissen!!
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Mir ist total langweilig. Ich putze die ganzen Spiegel im Haus. Muss aufhören, mir ist immer noch so schlecht. Hört bis zum Abend nicht auf. Schlecht, übel, würg. Habe mich aber noch nicht erbrochen.
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Mein Mann trinkt zum Abendessen Wein. Gemein! Ich nippe mal an seinem Glas – bäh! Schmeckt der auf einmal eklig. Weil ich schwanger bin oder weil ich mit dem Rauchen (fast) aufgehört habe?
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Um acht Uhr abends halte ich es nicht mehr aus. Ich hole mir wieder ein Päckchen Zigaretten. Kurz vor dem Schlafengehen rauche ich noch eine dritte, damit ich spüre, wie eklig das Rauchen ist. Der Rest landet wieder zerbröselt im Müll.
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01.10.2009
Ich hole mir wieder eine Schachtel Zigaretten. Nachdem ich eine geraucht habe, bekomme ich die Mutter aller Übelkeit. Ich schwöre mir, nachdem ich würgend vom Balkon schwanke, dass ich nie wieder eine anzünde! Rest als Brösel im Müll.
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Mir ist so langweilig. Vor allem, weil mir dauerschlecht ist, sodass ich meine freie Zeit gar nicht sinnvoll verbringen kann...
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Ich rufe bei einer Zeitarbeitsfirma an und mache gleich einen Vorstellungstermin für die nächste Woche aus.
Wenigstens kann ich meinen Mann nun abends kulinarisch verwöhnen. Bin den ganzen Tag so müde, schlafe mittags fast zwei Stunden und bin abends um sieben, acht Uhr schon wieder müde. Auweia.
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02.10.2009
Meine zwei Bücher sind heute mit der Post gekommen! Vieles, was da drin steht, beruhigt mich. Es ist also völlig normal, dass ich Schmerzen in der Brust und dem Bauch habe, dass ich den ganzen Tag müde bin und mir schlecht ist. Bis ich lese, dass es auch eine Eileiterschwangerschaft gibt, bei der das Embryo entfernt werden muss – sonst sterben Mutter und Kind! Jetzt wird mir noch schlechter als bisher schon! Ich trau mich plötzlich gar nicht mehr, mich auf das Baby zu freuen, vor lauter Angst, dass bei mir was schief gegangen ist. Ich habe plötzlich Angst vor dem Frauenarzttermin. Als ich mit meinem Mann darüber geredet hab, bekomme ich den nächsten Dämpfer: Er meinte, ich soll doch nicht immer alles so negativ sehen, soll doch positiv denken. Na toll! Männer! ER geht nicht am Montag zum Arzt und ER muss nicht mit der Angst leben!
Ich hab heute noch keine geraucht! SIEG!!
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04.10.2009
Habe heute erfahren, dass mein Mann und seine Exfrau nie über Schwangerschaften gesprochen haben. Sie hat zwei Kinder von ihm und war anscheinend eine von den Wunderfrauen, denen nie übel war, die gar nicht gespürt haben, dass sie schwanger sind, die noch im 8. Monat Tennis gespielt haben und dann die Kinder ohne Wehen wie der Esel im Galopp verloren haben.
Hab heute immer noch keine geraucht!!
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05.10.2009
Puh – Entwarnung! Baby hat es sich in der Gebärmutter bequem gemacht. Der Frauenarzt ist ein ganz netter. War irgendwie klar, dass ein Mann in diesem speziellen Beruf noch mehr Termine frei hat als eine Frau. Auf jeden Fall war er beim Abtasten total vorsichtig. Bei der Ultraschallaufnahme durfte ich auf dem Bildschirm mitgucken und sah begeistert, dass das Herz vom Würschtle wie verrückt schlug! Mir kamen die Tränen vor Freude, obwohl ich das schon durch die Bücher wusste, wie es aussieht. Aber dieser kleine, 5,5 mm große Wurm da auf dem Bild mit seinem klopfenden Herzen, das war MEINER!! Ein Bild durfte ich mitnehmen, nur leider sieht es viel unlebendiger als auf dem Bildschirm aus. Schön ist, dass die Praxis direkt am Klinikum liegt. Dort werde ich das Würschtle auch entbinden. Blöd ist, dass vor der Praxis Parkverbot ist. Wieso eigentlich? Normalerweise müssten dort doch Behindertenparkplätze sein. Oder noch besser: Schwangerenparkplätze!
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06.10.2009
Arbeitsamt. Ach, ist doch egal, wie die jetzt heißen. Tun die wirklich was für Arbeitssuchende? Jetzt sehe ich so langsam die Gerüchte, die überall erzählt werden, am Stammtisch breit geklopft werden, als bestätigt. Man bekommt ein Profil auf der Homepage der Jobbörse und dann muss man selbst gucken, wo man bleibt. Also so, als ob ich alleine dafür verantwortlich wäre, nur dass ich ohne Kontrolle und Nachweis meiner Bemühungen kein Arbeitslosengeld erhalte – als ob der Zustand, nur alleine daheim rumzuhocken, so spannend ist! Gemeinsam mit meinem Berater suche ich heute drei Angebote, auf die ich mich bewerben soll. Insgesamt muss ich im Monat Oktober fünf Nachweise meiner Bemühungen beim nächsten Termin vorlegen, sonst wird mir das Arbeitslosengeld gestrichen. Ach ja, „nur“ fünf, da mein „Zustand“ zurzeit so schwierig ist, obwohl meine Qualifikationen hervorragend sind. Und mein Berater fordert mich mehr oder weniger direkt auf, nicht zu sagen, dass ich schwanger bin – weist mich darauf hin, dass ich beim Bewerbungsgespräch nicht nach einer Schwangerschaft gefragt werden darf und wenn doch, dass ich dann lügen darf, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Ich sage ihm, dass das nur die ersten paar Monate geht, da man dann an meinem Bauch sieht, was los ist. Seine Antwort war mehr als ausweichend. Er meinte zum Schluss, dass er von mir deswegen auch nur fünf Bewerbungen verlangt...
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07.10.2009
Hatte heute das ersten Bewerbungsgespräch bei einer Zeitarbeitsfirma. Hatte sich was mit „Gespräch“ - ich frage mich jetzt noch, warum ich da persönlich erscheinen sollte...
Ich durfte ein zweiseitiges Formular ausfüllen, Lebenslauf beilegen – das war's! „Wir melden uns.“ Toll! Ich also auf zur nächsten Zeitarbeitsfirma. Dort war es noch besser: Lebenslauf abgeben – das war's. „Wir melden uns. Tschüss!“ Hallo!? Ist denen die Qualität ihrer Bewerber völlig egal? Sammeln die nur Lebensläufe? Verdienen die damit ihre Kohle?
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Oh man, bin immer noch den ganzen Tag müde und mir ist rund um die Uhr schlecht. Mein Mann ist in Hamburg und kommt erst um 23.30 Uhr zurück. Ich habe ihm ein paar leckere Häppchen vorbereitet, auf die er sich dann stürzen kann. Hab mich bis zu seiner Ankunft irgendwie wachgehalten. Er war richtig froh, dass ich noch wach war und er noch etwas zum Essen bekam.
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09.10.2009
Juhu! Heute sind ganz viele Bücher von Amazon gekommen! Da ich zurzeit richtig viel Zeit zum Lesen habe, habe ich mir die richtige Literatur bestellt, die ich jetzt brauche, um mich hoffentlich völlig ablenken zu können: 20 Bücher von einem Autor, der über einen Meeresbiologen schreibt, dessen Abenteuer die reinsten Krimis sind, der Protagonist selbst eine Mischung aus Indiana Jones und James Bond, die Romane immer unheimlich spannend sind und zum Glück immer ein Happy End aufweisen. Ich mag keine tragischen Romane – da trage ich noch tagelang danach ein schlechtes Gefühl in mir, geht mir einfach zu nah.
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Mein Mann bekam heute Abend richtig Angst, weil sich schon die Bücherregale durchbiegen. Er meinte, wir müssen wohl anbauen. Ups...
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10.10.2009
Mir ist so schlecht, dass ich denke, ich muss mich übergeben. Kommt aber nix! Manchmal wünschte ich mir, dass ich endlich einmal alles von mir geben könnte und es mir dann besser gehen würde! Naja, ich habe schon gelesen, dass alles in den ersten drei Monaten normal ist und auch die letzten drei Monate wieder so sein kann. Und ich habe halt gleich alles auf einmal erwischt. Wenn es so weitergeht, werde ich mich zweidrittel der Schwangerschaft schlecht fühlen. Juhu! Aber am allergeilsten fand ich in einem Schwangerschaftsbuch, in dem es heißt, dass es in der Selbstdisziplin der Frau liegt, ob sie die ganzen Symptome bekommt oder eben nicht. Man soll in der Schwangerschaft täglich drei Liter Wasser trinken, Vollkornbrot und Gemüse essen und sich viel bewegen. Wetten, dass das ein Mann geschrieben hat? Wer kann all dies verwirklichen, wenn es einem rund um die Uhr schlecht ist, der Bauch sich sowieso immer voll anfühlt und schmerzt!? Seufz.
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11.10.2009
Ich habe die schlimmste Nacht hinter mir seit ich schwanger bin. Ich hatte gestern den ganzen Abend Bauchweh – ja, leider quält mich nun auch das für Schwangere so typische Problem der Verstopfung. Und als Schwangere darf man nix dagegen nehmen. Außer natürliche Hausmittel, die meiner Erfahrung nach aber gar nicht oder nur verzögert helfen. Mir ist die letzte Woche eh schon aufgefallen, dass ich nur noch selten aufs Klo kann und wenn, dann ist es fest, tut weh, sprengt mir fast den Enddarm! Scheißthema! Und als ich heute morgen meinen Magen-Darm-Tee aufbrühen will, lese ich, dass man den als Schwangere AUCH nicht trinken darf! Hallo? Darf ich überhaupt noch etwas!? Also mache ich mir eine Bettflasche, obwohl wiederum in vielen Foren steht, dass man das auch nicht soll, weil das Baby dann überhitzt wird, aber das kann ich mir nun echt nicht vorstellen! Dann dürfte ich ja noch nicht mal mehr heiß duschen!
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Den ganzen Tag ist mir so was von schlecht – wie die letzten zwei Wochen zusammengenommen. Meinem Mann tu ich echt leid. Er nahm mich in den Arm und meinte, dass er bedauert, dass er mir nicht helfen kann. Das ist echt süß!
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12.10.2009
Mein Tagesablauf von heute (ungefähr):
8 Uhr: Aufstehen, mir ist schlecht vor Hunger, ich esse ein paar Spekulatius und trinke Wasser, nun ist mir schlecht, weil ich etwas im Magen habe
9 Uhr: Ich mache mir einen Fencheltee (diesen darf man als Schwangere TATSÄCHLICH trinken!!), nun ist mir kotzübel und ich beginne etwas zu lesen, um mich abzulenken
11 Uhr: Bin schon wieder müde, nee, das darf jetzt nicht sein, also beschließe ich duschen zu gehen
12 Uhr: Duschen hat gut getan, ich trinke Orangensaft und mir wird schon wieder schlecht, aber ich esse noch ein Brötchen, weil ich Hunger habe; mir fallen die Augen zu, aber ich widerstehe dem Drang zu schlafen und lese weiter, bestaune zwischenzeitlich draußen den Wolkenbruch, der etwa eine Stunde lang runterkommt
14 Uhr: Ich gebe es auf, ich lege mich jetzt hin
16 Uhr: Jetzt aber raus, oh man, jetzt spinnt mein Kreislauf herum; o.k., jetzt keine Ausrede mehr – ich beginne meine Bücher von A-Z nach Autorennamen zu sortieren; macht Spaß und lenkt mich ab
18 Uhr: Ich koche Spaghetti mit Paprika, Chili, Shrimps und beim Essen wird mir sofort wieder schlecht – ich trete alles an meinen Mann ab
19 Uhr: Küche sauber, Kamin brennt, ich setze mich noch ein wenig an meinen PC
20 Uhr: Ich brühe mir einen Entspannungstee auf, setze mich an den Kamin und – oh Wunder! - mir ist nicht schlecht, aber ich bin schon wieder müde
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So, oder so ähnlich, laufen zurzeit all meine Tage ab. Gut, dass ich alles aufschreibe, weil, wenn es mir nach den (hoffentlich) obligatorischen drei Monaten der Frühschwangerschaft wieder besser geht, dann spiele ich das nicht so runter wie die anderen Mütter á la: „War doch gar nicht so schlimm.“
Außerdem HASS ich die blöden Sprüche wie: „Das geht vorbei.“ - „Da kann man nix machen.“ - „Da muss man durch.“ - „Das wird bald besser.“ - „Hilft alles nix.“ - „Beiß die Zähne zusammen.“
Stimmt vielleicht alles – nur hilft es in dieser Situation nicht! Das will man auch nicht wirklich hören, es spielt das Elend herunter!
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14.10.2009
Oh man, ich nehme in der Schwangerschaft wohl echt alles mit was geht: Zahnschmerzen! Dabei bin ich DER Schisshase was Zahnarzt angeht. Habe gleich heute Morgen einen Termin bekommen und es war zum Glück nur ein kleines Loch.
Der Arzt hatte echt Nerven! Ich lag eh schon total zittrig auf dem Behandlungsstuhl und der Arzt bedauerte ständig, wie schade es ist, dass man mein Gebiss nicht röntgen darf. Zum Glück ist für Schwangere eine lokale Betäubung bei der Behandlung erlaubt. Er bot mir die Pferdedosis an, die ich gern annahm. Habe tatsächlich nichts von der Prozedur mitbekommen!
Aber jetzt der Hammer: Er fordert von meinem vorherigen Zahnarzt Röntgenbilder an und ich soll nächste Woche wieder kommen!
Ich: „Nach der Geburt gerne.“
Arzt: „Und wenn sie in den Wehen liegen und sooo 'ne dicke Backe und Zahnschmerzen haben?“
Ich: „Da hat man nie die Garantie, dass nicht doch noch plötzlich was kommt.“
(Meine Mama war zwei Wochen vor einem Auslandsurlaub beim Zahnarzt, der hat alles gemacht, war alles o. k. - und im Urlaub litt sie dann unter Zahnschmerzen. Sie musste dort eine Wurzelbehandlung über sich ergehen lassen – autsch!)
O. k., eine Plombe ist Schrott, die darf er noch machen (aber nur mit der Pferdedosis!) - zu mehr darf er mich doch nicht zwingen!
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16.10.2009
Ich habe das Gefühl, ich habe etwas Megaansteckendes! Hatte um 9.30 Uhr ein Vorstellungsgespräch bei einer Zeitarbeitsfirma. Gut – ich bekam zuerst einen Fragebogen, wie bisher bei jeder Zeitarbeitsfirma und kreuzte an, dass ich keine Schichtarbeit möchte (habe gelesen, dass Schwangere nur von 6 – 22 Uhr arbeiten dürfen). Danach ruft mich eine Dame in ein separates Zimmer und fragt, ob ich nicht DOCH Schicht arbeiten möchte (in dem Stellenangebot war nichts dergleichen gestanden). Sie versucht es, mir schmackhaft zu machen. Als ich weiter ablehne und sie immer penetranter wird, muss ich die Katze aus dem Sack lassen – schließlich möchte ich nicht, dass die Firma an meinem Arbeitswillen zweifelt. Ich zitiere also das Mutterschutzgesetz. Der Dame entgleiten die Gesichtszüge, sie schiebt mir meine Papiere über den Tisch zurück und sagt: „Das war's dann wohl. Nehmen sie ihren Lebenslauf wieder mit. Wir haben nichts, was wir einer Schwangeren vermitteln können. Wir haben nur Angebote mit Schichtarbeit, Arbeit mit Farben und Lacken oder etwas, wo sie schwer heben müssen. Aber sie haben ja etwas, auf das sie sich freuen können.“ Ich bin sprachlos – und das kommt selten vor. Unverschämtheit!
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19.10.2009
Ich merke immer wieder, dass die Welt der Medizin eine Männerwelt ist.
Erneuter Beweis, der mir in den letzten Wochen aufgefallen ist: die Urinprobe. Für Männer, bedingt durch die großzügige Ausstattung der Natur, kein Problem. Frauen haben ein Problem, da die passende Pipeline für den Plastikbecher fehlt. Und nun soll ich heute Morgen in einen solchen Becher auch noch den Erststrahlurin, 5 – 10 ml, abfüllen! Holla! Kann mir mal einer erklären, wie das ohne Sauerei gehen soll und dann auch noch richtig abzuschätzen, wann ich 5 – 10 ml reingepieselt habe? Ich habe, wie jedes Säugetier, auch nur 7 Halswirbel und kann mich nicht so verbiegen, dass ich da auch noch rein gucken kann!
In der Frauenarztpraxis angekommen: „Frau Wörter, wir benötigen noch eine Urinprobe von ihnen.“
Seufz. Ab aufs Klo, Becher unter mir ausbalanciert, ups, geht daneben, nachjustieren, jo, passt vom Geräusch her. Ein paar Tropfen am Becherrand, schnell mit Klopapier die verräterischen Spuren meiner Unzulänglichkeit wegwischen. Brrr, die armen Sprechstundenhilfen. Geht eben nie ohne Sauerei ab. Naja, geht mir nicht als einzige so.
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23.10.2009
Heute Nacht habe ich das erste Mal von meinem Baby geträumt! Ich war in der Frauenarztpraxis, dicker Bauch, Ultraschall und da konnte ich das schon fertige und große Baby in 3 D sehen! Es war ein Mädchen und total niedlich! Seufz. Jetzt werde ich doch Muttidoof, obwohl ich das nie werden wollte. Egal. Und ich freue mich schon darauf, wenn mein Bauch so richtig dick wird. Dann geh ich zu IKEA und reihe mich bei den anderen Müttern ein, die dort immer flanieren! Das ist nämlich echt blöd, wenn man schwanger werden will, es einfach nicht klappt und dann bei IKEA einkaufen geht – da bekommt man Komplexe oder einen halben Heulanfall. Habe irgendwo gelesen, dass das sogar „Schwedisches-Einrichtungshaus-Syndrom“ genannt wird. Aber jetzt will ich auch da hin, meinen dicken Bauch spazieren tragen und zeigen: Hallo, ich gehöre jetzt auch dazu!! Und nebenher ein süßes Bettchen für das Würschtle aussuchen. Seufz. Ich sag's ja: Muttidoof.
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29.10.2009
Wieso darf es einem auch von purem Wasser schlecht werden? Das ist nicht fair! Ich hoffe doch, dass dieser Zustand (DAS ist mal ein Zustand!) bald vorbei ist. Bin jetzt Ende der 10. Woche und sehe schon den Zieleinlauf der schlechten Phase. Aber, obwohl mir übel, übel, übel ist, bin ich total aktiv! War schon einkaufen, habe Wäsche in die Maschine geworfen, habe aufgeräumt, abgesaugt, mich um meine Bewerbungen gekümmert... Aber jetzt habe ich doch Hunger. Mal sehen, ob ich eine Butterbrezel vertrage.
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30.10.2009
Mir ist so kalt. Ich zittere schon den ganzen Tag. Im Internet wird zwar davon abgeraten, aber das ist mir jetzt egal. Ich lass mir ein Schaumbad ein und bleib so lange darin liegen, bis mir wieder warm ist.
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O. k., mir ist zwar noch schlecht, aber auch herrlich warm und ich fühle mich schon viel besser. Sollte ich öfter machen.
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31.10.2009
Nachdem mir gestern den ganzen Tag so was von schlecht gewesen ist, geht es mir heute auch wieder sehr übel. Egal was ich zurzeit esse, es dauert keine zehn Minuten und ich sitze da und kämpfe gegen die Übelkeit an.
Heute beim Einkaufen war es dann so schlimm, dass ich mich erst einmal eine viertel Stunde ins Auto setzen musste, bevor es wieder besser ging. Richtig fahrtüchtig habe ich mich dabei immer noch nicht gefühlt. Ab heute bin ich in der 11. Woche – hoffentlich hört das bald auf, ich habe das Gefühl ich kann bald nicht mehr.
Am Abend brach dann alles über mich herein: Kalt, schlecht, müde – ich dachte, ich brüte eine Grippe aus. Auf der Couch mit einer Wärmeflasche auf dem Bauch, in eine Decke eingewickelt ging es mir wieder besser.