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„Hier könnte man sich verirren“, sagte Hasard junior und blickte in die Runde.

Man sah nichts als Menschen. Dazu gesellten sich Stimmengewirr vom Gemurmel bis zu anpreisendem Geschrei sowie tausend verschiedene Düfte, die vielgerühmten Wohlgerüche des Orients.

„Unmöglich“, entgegnete Philip und schüttelte den Kopf. Er kraulte Plymmies Nacken. Die Wolfshündin ging zwischen seinem Bruder und ihm. „Solange wir Plymmie dabeihaben, finden wir immer zurück.“

„Das weiß ich. Ich meinte auch nicht, daß wir uns verlaufen. Ich sagte, man könnte sich verlaufen.“

„Wo ist da der Unterschied?“ fragte Philip grinsend.

„Ich habe die Möglichkeitsform gewählt“, fauchte Hasard. „Und außerdem ist ‚man‘ ja wohl nicht auf eine bestimmte Person bezogen, oder?“

„Aber man kann es durchaus auf sich selbst beziehen“, widersprach Philip. „Denn du stellst eine Vermutung ja aus der eigenen Erfahrung heraus an, nicht wahr?“

„Schon, aber in diesem Fall bezog sich die Vermutung auf Personen, die dieses Chaos mit wesentlich schlechteren Voraussetzungen als wir betreten.“

„Dann mußt du deine Muttersprache auch so verwenden, daß du genau das sagst, was du ausdrücken willst.“

„Sieht so aus“, sagte Hasard junior zischend, „als ob ich meine angeborenen Körperkräfte gleich dazu verwenden werde, dir den Hals umzudrehen!“

Philip lachte.

„Weißt du, was sie in diesem feinen Land mit Brudermörder anstellen? Sie hacken ihnen …“

Philip unterbrach sich, denn jemand zupfte an seinem Ärmel. So sollte Hasard nicht mehr erfahren, welche Körperteile einem Brudermörder im südlichen Jemen kraft Gerichtsurteils abgehackt wurden. Wobei Hasard ohnehin nicht an die blutrünstigen Geschichten seines Bruders geglaubt hätte. Denn viel wahrscheinlicher war, daß sie jede Art von Mörder auch hier – wie fast überall auf der Welt – zum Tode verurteilten.

Jener, der Philip am Ärmel zupfte und nicht damit aufhören wollte, war einer von ein paar hundert Händlern im unüberschaubaren Gassengewirr.

Philip drehte sich um, und Hasard folgte seinem Beispiel. Dieser Händler war ein schmalgesichtiger Kerl mit krummem Rücken vom vielen Dienern. Unter einem kleinen Baldachin hatte er ein funkelndes Gewirr von Dolchen, Messern, Krummsäbeln und Schwertern ausgelegt.

Die Jungen erkannten auf den ersten Blick, daß es sich um billigen Plunder handelte. Nachgebildete Prunkwaffen für solche Leute, die sich keine echten Prunkwaffen leisten konnten.

Das schmale Faltengesicht des Arabers strahlte in gut einstudierter Freundlichkeit. Die Falten seines nicht mehr ganz weißen Kaftans bewegten sich bei jedem anbiedernden Verneigen.

Dann allerdings verschlug es den Jungen die Sprache.

„Wartet einen Moment, ihr blaßhäutigen Bastarde! Wartet einen Moment, damit ich euch das Fell über die Ohren und die Goldstücke aus der Tasche ziehen kann: Ihr seht so aus, als ob ihr Goldstücke habt, und bestimmt seid ihr dumm genug, für meinen wertlosen Kram einen phantastischen Preis zu zahlen. Bleibt einen Augenblick, ihr ungläubigen Hurensöhne! Laßt euch von einem erfahrenen Kaufmann hereinlegen.“

Philip und Hasard verdauten ihre Überraschung schnell.

„Sieh nur!“ rief Philip und deutete in scheinbarer Begeisterung auf den Blankwaffen-Tand. „Was für herrliche Handwerksarbeit!“

„Ja, wirklich“, erwiderte Hasard andächtig – auf englisch, wie sein Bruder. „Die Waffenschmiede dieses Landes sind für ihre Künste berühmt.“

Eilfertig nahm der Araber einen Krummdolch in die Hand, hob ihn hoch und tat, als preise er ihn mit blumigen Worten an.

„Seht ihr, ihr habt schon angebissen, ihr Einfaltspinsel!“ rief er und folgte mit dem Zeigefinger den imitierten Ziselierungen auf der Scheide des Dolches. „Jetzt werde ich aus euch herausholen, was herauszuholen ist.“

Hasard nahm den Krummdolch in die Hand, und der Araber beobachtete ihn mit großen, leuchtenden Augen.

„Nur zu, mein Junge, nur zu! Sei so blöd, dafür einen schönen Piaster zu berappen!“

Hasard wechselte einen Blick mit seinem Bruder. Beide betasteten die Scheide und dann die billige Klinge des Dolches.

„Prüfe das Ding“, sagte Philip gleichmütig.

Hasard ließ den Dolch auf das Steinpflaster fallen. Die Klinge schepperte und gelangte zur Ruhe.

Kurz und kraftvoll trat Hasard mit dem Stiefelabsatz darauf.

Zwischen zwei Kopfsteinen zerbrach die Klinge in zwei Teile, und auch das Griffstück brach ab.

Der Araber sperrte den Mund auf und holte tief Luft.

Philip wandte sich ihm grinsend zu. Hasard setzte das gleiche wölfische Grinsen auf, und Plymmie knurrte leise und warnend.

„Bevor du dich weiter aufbläst“, erklärte Philip in der Sprache des Arabers, „laß dir gesagt sein, daß wir unsere einfaltspinselige Methode haben, eine Ware auf ihre Qualität zu prüfen. Und du darfst Allah danken, du schlitzohriger Sohn einer räudigen Hündin, wenn wir dich nicht spüren lassen, wie gut richtiger Blankwaffenstahl ist.“

Demonstrativ legten beide die Rechte auf den Griff ihrer Entermesser. Die Wolfshündin fletschte die Zähne und verstärkte ihr Knurren. Sie sah jetzt furchterregend aus.

Der Araber erschauerte vor Entsetzen.

„Siehst du“, sagte Hasard grinsend, „wir sind zwar ein paar Jahre jünger als du, aber doch um Erfahrungen reicher. Setze niemals etwas voraus, von dem du dich nicht vorher vergewissert hast.“

Der Araber rang die Hände und verneigte sich so tief, als wollte er das Steinpflaster küssen.

„Seid gnädig mit mir, junge Herren!“ jammerte er. „Ich habe doch nicht wissen können, daß ihr unsere Sprache sprecht. Wie, in aller Welt, sollte ich das ahnen?“

Die Zwillinge hatten sich schon abgewandt.

„Niedertracht auch nur in Gedanken zu äußern, ist schon ein schlechter Charakterzug“, sagte Philip, indem er sich noch einmal umdrehte. „Allah wird wissen, wie er einen Lumpenhund wie dich bestraft.“

„Wir machen uns an einem Gauner wie dir jedenfalls nicht die Finger schmutzig“, fügte Hasard hinzu.

Gleich darauf waren die beiden im Gewühl verschwunden.

Sie sahen nicht mehr, wie der mausgraue kleine Mann auf den Talmi-Händler zutrat und ihn in ein Gespräch verwickelte.

Die Jungen merkten sich jene Gassen, in denen es vor allem Frischfleisch und erntefrisches Gemüse und Obst zu kaufen gab. Mit diesem Auftrag hatte ihr Vater, der Seewolf, sie losgeschickt. Die „Santa Barbara“ lag im Hafen von Sûr an einer Pier, und der Kutscher und Mac Pellew warteten darauf, ihre Kombüsenvorräte ergänzen zu können.

„Zeit, umzukehren“, sagte Philip, als sie das Ende einer der letzten Basar-Gassen erreichten. „Mac Pellew, der alte Griesgram, wird sonst wieder behaupten, daß auf uns kein Verlaß sei.

„Und daß man alles selber erledigen müsse, wenn es klappen soll“, fügte Hasard junior hinzu.

Lachend entschieden sie sich für den Rückweg durch die weniger belebten Gassen von Sûr, Mac Pellew und der Kutscher, die beiden Kombüsenstinte, wie Ed Carberry sie gelegentlich zu nennen pflegte, waren bestimmt schon ungeduldig. Sie legten immer besonderen Wert darauf, Abwechslung in den Küchenzettel zu bringen.

Die Männer an Bord der „Santa Barbara“ wußten das durchaus zu schätzen, was sie allerdings nicht daran hinderte, Mac und den Kutscher von Zeit zu Zeit gewaltig auf den Arm zu nehmen, indem sie nach allen Regeln der Kunst am Espen herummäkelten.

Solche vorgetäuschte Kritik nahmen die beiden Kombüsenmänner stets ernst, und jeder verstand es letztlich als ein deutliches Zeichen dafür, wie verdammt genau Mac und der Kutscher ihrer Aufgabe nachgingen.

Nur widerstrebend hatten sie den Zwillingen den Erkundungsgang überlassen. Aber sie hatten keine andere Wahl gehabt. Die Vorbereitungen für das Backen und Banken wollten sie schließlich noch viel weniger an Philip und Hasard abtreten. Also hatten die Jungen versprochen, rechtzeitig zur Mittagsmahlzeit wieder dazusein, damit man anschließend die Frischversorgung aus der Stadt herbeischaffen konnte.

In Gedanken schon auf der „Santa Barbara“, betraten die Söhne des Seewolfs eine enge Gasse, die von hohen weißen Mauern gesäumt wurde. Auf der Sohle der Gasse herrschte Halbdunkel, der obere Teil der Mauer zur Rechten leuchtete jedoch im gleißenden Sonnenlicht.

Es geschah, als sie ein Tor passierten, das weiß gestrichen war und sich deshalb kaum von dem angrenzenden Mauerwerk abhob.

Selbst für Plymmie geschah es zu überraschend. Sie hatte keine Vorwarnung abgeben können.

Die Kerle schnellten aus dem Schatten eines Innenhofes hervor.

Eine Übermacht.

Innerhalb von Sekundenbruchteilen sahen sich die Zwillinge von wallenden weißen Gewändern umringt. Knochige Fäuste zuckten vor, und in gebräunten Gesichtern funkelten triumphierend dunkle Augen.

Philip und Hasard wehrten sich vergeblich gegen die überlegene Kraft von mehr als zehn Kerlen. Sie konnten nicht verhindern, in den Innenhof gezerrt zu werden.

Aber Plymmies heiseres Knurren war in ihrer Nähe. Diese Hoffnung gab es noch. Und Genugtuung erfüllte die beiden Jungen, als sie einen Schrei hörten. Ganz nahe.

Einer der Kerle wankte zurück. Sein Schrei steigerte sich zum Schmerzensgebrüll.

Die Wolfshündin hing an seinem rechten Arm, der bereits stark blutete. Verzweifelt versuchte der Mann, sich von ihr zu befreien. Doch je mehr er zerrte und ruckte, um die Hündin abzuschütteln, desto tiefer gruben sich ihre scharfen Reißzähne in die Wunde.

Der Mann verschlimmerte seine Schmerzen selbst, ohne es zu begreifen.

Für einen Moment wurden die anderen von der Attacke der Wolfshündin aus der Fassung gebracht.

Philip spürte, wie sich die insgesamt sechs Fäuste, die ihn hielten, ein wenig lockerten. Die Aufmerksamkeit der Kerle war abgelenkt. Denn noch immer brüllte ihr Kumpan, und jetzt war er kurz davor, von der Wolfshündin zu Fall gebracht zu werden.

Philip sammelte seine Kräfte, spannte seine Muskeln und steigerte seinen eisernen Willen wie zu einer Explosion.

Er riß sich los.

Die Kerle fluchten lästerlich und versuchten, ihn sofort wieder zu packen. Doch er war zu schnell für sie. Er sprang in die Mitte des von weißen Mauern umgebenen Hofes, an Plymmie und dem Brüllenden vorbei. Aus den Augenwinkeln sah er seinen Bruder, der weniger Glück hatte als er.

Hasard wurde von vier Kerlen gehalten, und sie wichen grinsend mit ihm zurück in einen Mauerwinkel.

Alle anderen stürmten hinter Philip her.

Der Sohn des Seewolfs lief auf einen Brunnen zu. Er hatte noch kein Fluchtziel vor Augen und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte.

Unter einem Torbogen sah er einen mausgrauen kleinen Mann, der gelassen dastand und das Geschehen beobachtete, als handele es sich um eine Vorführung, die für ihn persönlich inszeniert wurde.

Im Laufen wandte Philip sich um. Die Verfolger waren nur zwei oder drei Schritte hinter ihm. Wut hatte ihre Gesichter verzerrt. Wilde Entschlossenheit, ihren Fehler auszubügeln, beflügelte sie.

Plymmie schaffte es. Der Mann, den sie gepackt hielt, stürzte. Seine Schmerzen mußten sich dadurch ins Unerträgliche steigern, denn sein Gebrüll verstärkte sich zu schrillen Lauten, die fast nichts Menschliches mehr an sich hatten.

Der Wolfsinstinkt in Plymmie brach durch. Sie schickte sich an, dem Mann an die Kehle zu gehen.

Einer der Verfolger kreiselte herum. Er hielt einen Knüppel in der Rechten. Philip erkannte ihn sofort. Es war der Talmi-Händler. Und was er mit dem Knüppel vorhatte, brauchte man nicht erst zu raten.

„Plymmie!“ schrien die Söhne des Seewolfs nahezu gleichzeitig.

Die Wolfshündin schnellte von ihrem Opfer weg – gerade noch rechtzeitig.

Der sausende Knüppelhieb traf nicht sie.

Jäh endete das Schmerzensgebrüll des am Boden liegenden Mannes. Der Knüppel hatte seinen Schädel getroffen.

Der Händler fluchte lauthals und schleuderte den Knüppel hinter der davonhetzenden Hündin her. Doch wieder traf er nicht.

Philip erreichte den Brunnen.

Einer der Kerle, die Hasard hielten, hetzte los, um die graue Hündin zu verfolgen. Doch er verlangsamte seine Schritte im nächsten Moment, denn Plymmie war schon um die Ecke und in der nächsten Gasse verschwunden.

Hasard versuchte unterdessen vergeblich, dem Beispiel seines Bruders zu folgen. Seine Gegner waren auf der Hut. Noch einen Fehler wollten sie vermeiden. Hasard wand sich in ihrem harten Griff und erreichte doch nur, daß sich ihre Finger noch tiefer in seine Armmuskeln gruben.

Philip duckte sich hinter den Brunnenrand und suchte spähend nach der passenden Richtung, um den Kerlen ein Schnippchen zu schlagen und zu entwischen.

Sie verlangsamten ihren Ansturm und grinsten plötzlich.

Bevor Philip richtig staunen konnte, zuckte er zusammen.

Mit dumpfem Laut schlug etwas in die Lehmwandung des Brunnens. Haarscharf neben seinem Gesicht. Seine Augen weiteten sich ungewollt, und er wich zurück.

Ein schlankes Wurfmesser war es, das da mit federndem Nachschwingen im gebrannten Lehm steckte.

Philip erstarrte und wagte nicht mehr, sich zu rühren.

„Dreh dich um, Britenbastard!“ sagte eine Stimme in rollendem Englisch.

Der Sohn des Seewolfs gehorchte, denn er spürte, daß es eine tödliche Gefahr war, die ihm unverhofft drohte. Der Messerwerfer würde nicht zögern, sein mörderisches Geschick darauf zu verwenden, ihn blitzschnell zu töten. Davon war Philip überzeugt.

Er gehorchte.

Unter dem Torbogen war der mausgraue kleine Mann einen Schritt vorgetreten. In der Rechten hielt er ein zweites Messer.

Jäh schleuderte er es. Im Sonnenlicht, das den Innenhof erreichte, war der Klingenstahl ein flirrendes Sausen. Nur um Fingerbreite vor Philips Füßen bohrte sich der Stahl in den festgestampften Lehmboden.

Philip erschauerte. Ihm wurde klar, welche ungeheure Wucht hinter beiden Wurfmessern gesteckt hatte. Dieser kleine Mann dort drüben war nicht so unscheinbar, wie er aussah.

Jetzt verließ er den Torbogen und trat näher.

Fäuste packten Philip von hinten. Er sah ein, daß er keine Chance mehr hatte, daß es unsinnig gewesen wäre, sich jetzt noch zu widersetzen.

„Du siehst“, sagte der Mausgraue mit dünnem Lächeln, „die Klingen meiner Messer bestehen aus erstklassigem Stahl. Ich würde es an deiner Stelle nicht auf die entscheidende Probe ankommen lassen.“

Die anderen brachten Hasard herbei.

Der Talmi-Händler trat auf den mausgrau gekleideten kleinen Mann zu.

„Ahmed ist tot, verdammt noch mal!“

Der Mausgraue nickte ungerührt. „Du hast ihn umgebracht. Warum beklagst du dich über deinen eigenen Fehler?“

„Mein Fehler?“ Der Händler heulte es, und er riß Mund und Augen weit auf. „Du willst mir die Schuld in die Schuhe schieben? Für etwas, das ich nicht ahnen konnte?“

Der andere lächelte herablassend, obwohl er deutlich kleiner war und zu dem Araber aufblicken mußte.

„Bei allem, was man tut, sollte man vorausschauend handeln, mein lieber Abdul. Selbst wenn der Köter nicht weggelaufen wäre, hättest du Ahmed mit deinem Knüppel ganz schön verletzen können. Im übrigen glaube ich dir nicht, daß er dir so viel bedeutet hat, wie du jetzt auf einmal vorgibst.“ Er warf einen kurzen Blick zu den beiden Gefangenen. „Fesseln und knebeln!“ befahl er mit einer geringschätzenden Handbewegung.

„Was bildest du dir ein, Radjif?“ schrie Abdul, der Händler, und trat einen schnellen Schritt auf den Mausgrauen zu. Anklagend wedelte er mit den Armen auf und ab – im Takt seiner Worte. „Ich habe dich von vornherein vor dieser Hundebestie gewarnt. Aber du meintest ja, mit zwölf Männern wäre man auf jeden Fall in der Übermacht. Jetzt siehst du ein, daß du einen Fehler begangen hast, und schon tust du so, als ob ich an allem schuld wäre. Das lasse ich mir nicht bieten! Du hast nicht das Recht, dich so aufzuspielen.“

Philip und Hasard beobachteten den kleinen Mann, der weniger wie ein Araber, sondern mehr wie ein Inder aussah. Dem Klang seines Namens nach schien er das letztere zu sein, wahrscheinlich aber ein Mischling. Während die Kerle den Jungen die Handgelenke mit Stricken auf den Rücken banden, zog Radjif verächtlich die Mundwinkel nach unten.

„Lamentiere nicht wie ein Waschweib, Abdul. Ich persönlich habe mein Ziel erreicht. Ich habe die Ware, die ich haben wollte. Du und deine Männer, ihr habt euren Lohn erhalten. Im voraus! Was willst du also mehr, verdammt noch mal?“

Das Gesicht des Händlers veränderte sich zu einer listigen Grimasse.

„Du sprichst es selber aus, Radjif. Natürlich will ich mehr. Der Tote verursacht mir zusätzliche Kosten. Ich muß ihn unauffällig verschwinden lassen, und zwar so, daß er nie wieder aufgefunden wird. Um das zu erreichen, muß ich wahrscheinlich einige Leute bestechen und …“

Radjif unterbrach ihn mit einer herrischen Geste.

„Erzähl mir nichts, Abdul. Ich bin selber Handelsmann. Glaubst du, du kannst mich für dumm verkaufen? Du wirst Ahmeds Anteil in die eigene Tasche stecken. Und es wird dich keinen blassen Silberling kosten, die Leiche zu beseitigen, weil ihr es nämlich selbst erledigen werdet. Aber ich will nicht kleinlich sein.“ Er griff unter seine Jacke, und das leise Klimpern von Münzen war zu hören. Um das, was er zum Vorschein brachte, hielt er die Hand geschlossen.

Es mußten zwei oder drei Münzen sein, die Abdul entgegennahm, denn es klirrte kaum hörbar, als er sich diskret abwandte, um die Zusatzeinnahme zu betrachten. Zufrieden nickend ließ er sie unter seinem weiten Gewand verschwinden.

„Vielen Dank, Radjif“, sagte er mit einer tiefen Verbeugung. „Auch in Zukunft stets zu deinen Diensten.“

Den Zwillingen waren mittlerweile Knebel angelegt worden. Abdul stellte vier Männer dafür ab, die Gefangenen unter Radjifs Führung an ihren Bestimmungsort zu bringen.

Von den Eigentümern der Gebäude rings um den Innenhof ließ sich niemand blicken. Radjif schien ein Abkommen mit ihnen zu haben. Seinem Auftreten nach war er ein Mann, der in dieser Stadt viele gute Beziehungen hatte.

Die Entführer eilten mit ihren Gefangenen durch ein Gewirr enger und engster Gassen. Sobald sie auch nur von weitem erblickt wurden, zog man sich schleunigst in die Häuser zurück. Verschleierte Frauen und runzelhäutige alte Männer gaben den Weg frei. Sogar Kinder“, bei denen man Arglosigkeit vermutet hätte, flüchteten in den Schutz der vertrauten vier Wände.

Dieser Radjif, so stellten Philip und Hasard fest, mußte ein Erzhalunke mit Einfluß sein.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 540

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