Читать книгу Auf Gottes Wegen - Bjørnstjerne Bjørnson - Страница 6

Jugend
2

Оглавление

Zweites Paar vor!

Im März des folgenden Jahres, just als Edvard Kallem vor seinem zweiten medizinischen Examen stand, kamen plötzlich Dinge, die ihn auf ganz andere Art in Anspruch nahmen.

Und das müssen wir jetzt berichten.

In der Zeit, als seine zusammenhangslosen naturgeschichtlichen Studien mehr und mehr sich um die Physiologie kristallisierten, war unter allen Physiologen der tüchtigste ein junger Student der exakten Wissenschaften, Tomas Rendalen. Er war etwas älter als Edvard Kallem, und weil es an und für sich merkwürdig war, daß ein Nicht-Mediziner in diesem Fach Hervorragendes leistete, fiel er allen auf, und somit auch Edvard Kallem, ohne daß dieser sich darum näher an ihn angeschlossen hätte. Rendalen gehörte auch keineswegs zu denen, die für den ersten besten zu haben sind.

Erst später, eigentlich erst jetzt, nach Neujahr, als sie mit demselben Dampfer aus den Weihnachtsferien nach Kristiania zurückfuhren, kam es zu einer Art Annäherung. Aber das erstemal, als Kallem Tomas Rendalen in seiner Wohnung aufsuchte, blieb er auch gleich die Nacht über. Und ein paar Abende darauf, als Rendalen ihn besuchte, wanderten sie zwischen ihren beiden Wohnungen, die übrigens ganz nah beieinanderlagen, auf und ab, bis morgens gegen drei oder vier. Ein so genialer Mensch war Edvard Kallem seiner Lebtag noch nicht unter die Finger gekommen; und Rendalen seinerseits kam eines Morgens, noch ehe Kallem nach der Klinik gegangen war, dahergestürzt, bloß um zu erklären, von all seinen Freunden und Bekannten sei Kallem ihm der liebste.

Rendalen war eine ursprünglichere, kraftvollere Natur als Kallem; er war eine Mischung von Zahm und Wild, von Leidenschaft, Schwermut, Musik, voll hoher Mitteilungsfähigkeit, aber mit verschlossenen Kammern, die sich selten oder nie öffneten. Eine grenzenlose Energie – und dabei manchmal so von aller Kraft verlassen, daß er überhaupt nicht mehr weiter konnte; die ganze Maschinerie in Unordnung, als wenn ein Rad gesprungen wäre. In der ganzen Charakterlandschaft nicht eine gerade Linie – lauter Unebenheiten, und doch über allem das Licht eines großen Geistes. So unberechenbar die Schwankungen waren, so unangenehm die Enttäuschungen – die ganze Persönlichkeit war in ihrer Unmittelbarkeit, ihrer Geradheit so gewinnend, daß man ihn lieben mußte.

Sein ganzes Denken ging auf Schulwesen und Erziehung, und darin wiederum auf den einen Kern: jedes Kind über das "gefährliche Alter" wegzubringen, das auf so ganz ungleiche Art sich äußere. Manche gingen daran zugrunde; manche trügen Wunden davon, die erst spät heilten; die mit gesundem Geblüt, unter besseren Verhältnissen Aufgewachsenen, könnten heil ausgehen; aber jedenfalls seien sie in der Minderzahl. Alle Erziehung, aller Unterricht müsse sich auf das eine Ziel konzentrieren: einen sittlichen Menschen zu schaffen. Das war sein A und O.

Unermüdlich war er im Vortrag seines Unterrichtplans, seiner Behandlungsweise; im Beschreiben der Schuleinrichtung und des Zusammenarbeitens mit der Familie. Seine Mutter war Vorsteherin einer weithin bekannten Mädchenschule an der Westküste, und die wollte er übernehmen, um seine Pläne ins Werk zu setzen. Sein großes Ziel war die Simultanschule – Knaben und Mädchen zusammen. Aber erst hieß es, den Unterricht in allen Hauptfächern reformieren, und zwar so, daß die Fächer leichter gemacht wurden, und nicht bloß zugänglich für die Begabtesten. Und das wollte er an der Mädchenschule ausprobieren.

Er besaß eine nicht unbedeutende Sammlung von Schulmaterial aus Amerika und vielen europäischen Ländern, einen Schatz, den er unablässig vermehrte. Auch eine ganze Bibliothek von Schulliteratur nannte er sein eigen. Er wohnte mit einem Kandidaten der Theologie, Vangen, zusammen, der zu Weihnachten fertig geworden war und sich jetzt auf das praktische Examen vorbereitete. Alle drei Zimmer, die sie gemeinsam bewohnten, waren angefüllt mit Rendalens Sammlungen und Bibliothek.

Sein Äußeres war auffallend. Rotes, ins Blonde hinüberspielendes Haar, das starr in die Höhe stand, Sommersprossen, blinzelnde graue Augen unter weißen, kurzhaarigen Brauen, die kaum zu sehen waren, die Nase breit und leise aufwärts strebend, der Mund zusammengekniffen; kurze, sommersprossige Hände, jeder Finger voll Energie; nicht groß, aber vorzüglich gebaut; sein Gang, auf auswärts gerichteten Füßen, war leicht, als gehe er auf Tasten. Er war der erste Turner, wohin er auch kam, und bei jeder Gelegenheit hing er an den Turnseilen. Auch Edvard, der immer gern geturnt hatte, wurde durch ihn zu dreifachem Eifer angespornt; denn Rendalen besaß, wie kein zweiter, die Fähigkeit, andere für das, was er selbst liebte, zu gewinnen. Seine Hauptleidenschaft in dieser Zeit war, auf den Händen zu gehen; und gerade das konnte Kallem zum Entzücken; dies setzte vielleicht der Achtung, die Rendalen vor ihm hatte, die Krone auf.

Auf Gottes Wegen

Подняться наверх