Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 439 - Burt Frederick - Страница 6
1.
ОглавлениеLuis Carrero hatte aufgehört, die Tage zu zählen. In der Finsternis der Vorpiek war ihm ohnehin jegliches Zeitgefühl verlorengegangen. Den fauligen Modergeruch nahm er kaum noch wahr. Sein Lebensrhythmus wurde bestimmt von den täglichen Mahlzeiten, und er fühlte sich wie ein Schwein, das dann gefüttert wurde, wenn es seinem Herrn paßte.
Zugegeben, das Essen war nicht schlecht. Aber das war auch alles, für das er die Britenbastarde an Bord der „Estrella de Málaga“ loben konnte. Ansonsten wünschte er ihnen die Pest an den Hals. Wenn er sich zu einer gewissen Zusammenarbeit bereit erklärt hatte, dann nur deshalb, weil es seinem Gesundheitszustand zuträglicher war.
Eines nicht so fernen Tages, das schwor er sich, würde er ihnen alle Erniedrigungen heimzahlen. Doppelt und dreifach. Sie würden sich wünschen, nicht geboren zu sein, diese Hurensöhne aus England, die sich großkotzig Korsaren ihrer Königin nannten.
Aber es gab möglicherweise einen Weg, den verdammten Killigrew schon jetzt zu demütigen und ihm zu zeigen, daß auch er verwundbar war.
Araua!
Killigrew selbst hatte die Wilde als seine Tochter bezeichnet. Und er war vor Wut geplatzt, als Carrero sie eine farbige Hure genannt hatte. Also mußte ihm mächtig viel an dem gutgewachsenen Ding gelegen sein. Seit vielen Mahlzeiten schon kreisten Carreros düstere Gedanken um diesen einen Punkt.
Aber wie, in aller Welt, sollte er das braunhäutige kleine Biest in seine Finger kriegen? Bei einem offiziell genehmigten Spaziergang an Deck konnte er so etwas niemals riskieren. Mit Schaudern dachte er an das riesenhafte Monstrum von einem Profos. Die Hiebe, die ihm dieser verfluchte Bastard ausgerechnet mit seiner eigenen Peitsche verabreicht hat, spürte Carrero noch jetzt.
Nein, an Deck durfte er nichts wagen. Da mußte er sich zahm und einsichtig zeigen, mußte den Schuldbewußten spielen und ganz so tun, als ob er sich endgültig auf die Seite des derzeit Stärkeren geschlagen habe.
Doch es würde andere Zeiten geben. Es ging nicht an, daß Bastarde wie dieser Killigrew und seine Horde für immer und ewig die Oberhand behielten. Eines Tages fanden auch diese Mistkerle ihren Meister, das war gewiß.
Carrero hoffte nur, daß er rechtzeitig von Bord der Karavelle verschwinden oder sich zu erkennen geben konnte, wenn ein Verband von spanischen Kriegsschiffen auftauchte und die „Estrella de Málaga“, in tausend Einzelteile zerlegt, auf den Meeresgrund beförderte.
Aber das war Zukunftsmusik. Leider. Carrero wandte sich wieder den gegenwärtigen Dingen zu. Er mußte die Sache anders anpacken. Wie hatte er in kniffligen dienstlichen Angelegenheiten stets seinen Weg gefunden und das durchgesetzt, was für ihn am vorteilhaftesten gewesen war? Durch ein bewährtes Mittel – das einzige, das immer wieder zuverlässig funktionierte.
Bestechung.
In seiner augenblicklichen Lage war das allerdings leichter gedacht als getan. Schließlich hatte er keinen einzigen lausigen Escudo bei sich. Trotzdem mußte es möglich sein. Er war nicht irgendwer. Natürlich! Das war die Lösung. Jeder in der Mannschaft der Britenbastarde wußte, daß er der Oberaufseher in den Minen von Potosi war.
Sie wußten also, daß er Einfluß und Macht hatte und jederzeit jeden Wunsch erfüllen konnte. Wenn er sich erst einmal wieder in Amt und Würden befand, war es für ihn ein Kinderspiel, sich erkenntlich zu zeigen. Das mußte jeder an Bord begreifen.
Aber nicht jeder war dafür geeignet.
Kerle wie der Profos und seinesgleichen würden beim ersten leisesten Wort, das nach Bestechung klang, sofort anfangen, loszuprügeln. In der Beziehung waren sie sich alle verdammt ähnlich. Aber gab es denn nicht irgendeinen, der unzufrieden war und dem es nicht mehr paßte in der Mannschaft? Einer, dem man mit Versprechungen eine goldene Zukunftsaussicht vorgaukeln konnte?
Das Naheliegende fiel ihm erst nach langem Nachdenken ein. Carrero fluchte innerlich auf sich selbst, daß er so lange gebraucht hatte, um zu der Erkenntnis zu gelangen. Dafür stand sein Entschluß nun aber fest. Natürlich. Dieser griesgrämige Kerl, der ihm immer den Fraß brachte!
Mac Pellew.
Carrero kannte inzwischen fast alle Namen der Killigrew-Mannschaft. Und der Kombüsenmann Pellew sah tatsächlich so aus, als ob ihm ständig eine Laus über die Leber gekrochen sei. Der war ganz einfach mit nichts und niemandem zufrieden. Und das mußte seine Ursache haben. Wie auch immer, er war ein geeignetes Objekt für einen Bestechungsversuch.
Carrero zuckte ungewollt zusammen, als sich Schritte näherten, dumpf und dröhnend. Wenn man an den Teufel dachte, dann war er nicht weit. Die Schritte stammten von Pellew, eindeutig. Carrero konnte die meisten der Kerle inzwischen am Klang ihrer Schritte erkennen. Der Kombüsenknecht hatte einen Begleiter bei sich, natürlich. Sie trauten ihm also nicht und wollten sichergehen, daß der Gefangene nicht entwischte.
Über so einen Mangel an Vertrauen muß Pellew auch ganz schön erbittert sein, sagte sich Carrero. Darauf, daß es sich ganz einfach um eine strikte Sicherheitsmaßnahme des Seewolfs handelte, kam er nicht.
Das Schott wurde geöffnet, und blakendes Lampenlicht kroch in die Düsternis der Vorpiek. Obwohl es nur ein schwacher Lichtschein war, schloß Carrero geblendet die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er Pellew, der die mit einem Tragegriff ausgestattete Essenskiste vor ihn hinstellte. Der Aufpasser war nicht zu sehen. Er wartete offenbar ein Stückchen vom Schott entfernt und mußte gelangweilt sein, weil sich der Gefangene nun ja endgültig zur „guten Führung“ durchgerungen hatte.
„Vielen Dank, Señor Pellew“, sagte Carrero und nahm den Napf, der einen deftigen Eintopf aus Bohnen, Speck und Dörrfleisch enthielt. Ein Segen war es, daß fast jeder an Bord Spanisch sprach, denn er war des Englischen nicht mächtig.
Mac Pellew nickte, brummte mürrisch und setzte sich in zwei Schritten Abstand auf eine Kiste. Die Öllampe stand im offenen Schott. Vorschrift war es, daß derjenige, der das Essen brachte, den Gefangenen während der Mahlzeit beaufsichtigte. Hasard legte Wert auf solche Vorsichtsmaßnahmen. Es sollte schon Leute gegeben haben, die sich das Essen in den falschen Hals stopften und einen Erstickungsanfall vortäuschten, um sich eine Befreiungschance zu verschaffen.
„Darf ich Sie etwas fragen, Señor Pellew?“ sagte Carrero, während er gemächlich löffelte. Er senkte seine Stimme und gab ihr einen vertraulichen Klang. Vor allem aber sollte der Kerl draußen vor dem Schott nichts mitkriegen. „Mir liegt da eine bestimmte Sache auf der Seele.“
Der Kombüsenmann blies die Luft durch die Nase.
„Na und? Was geht mich das an?“
„Ich brauche jemanden, mit dem ich darüber reden kann.“
„Wüßte nicht, daß ich ein guter Zuhörer bin.“
„Señor Pellew“, flüsterte Carrero eindringlich, „ich habe viel Zeit gehabt zum Nachdenken. Wissen Sie, ein Mann sollte sich nicht scheuen, zuzugeben, daß er dazugelernt hat. In meinem Fall ist das so. Ich habe mich widerwärtig benommen, insbesondere dem jungen Mädchen gegenüber. Ich weiß, es war unrecht, ausgerechnet vor ihrem Vater auf so niederträchtige Weise von ihr zu reden. Diese Last muß ich mir von der Seele schaffen. Ich muß einfach kundtun, wie leid es mir tut. Verstehen Sie?“
„Fällt mir nicht schwer“, erwiderte Mac Pellew brummend. „Aber was geht mich das an? Wenn Sie sich darüber ausfaseln wollen, dann melden Sie sich bei Sir Hasard. Er wird Ihnen bestimmt aufmerksam zuhören.“
„Das bezweifle ich nicht. Aber ich möchte, daß meine Entschuldigung direkt an die richtige Adresse gelangt. Ich finde nicht eher Ruhe, bis ich weiß, daß das Mädchen selbst über meine Reue unterrichtet ist. Mit anderen Worten, ich möchte Araua persönlich um Verzeihung bitten.“
„Auch das wird der Seewolf ermöglichen.“
Carrero beugte sich noch weiter vor.
„Señor Pellew, verstehen Sie denn nicht? Es ist mir peinlich, wenn andere davon etwas mitbekommen. Ich will mit dem Mädchen allein sprechen. Sie wissen, daß meine Gefangenschaft nicht ewig währen wird. Wenn ich mich wieder in meiner Position befinde, werde ich mich erkenntlich zeigen. Äußern Sie einen Wunsch, Señor Pellew, und ich schwöre Ihnen, daß ich ihn erfüllen werde. Natürlich muß es sich um einen Wunsch handeln, der im Bereich des mir Möglichen liegt.“ Carreros Blick nahm etwas Lauerndes an.
Mac Pellew hatte von Anfang an begriffen, auf was der blonde Schönling hinauswollte. Es brachte nichts, einen Burschen wie Carrero einfach abblitzen zu lassen. Der würde es bei der nächsten Gelegenheit mit einem anderen versuchen. Nein, sagte sich Mac, der Hundesohn braucht einen richtigen Denkzettel.
Deshalb tat er interessiert.
„Ist das wirklich wahr?“ sagte er leise, mit einem scheelen Seitenblick zum offenen Schott. Er senkte seine Stimme ebenfalls zum Flüstern. „Ich wünsche mir schon lange, die verfluchte Seefahrerei an den Nagel hängen zu können. Nur fehlt mir das Geld dazu. Eine kleine Schenke, eine Herberge oder so etwas, das wäre mein Wunschtraum.“
„Der sich jederzeit erfüllen ließe“, sagte Carrero rasch, „in Potosi oder anderswo. Sie brauchen mir nur den Gefallen zu tun, Señor Pellew. Eine Hand wäscht die andere. Schlagen Sie ein! Ein Ehrenmann wie ich ist an sein Wort gebunden.“ Er nahm den Löffel in die Linke und hielt seinem Gegenüber die Rechte hin. Die Kette, mit der Carreros Handgelenke verbunden waren, klirrte leise.
Mac Pellew tat erfreut.
„Und wie haben Sie sich das Ganze vorgestellt?“
„Ganz einfach“, sagte Carrero gedämpft, „bringen Sie die kleine Araua zu mir. Sagen Sie ihr, daß ich mich entschuldigen möchte. Am besten zu einem Zeitpunkt, an dem es kein anderer merkt. Ich weiß, Sie werden das hinkriegen, Señor Pellew. Denken Sie an die eigene Schenke.“
Mac setzte ein Grinsen auf.
„Klar doch. Wird schon klappen, Señor Carrero. Und Sie wollen sich bei Araua natürlich wirklich nur entschuldigen, stimmt’s?“
„Stimmt haargenau“, antwortete der Spanier und grinste zurück. „Sagte ich nicht, daß ich ein Ehrenmann bin?“
„Ich habe es vernommen“, entgegnete Mac und dachte sich seinen Teil. Diesem Schweinehund würde er die Suppe kräftig versalzen. Und zwar auf eine Art und Weise, die der sehr ehrenwerte Ehrenmann so schnell nicht vergessen würde.
Draußen mußte es mittlerweile dunkel geworden sein.
Carrero folgerte es daraus, wie sich die Geräusche an Bord verändert hatten. Wie ein Tier hatte er gelernt, bestimmte Laute in Verbindung mit Tageszeiten zu bringen. Wenn zum Beispiel kaum noch Schritte zu hören waren, die von den Planken der Kuhl bis in die Unterdecksräume dröhnten, dann bedeutete das, daß sich die Kerle ins Logis begeben hatten.
So wußte Carrero, daß oben inzwischen die Deckswache aufgezogen war. Es wurde also Nacht. Die günstigste Zeit für das Vorhaben, das der Kombüsenmann bestimmt so schnell wie möglich in die Tat umsetzen würde. Der Griesgram war wie alle anderen, die Carrero im Laufe seines Lebens schon gekauft hatte. Kerle dieser Sorte verscherbelten die sprichwörtliche eigene Großmutter, wenn sie sich dadurch einen Vorteil verschaffen konnten.
Luis Carrero war felsenfest davon überzeugt, daß er Mac Pellew richtig einschätzte.
So wunderte ihn überhaupt nicht, daß er irgendwann am späten Abend leise Schritte hörte, die sich jedoch zügig der Vorpiek näherten. Die Schritte endeten, tuschelnde Stimmen waren zu vernehmen, dann bewegte sich knirschend der Riegel des Schotts.
Carrero blinzelte in gewohnter Weise gegen das Lampenlicht an und öffnete die Augen nach einer Weile, als er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte.
„Araua ist bereit, Ihre Entschuldigung anzunehmen“, sagte Mac Pellew und stellte die Lampe in das offene Schott. „Aber sehen Sie zu, daß es kurz und schmerzlos geht. Es würde auffallen, wenn sie zu lange wegbleibt.“
Carrero richtete sich auf. Er hielt die Kette dabei fest, um das Klirren zu vermeiden.
„Mein Dank ist Ihnen sicher“, flüsterte er heiser. „Schicken Sie das Mädchen jetzt herein.“
Mac Pellew nickte nur, schlurfte hinaus und murmelte etwas.
Araua, die der Spanier nach wie vor für eine primitive Wilde, ein farbiges Flittchen hielt, trat ein und musterte Carrero mit scheinbar zaghaftem Gesichtsausdruck.
„Ich danke dir, daß du gekommen bist“, sagte er. Mit einer theatralischen Geste hielt er ihr die gefesselten Hände mit nach oben gekehrten Handflächen entgegen. „Ich habe dich schmählich beschimpft, deinem Vater gegenüber. Du mußt mich hassen, seit du es gehört hast.“
Araua schüttelte den Kopf. Ihre Schüchternheit war glaubhaft gespielt. Denn sie bemerkte – und es war ihr peinlich –, daß der Blonde mit seinen Blicken ihren Körper abtastete – ohne jegliche Zurückhaltung.
„Mein Vater verschont mich mit solchen Dingen“, entgegnete sie leise und senkte den Kopf. „Er sagt, daß die weißen Männer manchmal nicht sehr nett sind im Umgang mit Frauen und Mädchen.“
„Da hat er leider recht“, sagte Carrero mit einem Seufzer. „Gerade deshalb möchte ich nicht, daß ich in deiner Erinnerung als ein solcher Schweinehund haften bleibe. Komm zu mir, laß mich dir die Hand geben und dich um Verzeihung bitten. Du sollst spüren, daß es mir ernst damit ist.“
Araua tat, als zögere sie. In Wahrheit spannte sie die Muskeln an.
„Es schickt sich nicht, mit einem Mann allein in einem Raum zu sein“, sagte sie scheinbar unsicher.
„Señor Pellew wartet draußen“, entgegnete Carrero wegwerfend. „In der Beziehung brauchst du dich nun wirklich nicht zu sorgen. Außerdem muß ich als spanischer Ehrenmann stets darauf achten, meinen guten Ruf zu wahren.“
„Wenn Sie meinen“, sagte Araua achselzuckend, trat einen Schritt auf ihn zu und hielt ihm die Rechte entgegen.
Blitzschnell packte er zu. Mit beiden Händen wollte er sie an sich reißen. Doch im selben Moment trat grenzenlose Überraschung in seine Züge. Denn sein Angriff traf die Tochter der Schlangenpriesterin nicht etwa unvorbereitet. Sie setzte ihm alle Kraft ihrer jugendlich straffen Muskeln entgegen.
Und er hatte nicht die leiseste Chance, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.
„Willst du wohl herkommen!“ zischte er. „Verdammtes Biest, wenn du nicht gleich parierst, bringe ich dir Manieren bei!“
„Versuchen Sie es“, erwiderte Araua ruhig und mit kaltem Lächeln.
Entgeistert starrte er sie an. Alles andere hatte er erwartet, nur nicht diesen Tonfall.
Einen Atemzug später stürzte er sich mit einem wütenden Knurrlaut auf sie. Sie hatte es erwartet, denn er hatte ihre Hand nicht losgelassen.
Statt auf ihren gertenschlanken und biegsamen Körper, prallte er gegen ihr plötzlich hochruckendes Knie. Sie traf ihn sehr empfindlich. Er brüllte los wie ein Stier, klappte zusammen und ließ zwangsläufig ihre Hand los. Im nächsten Augenblick schmetterte sie ihm ihre harten kleinen Fäuste ins schutzlose Gesicht und trieb ihn damit zurück. Vergeblich versuchte er, mit den Händen den Schmerz zu überdecken, den ihr Knie verursacht hatte. Die Schläge ins Gesicht waren vergleichsweise harmlos, doch es saß genügend Wucht dahinter, um ihn zurückzutreiben. Sein Gebrüll ging in gellende Schmerzensschreie über.
Immer noch zusammengekrümmt, geriet er ins Stolpern und knallte zu allem Überfluß mit dem Allerwertesten gegen die Kante der Kiste, auf der Mac Pellew zu sitzen pflegte, wenn er ihn beim Essen beaufsichtigte.
Carreros Geschrei steigerte sich zu schrillem Diskant. Er stürzte zu Boden, und noch im selben Augenblick war Araua über ihm. Sie ließ ihm keine Chance, neue Kräfte zu sammeln und sich von Schmerz und Schreck zu erholen. Luis Carrero mußte erleben, zu welchen kämpferischen Fähigkeiten Arkana die Schlangenkriegerinnen und auch ihre Tochter ausgebildet hatte. Natürlich hatte er nicht die leiseste Ahnung von diesem Hintergrund des scheinbar so zaghaften jungen Mädchens. Deshalb traf ihn die Demütigung um so niederschmetternder.
Wimmernd und sich auf den Bodenplanken krümmend, wurde er von Araua nach allen Regeln der Kunst verprügelt. Da setzte es Hiebe und Stöße, daß er glaubte, er sei in das Zentrum eines Wirbelwinds geraten. Nach einer Weile schaffte er es nicht einmal mehr, abwehrend die Arme hochzureißen. Alles in ihm war ein einziger brennender Schmerz, an seinem ganzen Körper gab es keine Stelle mehr, die nicht wie Feuer glühte.
Er konnte nur noch stöhnen und nach Luft japsen, als Araua endlich von ihm abließ. Er spürte den Geschmack von Blut. Seine Lippen waren aufgeplatzt, seine Gesichtshaut straffte sich über grün und blau anlaufenden Schwellungen.
Araua wandte sich ab, ohne das Häufchen Elend noch eines Blickes zu würdigen. Der Lichtschein aber blieb.
Carrero brauchte endlos lange Minuten, um sich so weit zu erholen, daß er sich aufsetzen konnte. Die gefesselten Hände erschwerten es ihm. Doch kaum hatte er seinen Oberkörper aufgerichtet, zuckte er zusammen, wie von einem Peitschenhieb Ed Carberrys getroffen.
Philip Hasard Killigrew stand da, groß und breitschultrig, die Arme vor der Brust verschränkt. Das blakende Lampenlicht gab seinen Gesichtszügen eine grimmige Bewegung, obwohl sie wie gemeißelt waren.
„Ich werde nicht viele Worte an Sie verschwenden, Carrero“, sagte der Seewolf eisig. „Denn Sie begreifen ohnehin nichts. Aber eines ist sicher: Sie werden an diese Stunde noch lange zurückdenken. Mac Pellew ist kein Mann, der sich bestechen läßt. Er hat mir sofort alles berichtet. Und Araua hat Ihnen gezeigt, wie Menschen, die in Freiheit leben, auf Ihre dreckigen Anmaßungen reagieren. Araua ist kein hilfloses Indiomädchen, das Sie sich mit Gewalt nehmen können. Vielleicht haben Sie wenigstens diese Lektion begriffen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm der Seewolf die Lampe auf und knallte das Schott zu.