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Erstes Buch

Prolog

1888 – Bayern

Der Wind strich über das Land und die Äste der Bäume wiegten sich sanft in einer luftigen Brise. Langsam brach die Nacht herein und Düsternis legte sich auf den kleinen Hain. Hinter einer Laubhecke verbarg sich eine junge Frau. In der Hand hielt sie eine Laterne. In deren Widerschein offenbarte sich ein harter Zug um den Mund, der ihre Angespanntheit verriet und ein geheimes Treffen vermuten ließ. Nervös schaute sie sich um, als hätte sie Sorge, von jemandem entdeckt zu werden.

Der Schrei einer Eule zerriss die Stille. Es raschelte im Unterholz und ein feiner Lichtstrahl zeigte sich in der Dunkelheit. Die Frau zog die Mantille fester um die Schultern zusammen, als suche sie Schutz darin. Sie erkannte eine schemenhafte Gestalt, hörte alsbald Atemgeräusche. Ein Mann von großer, kräftiger Statur trat hervor und leuchtete mit seiner Laterne in ihr Gesicht.

»Baronin Teresa Königshofer von Eichstätt, welche Freude, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Du weißt sicherlich, was ich erwarte!« Trotz der vertraulichen Anrede schwang in seiner Stimme eine spürbare Missachtung mit. Sein Blick verweilte länger an ihren Rundungen, als es der Anstand gebot.

»Mathias Krüger. Zügelt Euer Verlangen!« Die junge Frau presste die Lippen aufeinander. Vor gar nicht langer Zeit hatte sie sich ihm hingegeben, aus freien Stücken, doch eine tiefergehende Verbindung wäre ihr niemals in den Sinn gekommen. »Und senkt das Licht, es blendet mich! Oder wollt Ihr Aufmerksamkeit erregen?«

Der Mann folgte ihrer Aufforderung mit einem leisen Grollen. »Ich bin so allein, seit dem Tod meiner Frau …« Er brach ab, als würde er das tragische Unglück tatsächlich bedauern, aber Teresa wusste es besser.

»Verschont mich mit dieser Heuchelei, denn wie man sich erzählt, haltet Ihr Euch seit Jahren an mancher Dirne schadlos.« Sie war selbst verwundert, dass ihre Stimme nicht derart zittrig klang, wie sie sich im Inneren anfühlte. In der Ferne vernahm sie das Heulen eines Wolfes. Hektisch suchte Teresa mit ihren Augen die Umgebung ab, doch in den dunklen Schatten konnte sie niemanden ausmachen. Sie hoffte indes, dass der Wind ihre Worte nicht für andere hörbar weitertrug. Die Baronin raffte den Umhang fest um sich, bedeckte ihre weiblichen Kurven, die sich unter dem hochgeschlossenen Kleid abzeichneten.

Für eine Weile verschwand Mathias‘ Argwohn. »Ich würde alles für dich tun.« Er klang irritierend liebevoll.

»Mir scheint, Eure hehren Absichten kommen eher einer Erpressung gleich!«

»Erpressung? Was für ein abscheuliches Wort. Nennen wir es eine Vereinbarung. Außerdem, meine Schöne, tu nicht so, als würde ich dir missfallen, sonst hättest du dich wohl kaum an mich gewandt und mir deine Süße geschenkt.«

Wie konnte ich mich nur hinreißen lassen? Übelkeit stieg in Teresa hoch. Sie kannte die bittere Antwort: Sie sah keinen anderen Ausweg. »Ich bin glücklich mit meinem Gemahl. Ich liebe ihn!«

»Liebe …« Abfällig spuckte Mathias auf den Boden. »Da entsinne ich mich an deine wunderschönen Töchter.« Er betonte jedes Wort. »Was für ein Glücksfall, dass sie dir ähneln und nicht …«

»Was wollt Ihr?« Sie stoppte ihn impulsiv im Satz und erntete ein überhebliches Lachen. Mit seinem Hass konnte sie umgehen, nicht jedoch damit, dass er ihr Geheimnis ausplaudern könnte. Er dürfte weder ihre Familie noch ihre Liebe zerstören!

»Bei deinem ersten Mann hast du kein Glück gefunden! Zumal er nicht deine freie Wahl war.«

»Ich bedaure meine frühe Witwenschaft nicht, und bin auch kein unbedarftes Ding mehr.«

Spöttisch verzog Mathias seinen Mund. »Das stimmt. Außerdem wurdest du durch Heinrichs Tod eine reiche Frau. Damals dachte ich, dass ich der Mann an deiner Seite werden könnte, nur war ich nicht standesgemäß.«

Teresas Gesicht glühte vor Aufregung und Scham. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie senkte das Licht. »Ihr wisst, dass mir diese Standesdünkel nichts bedeuten!«

»Ach ja, ich vergaß, du bist Carl – deiner großen Liebe – begegnet«, spottete er. »Dennoch scheint es mir, dass sich unsere Wege immer wieder kreuzen. In deiner größten Not kamst du zu mir und nun erstaunt es dich, dass ich dafür einen Dankeszoll verlange? Du stehst vor mir wie ein scheues Reh, dabei kenne ich – nur ich – deine geheimen Abgründe.«

Der drohende Unterton blieb ihr nicht verborgen. Sie schluckte ihren Ekel hinunter und reckte stolz das Kinn nach oben. »Erspart mir Eure Belehrungen! Ihr habt mich kaum deswegen zur nächtlichen Stunde an diesen Platz rufen lassen.«

»Stimmt.« Mathias seufzte. »Du bist so sehr um Haltung bemüht, nur gelingt dir das nicht, meine Schöne …« Er strich mit einem Finger über Teresas Gesicht.

Sie entdeckte ein gefährliches Glitzern in seinen Augen. Unbewusst hielt sie den Atem an und verbannte den abstrusen Gedanken, Mathias würde ihr in der nächsten Sekunde die Kleider vom Leib reißen und sich ihrer bemächtigen. Sie zitterte.

»Es gab Zeiten, da hat meine Berührung dir lustvolle Laute entlockt.« Gequält ließ er seine Hand sinken.

»Ich hab mich zu Dingen hinreißen lassen, die Carl sehr verletzen würden. Dafür trage ich ganz allein die Konsequenzen. Also bitte, kommt endlich zur Sache, oder ich werde mich verabschieden.«

»Gut. Wie dir sicher zugetragen wurde, habe ich einen finanziellen Engpass. Deshalb dachte ich mir, du könntest in mich investieren.«

Im ersten Moment spürte sie Erleichterung, dass er nur Geld forderte und nicht ihren Körper. »An welche Summe habt Ihr gedacht?«

»Nun, es wäre mir eine große Hilfe, wenn ich zweitausend Gulden sofort erhalten könnte.«

»Zweitausend?«, wiederholte sie bestürzt.

»Und zu jedem Monatsersten weitere zweihundert Gulden, solange ich lebe. Immerhin muss ich für meinen Sohn sorgen und möchte ihm eine umfassende Schulausbildung ermöglichen.«

»Weitere zweihundert Gulden monatlich? Seid Ihr von Sinnen?«

»Dies wäre nur eine minimale Gegenleistung dafür, dass das Geheimnis bei mir sicher verwahrt bleibt und ich deinen Ehebund nicht stören werde. So kann sich Carl auch künftig mit Hingabe um eure Töchter kümmern. Du willst ihn keineswegs erzürnen, oder? Am Ende hast du mehr zu verlieren als ich.«

Die Baronin hätte ihm am liebsten das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. »Das ist mehr, als ich beschaffen kann.«

»Ach Weib, lamentiere nicht! Die frühe Ehe hat dich mündig und dein verstorbener Mann wohlhabend gemacht. Du kannst über dein Vermögen frei bestimmen und bist keineswegs vom Wohlwollen des Barons abhängig.

Seit Luitpold das Zepter in der Hand hält, befindet sich unser Land spürbar im wirtschaftlichen Wachstum, weshalb ich mit dem Gedanken spiele, in die Bierbrauerei einzusteigen. Doch dafür fehlt mir gerade das nötige Kleingeld.«

»Wo wollt Ihr Euch noch überall profilieren? Mit Eurem Verstand sollte meine Unterstützung nicht nötig sein!«

»Du irrst. Gerade deshalb brauche ich deine Unterstützung, da die Bedingungen für eine gewinnbringende Anlage im Moment sehr günstig sind. Als Berater in Geldangelegenheiten weiß ich sehr wohl, wie viel deine Besitztümer wert sind. Natürlich achte ich darauf, deinen Schaden gering zu halten, immerhin bin ich kein Unmensch.«

»Eintausendfünfhundert Gulden«, feilschte sie, »und monatlich werdet Ihr nicht mehr als hundert Gulden erhalten.«

»Eintausendfünfhundert Gulden sofort und hundertfünfzig pro Monat.«

»Hundertzwanzig, das ist mein letztes Wort.«

»Du bist nicht in der Position, um zu verhandeln. Was würde Carl sagen, wenn er …«

»Hundertzwanzig«, fiel sie ihm ins Wort, »ansonsten könnte ich mich erinnern, Euch in der Todesnacht Eures Weibes an deren Boot hantieren gesehen zu haben.«

»Was sagst du da?« Seine Hand schnellte nach vorn und umfasste hart ihren Oberarm.

»Ihr tut mir weh!« Gewiss würden Abdrücke seiner Finger zurückbleiben. Sie versuchte, sich aus der Umklammerung zu entwinden.

Er lockerte den Griff. »Du hast es gewusst? All die Zeit?«

»Nun weiß ich es. Ein Mord verjährt nicht!«

»Es würde gewiss sehr eigenartig wirken, wenn du erst jetzt mit dieser Anschuldigung herausrückst. Ohne Beweise steht mein Wort gegen deines.«

»Wollt Ihr es tatsächlich darauf ankommen lassen? Es wäre sicher allein der Verdacht hinlänglich, sodass manche Geschäftspartner eine künftige Kooperation mit Euch genauestens überdenken würden. Womöglich stünde Eure Stellung beim Bankinstitut in Gefahr.«

»Dieses Wissen kann dein Untergang sein!«

»Ihr seid doch kein Narr und verzichtet auf Eure Geldeinnahmequelle, mit der Möglichkeit, Euch weiter hervorzutun!«

»Dann sieh es als Rückversicherung für dein Leben, für das deines Mannes und der Töchter.« Mit diesen Worten ließ er ihren Arm los und Teresa taumelte zurück.

Sie unterdrückte das Bedürfnis, die schmerzende Stelle zu berühren. »Gebt zu, das Geld ist Euch in Wahrheit einerlei, Ihr wollt nur Rache nehmen, da ich mein Glück gefunden habe, nur nicht an Eurer Seite.«

»Baronin, dein Kapital werde ich gewinnbringend einsetzen, und ansonsten sollst du dich zu jedem Ersten im Monat daran erinnern, welche Schuld du auf dich geladen hast. Lass dir gesagt sein: Früher oder später wirst du erkennen, dass deine Verfehlungen nicht geringer sind als meine.«

»Es ging nur um die Erfüllung von Carls sehnlichstem Wunsch. Er wollte einen Erben.«

»Du hättest ihn sicherlich ausreichend zu trösten vermocht, auch ohne Nachfolger!«

»Carl hat mich vor der Einmischung meiner Eltern gerettet, die sich wie Schmarotzer im Böhmer-Hof eingenistet hatten, und holte mich zu sich ins Schloss. Er schenkt mir seine bedingungslose Liebe. Da ist es wohl legitim, dass ich ihm etwas zurückgeben wollte.«

»Dir ging es nie um Carl, sondern nur um dich! Viel zu sehr lechztest du nach einem Adelstitel und wolltest im Reigen der Hochwohlgeborenen aufgenommen werden. Aber glaub mir, ein Kind macht deine einfache Abstammung nicht unvergessen.«

»Am besten schaut Ihr Euch selbst nach einer privilegierten Frau um, dann müsst Ihr mir meinen Aufstieg nicht länger neiden.«

»Ich brauche kein farbloses Weib an meiner Seite, sondern eine, die mich fordert.«

»Wenn ich das sein soll, dann ist Euch nicht zu helfen!«

»Wir beide sind uns ähnlicher, als dir lieb ist. Dein Gemahl hält dich hingegen für eine Heilige und ich weiß schon jetzt, dass du ihn ins Verderben stürzen wirst. Ich habe dich längst durchschaut. Du hast die falsche Wahl getroffen, als du mit ihm zum Traualtar schrittest!«

»Mein Herz hat entschieden!«

Er lachte bitter. »Dein Herz? Wo war dein Herz in jener Nacht, als du zu mir kamst und …?«

»Schweigt!«

»Daher ist Kalkül wohl die passendere Bezeichnung.«

»Nennt es, wie es Euch beliebt. Dessen ungeachtet solltet Ihr endlich aufhören, meiner nachzutrauern, denn ich war niemals Euer Weib und werde es nie sein! Somit ist Eure gekränkte Eitelkeit mehr als unangebracht. Erfreut Euch besser an all den anderen Frauen, die gewiss williger sind als ich, und Euch ihre Gunst schenken.«

»Wir bleiben auch ohne Ehebund aneinandergekettet«, sprach Mathias voller Häme.

Es fröstelte Teresa. »Mein Geld gibt es nur, wenn Ihr meine Bedingungen erfüllt!«

»Aber Liebste, welche?«, spottete er.

»Wir werden künftig kein privates Wort mehr miteinander wechseln und vermeiden persönlichen Kontakt. Zudem: Haltet Euch von meinen Töchtern fern!«

»Sollten die Zahlungen pünktlich eintreffen, wird das kein Problem darstellen. Ich hoffe nur, dass du nicht dein Wissen ausnützt und versuchst, meine Geschäfte zu untergraben, ansonsten wird Carl von uns erfahren. Dann dürftest du all deine Privilegien verlieren.«

»Solange meine Interessen nicht leiden, werde ich Eure Geschäfte nicht ruinieren.«

»So sei es.« Mathias ergriff Teresas Hand und deutete einen Kuss an. »Dann sind wir uns einig. Aber ich bin mir sicher, auch wenn du mich aus deinem Leben verbannst, wirst du keine Ruhe finden und dich meiner entsinnen.«

»Diese Erinnerung wird nur Schmerz und Hass hervorrufen.«

»Meine ebenso.« Er ließ ihre Hand los.

Sie sah dem Schein seiner Laterne nach, bis dieser gänzlich in der Dunkelheit verschwand. Angewidert wendete sie sich ab. Was für einen abscheulichen Pakt habe ich geschlossen? Das gutmütige Lächeln ihres Gemahls drängte in den Gedanken empor. Ich tue es für ihn, versicherte sie sich, und für das Wohl meiner Familie.

*

»Herr Baron, ich bitte Euch auf ein Wort«, rief die Hofmeisterin, als sie den Freiherrn Carl Königshofer von Eichstätt erblickte.

»Magdalena, gewiss. Komm, begleite mich ein Stück des Weges.«

Die Bedienstete unterbrach die Arbeit im Garten und strich ihre Hände an der Schürze ab, die sie über dem groben Wollkleid trug.

»Du bist mitten in der Rosenblütenernte, wie ich sehe.«

»Diese Pracht will gut genützt sein, zumal das feine Aroma in den handgemachten Seifen herrlich zur Geltung kommt.«

»Ich hoffe allerdings, dass wir auch die Rosenzucker-Vorräte auffüllen. Du weißt, wie sehr Teresa diesen erlesen Geschmack in ihrem Tee liebt.«

»Natürlich Herr Baron, dafür werde ich sorgen.«

»Fein.«

Seite an Seite gingen die beiden nebeneinander her. Carl war ein herrschaftlicher Mann mit braunem Haar und einem Schnauzer mit nach oben gezwirbelten Spitzen. Die Sonne schien heiß vom Himmel herab, deshalb suchten sie im Schatten eines Kirschbaumes Schutz.

Der Baron wandte sich an Magdalena, die ihm gegenüberstand. »Nun sag schon, worüber möchtest du mit mir sprechen?«

»Ich hätte ein Anliegen und es wirkt mitunter etwas unverfroren.«

»Dies zu beurteilen, obliegt mir.«

»Nun, wie ich von Eurer Gemahlin erfahren habe, soll künftig Eure Stieftochter Sara unterrichtet werden.«

»Ja, das stimmt.«

»Deshalb wollte ich Euch bitten, ob nicht Thomas ebenfalls an den Lehrstunden teilnehmen könnte. Er ist so ein wissbegieriger Bursch, hat sich bereits selbst die Welt der Buchstaben und Zahlen angeeignet und dennoch ist seine Neugierde unstillbar.« Aus treuherzig bittenden, blauen Augen blickte sie ihm entgegen. Nervös tastete sie über ihr blondes Haar, das streng zurückfrisiert und mit Nadeln fixiert war. Aber nicht einmal eine feine Strähne vermochte es, sich daraus zu lösen.

»Er ist doch Euer, ich meine unser … natürlich werde ich niemals ein Sterbenswort darüber verlieren, weder an die Baronin noch an sonst jemanden, ganz gleich wie Eure Entscheidung ausfallen mag. Ich bitte Euch lediglich, es zu überdenken. Und nun verzeiht die Störung.«

»Warte!«

Magdalena hielt inne. Würde der Freiherr ihr Ansinnen gutheißen oder ablehnen? Die Zeit, in der Carl Wärme in ihren Armen suchte, gehörte längst der Vergangenheit an.

»Ich erkenne sehr viel von mir in Thomas wieder. Er erinnert mich daran, als du mir in einsamen Stunden Trost und Liebe geschenkt hast.«

Magdalena wich seinem Blick aus und schaute zu Boden, wo sich Grashalme hartnäckig durch den steinigen Fußweg kämpften. Ihre Hoffnung verflüchtigte sich zusehends.

»Ich weiß, dass ich dich sehr verletzt habe, als ich Teresa wählte und sie zur Herrin machte.«

»Ich war keine Sekunde derart vermessen zu glauben, dass wir jemals eine gemeinsame Zukunft hätten.« Sie sah auf. »Mit Thomas habt Ihr mir allerdings das schönste Geschenk gemacht, somit ist der Schmerz von damals längst gewichen. Ansonsten könnte ich Euch keinen Tag länger zu Diensten sein. Ihr habt in Teresa die Frau fürs Leben gefunden. Ich verstehe sehr wohl, dass es fern jeglicher Etikette ist, den Sohn einer Bediensteten auszubilden. Bitte, verzeiht meine Unbedachtheit.«

»Du missverstehst mich. Ich werde deinem Ansinnen nachkommen.«

»Tatsächlich?« Hatte er soeben zugestimmt? Sie konnte es kaum glauben.

»Ich wäre ein Narr, wenn ich seine Begabung noch länger brachliegen lassen würde. Du hast darauf verzichtet, mich als Vater zu benennen, vielleicht kann ich meine Schuld an ihm auf diese Art ein wenig sühnen.«

»Für Eure Gemahlin wird es befremdlich wirken.«

»Das lass meine Sorge sein. Zumal schon einige Freiherren, wie mein Freund Otto von Wolbrand, die Ausbildung ihrer Angestellten gutheißen.«

»Wie kann ich Euch jemals danken?«

Nun trat der Baron zur Hofmeisterin heran. Er legte eine Hand auf ihre Schulter. »Magdalena, deine Loyalität beweist du mir täglich, und nun gebe ich dir etwas von meiner Dankbarkeit zurück.«

»Ihr beschämt mich. Nichtsdestotrotz macht Ihr mich gerade überaus glücklich. Nun gehe ich wieder an meine Arbeit.« Die Hofmeisterin entfernte sich.

Carl blickte Magdalena nach, bis sie sich von Neuem den Rosen widmete. Er fühlte eine tiefe, freundschaftliche Verbindung zu ihr. Was hätte er ohne ihren Beistand getan, als der Krieg seinen Bruder Maximilian raubte? Nur einen Tag später trieb der Vater leblos im Wasserlauf, und entfloh womöglich auf diese Weise der Last des Verlustes seines ältesten Sohns. Wenige Monate darauf entschlief die Mutter. Magdalena gab ihm damals die Hoffnung durchzuhalten, und er fand Trost in ihren Armen.

Als er erfuhr, dass sie sich in anderen Umständen befand, zögerte er keinen Moment und holte sie ins Haus, um ihr eine sichere Stellung am Gut zu verschaffen. Bald ernannte er sie zur Hofmeisterin, denn hinter ihrem hübschen Äußeren steckte ein wacher Geist. Sie agierte mit großer Sorgfalt und Umsicht. Ab sofort trug Magdalena die Aufsicht über die Dienerschaft, stellte den Wochenspeiseplan zusammen und überwachte die Arbeiten in Haus und Garten. Dann trat Teresa wie ein Engel in sein Leben und erfüllte ihn mit heißer, inniger Liebe. Carl lächelte beim Gedanken an seine Frau.

Magdalena trat von sich aus die Dienstbotenstube ab und zog mit dem kleinen Sohn in eine bescheidene Wohnung in einen separaten Bereich für das Gesinde, das an der Südseite des Anwesens lag. Sie beschwerte sich kein einziges Mal, sondern stellte ihre Bedürfnisse hintan. Pflichtgetreu erledigte sie all die aufgetragenen Arbeiten und respektierte Teresa an seiner Seite.

»Sie ist eine starke Frau.« Carl löste den Blick von Magdalena und führte seinen Spaziergang fort. Die Erfüllung dieses Wunsches war somit das Mindeste, was er ihr erweisen konnte.

Die Ehre meiner Seele

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