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Prolog 1954

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Der Sturm tobte seit Tagen, hatte die Ostseeküste fest im Griff. Er war vollkommen fertig, aber es half nichts. Weiter, immer weiter. Es blieb keine Zeit zum Luftholen und da.... Henning, der Fischer stürmte auf ihn zu. Völlig außer Atem flehte er, während ihm die Tränen über die wettergegerbten Wangen liefen, „du muss', du muss' mir helfen, bitte, die Kinnings, meine Kinnings, sie, sie....“

Er fasste Henning am Arm: „Was ist mit deinen Kindern?“

„Sie, sie sinn' da draußen“, er deutete mit seinem Arm hilflos auf die See, „rausgefahrn, ich hab's nich' gesehn, grade erst gemerkt. Aber sie treiben immer weiter raus, sind wohl total erschöpft, könn' nich' mehr rudern. Guck' doch.“

Er blickte in die angegebene Richtung und was er sah ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Nur noch ein kleines Pünktchen war draußen zu erkennen, das sollte das Boot sein?

Hilfeschreie, kaum als solche auszumachen, sie klangen eher wie ein Flüstern, drangen zwischen dem Tosen des Wassers an sein Ohr. Hochgestreckte Arme ruderten verzweifelt in der Luft herum, es sah aus, als wollten sie den Sturm wegfegen.

„Mensch, Henning, das ist ja furchtbar, warum kommst du denn nu' erst zu mir?“

„Ich“, Henning senkte seinen Kopf, bevor er ihn aus tränennassen Augen ansah, „ich schäm' mich, ich hab' sie doch grad' jetzt erst vermisst. Bei dem ganzen Durcheinander hier.“

Er handelte umgehend. „Boot klar zum Retten“, kommandierte er. Die Ruderer schoben den schweren Kahn murrend wieder ins Wasser, packten die Ruder und er sprang als letzter rein.

„Los Männer, ich weiß, ihr seid fix und fertig, aber das ist ein Notfall, wir können jetzt nicht wegsehen. Das würden wir alle uns nie verzeihen. Ich kenn' euch doch. Ihr packt das.“

Die Männer nickten ergeben und gaben nochmal alles. Mit letzter Kraft erreichten sie das hilflos in den Wellen treibende Boot mit den zu Tode erschrockenen völlig durchnässten und erschöpften Kindern, die ihnen nur stumm mit weit aufgerissenen Augen entgegenblickten. Sie hatten noch nicht einmal mehr die Energie zu heulen. Zwei Männer packten das Boot am Rand, er stieg in einem waghalsigen Balanceakt über und reichte erst das Mädchen und dann den Jungen ins Rettungsboot. In Decken eingewickelt kauerten sie sich auf den Boden.

Er sagte nur: „Los Männer, geschafft, nix wie zurück an Land, ins Warme. Ich geb' für diese Riesenleistung ein' aus.“ Sie schafften es, gegen die Strömung anzurudern und auf den Strand zu fahren, wo sie von den Inselbewohnern empfangen wurden, die ihnen halfen, das Rettungsboot auf den Strand zu ziehen. Die Männer waren so erschöpft, dass sie fast aus dem Boot fielen.

Hennings Frau nahm ihre Kinder in Empfang und stammelte ein ums andere Mal: „Kinnings, Kinnings, das hätte aber mächtig schief gehen können. Wat macht ihr bloß?“

Die Kinder wimmerten nur noch und begriffen erst jetzt so langsam, dass sie in großer, in größter, ja sogar in Lebensgefahr gewesen waren. Henning nahm ihn beiseite, „das vergesse ich dir mein Lebtag nich', danke.“

Für einen Inselfischer war das schon eine lange Rede, aber es ging noch weiter: „Hier, nimm.“ Henning drückte ihm ein Päckchen in die Hand.

Er schüttelte den Kopf, und wollte ihm das Päckchen zurückgeben. „Nee, nee, lass man, das is' schon gut.“

„Isses nich, du hass' sie gerettet, ich weiß nich, was sonss' gewesen wär'. Dat is 'ne eiserne Reserve, hab' ich schon lange immer bei mir. Nu' is der richtige Zeitpunkt, sie weiterzugeben, du hass' sie dir verdient.“

Er wollte sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen, dafür war er zu müde und erschöpft, nahm Hennings Pranke in seine Hände, schüttelte sie ergriffen. Dann steckte er das Päckchen achtlos in seine Joppentasche, wo es viele Jahre lang schlummerte und völlig in Vergessenheit geriet.

Heut' würde er wohl nicht mehr nach Bahrenhoop zurückkommen. Er ging zur Station, wo seine Männer schon auf ihn warteten. Er holte seine eisernen Reserven an Korn raus, zwei Buddeln, und langte die Schnapsgläser aus dem Schrank. Er goß für jeden 'nen Lütten ein.

„Prost Männer, ihr wart großartig, ich danke euch für diesen Einsatz.“

Alle prosteten sich erleichtert zu. Er deutete auf die Flaschen, „könnt' ihr leermachen, aber ohne mich, ich bin todmüde.“ Damit ließ er sich auf die Pritsche fallen und schlief sofort ein.

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