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UNGEWISSE ZEITEN

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Dezember 1947

Maria stand am Friedhof vor dem Grab ihrer Eltern, blickte auf den hellen Marmorstein. Sie schlug ein Kreuzzeichen und las in Gedanken das Todesdatum von Adam und Margarethe Schneider: 27. Juli 1947. Sechs Monate waren seit dem Unglück vergangen, und ihre Verletzung am Knöchel war längst ausgeheilt. Schnee bedeckte die Gräber, Grabsteine und Kreuze. Bloß die Pfade dazwischen waren ausgetreten. Ein eisiger Wind zog zwischen den Friedhofsmauern hindurch, schauerte ihren Rücken hinab. Maria klappte den Mantelkragen hoch, begann eine stumme Zwiesprache mit den Eltern.

Morgen ziehen wir im neuen Haus ein! Es ist größer als das alte. Stellt euch vor, wir sind sogar am Stromnetz angeschlossen! Einfach den Schalter umlegen, und schon ist es hell. Ein Zauberwerk der neuen Zeit! Die letzten Möbel für die Einrichtung wurden vorgestern geliefert. Vier Pferde haben das schwere Gespann hinaufgezogen. Onkel Alfons hat kräftige Kerl dazu beauftragt, um alles in den Räumen aufzuteilen. Auch Andreas hat mitgeholfen. Widerwillig, ihr kennt ihn ja. Heute Abend packe ich unsere Habseligkeiten zusammen. Viel ist es ja nicht. Aber Mutter, dein Spiegel bekommt einen Ehrenplatz! Er ist das einzige Stück, das fast unbeschädigt das Unwetter überstanden hat. Nur die obere linke Ecke ist ausgebrochen. Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich, dem alten engen Schuppen und der provisorischen Kochstelle zu entkommen. Kalt ist es dort. Kaum vorstellbar, dass Georg und seine Schwester Anna über Jahre da drinnen gehaust haben. Dabei gibt es inzwischen eine zusätzliche Wand, damit das Innere weniger auskühlt.

Maria blies wärmende Luft zwischen ihre Hände, die sich trotz Fäustlinge eisig anfühlten. Wenigstens ging es Georg gut. Andreas hatte den Knecht erst unlängst besucht, der bei einer Base im Nachbarort untergekommen war und am dortigen Hof bei den anfallenden Arbeiten half. Maria vermisste ihn und sein freundliches Wesen. Sie hätte sich gewünscht, dass er bleiben könnte, aber da war mit Alfons nicht zu reden. Der wollte junge starke Kerle, die Leistung brachten. Die neuen Knechte, die der Onkel aufgenommen hatte, schliefen in einer Scheune im Ort. In der Früh fuhren sie mit einem Karren hoch, und am Abend, nach getaner Arbeit, ging es mit dem selbigen zurück. Mirko, Alfons’ rechte Hand, würde künftig statt Andreas und ihr in die Baracke einziehen. Zudem gab es eine Stalldirn. Burgi war für das Melken zuständig und half im Garten. Doch Wäsche machen, das Haus sauber halten und kochen fielen in Marias Tätigkeitsbereich.

Mutter, wie hast du das geschafft? Ich bewundere dich, wie du tagein, tagaus alles gemacht hast, während ich an der Schule tätig war. Leider kann ich als Betreuerin nicht mehr zurück, unabhängig wegen der fehlenden Zeit, sondern die Stelle wurde anderweitig besetzt.

Im Frühjahr will Alfons den Bach verlegen lassen, damit so ein Unglück kein weiteres Mal passieren kann. Andreas tut sich schwer darin, dass der Onkel das Sagen hat. Nun, es ist nicht alles schlecht. Ohne ihn würden wir dumm dastehen, hätten nicht einmal ein Dach über dem Kopf.

Maria atmete tief durch. Die Mauern des Stalls waren heil geblieben, doch der Holzaufbau wurde neu gemacht. Zudem gab es an der Hinterseite jetzt eine große Werkstatt, die sich gut im alten Bau einfügte. Darüber lag ein weiterer Raum, den Alfons für sich beanspruchte, noch war er kahl und unmöbliert. Sie schüttelte traurig den Kopf. Warum habt ihr uns nicht vorgewarnt, wie schlimm es um den Hof steht? Die Belege der Bürgschaft sind eindeutig! Wie konntet ihr solche Schulden anhäufen? Das verstehe ich nicht. Unabhängig unseres Alters, wie soll Andreas die jemals tilgen? So bleibt Onkel Alfons gewiss über Jahre Bürge und Vormund zugleich! Ich weiß nicht, wie lange ich es schaffe, Andreas zu beschwichtigen. Ständig gibt es Streit. Ich bin mir sicher, dass sich das auch Onkel Alfons bald nicht mehr bieten lässt. Bitte, legt dort oben ein gutes Wort ein, damit das Ganze nicht eskaliert!

Maria faltete die Hände zum Gebet, murmelte zum Abschied ein Vater unser, bekreuzigte sich und drehte ab, um den Heimweg anzutreten. Die neuen Stiefel, die Onkel Alfons ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, hielten mollig warm. Der Schnee knirschte unter den Fußsohlen. Von oben herab tanzten Schneeflocken. Sie musste sich beeilen, sonst war es finster, ehe sie ihr Zuhause erreichte.

Maria schritt an hohen Schneewechten vorbei. Über Monate waren nach dem Unwetter die Straßen saniert und die Schlammmassen entfernt worden. Nun lag darüber ein weißer Mantel. Sie hielt kurz inne. Da drüben am Ufer hatte Frau Schaffers Haus gestanden! Das Gebäude war mitsamt der Bewohnerin von den Fluten mitgerissen worden. Sie gehörte zu den fünf Toten, die das Unwetter im Sommer gefordert hatte, und wurde bis zu dem heutigen Tag nicht gefunden.

Hinter Maria erklang das Brummen eines Wagens. Jemand hielt an ihrer Seite.

»Oh, the Schneider-Girl! So alone? Come in«, deutete der Soldat am Steuer, wollte, dass sie bei ihm einstieg. Seine Stimme klang seltsam. Lauernd?

Maria erschauerte. »Walter.« Sie erkannte den früheren Verehrer. Die Uniform saß akkurat. Unter der Kappe sah sie etwas von seinem roten Haar, auf den Wangen zeigten sich zahllose Sommersprossen. Sie schaute sich um, konnte niemanden sonst entdecken. »No, thanks«, brachte sie hervor. Entschlossen ging sie weiter.

Walter fuhr im Schritttempo nebenher. »Come on. It’s kalt«, vermischte er das Englische mit dem Deutschen. »Bring dich home.«

Maria schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich bin das Gehen gewöhnt!« Ihr wurde bange. Wenn Andreas doch an meiner Seite wäre! Sie beschleunigte die Schritte. Ihr heißer Atem dampfte sichtbar von ihrem Gesicht weg.

Walter gab Gas, überholte sie. Die kurze Erleichterung, die sie durchflutete, erstarb, als er wenige Meter vor ihr abbremste und ausstieg. »Come on!« Es klang wie ein Befehl.

Da raschelte es im Wald. Maria schrie erschrocken auf. Hatte Walter dort einen Kameraden postiert?

Ein Mann sprang auf die Straße. Markus! Andreas’ Freund marschierte auf sie zu. »Verzeih, ich bin spät dran.« Er küsste Maria vor Walters Augen auf den Mund, schlang besitzergreifend den Arm um sie, wandte sich an den Briten. »Danke Kamerad, Maria befindet sich nun in guten Händen. Wenn die Nächte länger werden, weiß man nie, wer sich auf den Straßen herumtreibt und schwache Frauen erschreckt. Ich hab ihr mehrfach gesagt, dass sie nicht alleine in der Dämmerung unterwegs sein soll. Schon gar nicht auf diesem abgelegenen Weg.« Markus seufzte. »Wieso hast du nicht gewartet? Wir müssen uns an der Weggabelung verpasst haben.«

»Ich, ich … entschuldige«, stotterte Maria.

Walters Wangenmuskeln zuckten. »No problem, I stör euch not longer.«

Markus hielt die bebende Maria in seinem Arm, bis der Brite mit dem Wagen gewendet hatte und sich nicht mehr in Sichtweite befand. Erst dann gab er sie frei. »Alles gut bei dir?«

»Danke«, hauchte sie. Ihre Beine fühlten sich wacklig an, während ihre Lippen heiß brannten. Das war mein erster Kuss! Von Markus!

»Mein Überrumpeln tut mir leid. Aber ich musste eingreifen, bevor der Kerl dich noch dreister aufgefordert hätte, in seinen Wagen zu steigen, was du offenbar nicht wolltest.«

»Wie kommt’s, dass du …« Hat er mich geküsst, um mich zu retten? Hätte er das bei jeder Frau getan?

»Ich bin beauftragt, den Wald in der Gegend zu durchforsten. Ein Baum hat sich bei einem anderen aufgehängt, den konnte ich unmöglich stehen lassen. Bin erst vor kurzem damit fertig geworden. Zum Glück war ich noch in der Nähe.«

Maria nickte.

»Nun komm. Wenn ich darf, begleite ich dich das restliche Stück. Nicht, dass der Kerl noch einmal umdreht.«

»Das ist ein Umweg für dich.« Ihr Herz pochte. Dieses Mal nicht, weil sie Angst hatte.

»Hast du Sorge, ich könnte dir etwas antun?«

»Nein!« Hastig setzte sie sich in Bewegung. »Es fühlt sich bloß eigenartig an. Andreas spricht so oft von dir, dass du vertraut wirkst, obwohl du strenggenommen ein Fremder für mich bist. Noch nie haben wir alleine miteinander so viel am Stück gesprochen.«

Markus lachte. Es war tief und herzlich zugleich. »Stimmt. Dann sollten wir schleunigst Gesprächszeit nachholen.«

Der Schnee fiel dichter, als sie einträglich Seite an Seite durch diesen stapften.

»Wie geht es dir mit dem Onkel? Andreas tut sich ja schwer mit ihm.«

»Es ist unbestritten für uns alle eine immense Umstellung. Wobei, schimpfen kann ich nicht. In Wahrheit ist es uns in materiellen Dingen noch nie so gut gegangen.«

»Dennoch fühlt sich Andreas um sein Erbe gebracht, und will dem auf dem Grund gehen.«

»Hoffentlich verrennt er sich nicht. Immer Streit und Kampf, ich bin es leid. Meine Versuche, ihn zu beschwichtigen, fruchten nicht. Bitte, sei ihm weiterhin ein Freund. Ich habe das Gefühl, dass er auf dich eher hört. Für ihn bist du wie ein großer Bruder, so wie es einst Jakob für uns war.«

Markus musterte sie. »Letztlich habe ich im Krieg gelernt, dass man weniger Freunde hat, als man denkt. Doch für die richtigen und wahren würde ich mein Leben geben. Da schließe ich Andreas und dich mit ein.«

»Danke, das ist sehr nett von dir. – Wie war der Krieg? So schrecklich, wie man sich erzählt?«

»Schrecklicher. Es hat uns alle zu Verlierern gemacht, unabhängig davon, welcher Seite man angehörte. Verluste gab es überall. Häuser kann man aufbauen, aber ein Leben, das erlischt, bleibt für ewig erloschen.«

Maria ging nachdenklich weiter. Die Wolken am Himmel dämpften das Tageslicht, brachten stattdessen schwarz-graue Punkte hervor, die in der Luft tanzten.

»Guck nicht so traurig.«

»Das kann ich nicht verhindern.«

»Dein Bruder Jakob war ein feiner Kerl.«

Ihr Kopf ruckte zur Seite. »Hast du ihn so gut gekannt?«

»Besser als du denkst. Wir gehörten in den letzten Kriegsmonaten derselben Einheit an.«

»Oh, aber … Andreas hat das nie erwähnt.«

»Er weiß es nicht.«

Verwirrt schüttelte Maria den Kopf. »Du bist erst später nachgerückt, da gab es keine Briefe mehr von Jakob!«

Markus schwieg.

»Hat … hat er mit Absicht nicht mehr geschrieben?«

Markus spähte zu dem dunkler werdenden Himmel empor. »Ein Krieg, der verändert einen in die unterschiedlichsten Richtungen. Ich weiß gar nicht, weshalb ich davon angefangen habe. Es spielt keine Rolle mehr.«

»Doch, das tut es!«, widersprach sie heftig. »Ich fordere eine Erklärung!«

Markus haderte mit sich. Sollte er es erzählen? Er betrachtete Maria, wie sie kämpferisch das Kinn nach oben reckte. Sie war erwachsen geworden! Von einem Mädchen zu einer wunderschönen Frau. Wie von selbst formten sich die Worte. »Als ich auf Jakob traf, hätte ich ihn beinahe nicht erkannt. Knochig war er geworden. Wir befanden uns kurz vor dem Kriegsende. Eines Abends saßen wir gemeinsam am Feuer, wärmten uns daran und rauchten. Ein bekanntes Gesicht von früher hat seine Emotionen aufgebrochen. Er hat mir von dir erzählt, wie du einst versucht hattest, ihn am Hemd zurückzuhalten, wobei es fast zerrissen wäre.«

»Das stimmt.« Maria wischte sich verstohlen über die Augenlider.

»Dann hat er in die Ferne geschaut, und gemeint, dass er nie mehr in die Heimat zurückkehren würde. Das wüsste er, und du hättest es auch bei seinem Weggang gespürt.«

»Das ist kein Grund, um gar nicht mehr zu schreiben! Seine Zeilen waren am Anfang so liebevoll. Er hat stets eine eigene Nachricht für uns Geschwister beigelegt, die mit meiner lieben kleinen Prinzessin und meinem lieben kleinen Prinzen begann. Ich verstehe das nicht!«

»Damals an der Front wusste ich noch nicht, dass er die Schreiben eingestellt hatte, sondern ich hab es erst von Andreas erfahren. Ich denke, Jakob schaffte es irgendwann nicht mehr, euch eine heile Welt vorzugaukeln. Das Töten hat ihn krank gemacht. Nicht nur ihn, vielen Soldaten ging es ähnlich. Wenn du am Abzug stehst, reagierst du aus purem Überlebensinstinkt heraus. Aber hinterher riechst du das Blut, siehst verstümmelte Leichen, im Zelt stinkt es nach den schwärenden Wunden, hörst die gepeinigten Schreie von Verletzten, siehst deine Kameraden sterben. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche, unaufhörlich. Bilder, die dich selbst nachts im Schlaf einholen. Ich denke, Jakob hasste sich dafür, dass er dem Vaterland diente, Menschen erschießen musste, die zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort womöglich Freunde hätten werden können. Er sah sich als Mörder, Feigling und Verräter seiner eigenen Werte.«

»Deswegen ließ er uns im Ungewissen darüber, dass er noch am Leben war?! So hartherzig! Über Monate hinweg! Stattdessen trudelte seine Vermisstenmeldung bei uns ein! Wenn er wenigstens die Wahrheit geschrieben hätte! Alles wäre besser gewesen!«

»Bitte, sieh es ihm nach. Ich weiß von meinem Kameraden Peter, der längere Zeit mit ihm in derselben Einheit diente, dass eine Verletzung an der Schulter ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Wochenlang war nicht sicher, ob er sie überstehen würde. Am Anfang ging es ihm zu schlecht, um verlegt zu werden, aufgepäppelt wurde er in einem kleineren Lazarett. Doch den Heimaturlaub hat er abgelehnt, bald hielt er wieder die Waffe in der Hand, um seinen Kameraden beizustehen. Aber die Verletzung hatte ihn verändert. Zu sich selbst konnte er beinhart sein. Doch Peter erzählte mir, dass Jakob in ein tiefes Loch fiel, wenn er die gestrickten Socken oder andere liebevoll ausgesuchte Mitbringsel von euch erhielt. Sie erinnerten ihn wohl an eure Wärme und Herzlichkeit. Viele meiner Kameraden hofften auf solche Präsente, um die Bürden durchzustehen. Bei ihm war es andersrum. Er konnte damit nicht umgehen. Hätte nicht durchgehalten. Vielleicht ist das der Grund dafür, weshalb Jakob einen Schreiber beauftragte, die Vermisstenmeldung auszuschicken.«

Marias Augen flackerten. »Er hat mit sich und mit uns abgeschlossen.«

»An der Front denkt man ohnehin, dass jede Sekunde die letzte sein könnte. Jeder von uns hat im Krieg an Selbstmord gedacht. Es war wie ein langsames Vergehen der Kräfte. Kameradschaft, Treue, Vertrauen und Gehorsam galten nur mehr dort etwas, wo man sich kannte. Wir kämpften lange Zeit bloß deshalb, um nicht in Kriegsgefangenschaft zu gelangen und um zu vermeiden, einen weiteren Freund zu verlieren. Es war unsere Familie, fern jeglicher Blutsverwandtschaft. Jakob litt zudem an Depressionen, verstärkt wohl durch das Pervitin, das man ihm, seit der Verwundung, verschrieben hatte. Die Schulter machte ihm arge Probleme.«

»Pervitin? Was soll das sein?«

»Unter der Hand hieß es bei uns Panzerschokolade. Dieser Name war passend, denn wie ein Stahlschild hüllte es all die Emotionen, Schmerzen und den Hunger ein, gaukelte einem Wagemut vor. Ein Teufelszeug, weil es süchtig machte, man stets höhere Dosen benötigte. Und wenn der Nachschub ausblieb, fühlte man sich wie ein elendes Wrack.«

»Hast du auch davon genommen?«

»Ich habe es probiert. Aber zum Glück für mich entschlossen, den Krieg ohne dem durchstehen zu wollen. Außerdem wurde es immer rarer. Anfangs hatten die Obersten es in riesigen Mengen eingekauft und für die Stärkung der Moral unter den Soldaten großzügig ausgeteilt.« Markus’ Stimme klang bitter.

Maria presste betroffen die Lippen aufeinander, sie drückte mitfühlend seine Hand.

»Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes erzählen. Dennoch war Jakob ein Held, hat Jahre den Krieg durchgestanden, gekämpft, und dadurch Leben in den eigenen Reihen gerettet. Es tut mir im Herzen weh, dass es ihm nicht vergönnt war, heimzukehren. Gefallen im letzten Gefecht.«

»Ich weiß«, flüsterte Maria rau. »Eine Granate hat nichts mehr übriggelassen, was man beerdigen hätte können. Irgendwo auf einem Feld in Gerasdorf, westlich von Sankt Pölten.«

»Bitte, verurteile ihn nicht dafür, dass er in seiner Not zweifelhafte Dinge getan hat. Vergessen hat er euch nie, da bin ich sicher.«

Maria schüttelte traurig den Kopf. »Was hat er leiden müssen!«

»Bitte, verzeih, dass ich es für mich behalten habe. Die ersten Monate wollte ich den gesamten Krieg und die schrecklichen Bilder in meinem Kopf vergessen. Wenigstens habt ihr die offizielle Mitteilung über Jakobs Ableben erhalten, sodass ihr nicht im Ungewissen bleiben musstet. So oft habe ich angesetzt, um es Andreas zu erzählen. Um dann die Worte hinunterzuschlucken, Jakob sollte in seinen Erinnerungen der Held bleiben dürfen. – Und wir beide hatten kaum Kontakt. Zu euren Eltern ging ich damit nicht, weil …«

»Bei der Ablehnung, die sie dir entgegenbringen, wäre ich ebenso nicht hingegangen«, bemerkte Maria fest, ehe er es aussprechen konnte. »Erzähl es Andreas besser nicht. Er wäre zutiefst enttäuscht. Selbst mir fällt es schwer, zu begreifen, dass sich ein Mensch derart verändern kann. Dass sich Jakob so verändern konnte! Es passt so gar nicht zu meinem Bild von ihm. Jakob war so lebensfroh, lustig, humorvoll, umsichtig – all das hat er verloren? Das ist so schlimm, dass es mir ganz eng in der Brust wird.«

»Es tut mir leid. Ich hoffe, du bist mir nicht böse.«

Marias Augen schimmerten, sie hakte sich bei Markus’ Arm unter. »Nein, ich danke dir für dein Vertrauen. Und bewundere dich dafür, dass du trotz der Lebenslasten hier und heute da bist.«

Schweigend stapften sie den restlichen Weg nebeneinanderher.

Am Ende siegt die Wahrheit

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