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Mister Moranez

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Mit dreihundertundfünfzig Containern aus Finnland beladen, kämpft sich die Antares gegen den Elbstrom nach Hamburg. Norddeutsches Februarwetter, Nieselregen. Meine drei älteren Herren in ihren karierten Hemden, mit denen ich eine Woche lang auf dem Schiff gelebt habe, Kapitän, Erster Offizier und Chief, sind auf der Brücke. Der Kapitän fragt mich, ob mir die Reise gefallen habe, fürchtet, dass sie langweilig gewesen sei.

Langweilig? Mir wurde jede Schraube im Maschinenraum persönlich vorgestellt, und ich kenne die gesamte Lebensgeschichte des Chiefs. Auf der Ostsee habe ich auf das erste Eis gewartet, im finnischen Meerbusen auf den Eisbrecher. Ich habe kristalline Landschaften aus Eis gesehen und zugeschaut, wie der Kapitän sein Schiff stundenlang und mit Engelsgeduld durch sie hindurch gesteuert hat. In Helsinki habe ich mich zwischen den Containerstapeln im Hafen verlaufen, und in Kotka wäre ich fast von einer Containerbrücke angefahren worden. Ich habe die Ladegeschwindigkeiten der finnischen Hafenarbeiter gemessen und protokolliert. Der Lotse im Nord-Ostsee-Kanal hat mir jedes Sandkorn an dessen Ufern erklärt. Ich habe mich so erfolgreich beim Koch eingeschmeichelt, dass der Kapitän eine Woche lang auf seine geliebten Pilze, die ich nicht mag, verzichten musste. Und ich habe Stunden mit meinen drei karierten Herren in der Offiziersmesse verbracht und ihren wahren und erfundenen Geschichten zugehört. Nur meinen vorsorglich für den Seekrankheitsfall mitgebrachten Fernet Branca, den habe ich nicht gebraucht.

Die Schraube wühlt sich durch das trübe Elbwasser, auch der Ebbstrom ist gegen uns. Hinter uns am Horizont erscheint verwaschenes Grau. Es ist ein Schiff. Ein großes, schnelles. Es kommt näher.

Und dann ist es neben uns. Eine dunkle Wand aus Stahl. Der Kapitän schaut zum Lotsen. Der schweigt. Die Stahlwand kommt näher und näher, es sieht aus, als könne man sie anfassen. Endlich sagt der Lotse etwas: »Scheiße! – Wir kommen voll in den Sog!« Dann schnell hintereinander mehrere Kommandos, zuletzt: »Volle Kraft zurück!«

Stille. Die bleifarbene Wand kommt näher. Und dann: Ein Schlag, das schrille Geräusch von Stahl auf Stahl. Die Antares neigt sich zur Seite, weit. Richtet sich langsam wieder auf.

Das dunkelgraue Schiff hat eine lange Schramme. Es fährt weiter, als sei nichts geschehen und verschwindet voraus im Nebel. Wir liegen quer im Strom, neben uns treibt ein Container.

Der Kapitän telefoniert, notiert dann etwas auf ein DIN-A4-Blatt. Der Chief nennt ihm die Nummer des über Bord gegangenen Containers. Der Erste Offizier geht zum Bug, um die Schäden an der Ladung und am Schiff zu überprüfen. Und die Schwimmfähigkeit.

Langweilig? Und es fängt erst an: Ein Matrose stürzt auf die Brücke, blass und außer Atem: »Mister Moranez is missing!«

Der Kapitän lässt Mister Moranez ausrufen und beauftragt den Matrosen, ihn zu suchen. Das Beiboot wird klargemacht. Mister Moranez meldet sich nicht, sein Kollege findet ihn nicht.

Ein Hubschrauber und mehrere Schiffe sind gekommen. Sie suchen. Wir fahren zurück. Wir suchen auch. Irgendein dunkles Pünktchen, irgendwo im eiskalten Strom. Es gibt viele dunkle Pünktchen.

Sehr nah beim Schiff erscheint ein etwas größeres Pünktchen. Es kommt näher und wird größer, sieht aus wie ein weggeworfenes Kleidungsstück. Es treibt vorbei. Die Besatzung des nächsten Bootes fischt ein triefendes Bündel aus dem Wasser. Mister Moranez. Er stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus.

Ein Beamter der Wasserschutzpolizei kommt an Bord, stellt Fragen, nimmt Personalien auf. Im pottendichten Nebel fahren wir in den Hafen, ein Polizeiboot begleitet uns. Der Kapitän steuert selbst.

Jeden Abend Captain's Dinner

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