Читать книгу Im Moor und auf der Heide - Бруно П. Кремер, Bärbel Oftring - Страница 8
ОглавлениеMoor im Nebel
Erlebnisräume Moor und Heide
Selbst auf dem einigermaßen festen Weg gurgelt und schmatzt der Boden unter jedem Schritt und Tritt. Dichte Nebelschwaden umfassen die wie verkrüppelt aussehenden Moorbirken und -kiefern nur schemenhaft. Unwirsch fahren die weit ausladenden Äste der Kiefern dem einsamen Wanderer ins Gesicht, während ihre knorrigen Wurzeln heimtückisch nach seinen Füßen hangeln. Die kurzen, altersschwach geneigten Stämme der Weiden mit den vielen zurückfaulenden Astlöchern schneiden fürchterliche Grimassen. Was war das doch vorhin für ein seltsam knackendes Geräusch? Huschte nicht eben ein düsterer Schatten hinter ein Gebüsch? Woher kam gerade der lang gezogene Klagelaut?
«Birken be(ob)achten»
Wahrhaftig – das Moor liefert wirkungsvoll die perfekte Kulisse für ziemlich ungute Gefühle und Gänsehaut. Den meisten Menschen erscheint das Moor auch heute noch unheimlich, hierher geht man höchst unfreiwillig.
Stimmungsvolle Niederungsmoorlandschaft
Lebensraum mit Rufmord
Der schlechte Ruf von Mooren ist die späte Folge von Märchen und Mythen, die wir schon seit frühester Kindheit kennen. Auch viele literarische Darstellungen prägen unser Bild vom Moor – man denke da zum Beispiel an die unheimliche Szenerie, in der Sir Arthur Conan Doyles «Der Hund von Baskerville» durch die nächtliche Einsamkeit hechelt, oder an die gespenstischen Vorgänge in der finsteren Ballade «Der Knabe im Moor» von Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848): «O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehen», heißt es gleich in der ersten Zeile. Und in der letzten Zeile setzt sie sicherheitshalber gleich noch eins drauf: «O schaurig war’s in der Heide». – Von der Heide war zwar vorher nirgendwo in der Ballade die Rede, aber sicherheitshalber bekommt auch dieser Lebensraum einen Seitenhieb ab.
«Moorleichen: Haut ohne Knochen»
Die neue Wertschätzung
Allerdings gibt es – besonders in jüngerer Zeit – nicht nur negative literarische Einschätzungen von Moor und Heide. So schreibt beispielsweise Hermann Löns (1866–1914) über das Bissendorfer Moor – heute ein Naturschutzgebiet – : «Wer es [öde, traurig und verlassen] schimpft, der kennt es nicht. […] Im Frühherbst, wenn die Heide blüht, dann gewinnt dem Moor jeder Mensch Geschmack ab, und auch im Spätherbst, wenn das Birkenlaub goldgelb leuchtet, findet man es schön. […] Wen es aber gelüstet, aus dem Lärm der Stadt herauszukommen und einmal alleine zu sein, keine Menschen um sich zu sehen, die überall die Wälder füllen, der muss in das Moor hinauswallen.»
Zwischen tropfnass und staubtrocken
Moor und Heide nennt man oft (und auch in diesem Buch) in einem Atemzug, obwohl beide Lebensraumtypen, genauer betrachtet, nicht unbedingt ganz so eng zusammengehören und tatsächlich eher ein Gegensatzpaar bilden: Das Moor ist in seinem ökologischen Profil ein vom Wasser dominiertes Gelände, auf das zumeist auch die nicht allzu positiv besetzten Begriffe Morast und Sumpf passen. Eine Heide kann man dagegen durchaus zutreffend als Sonderfall eines Trockenbiotops auffassen.
Das legt eine saubere begriffliche Abgrenzung nahe, aber die gelingt nicht so ganz einfach. Sie wird unter anderem dadurch erschwert, dass beispielsweise sowohl auf der Heide als auch im Moor zahlreiche Vertreter der Heidekrautgewächse (Ericaceae) vorkommen. Mitunter liegen kleine Moore auch inmitten ausgedehnter Heidegebiete wie etwa im Fall der Dünentälchenmoore, die sich beispielsweise auf den Nordseeinseln in den Senken der verheideten Braundünenzüge verstecken. Umgekehrt können auch größere Moorflächen im Randbereich einen klaren Heidecharakter annehmen, und außerdem gibt es in der Vegetationskunde den – zugebenermaßen nicht besonders glücklich gewählten – Begriff der Heidemoore. Auf diesen Lebensraumtyp trifft man beispielsweise in der Wahner Heide, dem größten nordrhein-westfälischen Naturschutzgebiet, in das man unglücklicherweise den Großflughafen Köln-Bonn platziert hat.
Moore und Heiden sind, wie bereits gesagt, im Prinzip gänzlich gegensätzliche Lebensräume. Das zeigt sich klassischerweise in ihrer Entstehungsgeschichte: Moore sind natürlich gewachsene Lebensräume bzw. Lebensgemeinschaften. Sie sind gleichsam die letzten inselartig erhaltenen Reste eines in der Spät- und frühen Nacheiszeit weitflächig verbreiteten Pflanzenkleides unserer Landschaften. Heiden sind dagegen im typischen Fall erst unter der Hand des wirtschaftenden Menschen entstanden, der mit Beginn der Jungsteinzeit seine Existenzsicherung von der jagend-sammelnden Aneignungswirtschaft auf die ortsgebundene Pflanzen- und Tierproduktion umstellte und die ersten bäuerlichen Kulturen etablierte. Mit der vor ca. 7000 Jahren auch in Mitteleuropa einsetzenden neolithischen Revolution begannen die frühen Siedlerkulturen die Wälder zu roden und Freiflächen für den Nutzpflanzenanbau zu schaffen. In der Folge wurde in Gebieten mit Sandböden der Oberboden durch Auswaschung in kurzer Zeit immer nährstoffärmer und verhalf so nur wenigen anspruchslosen Spezialisten unter den Pflanzen zur Flächendominanz – es entstanden erste Heiden. Heidegebiete sind somit Dokumente der Wirtschaftslandschaft früherer Jahrhunderte. Dennoch sind sie nicht nur im Blühaspekt, sondern auch in biologisch-ökologischer Hinsicht ungemein faszinierend.
Hochmoorgelbling (Colias palaeno)
Heidelandschaft
«Wenn die Heide blüht»
Fragen
› | Was dokumentieren Heidelandschaften? |
› | Welche Bedingungen führen zur Entstehung eines Moors? |
Blühende Sumpfwiese
Brücher, Moore, Sümpfe
Überall auf der Erde befinden sich Wasser und Festland in ständigem Konflikt miteinander. Die sichtbaren Ergebnisse dieser Auseinandersetzungen sind die jeweiligen Landschaftsbilder. Schon das kleinste Rinnsal gräbt sich selbst eine Abflussrinne, der rauschende Bergbach legt mit der Zeit tiefe Täler an, und auch der breite behäbige Tieflandstrom modelliert immerfort an seinen Ufern herum. Noch eindrucksvoller zeigt sich das stetige Gerangel zwischen den bewegten und festen Elementen an den brandungsexponierten Meeresküsten. Gewöhnlich steht hier das Festland als eindeutiger Verlierer da.
Oftmals durchdringen sich Wasser und festländisches Lockermaterial gegenseitig und bilden dann Mischphasen, für die man im Alltag gerne die Bezeichnungen «Matsch», «Modder» oder «Morast» verwendet. Die fachwissenschaftliche Sicht der Bodenkundler, Geologen und Ökologen sieht es distanzierter: Sie weisen darauf hin, dass sich – zumal über wasserundurchlässigem Untergrund – Staunässe entwickelt. Zufließendes oder über die Niederschläge eintreffendes Wasser bleibt dadurch an Ort und Stelle. Es könnte allenfalls durch direkte Verdunstung seinen Weg zurück in die Atmosphäre antreten, aus der alles Oberflächen- und Grundwasser der Festländer letztlich stammt. Solche wassergesättigten Böden sind die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung der Feuchtgebiete vom Typ der Sümpfe und Moore, die weder richtige Gewässer noch eindeutige Festlandlebensräume darstellen, sondern irgendwo dazwischen einzuordnen sind.
Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica)
Sumpf und Moor – ein «grund»legender Unterschied
Was aber unterscheidet einen Sumpf von einem Moor? Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal betrifft das Schicksal der in einem solchen Lebensraum anfallenden abgestorbenen Pflanzensubstanz. In jedem Ökosystem fällt während und vor allem gegen Ende der Vegetationsperiode eine Menge organisches Material an. Besonders augenfällig ist dies im Laubwald: Kaum sind die Blätter im Frühjahr den schützenden Winterknospen entwachsen, rieseln kilogrammweise Knospenschuppen und wenig später die entbehrlichen Blüten(teile) auf den Waldboden. Geradezu dramatisch wächst das Abfalldepot am Waldboden im Herbst, wenn nach furiosem farblichem Finale der Laubfall einsetzt.
Im Unterschied zur menschlichen Wirtschaft kennt die Natur allerdings keinen dauerhaften Abfall. Normalerweise macht sich ein Heer von Zersetzern über die anfallende organische Totsubstanz her und führt die darin enthaltenen Bestandteile in den allgemeinen Stoffkreislauf zurück. Perfekter könnte ein vorbildliches Materialrecycling gar nicht beschaffen sein!
In einem Sumpf schwanken die Wasserstände im Jahresgang, und eventuell trocknet der Boden auch einmal ganz aus. Dann hat der Luftsauerstoff überall freien Zutritt zum abgelagerten organischen Material. In der Folge gelingt es den kleinen Bodenorganismen, die anfallende pflanzliche Totsubstanz in relativ kurzer Zeit – wie übrigens auch auf dem Laubwaldboden – vollständig abbauen. Sie häufen am oder im Sumpfboden daher nur eine dünne Humusschicht an, die aus (zunächst) nicht weiter abbaubaren Resten besteht.
In Sümpfen findet anders als in Mooren keine Torfbildung statt.
Anders verhält es sich im Moor: Hier ist die die Wassersättigung des Bodens im Gegesatz zum Sumpf lage- und/oder klimaabhängig ziemlich konstant. Wegen des dadurch bedingten mehr oder weniger dauerhaften Sauerstoffmangels kann kein vollständiger Abbau der anfallenden organischen Totsubstanz stattfinden – es kommt also allenfalls zur Vermoderung bzw. zur Vertorfung (vgl. S. 40 ff.). Torf und Torfanhäufung sind somit die wichtigsten Kennzeichen eines Moores und unterscheiden es grundlegend vom Sumpf.
«Das Moor im Garten begraben?»
Beobachtungstipp – Moorleichen en miniature
Im Torf bleiben die angehäuften Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss unter Umständen viele Jahrtausende lang erhalten. Ein kleines Torfpaket – gegebenenfalls sogar aus der Bodenfüllung eines Blumentopfes – kann daher ein überraschend ergiebiges Untersuchungsgut für die (Stereo-)Lupe oder das Mikroskop sein. Neben pflanzlichen Makroresten (Blattepidermen, Leitbündelbestandteile) lassen sich in den Proben häufig auch Pollen oder Sporen finden (vgl. S. 128 ff.).
Fragen
› | Was ist Torf? |
› | Was passiert mit dem Pflanzenmaterial in einem Moor? |
Wasserhaushalt der Moore: 1 Niederschlag, 2 Verdunstung, 3 seitlicher Zufluss, 4 seitliche Durchströmung, 5 Durchströmung von unten, 6 etwaiger Abfluss, 7 Abfluss in den Randsumpf
Vielfältig und verschieden
Genauso wie man von Wald oder Wiese spricht und dabei klar vor Augen hat, dass es grundverschiedene Wald- bzw. Wiesentypen gibt, verbirgt sich auch hinter dem Begriff Moor eine erstaunliche Bandbreite verschiedener Erscheinungsformen. Diese Vielfalt zeigt sich bereits in den entsprechenden Fachbegriffen wie Hoch- und Niedermoor, Hangmoor, Heidemoor, Kesselmoor, Durchströmungsmoor und vielen anderen. Aber auch die Regionalsprache kennt mancherlei Unterschiede: Filz und Moos (Bayern) oder Moos und Ried (Baden-Württemberg) sind gewiss nicht dasselbe. In Schweden unterscheidet man säuberlich mosse und kärr, im angelsächsischen Raum bog und fen, in Frankreich marais und tourbière. In den Niederlanden existiert allerdings nur der eine Begriff veen. Im relativ moorarmen Italien spricht man ebenfalls einheitlich nur von palude. Eine solche Vielfalt der Bezeichnungen erfordert eine klare Ordnung.
«Eingetieft und abgeschlossen»
Die traditionelle Sicht
Eine einfache und für die Praxis überaus brauchbare Einteilung unterscheidet zwischen Nieder- und Hochmoor. Zugegebenermaßen wäre es verführerisch, die betreffenden Begriffsinhalte mit Niederungs- bzw. Höhenmoor zu umschreiben. Den entscheidenden Unterschied macht jedoch nicht die topografische Höhenlage im Tiefland bzw. im Gebirge aus, sondern die Art der Wasserzufuhr bzw. die Herkunft des Wasserüberschusses, weswegen man auch von einer hydrologischen Einteilung der Moortypen spricht.
Ein Nieder- oder Flachmoor ist immer ein Grundwassermoor. Der jeweilige Moorstandort- bzw. -bildungsort erhält sein lebenserhaltendes Wasser aus dem Oberflächenabfluss und vor allem aus dem ganzjährig hoch anstehenden Grundwasser. Niedermoore sind somit generell grundwasserernährt – man nennt sie deswegen auch minerotroph. Sie entwickeln sich in feuchten Mulden und Senken, in Quellgebieten, in breiten Flussauen und vor allem in den Randbereichen von Seen. Der Begriff «Niedermoor» erklärt sich daraus, dass dieser Moortyp bevorzugt, aber nicht ausschließlich in der Niederungslandschaft (Tiefland) auftritt. Die Bezeichnung «Flachmoor» verweist dagegen auf die ebene Oberflächengestalt dieses Moortyps. Niedermoore können demnach auch durchaus im Gebirge vertreten sein. Gewöhnlich sind sie ziemlich nährstoffreich. Deswegen bezeichnet man sie im Unterschied zu den nährstoffarmen Hochmooren vielfach auch als Reichmoore.
«Landschaftsprägende Niedermoore»
Nieder- oder Flachmoore sehen wegen ihrer unterschiedlichen landschaftlichen Einbindung und Entwicklung meist sehr verschieden aus. Man kann daher geradezu von einer Flachmoor-Typologie sprechen, wie sie auch in den Schemata der Abbildung unten auf dieser Seite zum Ausdruck kommt. Die ausgewählten Beispiele zeigen einige der wichtigsten Formen. Tatsächlich ist die Bandbreite an diesen besonderen Moortypen noch viel größer.
Schemata der verschiedenen Niedermoortypen
Beobachtungstipp – Unterschiede auf den ersten Blick
Niedermoor in Norddeutschland
Für den Naturfreund ist es nicht immer einfach zu entscheiden, ob er gerade vor einem topogenen Nieder- oder einem ombrogenen Hochmoor steht. Letzte Zweifel räumt der Blick auf die vorherrschende Pflanzenwelt aus. Ein Niedermoor zeichnet sich fast immer durch eine üppige, artenreiche Vegetation mit großblättrigen Gräsern und Kräutern aus. Auffallend sind hier beispielsweise die eindrucksvollen Horste der Steifen Segge (Carex elata). Häufig finden sich hier auch der Fieberklee (Menyanthes trifolata) oder sogar verschiedene Sträucher (Weiden der Gattung Salix).
Die Hochmoore zeigen dagegen eine eher spärliche und artenarme Vegetation, die hauptsächlich aus gelbgrünen, bräunlichen oder roten Torfmoosen (Gattung Sphagnum) besteht. Die wenigen hier wachsenden Zwergsträucher wie Rosmarinheide (Andromeda polifolia) oder Moosbeere (Oxycoccus palustris) sind ebenso klein- bzw. schmalblättrig wie die wenigen Vertreter der Riedgrasgewächse, darunter Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum) oder Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba).
«Winzige Landschaftsgestalter»
Die Moorlandschaften im deutschsprachigen Raum
Niedermoor in den Alpen
Regenernährte Hochmoore
In konstant niederschlagsreichen Gebieten konnte sich dagegen ein Moortyp entwickeln, der vom Grundwasserstand weitgehend oder sogar völlig unabhängig ist und nur vom Niederschlagswasser gespeist wird. Solche Moore bezeichnet man als ombrogen oder ombrotroph. Sie sind im Allgemeinen ziemlich nährstoffarm, weil Regenwasser von Natur aus kaum pflanzenverfügbare mineralische Nährstoffe wie Kalium-, Natrium-, Calcium-, Magnesium-Ionen enthält. Hoch- oder Regenmoore sind insofern überwiegend lagebedingt – sie konnten und können sich nur in zuverlässig regenreichen Gebieten entwickeln. Ihr Name erklärt sich aus ihrer eigenartigen Form: Die angesammelte, abgestorbene Pflanzensubstanz hebt die Mooroberkante deutlich über das ursprüngliche Geländeniveau hinaus. Die alsbald einsetzende Torfbildung riegelt den Moorkörper sogar vollends vom mineralischen Untergrund ab. Im Schnittbild erscheint ein solcher Moor- bzw. ein solcher Torfkörper daher deutlich gewölbt. Die Wölbung kann etliche Meter betragen. Je nach Grad der Oberflächenkrümmung unterscheiden Moorfachleute Planregenmoore (Küstenregionen Nordwestdeutschlands und der Niederlande) von den meist stärker aufgewölbten Plateauregenmooren (Mittelgebirge, Alpenvorland und Alpen) und den sehr betont kuppelförmigen Schildregenmooren (beispielsweise im südöstlichen Ostseeraum). Letztere nennt man in Skandinavien nach einem finnischen Wort auch Kermimoore. Hochmoore müssen auch nicht unbedingt über einem ebenen Untergrund wachsen. Als Kammmoor kann ein Hochmoor auch kappenförmig eine Bergkuppe überkleiden oder sich in einen Sattel einschmiegen. Ferner gibt es im Bergland kleinere ombrogene Hochmoore, die sich mit stark asymmetrischem Profil an einen Hang anlehnen. In solchen Fällen gibt es nicht selten fließende Übergänge zu den topo- bzw. soligenen Niedermooren, weswegen man sie auch als Übergangsmoore bezeichnet.
«Durch den Schornstein»
Beobachtungstipp – Moorgewässer
Auf unregelmäßig wachsenden Hochmooren oder an Stellen, wo bei etwas geringerer sommerlicher Wasserführung dennoch eine gewisse Torfzersetzung eintreten kann, entwickeln sich kleine, vielfach nahezu kreisrunde Moorseen, die man je nach Region Kolke, Mooraugen oder Blänken nennt. Hier liegt sozusagen der regenbedingte Grundwasserspiegel eines Moorkörpers frei. An den oft steilen Uferrändern eines solchen Moorgewässers findet meist keine Schwingrasenbildung statt. Kolke bzw. Mooraugen wachsen mit dem sich entwickelnden Moor- bzw. Torfkörper allmählich in die Höhe. Ihr Wasserspiegel liegt zuletzt etliche Meter über dem Randsumpf (Lagg), der ein gewölbtes Hochmoor im Idealfall ringförmig umgibt. Solche Moorgewässer sind – wenn man sie denn tatsächlich gut und biotopschonend erreichen kann – außerordentlich ergiebige Kleinlebensräume für die Untersuchung mit Lupe oder Mikroskop.
«Sternenpracht im Moortümpel»
Moore sind dynamisch
Die nach ihrem vorherrschenden Wasserregime unterschiedenen Moortypen Nieder- und Hochmoor stellen gleichsam nur die Eckpunkte einer breiten Palette von Möglichkeiten dar, wie und wo sich Moore entwickeln können. Allein in Mitteleuropa ist die Anzahl der regional unterscheidbaren Moortypen deutlich größer. Um diese Vielfalt in den Griff zu bekommen, verwendet man in der Vegetationskunde neben der Wasser- bzw. Nährstoffversorgung und anderen Einflussgrößen meist auch Merkmale der Entstehungs- bzw. Entwicklungsgeschichte oder die – für Nichtfachleute – in ihrer Begriffsvielfalt ziemlich unübersichtliche Gliederung nach pflanzensoziologischen Kriterien. Für die Zwecke dieses Buches ist sie völlig entbehrlich. Ein allgemein anerkanntes und verbindliches Einteilungsschema, das möglichst viele oder gar alle bisher beschriebenen Moortypen widerspruchsfrei darstellt, gibt es bislang ohnehin nicht. Die in der Grafik (S. 20) wiedergegebenen Möglichkeiten stellen insofern nur eine vereinfachende Übersicht dar.
Aufbau eines Hochmoors (Schema)
Fragen
› | Wieso können Hochmoore im Hochgebirge nur unterhalb der aktuellen Waldgrenze existieren? |
› | Was ist das Besondere eines Kondenswassermoors? |
Landschaftsprägende Niedermoore
In der Naturlandschaft Mitteleuropas stellen die verschiedenen Formen der grundwasserernährten Niedermoore die ausgedehntesten Moorkomplexe dar. Einst prägten sie das Bild ganzer Großlandschaften, vor allem im Alpenvorland und im breiten nordwesteuropäischen Tieflandgürtel. Derartige Moorlandschaften sind zum Glück immer noch bzw. zumindest in einigermaßen ansehnlichen Resten zu erleben. Je nach Entstehung und Wasserweg lassen sich bei den Niedermooren im Wesentlichen drei Haupttypen unterscheiden:
› | Verlandungsmoore gehen aus meist flachen Seen oder Weihern hervor. |
› | Versumpfungsmoore entwickeln sich in oft abflusslosen Mulden oder Senken, in denen das Grundwasser über einem wassersperrenden Bodenhorizont oberflächennah ansteht. Ein Spezialfall dieses Niedermoortyps sind die Überflutungsmoore in den Flussauen. |
› | Hangmoore entwickeln sich im Bereich von Quellaustritten und werden daher oft auch als Quellmoore geführt. Man kennt bei diesen Mooren solche, die das Grundwasser lediglich durchströmt (= Durchströmungsmoore), und andere, die zumindest zeitweilig auch überrieselt werden (= Überrieselungsmoore). |
Verlandung eines nährstoffreichen (eutrophen) Sees
Wie Seen vergehen
Verlandungsmoore sind die Spätstadien von Stillgewässern. Durch jahrhundertelangen Eintrag von mineralischen Feinteilchen aus dem umliegenden Wassereinzugsgebiet, die sich am Gewässergrund absetzen, wird der Seeboden allmählich aufgehöht. Die Pflanzengürtel, die üblicherweise die Ufervegetation eines Sees zusammensetzen, darunter Schilf (Phragmites australis), Gelbe Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus), Rohrkolben (Typha latifolia) oder Schneide (Cladium mariscus), schieben sich mit der Zeit immer weiter zur Gewässermitte vor und verkleinern damit die offene Wasserfläche. Zusätzlich können sich jetzt vom Uferbereich her verschiedene Braunmoose, Seggen (Gattung Carex) oder Blasenbinsen (Gattung Blysmus) ansiedeln und mit der Zeit einen Schwingrasen bilden. Darunter versteht man einen kompakten Vegetationskörper, der 1–2 m dick (mächtig) ist und wie eine Luftmatratze auf einem mehrere Meter tiefen Wasserkörper treibt.
«Schnittige Schönheiten»
Wenn man ein solches Gebilde vorsichtig (!) betritt, reagiert es tatsächlich ebenso flexibel wie die Bespannung eines Trampolins. Schließlich kann der ursprüngliche Wasserkörper eines Stillgewässers gänzlich von abgestorbener pflanzlicher Biomasse eingenommen werden und somit vollends verlanden. Eine freie Wasserfläche existiert dann nicht mehr – der See ist sozusagen erblindet. Die meisten Seen in den großen eiszeitlich entstandenen Seenplatten (Alpenvorland, Norddeutschland) befinden sich in unterschiedlichen Verlandungsstadien.
Beobachtungstipp – Blumenparadies Streuwiese
Für Pflanzenfreunde sind die den Niedermooren im Aussehen recht ähnlichen Sumpf- oder Nasswiesen mit ihrem enormen und betont blumigen Artenreichtum eine besondere Freude. Ihren schönsten Aspekt zeigen sie im Frühsommer. Solange sie nicht gründlich entwässert sind, eignen sie sich nur bedingt für eine landwirtschaftliche Nutzung. In manchen Gegenden, darunter im Alpenvorland, hat man sie gewöhnlich nur zur Gewinnung von Stalleinstreu genutzt, weshalb man sie auch Streuwiesen nennt. Dazu wurden oder werden sie erst im Frühherbst gemäht (einschürige Mahd), nachdem die Frucht- bzw. Samenreife abgeschlossen war, was dem Lebensrhythmus der hier vorkommenden und meist sehr seltenen Arten entgegenkommt.
Verlandender See
Erlenbruchwald unter Wasser (im Frühjahr)
Bruch, Bruchwälder und Brücher
Im früheren Uferbereich verlandender Seen, wo der Grundwasserstand reliefbedingt immer noch sehr hoch ist, können sich nach der Verlandung eines Gewässers verschiedene Gehölze ansiedeln und fallweise ausgedehnte Bestände bilden. Eine der wichtigsten und am häufigsten dabei beteiligten Pionierarten ist die Schwarz-Erle (Alnus glutinosa). Sie baut in vielen Moorgebieten die nach ihr benannten Erlenbruchwälder auf. Solche Bruchwälder sind außerordentlich artenreiche, wertvolle und unbedingt schützenswerte Lebensräume. Sie finden sich gebietsweise auch im direkten Umfeld von Hochmooren.
In Nordwestdeutschland heißen die gehölzdominierten Bruchgebiete mehrheitlich das Bruch (beispielsweise das Naturschutzgebiet «Worringer Bruch» in einer ehemaligen Rheinschleife nördlich von Köln). Der in der Vegetationskunde üblicherweise verwendete korrekte Plural lautet (übrigens abweichend von den Empfehlungen in vielen Wörterbüchern) die Brücher.
Fragen
› | Welche Niedermoore gibt es neben den erwähnten Haupttypen noch? |
› | Was ist ein Schwappmoor? |
› | Was ist ein Bruchwald? |
› | Welches ist der bekannteste Bruchwald/Moorwald der Erde? |
Karsee im Schwarzwald
Eingetieft und abgeschlossen
In Norddeutschland, wo sich am Ende der letzten Kaltzeit in den Eiszerfallslandschaften die Gletscherzungen in einzelne Blöcke auflösten, konnte sich das Schmelzwasser über wasserstauendem Grund in Toteislöchern (= Söllen) sammeln und kleine Seen bilden. Ein solches Toteisrelikt ist beispielsweise der rund 1 km2 große Brahmsee in Schleswig-Holstein – mit nur knapp 9 m über Meeresniveau Deutschlands tiefstgelegener See. Seltener kommen in Norddeutschland auch andere kesselartige Vertiefungen vor: Sie gehen als Erdfälle auf spontane Einstürze im Untergrund zurück, wenn beispielsweise Lösungsvorgänge größere Hohlräume in den oberflächennah anstehenden Salzstöcken aus der Zechsteinzeit angelegt haben, die sich beim Zusammenbrechen bis an die Erdoberfläche durchpausten. Solche in Serie angeordneten Einbrüche sind beispielsweise die Gewässer im Naturschutzgebiet Heiliges Meer zwischen Rheine und Osnabrück. Der letzte größere Erdeinsturz ereignete sich hier im April 1913.
«Ein lebendes Moor besuchen»
Den Toteislöchern vergleichbar sind die durch die aushobelnde Wirkung von Gletscherzungen im Hochgebirge entstandenen, oft abflusslosen Kare, in denen sich in der Nacheiszeit die malerischen Karseen entwickeln konnten. Karsee-Serien sind bis heute besondere Glanzpunkte der alpinen Landschaft und gern aufgesuchte Wanderziele. Je nach umgebendem Relief und davon abhängigem Stoffeintrag konnten sich auch in diesen Stillgewässern vom Rand her Niedermoore bilden und somit – nicht selten über Schwingrasen-Stadien – die allmähliche Verlandung einleiten.
Ein ganz heißer Start
Ein weiterer Moorstandort in unseren Breiten bilden die vulkanisch entstandenen Maare der Eifel im nordwestlichen Rheinischen Schiefergebirge. Sie gehen auf äußerst heftige Wasserdampfexplosionen zurück und bildeten sich immer dann, wenn relativ kühles, versickerndes Oberflächenwasser direkt mit aufsteigendem Magma in Berührung kam. Manchmal genügte bereits der Kontakt mit den Grundwasservorräten, nachdem sich die Gesteinsschmelze durch Fugen und Klüfte des Grundgebirges den Weg nach oben gebahnt hatte. Sobald glühender Gesteinsbrei von weit über 1000 °C mit Oberflächenwasser in Berührung kommt, entsteht augenblicklich Wasserdampf, dessen gewaltiger Druck sich explosiv entlädt. Er zerreißt und zertrümmert das einsperrende Gestein und sprengt einen weiten Maarkessel aus – fallweise mit bis zu 1 km Durchmesser. Soweit die ausgesprengten Maarkessel abflusslos blieben, bildeten sich darin schon kurz nach ihrer Entstehung Stillgewässer. Nur wenige der über 50 heute bekannten Eifeler Maare führen aktuell einen Maarsee. Bei zwei dieser Seen – Holzmaar und Meerfelder Maar – läuft gegenwärtig erkennbar die Verlandung ab. In drei weiteren Maaren ist der Verlandungsprozess bereits abgeschlossen: Die lebende Pflanzendecke, die auch hier laufend den Nachschub für das Torflager unter ihren Füßen produziert, ist in diesem Fall also zum Maarmoor geworden.
Moore im Kessel
Solche in überschaubaren napf- oder schüsselförmigen Geländevertiefungen gewachsenen Moorbildungen nennt man auch Kesselmoore. Interessanterweise ist ihre Entwicklung mit der Verlandung ihres Ausgangsgewässers nicht unbedingt abgeschlossen: In niederschlagsreichen und relativ kühlen Klimaten kann ein anfangs rein topogenes Moor sozusagen über sich hinauswachsen und zum ombrogenen Hochmoor werden. Dieser Wechsel vollzieht sich schrittweise, weshalb man die an ihrem charakteristischen Pflanzenkleid erkennbaren Zwischenstadien auch als Übergangsmoor bezeichnet. Zwischen- oder Übergangsmoore mit Hochmooranteilen können übrigens auch kleinflächig bzw. inselartig in allen übrigen Niedermoortypen vorkommen.
Kesselmoor in der Eifel (Dürres Maar)
Fragen
› | Wodurch zeichnet sich der Naturpark Hohes Venn–Eifel aus? |
› | Was haben Toteisseen, Karseen und Maarseen gemeinsam? |
› | Wer hat den Begriff vom Maarmoor geprägt? |
Heidegebiete sind Waldersatzstandorte
Vom Moor zur Heide
In Mitteleuropa setzte die Moorentwicklung frühestens vor etwa 13 000 Jahren am Ende der (vorerst) letzten Kaltzeit (Würm-/Riss-Eiszeit) ein, nachdem die nordischen bzw. alpinen Gletscher genügend große Wasserkörper in der damaligen Tundrenlandschaft hinterlassen hatten und sich zudem ein Klimaregime entwickelte, das manchen Gebieten fast ganzjährig reichliche Niederschläge mit mindestens 700 mm pro Jahr bei relativ kühlen Sommern bescherte. Indessen liegt nicht bei allen mitteleuropäischen Mooren der Startpunkt am Ende der letzten Eiszeit. Fallweise setzte die Moorentwicklung erst deutlich später ein, beispielsweise in breiten Flussniederungen, in denen das Fließwasser zunächst einmal größere Flutmulden auskolken und randlich abriegelnde Wälle aus Hochflutlehmen anhäufen musste. In solchen Geländesituationen bilden sich üblicherweise die ökologisch ungemein reizvollen Überflutungsmoore.
Von Natur aus kommt das Wachstum eines Niedermoores zum Stillstand, wenn das betreffende Gewässer vollständig verlandet ist. Viel häufiger haben jedoch in der Vergangenheit menschliche Eingriffe dem Moorwachstum ein vorzeitiges und jähes Ende gesetzt – entweder durch Entwässerung und Trockenlegung mit Folgenutzung als Ackerland oder Weidegrünland (Moorkultur) oder schlimmstenfalls durch Abtorfung. Viele Moore liegen heute inmitten der intensiv genutzten Kulturlandschaft. Sie werden demnach auch indirekt arg in Mitleidenschaft gezogen, wenn das umgebende Acker- oder Grünland mit Drainagegräben rigoros entwässert wird. Insofern stehen Moore als besonderer Lebensraumtyp generell auf der Roten Liste.
«Das Moor im Garten begraben?»
Lebensraum aus zweiter Hand
Eine blühende Heide, eine horizontweit in Pink versunkene Fläche ohne Felder, Wälder und Dörfer, mag vielen Beobachtern als ein Landschaftselement erscheinen, das vom Menschen noch nicht gebraucht, verbraucht oder missbraucht wurde. Zugegebenermaßen weckt der Anblick eines Schäfers, der mit wachsamem Hütehund gemessenen Schrittes seiner Schnuckenherde folgt, den Eindruck einer perfekten Harmonie zwischen Mensch, Tier und Natur. Diese Vorstellung ist leider grundfalsch. Die Heide ist meist eine Landschaft, die so nicht natürlich entstehen konnte. Vielmehr ist sie das Ergebnis einer systematischen Vergewaltigung durch ungezügelten Raubbau am Wald und anschließender Übernutzung durch Weidetiere. Nicht nur mit PS-starken Maschinenparks und giftspeienden Industrieanlagen kann man die Umwelt ruinieren. In der Vergangenheit schaffte das auch die traditionelle Landwirtschaft mit ihren keineswegs auf Nachhaltigkeit angelegten Nutzungsverfahren.
«Schnuckelig: Vierbeinige Landschaftspfleger»
Aber: Die Natur reagiert oft gnädig, und so auch im vorliegenden Fall: Mit den Heidegebieten entstanden Offenland-Lebensräume mit einer höchst eigenartigen Artenausstattung, in der es heute von Rote-Listen-Arten nur so wimmelt. Insofern ist ein nährstoffarmes Heidestück immer noch deutlich sympathischer als eine völlig überdüngte Rotationsmähweide, auf der sich nun überhaupt keine Artenvielfalt mehr einstellen kann.
Wichtige Lebensrauminseln
Heiden sind zwar in manchen Gegenden durchaus landschaftsprägend, aber nur selten so großflächig entwickelt wie etwa in der Lüneburger Heide oder in der niederländischen Hoge Veluwe. Meist sind sie ähnlich den anderen Trockenbiotopen wie Felsfluren, Magerrasen oder Schafhutungen als kleinere Biotopinseln in den Flickenteppich der übrigen Kulturlandschaft eingefügt. Oftmals sind nicht einmal die vernetzenden bzw. verzahnenden Grenzen zum übrigen Offenland genau zu sehen, weil sich überall die Spuren der Überprägung der Landschaft durch den Menschen abzeichnen. Auf kalkigem Grund fällt der Artenreichtum von Heiden und übrigen Trockenbiotopen übrigens auffallend üppig aus. In den Sandgebieten mit ihren eher sauren Böden bleibt das Bild dagegen etwas verhaltener. Faszinierende Lebensräume sind sie aber in jedem Fall, denn hier kommen nur Lebensraumspezialisten vor, die – im Unterschied zu den Bewohnern der Moore – nicht primär auf eine geregelte Wasserversorgung vorbereitet sind. Solche Biotope wegen ihrer eingeschränkten land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit als Öd- oder gar als Unland zu bezeichnen, ist aus der Sicht von Arten- und Naturschutz geradezu ein Frevel.
Verheidete Düne
Fragen
› | Wo konnten sich Heidelandschaften ohne menschliche Einflüsse bilden? |
› | Welcher Bodentyp ist für Heiden typisch? |
› | Wo gibt es bei uns natürliche Heidegebiete? |
Antworten