Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 515 - Burt Frederick - Страница 7
2.
ОглавлениеDie Männer auf den Duchten der großen Jolle waren einfache Decksleute. Sie pullten mit kraftvollen Zügen, um zu zeigen, wie gut sie ihr Handwerk verstanden. Indessen hatten sie alle die leise Befürchtung, daß der Admiral ihre Bemühungen nicht einmal zur Kenntnis nahm.
Umgekehrt allerdings, wenn auch nur einer von ihnen Nachlässigkeit an den Tag gelegt hätte, wäre eine harte Bestrafung die sofortige Folge gewesen. In so einem Fall konnte es passieren, daß sämtliche Bootsgasten die Neunschwänzige zu spüren kriegten. Einfach, weil es zu schwierig war, den einen Schuldigen herauszufischen. Und weil die kollektive Bestrafung als ein praktikables disziplinarisches Mittel galt. Es führte dazu, daß gewissermaßen einer den anderen erzog.
Sir Francis Drake stand hoch aufgerichtet vor der Achterducht, flankiert von zwei First Lieutenants. Junge Offiziere, die an diesem Tag für den Dienst als Adjutanten eingeteilt worden waren. Drake blickte über die Männer hinweg, die sich aus Furcht vor ihm an den Riemen abmühten.
In den Altersfalten seines harten Gesichts spiegelten sich die Jahre, in denen es von rauher Seeluft und vom feuchten englischen Klima gegerbt worden war. Doch ihm war auch anzusehen, daß er nichts von seiner unbeugsamen Härte verloren hatte. „El Draque“, wie ihn die Spanier nicht ohne Respekt nannten, wollte es noch einmal wissen.
Mit dieser Fahrt, so wurde in der Mannschaft gemunkelt, wollte sich Drake ein Denkmal setzen. Und er wollte den alten Hawkins dabei ausstechen, mit dem er sowieso in ständigem Zank lebte. Für Offiziere und Besatzungen aller 27 Schiffe war dies eindeutig erkennbar.
Niemand konnte indessen verstehen, warum Hawkins und Drake ihre Zwistigkeiten in aller Öffentlichkeit austrugen. Warum, so fragte man sich, taten sie das nicht im stillen Kämmerlein? Offiziere pflegten sich an die Regel zu halten, Auseinandersetzungen niemals vor niederen Dienstgraden auszufechten.
Waren die beiden alten Wölfe schon so versponnen, daß sie sich daran weideten, in aller Öffentlichkeit mit Worten aufeinander loszudreschen?
Die Gedanken, die Sir Francis Drake hinter seinen starren Gesichtszügen bewegten, waren völlig anderer Art. Er hatte um das Gespräch mit Hawkins ersucht, und der alte Erzhalunke hatte wieder einmal lange gezögert, ehe er sich zu einer gnädigen Audienz bequemt hatte. Das sah ihm ähnlich. Erstens wollte er sich aufspielen und seinen Rang als Dienstälterer hervorkehren. Zweitens entsprach es seiner umständlichen Art, hin und her zu überlegen, ehe er zu einer Entscheidung gelangte.
Auf dem Achterdeck der „Elizabeth Bonaventure“ hatten sie bereits Aufstellung genommen. Hawkins lehnte an der Heckbalustrade, direkt unter der mächtigen Laterne. Zwei junge Lieutenants standen jedoch auf dem Sprung, um ihn zu stützen, sobald er das geringste Anzeichen von Schwäche zeigte.
Die „Elizabeth Bonaventure“ war ein stolzes Schiff, stark armiert und mit einem aufwendig verzierten Achterkastell. Zusammen mit der „Defiance“, die sich ebenfalls sehen lassen konnte, repräsentierte sie die Stärke Englands, der aufstrebenden Seemacht, die unter ihrer stolzen Königin Elizabeth I. zu immer größerer Schlagkraft ausgebaut wurde.
Ja, Elizabeth gehörte nach Drakes Meinung alle Zukunft. Er war froh, daß sie dieser Mission, die er gemeinschaftlich mit Hawkins durchführte, zugestimmt hatte. Sir Francis schätzte die Königin als eine Person von brillanter Intelligenz. Dagegen verblaßte der spanische Philipp geradezu als Einfaltspinsel.
Die Wesensart der beiden Majestäten versinnbildlichte für so manchen Engländer denn auch die Stellung ihres Inselreichs im Vergleich zu Spanien. Auf der einen Seite Elizabeth – klug, stolz, unbeirrbar und vorausschauend. Auf der anderen Seite Philipp II. – dumm, aufgeblasen, wankelmütig und kurzsichtig. Auf die Dauer – davon waren Drake und seine Gesinnungsgenossen felsenfest überzeugt – würde England den längeren Atem haben. England gehörte die Zukunft.
Der Anfang sollte mit dem Hawkins-Drake-Verband gesetzt werden.
Die Dons mußten endlich einmal mit Pauken und Trompeten darauf hingewiesen werden, daß die Neue Welt nicht ihnen allein gehörte.
Drake kehrte in die Wirklichkeit zurück, als die Jolle auf die hoch und wuchtig aufragende Bordwand des Flaggschiffs zuglitt. Die Bootsgasten stellten die Riemen senkrecht, und der Bootssteurer brachte die Jolle so in Position, daß der Admiral nur zwei Schritte zu tun brauchte, um die Jakobsleiter zu erreichen.
Oben wartete er bei der Pforte im Schanzkleid, bis die beiden First Lieutenants hinter ihm waren. Der Bootsmann der „Elizabeth Bonaventure“ hatte unterdessen sein Erscheinen zum Achterdeck gemeldet. Mit den Adjutanten setzte sich Drake in Bewegung.
Er genoß die Blicke, mit der die Gentlemen von der Schiffsführung ihm entgegensahen. Sie wußten nicht, was sie von ihm zu erwarten hatten. In gewisser Weise war das gut so, denn vor jemandem, der allzu berechenbar war, hatte man gemeinhin weniger Respekt.
Drake enterte über den Backbordniedergang auf. Die First Lieutenants folgten ihm und vergrößerten ihren Abstand auf drei Schritte. Die Offiziere des Flaggschiffs entboten dem Admiral einen gezirkelten Gruß. Drake erwiderte die Ehrbezeigungen und salutierte seinerseits vor Hawkins.
Der alte Admiral hob nur müde die rechte Hand. Seine Gesichtshaut lag bleich, faltig und dünn wie Pergament über den Wangenknochen. Glanzlos ruhten die Augen tief in ihren Höhlen. Sir John Hawkins sah wahrhaftig so aus, wie man sich den wandelnden Tod vorstellte.
„Sie wollen mich sprechen“, sagte Hawkins. Es war eine Feststellung, keine Frage. Seine Stimme klang wie brüchiges Segeltuch, das von wechselnden Winden geschlagen wird.
„Ja, Sir“, erwiderte Drake gleichmütig. Er stand kerzengerade, in seinem Gesicht regte sich kein Muskel. „Es handelt sich um die Dauer unseres Aufenthalts.“
Um Hawkins’ blasse Lippen spielte ein Lächeln.
„Es geht Ihnen mal wieder nicht schnell genug, Sir Francis, was?“
„Ich entnehme aus Ihren Worten einen gewissen Spott, den ich für nicht angebracht halte“, entgegnete Drake eisig.
„Nun, vermutlich können Sie so eine Behauptung auch begründen.“
„Allerdings, Sir John. Ich meine, San Juan sollte uns jetzt mehr am Herzen liegen als alles andere. Die Zeit drängt. Je schneller wir nach Puerto Rico segeln, desto sicherer ist uns der Erfolg.“
Das Lächeln schwand aus dem Totenkopf gesteht des alten Admirals.
„Wir werden nichts überstürzen“, sagte Hawkins mit einer plötzlichen Schärfe, die angesichts seiner mutmaßlichen Schwäche nicht zu erwarten gewesen war. Es zeigte sich damit jedoch, daß er keineswegs schon so gebrechlich war, wie er auf den ersten Blick aussah. „Der Ausbildungsstand der Soldaten ist miserabel. Während der Reise über den Atlantik hatten wir bekanntlich keine Gelegenheit, viel daran zu verbessern. Der Waffendrill allein bringt noch lange keinen guten Kämpfer hervor. Die Leute brauchen ein Minimum an Ausbildung. Darauf bestehe ich. Sie werden mich nicht umstimmen, Sir Francis.“
Drake zog zornig die Brauen zusammen. Furchen bildeten sich auf seiner Stirn. Der starrsinnige alte Bastard mußte mal wieder mit dem Kopf durch die Wand.
„In ein paar Tagen mehr oder weniger werden wir den Ausbildungsstand auch nicht wesentlich verbessern“, sagte er frostig. „Außerdem wird die Masse unserer Soldaten den Ausschlag geben. Wenn wir San Juan schleunigst angreifen, werden wir die Übermacht sein. Zögern wir aber immer und immer wieder, werden die Dons ihre Festung weiter ausbauen. Wir müßten dann mit bösen Überraschungen rechnen.“
„Sie widersprechen sich“, sagte Hawkins spöttisch. „Vor Beginn unserer Reise haben Sie die Spanier noch als arglos und tölpelhaft bezeichnet. Jetzt auf einmal sollten sie so raffiniert sein, sich auf eine Gefahr aus heiterem Himmel einzurichten?“
Drake wurde blaß vor Wut.
„Ich lasse mir nicht die Worte im Mund umdrehen!“ fauchte er. „Ich begegne Ihnen mit vernünftigen Überlegungen, und Sie versuchen, mich mit Lächerlichkeiten abzuspeisen. Ich sage es noch einmal: Wir verplempern unsere Zeit.“
Hawkins straffte seine Haltung so unvermittelt, daß seine Adjutanten besorgt in Habtachtstellung gingen. Zornesadern schwollen an den pergamenthäutigen Schläfen des greisen Admirals. Jedes einzelne seiner Worte klang wie eine Ohrfeige.
„Wenn Sie meine Argumente für Lächerlichkeiten halten, sehr Verehrter Sir Francis, dann dürfte unsere Unterredung überflüssig sein. Bitte, betrachten Sie dieses Gespräch daher als beendet. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir demnächst ankerauf gehen und uns einen neuen Ankerplatz für weitere Landeübungen suchen werden. In der Zwischenzeit hat die Ausrüstung der Soldaten verbessert zu werden. Ich erwarte von Ihnen, daß auch Sie sich darum kümmern.“
Sekundenlang starrte Drake den älteren Mann aus zusammengekniffenen Augen an.
„Eines Tages werden Sie begreifen, daß ich recht habe“, zischte Drake.
„Nun, auf diesen Tag bin ich aber gespannt“, entgegnete Hawkins herablassend. „Ich danke Ihnen für die Unterredung, Sir Francis, und erlaube Ihnen, sich abzumelden.“
Drake hob die Rechte zu einem hastigen Gruß und vollführte eine ruckartige Kehrtwendung.
Es war der Vormittag des 4. November, als Dan O’Flynn die Zwillinge auf dem Vulkanfelsen aufsuchte, um sich nach etwaigen Neuigkeiten zu erkundigen.
„Landeübungen und Trinkwasser-Bunkern sind eingestellt worden“, meldete Hasard junior.
„Vorbereitungen zum Auslaufen haben begonnen“, fügte Philip junior hinzu.
Dan stieß einen Pfiff aus. Es überraschte ihn, daß es eine Wende gab. Hatte das Streitgespräch zwischen Drake und Hawkins dazu beigetragen?
Auf jeden Fall schien das offenkundig gespannte Verhältnis zwischen den beiden Admiralen einiges an Zündstoff in sich zu bergen.
Dan nahm sein Spektiv und beobachtete das Geschehen auf den 27 Schiffen in der Bucht. In der Tat herrschte jene Art von geordneter Wuhling auf den Decks, wie man sie sich nur auf englischen Kriegsschiffen vorstellen konnte. Die Kommandos, heiser gebrüllt, waren bis hinauf zu dem Beobachtungsposten Dan O’Flynns und der Zwillinge zu hören.
Weder Admiral Hawkins noch Admiral Drake ließen sich an Deck sehen. Offenbar brüteten die beiden Gentlemen in ihren Kapitänskammern über wichtigen taktischen Fragen. Die Routinearbeit überließ man in einem solchen Fall den Offizieren.
Dan ließ das Spektiv wieder sinken. Der Verband würde in etwa einer Stunde die Bucht verlassen. Zeit genug, eine Entscheidung zu treffen. Und mit der „Empress of Sea“ war man gewissermaßen im Handumdrehen seeklar.
Daß der alte Hawkins sehr krank war, hatte man trotz der Entfernung fast mit bloßem Auge erkennen können. Warum er bei seinem Gesundheitszustand noch ein solches Unternehmen führte, war schleierhaft. Denn es war kaum anzunehmen, daß sich seine Krankheit erst während der Reise über den Atlantik eingestellt hatte.
Wie auch immer, Sir Francis Drake schien sich über Hawkins nicht viel Gedanken zu machen. Während der vergangenen fünf Tage hatte Drake nur ein einziges Mal sein Schiff, die „Defiance“, verlassen und den älteren Admiral besucht.
Doch da hatte es auf dem Achterdeck der „Elizabeth Bonaventure“ jenen Streit gegeben, den Dan O’Flynn und Ed Carberry zwar nicht gehört, aber doch immerhin beobachtet hatten. Das Ende dieses Gesprächs war jedenfalls alles andere als versöhnlich gewesen.
Es war also keine freundschaftliche Verbundenheit, die zwischen den beiden betagten Gentlemen herrschte. Drake war hoch in den Fünfzigern und Hawkins schon an die Siebzig. Leicht vorstellbar, daß die beiden regelrecht kindisch wurden, wenn sie sich angifteten. Ein gutes Vorzeichen für ein geplantes kriegerisches Unternehmen war das nicht.
Etwas anderes konnten die Gentlemen aber nicht im Sinn haben – mit schätzungsweise tausend Soldaten auf den Schiffen.
Dan verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, denn er erinnerte sich an sein Gespräch mit dem betrunkenen Handelskapitän in Puerto Cabello. Überall in der südlichen Karibik seien verstärkte Schiffsbewegungen zu beobachten, hatte der Capitán berichtet – was darauf schließen ließ, daß die Dons in Aufruhr waren. Wenn sie verstärkte Sicherungsmaßnahmen für die Küstenorte ergriffen, so mußten sie zumindest ahnen, daß etwas in der Luft lag. Denkbar war auch, daß der spanischen Admiralität Meldungen aus England vorlagen. Denn spanische Spione gab es in London genug.
Wenn es sich denn so verhielt, schienen jedoch Drake und Hawkins davon am allerwenigsten eine Ahnung zu haben.
Dan O’Flynn rang mit sich selbst. Sollte er die Gentlemen davor warnen, daß sie möglicherweise ins offene Messer rannten? Im Moment war eine solche Warnung ohnehin schwierig zu bewerkstelligen, da der gesamte Verband ankerauf ging. Dan entschloß sich daher, zunächst abzuwarten.
Er verließ den Beobachtungsposten gemeinsam mit den Zwillingen.
In ihrer Bucht blieb die „Empress of Sea“ unentdeckt. Nachdem die 27 Schiffe der Admirale auf Nordwestkurs gegangen waren, segelten sie unter Vollzeug weiter.
Dan ließ die Verfolgung aufnehmen, als seine Mannen den letzten Engländer kaum noch erkennen konnten. Die außergewöhnlich scharfen Augen Dan O’Flynns erwiesen sich wieder einmal als besonderer Vorteil. Während er sich mit der „Empress“ an den Verband hängte, hielt er die äußerste Grenze der Sichtweite ein. Selbst wenn die Landsleute ihn entdeckten, würde zunächst doch nichts weiter passieren, als daß man darüber herumrätselte, was es mit der kleinen Dreimastkaravelle auf sich hatte.