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KAPITEL FÜNF

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Als Kate aus dem Städtchen Whip Springs heraus und in Richtung Roanoke fuhr, sah DeMarco die Berichte zum ersten Fall durch. Sie waren fast identisch mit den Berichten zum Tatort der Familie Nash; ein Ehepaar war in seinem Zuhause auf besonders grausame Art und Weise ermordet worden. Vorläufig gab es keine Verdächtigen, und es gab auch keinerlei Zeugen.

„Steht da irgendetwas darüber drin, dass im Rachen der Opfer etwas gefunden wurde?“, fragte Kate.

DeMarco überflog den Report und schüttelte den Kopf. „Ich sehe dazu nichts. Vielleicht ist es… doch Moment, hier ist es, im Bericht des Gerichtsmediziners. Es wurde erst gestern gefunden, anderthalb Tage nachdem die Leichen gefunden wurden. Aber ja… im Bericht steht, dass sich ein kleines Stückchen Stoff im Rachen der Mutter befand.“

„Gibt es eine Beschreibung?“

„Nein. Ich rufe in der Gerichtsmedizin an und sehe zu, ein Foto zu bekommen.“

DeMarco verlor keine Zeit und rief sofort an. Während sie telefonierte, versuchte Kate, eine Parallele zu finden zwischen diesen beiden Doppelmorden, die auf den ersten Blick nur insofern etwas miteinander zu tun hatten, als dass etwas im Rachen des weiblichen Opfers gefunden worden war. Obwohl sie noch nicht das Foto davon gesehen hatte, erwartete Kate, dass das Stückchen Stoff, das im Rachen der Frau gefunden wurde, haargenau zu dem passte, das sich im Rachen von Mrs. Nash befunden hatte.

Nach drei Minuten beendete DeMarco das Gespräch. Nur Sekunden später erhielt sie eine Nachricht. Sie blickte auf ihr Handy und sagte „Es passt.“

Als sie sich auf dem Weg ins Stadtzentrum von Roanoke einer Ampel näherten, schaute Kate auf DeMarcos Handy, das sie ihr hinhielt. Wie erwartet war der Stofffetzen weich und hellblau – exakt genau wie der andere.

„Wir haben einiges in den Akten zu beiden Ehepaaren, richtig?“, fragte Kate.

„So einiges, ja“, sagte DeMarco. „Wir haben vieles in den Akten und in den Berichten zu den Fällen – klar, einiges wird fehlen – aber trotzdem haben wir schon das Eine oder Andere, mit dem wir arbeiten können.“ Hier hielt sie inne, da ihre GPS-App auf ihrem iPad einen Ton von sich gab. „Hier an der Ampel links abbiegen“, sagte sie. „Das Haus liegt keinen Kilometer entfernt in der nächsten Straße.“

Kates Gedanken überschlugen sich, als sie sich dem ersten Tatort näherten.

Zwei Ehepaare, auf brutale Weise umgebracht. Stücke irgendeiner alten Decke in den Rachen der Frauen.

Man konnte auf vielerlei Weise mit den Hinweisen umgehen. Aber bevor sich Kate auf einen bestimmten Ansatz konzentrieren konnte, sprach DeMarco.

„Hier ist es“, sagte sie und wies auf ein kleines Steinhaus auf der rechten Seite.

Kate hielt am Kantstein. Das Haus lag in einer schmalen Seitenstraße, die zwei Hauptstraßen miteinander verband. Es war eine ruhige Straße, in der mehrere kleine Häuser standen. Die Straße strahlte einen fast historischen Flair aus; die Bürgersteige waren zugewachsen und rissig, und die Grundstücke und Häuser sahen ähnlich aus.

LANGLEY stand in verblichenen, weißen Buchstaben am Briefkasten. Kate erblickte auch ein dekorierendes L über der Haustür, gefertigt aus altem Holz. Es stand in krassem Gegensatz zu dem hellem Gelb des Polizeiabsperrbands, das vom Geländer der Veranda hing.

Als Kate und DeMarco auf die vordere Veranda zugingen, wiederholte DeMarco halb lesend, halb aus dem Gedächtnis, die Informationen aus den Berichten zu der Familie Langley.

„Scott und Bethany Langley – Scott war neunundfünfzig Jahre alt, Bethany einundsechzig. Scott wurde tot in der Küche gefunden und Bethany in der Waschküche. Gefunden hat sie ein Fünfzehnjähriger, der bei Scott Gitarrenunterricht hatte. Allem Anschein nach sind sie erst einige Stunden, bevor sie gefunden wurden, getötet worden.“

Als sie das Haus der Langleys betraten, blieb Kate einen Augenblick in der Tür stehen, um sich das Layout einzuprägen. Es war ein kleineres Haus, aber gut in Schuss. Durch die Haustür betrat man einen sehr kleinen Eingangsbereich, der dann in das Wohnzimmer überging. Ein Tresen teilte das Wohnzimmer von der Küche ab. Rechter Hand zweigte ein Flur ab, von dem der restliche Teil des Hauses zu erreichen war.

Allein durch das Layout war Kate in der Lage zu sagen, dass höchstwahrscheinlich der Mann als erstes getötet worden war. Doch von der Haustür aus konnte man quasi direkt bis in die Küche sehen. Scott Langley musste stark beschäftigt gewesen sein, um nicht zu bemerken, dass jemand durch die Haustür herein kam.

Vielleicht ist der Killer auf anderem Wege ins Haus gelangt, dachte Kate.

Sie betraten die Küche, auf deren Laminat die Blutflecken deutlich hervortraten. Eine Pfanne und eine Spray mit Sonnenblumenöl standen neben dem Herd.

Er wollte gerade etwas kochen, dachte Kate. Vielleicht wurden sie also zur Abendessenzeit getötet.

DeMarco ging in Richtung Flur und Kate folgte ihr. Links zweigte ein kleiner Raum ab, der sich als betriebsame Waschküche entpuppte. Hier war noch viel mehr Blut. Blut klebte an der Waschmaschine, am Trockner, an den Wänden, auf dem Boden und bedeckte einen Stapel sorgfältig zusammengelegter, sauberer Wäsche in einem Wäschekorb.

Da die Leichen schon abtransportiert worden waren, gab es wenige Hinweise im Hause der Langleys. Allerdings war da noch einen Sache, die Kate untersuchen wollte. Sie ging zurück ins Wohnzimmer und betrachtete die Bilder an den Wänden und auf dem Regal. Darin sah sie die Langleys glücklich lächeln. Auf einem Bild war ein älteres Paar zu sehen, das mit den Langleys am Ende eines Stegs an einem Strand stand.

„Was wissen wir über das Familienleben der Langleys?“, wollte Kate wissen.

DeMarco, die das iPad in der Rechten hielt, ging die Informationen durch und begann, die Details vorzulesen. Mit jeder Information wurde es wahrscheinlicher, dass das Bauchgefühl, dass Kate schon seit einigen Minuten hatte, zutraf.

„Sie waren fünfundzwanzig Jahre verheiratet. Bethany Langley hatte eine Schwester, die vor zwölf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Keiner von beiden hat noch lebende Eltern. Scott Langleys Vater ist erst vor kurzem gestorben, vor sechs Monaten; an einer aggressiven Form von Prostatakrebs.“

„Werden Kinder erwähnt?“

„Nein. Keine Kinder.“ Hier machte DeMarco eine Pause und schien zu begreifen, worauf Kate hinauswollte. „Du denkst an das Stückchen Stoff, nicht wahr? Dass es aussieht, als ob es zu einer Kuscheldecke gehört.“

„Ja, genau das habe ich gedacht. Aber wenn die Langleys keine Kinder hatten, dann gibt es hier auch keine offensichtliche Verbindung.“

„Also, ich glaube nicht, dass ich jemals bei einem Fall eine offensichtliche Verbindung zu irgendetwas gesehen habe“, sagte DeMarco mit einem unsicherem Lachen.

„Auch wieder wahr“, meinte Kate, aber sie war sich trotzdem sicher, dass es eine geben musste. Auch bei diesen scheinbar zufälligen Opfern gab es etwas, was sie gemeinsam hatten.

Beide Paare waren Mitte bis Ende fünfzig, Anfang sechzig. Beide waren verheiratet. Die Frau hatte jeweils etwas im Rachen, das wie ein Stück flauschiger Decke aussieht.

Also ja, es gab Ähnlichkeiten, allerdings führten die zu keiner richtigen Spur. Jedenfalls noch nicht.

„DeMarco“, sagte sie. „Könntest du bitte ein paar Leute anrufen und in die Wege leiten, dass uns die hiesige Polizei Büroraum zur Verfügung stellt.“

„Schon passiert“, sagte DeMarco. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Duran schon darum gekümmert hat, noch bevor wir hier angekommen sind.“

Der meint wohl, mich nur allzu gut zu kennen, dachte sie leicht gereizt. Allerdings tat er dies allem Anschein nach auch.

Kate blickte sich noch einmal im Haus um, betrachtete die Bilder, die Blutflecken. Sie musste die Ehepaare besser kennenlernen, wenn sie weiterkommen wollte. Und sie musste die Stofffetzen untersuchen lassen. In Anbetracht der Ähnlichkeiten der beiden Tatorte meinte sie, dass gute alte Recherche mehr als andere Resultate bringen würde.

Als sie zurück zum Wagen gingen, wurde ihr klar, zu was für einer lächerlich frühen Uhrzeit sie den Tag begonnen hatten. Als sie sah, dass es erst 10 Uhr morgens war, hatte dies jedoch einen belebenden Effekt. Der Großteil des Tages lag noch vor ihnen. Vielleicht, mit etwas Glück, konnten sie den Fall so schnell lösen, wie sie es hoffte und dann noch vor Ende des Wochenendes wieder zurück in Richmond sein und noch einmal Michelle sehen – das hieß, wenn Melissa dies erlaubte.

Siehst du, hörte sie in Gedanken ihre Großmutterstimme, als sie sich wieder hinter das Steuer setzte. Selbst inmitten von zwei blutigen Doppelmorden denkst du an deine Enkelin – an deine Familie. Sagt dir das nicht irgendetwas?

Das tat es wohl. Doch wo sie jetzt ein spätes Kapitel ihres Lebens begann, war es trotz allem sehr schwer zuzugeben, dass noch etwas im Leben neben ihrer Arbeit wichtig war. Das war vor allem dann schwer zuzugeben, wenn sie auf der Spur eines Killers war und wusste, dass er jederzeit wieder zuschlagen konnte.

Wenn Sie Sähe

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