Читать книгу Windrad ins Glück - Bianka Kitzke - Страница 8
Befreiung
ОглавлениеGemeinsam mit Marcella und Tabea betrat Alexis den Gerichtssaal. Ängstlich nahm sie neben ihrem Anwalt Platz. In wenigen Minuten würde sie Finn wieder sehen. Ihre Augen hatte sie hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt. Finn saß seit mittlerweile sechs Monaten in Untersuchungshaft und heute würde sich wohl entscheiden, ob man ihn für immer wegsperren würde oder nicht. Alexis hoffte so sehr das der Richter keine Gnade haben wird.
Nach kurzer Rücksprache mit ihrem Anwalt ging schließlich die Tür auf und Finn wurde in Fuß,- und Handschellen von zwei Beamten in den Gerichtssaal geführt.
Alexis verzog keine Miene als Finn sie anblickte.
„Püppchen? Hallo Süße … Schatz wie geht es dir? Es tut mir leid was ich dir angetan habe. Süße hörst du? Alexis? Du musst sagen das alles ein Missverständnis ist.“
„Ach halt einfach deine Fresse!“, grölte Marcella aus dem Zuschauerbereich
„Alexis? Liebling verzeih mir!“, rief Finn, doch Alexis blickte nur mit versteinerter Miene in seine Richtung. Sie würde es schaffen. Sie würde ihn hinter Gitter bringen. Koste es was es wolle.
„Bitte erheben Sie sich!“
Der Richter und seine Geschworenen betraten den Saal.
„Bitte setzen Sie sich! Richter Yden-Monike hat den Vorsitz. Es wird der Fall Finn Cyanid wegen sexuellen Missbrauchs, Körperverletzung, versuchtem und vollendetem Mord verhandelt. Dem Angeklagten drohen Fünfzehnjahre bis lebenslange Haft. Herr Rechtsanwalt Torüerackben, Sie haben das Wort“.
Hatte Alexis gerade richtig gehört? Vollendetem Mord? Finn hatte bereits jemanden umgebracht? Ihr wurde ganz übel. Wie konnte sie sich nur in diesem Mann so getäuscht haben! Er war doch früher immer so nett.
Alexis verfolgte jedes Wort von Finn´s Rechtsanwalt Herr Torüerackben, ihres Rechtsanwaltes Herr Moser und dem Richter Yden-Monike wie in Trance. Auch die Aussage von Finn hörte sie wie in einem Tunnel. Das einzige, was sie verspürte war abgrundtiefer und immer stärker werdender Hass, bei jedem seiner Worte. Und schließlich musste sie in den Zeugenstand.
„Frau Cyanid. Bitte schildern Sie uns was sich an dem besagten Tag zugetan hat?“ Alexis schluckte schwer und nahm ihre Sonnenbrille ab. Zum ersten Mal sah sie Finn in sein Gesicht. Und der Hass, den er in ihren Augen sah, erschrak ihn. Immerhin hatte er noch nie ein lebendes Objekt seiner Opfer vor sich gehabt. Wenn sie anschauten, war ihr Blick leer und kalt. Doch der Blick den Alexis für ihn hatte, waren wie Feuer und Blitze.
„Ich hatte meinen Job verloren, da mein Mann mich …“, Alexis Blick ging zu Tabea und Marcella. Beide nickten ihr zustimmend zu und sie erzählte weiter. „… Mein Mann schlug mich. Tagtäglich, wenn er schlechte Laune hatte oder ihm mein Essen nicht schmeckte. Zuerst waren es nur Ohrfeigen, doch dann kam der sexuelle Missbrauch hinzu. Er sperrte mich in den Keller und … schlug mich mit … mit einem Gürtel.“ Alexis erzählte sich ihre Qualen von der Seele. Auch ihre Psychologin Frau Schmidt war anwesend.
Sie saß bei Alexis und hörte jedes einzelne ihrer Worte, die sich tief in Alexis Seele gebrannt hatten.
Im Gerichtssaal ging nur ein Raunen durch, während Finn alles abstritt. Doch als dann der Polizist aussagte, der sie gefunden hatte, bröckelte Finn´s Fassade und er rastete aus. Ängstlich zuckte Alexis zusammen und setzte sich sofort wieder zu ihrem Anwalt, der ihr tröstend die Hand hielt, während er auf sie einredete.
„Nimm deine Hände von meiner Frau!“, brüllte Finn und sprang von seinem Stuhl. Doch er kam nicht weit, denn er war ja gefesselt.
„Beruhigen Sie sich Herr Cyanid oder sie kommen zurück in die Zelle“.
„Dann soll der Typ gefälligst meine Frau nicht anfassen. Sie gehört mir“.
„Ich gehöre niemandem. Weder dir noch zu einem anderen. Hast du mich verstanden. Ich habe keine Angst mehr von dir“.
„Bald bin ich wieder frei, und dann wirst du sehen was du davon hast. Ich hole dich zu mir zurück!“
„Das glaube ich nicht Herr Cyanid. Diese Verhandlung ist nur die Spitze des Eisberges. Immerhin sind sie wegen zweifachen Mordes dran. Und die dritte Leiche, von der sie gesprochen haben, die finden wir auch noch. Verlassen Sie sich darauf!“
Der Richter unterbrach die Gespräche und rief den nächsten Zeugen in den Saal. Diejenige die dann kam schockierte nicht nur Finn, sondern auch Alexis.
„Ich glaube nicht, das du je wieder frei kommen wirst Finn“, antwortete die Dame und nahm in der Mitte des Saales Platz.
„Dürften wir erfahren, wer Sie sind?“, fragte der Rechtsanwalt von Alexis.
„Natürlich. Mein Name ist Steffi. Ich war die erste Frau von Finn, bevor ich von ihm bewusstlos geschlagen und im Wald verscharrt wurde. Er dachte, ich sei tot als er mich in dieses Loch warf und mit Erde zugeschüttet hat. Für mich war es die Chance meines Lebens endlich raus aus dieser Hölle. Ich habe ihn nicht angezeigt, weil er ja dachte, ich sei tot. Aber jetzt wo ich erfahren habe, dass er einer weiteren Frau solche Qualen bereitet hat, … Ich konnte mich nicht mehr verstecken. Der Kerl muss für immer eingesperrt werden. Ich bin die dritte Leiche die Sie suchen“.
„Du warst schon mal verheiratet? Du Scheißkerl hast mich die ganze Zeit angelogen? Du wolltest mich umbringen? Warum Finn?“, rief Alexis völlig außer sich. Und dann erfuhr Alexis, genau wie alle anderen im Saal, wie grausam wirklich Finn Cyanid wirklich war. Das er die Morde, als Rache an seinem Vater im Blutrausch begangen hatte.
„Wenn man die Zeitspannen der Todesfälle genau nimmt, kommt man immer auf das Datum vom Todestag von Cyanid Senior“, erläuterte der Psychologe während der Verhandlung. Finn sah die Frau auf dem Stuhl reglos an. Er konnte nicht glauben, dass dies seine erste Frau sein soll. Sie war doch tot. Er wusste, dass sie tot war.
„Du brauchst nicht so zu glotzen. Ich bin es wirklich. Hat mich genug Geld gekostet mein komplettes Aussehen und den Namen zu ändern. Herr Richter Yden-Monike, Sie müssen wissen auch mich hat Finn verprügelt. Er mich mit Benzin übergossen und angezündet. Er brüllte immerzu „Hexe … Hexe … brenne. Ich hasse dich!“ Ja Finn – ich erinnere mich an jedes deiner Worte. Ich werde sie wohl nie vergessen, denn die Narben werden mich immerzu erinnern“. Steffi holte tief Luft und fuhr dann fort. „Irgendwann wurde ich ohnmächtig und bin dann in diesem Loch wieder zu mir gekommen. Überall war Erde. In der Abenddämmerung habe ich mich dann mit Schmerzen auf die Suche nach Hilfe gemacht. Ich hatte einen Schädelbasisbruch, meine Wirbelsäule war zweimal gebrochen. Meine Milz hatte einen Riss und meine Rippen waren unterhalb des Brustkorbs gebrochen. Ich kann von Glück sagen, dass ich es geschafft habe aus dem Loch zu kommen, sonst wäre ich heute tot. Meine Wunden im Gesicht waren so heftig, dass es nur eine Komplettveränderung hat richten können. Ich danke heute noch der Spaziergängerin, die mich entdeckt hat“.
Die Verhandlung ging noch eine weitere Stunde und Finn rastete immer mehr aus egal was man sagte. Der Richter sah, dass es nur einen Weg gab und sprach das Urteil.
„Herr Cyanid ich verurteile Sie wegen vorsätzlicher Körperverletzung, sexuellen Missbrauch, versuchtem und vollenden Mordes in jeweils zwei Fällen zu einer lebenslangen Haftstrafe. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt, somit könne Sie nicht nach fünfzehn Jahren entlassen werden. Sie werden den Rest ihres Lebens in der JVA verbringen. Die Sitzung ist beendet“.
Mit dem Hammerschlag war das Urteil rechtskräftig.
Finn war keine Gefahr mehr für sie.
„Das wirst du bereuen Alexis. Hörst du, … dafür wirst du zahlen du Schlampe!“, brüllte Finn als er hinausgeführt wurde.
„Allleeexxxiisss!“
„Am besten Sie verlassen die Stadt und ändern ihren Namen und alles was mit der Vergangenheit zu tun hatte“, riet ihr Rechtsanwalt, als sie das Gerichtsgebäude verlassen hatten.
Dankend reichte ihm Alexis die Hand und ging zusammen mit Marcella und Tabea davon. Am Haupttor fuhr der Wagen der JVA mit Finn darin an ihr vorbei und Alexis blickte ihm noch ein letztes Mal hinterher.
Leb wohl Finn!
Alexis hatte den Rat ihres Anwalts befolgt und die Stadt verlassen. Sie hatte das Haus in dem Finn und sie zusammen gelebt hatten verkauft und war auf Anraten der Polizei in ein anderes Land gezogen. Dort hatte man ihr ein kleines Häuschen gekauft, in dem sie nun unter ihrem Geburtsnamen lebte. Keiner wusste was ihr widerfahren war. Nur Brendan sah ab und zu nach ihr. Er war Polizist und brachte sie zusammen mit einem Kollegen an einen sicheren Ort. Man wusste ja nicht ob Finn Komplizen oder engere Freunde hatte, die Alexis vielleicht im Nachhinein noch etwas antun sollten.
Doch das freundschaftliche Verhältnis, das die beiden in den nachfolgenden Monaten aufgebaut hatten, drohte zu zerbrechen als Brendan, Alexis eines Tages eröffnete, dass er sich in sie verliebt hatte.
„Brendan ich finde das nicht witzig. Du weißt doch was ich durch gemacht habe“.
„Ja, aber wenn ich doch Gefühle für dich habe. Und ich finde wir beide harmonieren doch gut miteinander“.
„Wir unterhalten uns, mehr nicht. Ich finde, du solltest jetzt gehen“.
Alexis hatte ihn hinausgeworfen. Brendan hatte sich seither auch nicht mehr gemeldet und Alexis fühlte sich von Tag zu Tag wohler bis, zu dem einen Tag in dem ihre Angst wieder kehrte.
Alexis war gerade vom Bäcker zurückgekommen als sie den Wagen der Polizei vor ihrem Haus entdeckte. Oh nein! Nur ihr Anwalt und die Polizei wusste, wo sie lebte und was ihr geschehen war. Finn war verurteilt und im Gefängnis.
Was wollte also die Polizei?
Es musste was passiert sein! Alexis Herzschlag erhöhte sich immer mehr je näher sie ihrem Haus kam.
Langsam näherte sie sich dem Haus und sah auch schon ihre Nachbarn gucken. Sie winkte ab und ging dann auf ihr Grundstück.
„Alexis? Alexis? Wo bist du? Mach´ auf. Es ist wichtig“, hörte sie den Mann rufen. Brendan?
„Ich bin hier!“
„Ah da bist du ja. Geht es dir gut?“
„Ja warum sollte es nicht. Aber sei das nächste Mal so nett und fahr nicht im Streifenwagen vor. Ich bin zu Tode erschrocken. Und die Nachbarn gucken auch schon“
Brendan sah zu seinem Wagen und zu den Häusern der Nachbarn.
„Tut mir leid. Aber ich bin nach dem Dienst gleich losgefahren. Ich wollte einfach nach dem Rechten sehen und ob es dir gut geht“, sagte Brendan und berührte Alexis am Arm, doch diese zuckte gleich zurück.
„Brendan lass das. Fass mich nicht an. Du weißt, ich möchte das nicht. Oder endet das wieder wie bei deinem letzten Besuch?“
„Nein, natürlich nicht. Entschuldige“.
„Was machst du hier? Du hast dich schon eine Weile nicht mehr gemeldet und stehst plötzlich wieder vor meiner Tür“.
„Naja ich weiß ja nicht, ob du es schon weißt, aber ich bin fest davon überzeugt das, was ich dir jetzt erzähle, wird dir nicht gefallen“.
„Denkst du?“
„Ich bin mir sicher“, sagte Brendan und folgte Alexis in ihr neues Zuhause.
„In der JVA in Bruchsal haben sie Finn dabei erwischt wie er ausbrechen wollte.“
„Was?“ Alexis blieb fast das Herz stehen. Das durfte nicht sein.
„Wie konnte das sein?“
„Keine Ahnung. Er hatte sich gut integriert und hatte sogar einen Job in der Küche. Am Abend dann war er nicht zurück in seiner Zelle. Kurz vor dem Tor haben sie ihn geschnappt.“
„Hat er was gesagt?“
„Gesagt? Er hat gebrüllt. Die Wärter sollen ihn loslassen. Er will der Schlampe den Marsch blasen. Sie soll seinen Zorn spüren. Dir ist ja wohl klar, dass er mit Schlampe dich meint“.
„Ok. Und was nun? Ich meine was passiert nun mit ihm?“
„Sie haben gemerkt, dass er in Bruchsal eine Gefahr ist und dass die Ausbruchschance zu hoch ist. Er sitzt nun im Hochsicherheitstrakt in Stammheim. Hinter dicken Mauern und Stacheldraht doppelt so dicht wie in Bruchsal. Also es kann dir nichts passieren. Ich wollte nur, dass du das weißt und dass du auf dich aufpasst. Egal was passiert. Falls du Hilfe brauchst – ich bin für dich da“.
Alexis hörte schon gar nicht mehr richtig zu. Finn wollte ausbrechen und sie dann töten. Oh Mann. Hörte es denn nie wieder auf?
Brendan redete noch eine ganze Menge, doch irgendwie hatte Alexis nur Finn im Kopf. Dieser Wahnsinnige. So viele Dinge gingen durch ihren Kopf. Die Wände drohten sie zu ersticken. Sie musste raus.
„Brendan ich muss hier raus. Tut mir leid!“
Rasch packte sie ihre Schlüssel und verließ das Haus. Brendan folgte ihr und rief ihr noch hinterher sie auf dem Laufenden zu halten und das er bis zum nächsten Morgen im Hotel sei. Alexis lief quer Feld ein und lief und lief. An einer Flussmündung machte sie halt. Sie musste atmen. Alexis´ Lungen brannten. Sie kam nicht weiter. Wo war sie überhaupt?
Alexis musste sich orientieren und stieg auf die Brüstung der Brücke die über dieses Flüsschen namens Salzach ging.
Wo zum Teufel war sie?