Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 519 - Burt Frederick - Страница 7

2.

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Die „Isabella“ und „Eiliger Drache“ hatten während der letzten zwölf Stunden einen stetigen Wind ausnutzen können, der aus nordöstlichen Richtungen wehte. Unter Vollzeug waren die beiden Schiffe des Bundes der Korsaren auf Kurs Westsüdwest gelaufen. Der Wikinger hatte bereits vor einer Viertelstunde Tuch wegnehmen lassen.

Nun begannen sie auch drüben auf dem Schiff des Seewolfs, die Fahrt zu verringern. Flink und geschickt wie Arwenack, der Schimpanse, enterten die Männer in den Luvwanten auf, um Bram- und Focksegel aufzumachen.

Zeternd und kreischend stieg ein buntschillerndes Federvieh vom Fockmars der „Isabella“ auf und nahm Direktkurs auf den Viermaster Thorfin Njals.

Wie ein schwirrender Pfeil schoß der Papagei in Marshöhe über die kristallklare Wasserfläche zwischen den Seglern.

Beim Großmast des Schwarzen Seglers blickte der Stör von der Nagelbank auf, die er soeben klariert hatte. Bevor er richtig begriffen hatte, was da heransauste, breitete Sir John schon die Schwingen aus und stemmte sich regelrecht gegen die Luft. Dabei streckte er die Krallen aus und landete zielgenau auf der rechten Schulter des Störs.

Der Mann mit dem ungewöhnlich langen Gesicht riß die Augen weit auf, was sein Gesicht noch länger erscheinen ließ.

„Paß auf!“ rief Eike, der mit der Nagelbank an Backbord beschäftigt war. „Gleich setzt er dir ein Andenken aufs Hemd!“

Die Männer an Deck lachten, und jene, die den Anflug des Papageis noch nicht bemerkt hatten, sahen nun, wie sich der bunte Vogel aufplusterte und neben dem hoch aufragenden Kopf des Störs von einer Seite zur anderen wiegte, als müsse er die richtige Position erst noch finden.

„Vogeldreck bringt Glück“, sagte Mike Kaibuk, das englische Schandmaul, und feixte dabei, daß seine Ohren wackelten.

„Und die Haare wachsen besser!“ ließ sich der Wikinger dröhnend vom Achterdeck vernehmen, wo er in seinem „Sesselchen“ ruhte und die muskulösen Beine lang ausgestreckt hatte. „Paßt auf, Leute, ich wette, der Flattermann setzt ihm einen Fladen oben auf seinen Torfkopp – da, wo’s am besten düngt!“

Die Männer grinsten und lachten, doch der Stör stand noch immer andächtig da und rührte sich nicht. Seine geweiteten Augen starrten nach wie vor in die Richtung, aus der Sir John herangesaust war.

„Der hat wohl Angst vor dem Vieh“, flüsterte Muddi und rieb sich das Kinn mit einer Hand, deren Hautfalten schwarze Linien bildeten. Er galt als der dreckigste und einzige Schmierfink an Bord, und niemand hörte seine Bemerkung, da seine Nähe im allgemeinen aus Gründen der Geruchsbelästigung gemieden wurde.

„Gleich knabbert er dem armen Stör was vom Ohr ab“, sagte Olig mit gespieltem Erschrecken.

Der Mann mit dem langen Gesicht schien das alles nicht zu hören. Und niemand an Bord des Viermasters konnte sich einen Reim darauf bilden, was er wirklich dachte.

Der Stör hätte auch keinem seiner Gefährten verraten, was er empfand. Am allerwenigsten dem Wikinger, der sich über ihn wieder mal vor Lachen ausgeschüttet hätte. Denn er war von Stolz erfüllt, von unbändigem Stolz. Sir John, der Ara-Papagei von Bord der „Isabella“, hatte sich für ihn, den Stör, entschieden!

Ihm schenkte er sein Vertrauen, nachdem er sich entschlossen hatte, der Wuhling auf dem Schiff des Seewolfs vorübergehend zu entrinnen und dem Schwarzen Segler einen Besuch abzustatten. Tiere hätten eine empfindsamere Seele als jeder Mensch, hieß es immerhin.

Verständlich also, daß sich Sir John nicht etwa zu so einem Ungetüm wie Thorfin Njal hingezogen fühlte.

Der stumme Stolz des Störs steigerte sich zu einer Genugtuung, die ihn beinahe schwindlig werden ließ. Sir John schüttelte und plusterte sich von neuem, und sein Gefieder strich dabei über das rechte Ohr des Mannes, der sein Landeplatz war. Der Stör erschauerte vor Wohlbehagen und räusperte sich, um nun auch kundzutun, was ihn innerlich bewegte.

„Herzlich willkommen an Bord, lieber Sir John“, sagte er laut und vernehmlich. „Freut mich, daß du dir den einzigen ausgesucht hast, dem du hier vertrauen kannst. Jeder andere würde wahrscheinlich versuchen, dir eine Feder auszureißen oder dir sonst was anzutun. Aber bei mir kannst du ganz unbesorgt sein. Ich freue mich über so einen netten kleinen Kerl wie dich.“

„Affenarsch!“ krähte Sir John.

Der Stör zuckte zusammen und erbleichte.

„Affenarsch?“ wiederholte er fassungslos.

Die Männer mußten sich den Mund zuhalten, um nicht loszuplatzen. Der Wikinger beugte sich interessiert vor und stützte sich dabei auf sein „Messerchen“.

„Affenarsch!“ bestätigte der Papagei mit erhöhter Lautstärke.

„Affenarsch“, sagte der Stör weinerlich und kopfschüttelnd in der Gewißheit, sich tatsächlich nicht verhört zu haben.

„Was gibt denn das?“ brüllte der Wikinger. „Ein Dauerecho vielleicht?“

„… Dauerecho vielleicht“, sagte der Stör, getreu seiner Angewohnheit, stets die letzten Worte Thorfins zu wiederholen.

„Auf die Wanten, ihr Säcke!“ kreischte Sir John.

„… Wanten, ihr Säcke!“ sagte der Stör.

Auf dem Achterdeck richtete sich der Wikinger auf und kratzte sich am Helm. Keine Angetraute war da, die ihn deswegen zur Ordnung rufen konnte. Aber wahrscheinlich hätte er von Gotlinde ohnehin keine Notiz genommen, denn die sonderbare Zwiesprache da unten beim Großmast war das Verrückteste, was er je gehört hatte.

„Hurtig, hurtig, oder ich teer’ euch den Scheitel, ihr Prielmäuschen!“ tönte Sir John.

„… den Scheitel, ihr Prielmäuschen“, folgte es vom Stör.

„Himmel, Armloch und Zwiebelkuchen!“

„… und Zwiebelküchen.“

„Springt der Stint aus der Pfanne!“

„… Stint aus der Pfanne.“

„Gelbgestreifte Sumpfhenne!“

„… gestreifte Sumpfhenne.“

Der Wikinger überwand seine Entgeisterung.

„Aufhören!“ brüllte er. „Stehe ich auf meinen eigenen Schiffsplanken, oder träume ich? Oder was? Läßt sich hier ein ausgewachsener Kerl von einem Papagei das Sprechen beibringen? Ist denn das die …“

Sie John kreischte schrill.

„Aber er läßt mich ja nicht zu Wort kommen!“ schrie der Stör aufgebracht. „Hat eine viel zu schnelle Zunge, der Vogel!“

Sir John reichte es. Mit schwerem Flügelschlag ergriff er die Flucht zurück auf die „Isabella“, wo es denn doch noch behaglicher war als auf dem Viermaster des behelmten Nordmannes.

„Eben drum“, sagte der Wikinger grollend. „Von einer schnellen Zunge kannst du letzten Endes doch noch was lernen.“

„… doch noch was lernen“, murmelte der Stör, und im nächsten Moment ergriff er die Flucht in Richtung Vorschiff, denn der Wikinger schickte sich an, mit drohend erhobenem „Messerchen“ auf die Kuhl abzuentern.

Die röhrende Heiterkeit der Männer an Bord von „Eiliger Drache“ war auf der „Isabella“ in aller Deutlichkeit zu vernehmen. Sir John ließ sich unterdessen auf der vertrauten Schulter Edwin Carberrys nieder.

Die geknurrte Bemerkung des Profos, er werde ihn nach dem nächsten derartigen Ausflug eigenhändig rupfen und dem Kutscher als Suppenhuhn in die Kombüse schmuggeln, konnte den Buntgefiederten keineswegs erschüttern.

Ignacio Verduro frohlockte, als seine Prophezeiung in Erfüllung ging. Am liebsten hätte er seinen Triumph laut hinausgeschrien, aber einen solchen Freudenausbruch durfte er sich natürlich nicht leisten. Äußerste Vorsicht war geboten. Den Männern hatte er befohlen, sich völlig lautlos und nur in sicherer Deckung zu bewegen.

Seit die beiden Schiffe in der Bucht vor Anker gegangen waren, mußte man damit rechnen, entdeckt zu werden.

Verduro harrte gemeinsam mit Japato bei den Beobachtungsposten aus. Für die Männer im Schlupfwinkel bei den Schaluppen galt erhöhte Alarmbereitschaft. Zwar hatte Verduro längst einen Plan entwickelt, wonach er bei Dunkelheit angreifen würde. Eine Stunde vor dem ersten Wachwechsel war seiner Erfahrung nach der günstigste Zeitpunkt.

Sollte allerdings ein unvorhersehbarer Umstand ein früheres Handeln erfordern, war man eben auch darauf vorbereitet. Obwohl Verduro nur den Rang eines Sargento gehabt hatte, konnte er durchaus taktische Überlegungen anstellen. Er war stolz darauf, den Offizieren einiges abgeschaut zu haben.

Der Weg in den Offiziersrang war ihm nur deshalb versperrt gewesen, weil er nicht von Adel war. Verduro hatte stets gewußt, daß er jedem jungen Offiziersschnösel zehnfach überlegen war.

Hinter dem schützenden Blattwerk des Dickichts fühlte er sich absolut sicher. Das Versteck der Beobachter lag gut zwanzig Yards oberhalb der Bucht. Bis hierher würde kein Erkundungstrupp vordringen.

Dennoch zog Verduro angespannt die Brauen zusammen, als an Bord des Viermasters Vorbereitungen getroffen wurden, ein Beiboot abzufieren. Erst jetzt, nachdem die Segel aufgetucht waren, fiel der Blick ungehindert auf das Achterdeck des großen Schiffes.

Verduro blinzelte ungläubig. Der Kerl, der dort breitbeinig und mit verschränkten Armen stand, sah aus, als wäre er einem Holzschnitt aus längst vergangenen Jahrhunderten entsprungen. Ein wahrer Riese war das, groß und breit und mit Fellen bekleidet, die die Hüften, den Rücken und den mächtigen Brustkasten bedeckten. Seinen Schädel zierte ein Kupferhelm, den er trotz der Hitze nicht absetzte. An den Füßen trug er Sandalen, deren Riemen um die Waden geschnürt waren.

„Hast du so was schon mal gesehen?“ flüsterte Japato ungläubig. „Was ist denn das für ein merkwürdiger Schrat?“

„Auf Bildern hab’ ich so was gesehen“, antwortete Verduro. „So sollen die Nordmänner ausgesehen haben, die sagenhaften Wikinger.“

„He!“ zischte Japato. „Da laufen noch vier ähnliche Kerle an Deck herum. Wikinger sagst du? Jene, die halb England und Irland erobert haben?“

„Und noch einiges mehr“, sagte Verduro und nickte.

„Aber gibt’s die denn überhaupt noch?“

„Keine Ahnung.“ Der breitschultrige Spanier grinste. „Kann ja auch sein, daß das da unten bloß nachgemachte Nordmänner sind. In ihrer Verkleidung können sie jedem ordentlichen Menschen einen Mordsschrecken einjagen.“

Die Männer schwiegen und verlegten sich wieder auf das Beobachten. Acht schwerbewaffnete Kerle bemannten das Beiboot des Viermasters und pullten auf den schmalen Streifen Strand zu. An Bord des Dreimasters begannen unterdessen völlig anders geartete Vorbereitungen.

„Isabella“ hieß jenes Schiff, das unter dem Kommando eines hochgewachsenen breitschultrigen Mannes stand. Dieser Mann glich eher einem Spanier als einem Engländer. Eindeutig englisch waren aber die Wortfetzen, die aus der Bucht heraufwehten.

An Bord jener „Isabella“ war ein Teil der Crew damit beschäftigt, Ausrüstung und Proviant auf die Kuhl zu schaffen und wohlgeordnet bereitzulegen. Die anderen fierten beide Jollen und legten die größere unmittelbar unter der Jakobsleiter längsseits.

Alsdann bildeten sie von der Jolle über die Jakobsleiter bis zur Pforte im Schanzkleid eine Kette, und die bereitgelegten Sachen wanderten von Hand zu Hand abwärts. Musketen, Pistolen, Pulverhörner und Kugelbeutel gehörten ebenfalls dazu.

Verduro erkannte, daß sich hier etwas abspielte, was er vorhergesehen hatte. Er schickte Japato zum Schlupfwinkel. Die Männer mußten wissen, daß sich die Lage möglicherweise änderte.

Vielleicht mußte man an Land kämpfen, statt den Gegner mittels der Schaluppen anzugreifen. Verduro ahnte, was die Engländer vorhatten. Aber er war sich noch nicht darüber im klaren, wie es im einzelnen ablaufen würde.

Das Beiboot des Viermasters erreichte inzwischen den Strand. Die Kerle sprangen ins seichte Uferwasser, zogen das Boot höher und fingen an, das Ufergelände abzusuchen.

Verduro sah, wie seine beiden Beobachter unwillkürlich die Musketen fester packten. Aber es bestand kein Grund zu größerer Besorgnis. Die Fremden blieben auf dem Strand und beschränkten sich darauf, das Dickicht von dort aus zu beobachten.

Die Wahrscheinlichkeit, daß sie das Versteck der spanischen Deserteure entdeckten, falls sie doch in den Dschungel vordringen sollten, war eins zu tausend. Es wäre ein ebensolcher Zufall gewesen, die Stecknadel im Heuhaufen zu finden.

Eine knappe Stunde später wußte Ignacio Verduro endgültig Bescheid.

Die gesamte Crew verließ die „Isabella“ und begab sich in marschbereitem Zustand an Land. Die Ladung der Boote wurde hoch auf den Strand gemannt und wiederum säuberlich aufgereiht. Danach verteilten sich die Männer von dem Viermaster auf die Beiboote, und alle drei wurden erstaunlicherweise zu dem großen Schiff gepullt, das durch seinen schwarzen Rumpf und seine schwarzen Segel ungewöhnlich düster aussah. Die Kerle enterten auf, und alle drei Boote blieben zunächst am Fuß der Jakobsleiter vertäut liegen. Eine Weile tat sich nichts.

Verduro und seine Kumpane beobachteten lediglich, wie der Kapitän der „Isabella“ mit zwei Männern den Sammelplatz am Strand verließ und landeinwärts vordrang.

Wenig später wurde es auf dem Viermaster wieder lebendig. Sieben Mann verließen das schwarze Schiff und pullten mit den Jollen zur „Isabella“, wo sie die Boote gleich darauf an Deck hievten und verzurrten.

Was das bedeutete, war Verduro auf Anhieb klar. Diese sieben Burschen sollten den Dreimaster zurücksegeln, wohin das auch immer sein mochte. Der Rest der Viermaster-Crew blieb auf dem eigenen Schiff.

Verduro konnte es nicht fassen. Wie, in aller Welt, war es möglich; daß er so leichtes Spiel haben sollte? Die Mannschaft der „Isabella“ umfaßte etwa an die dreißig Kerle, auf einen genau hatte er nicht zählen können. Zahlenstärker waren sie drüben auf dem schwarzen Segler auch nicht.

Wenn sich der Wind nicht drehte, würde es geradezu ein Kinderspiel werden. Noch herrschte auflandiger Wind von beträchtlicher Stärke. Wenn sie vernünftig waren, würden sie die Nacht abwarten und sehen, wie die Wetterverhältnisse morgen waren.

Für Verduro fügte sich ein Mosaiksteinchen ans andere. Eindeutig, daß die „Isabella“-Crew den Istmo de Tehuantepec überqueren wollte, um den Pazifik zu erreichen. Was diese Mannen dort suchten, interessierte den Spanier nicht. Einzig wichtig war für ihn das eigene Ziel, das er nun viel deutlicher vor Augen sah.

Diese „Isabella“ war ein herrliches Schiff. Unvergleichlich die schlanke und flache Bauweise, wie sie ihm noch bei keinem spanischen Segler begegnet war. Verglichen mit diesem Dreimaster waren die spanischen Galeonen plumpe Seekühe.

Ignacio Verduro empfand abermals Stolz auf sich selbst, weil er eben diese Vorzüge der „Isabella“ mit fachmännischem Blick schon auf große Entfernung erkannt hatte.

Er mußte dieses Schiff unter allen Umständen haben. Es war der Wegbereiter in die endgültige Freiheit – in eine glückliche Zukunft, die tief im Süden der Neuen Welt auf ihn und seine Männer wartete.

In Gedanken legte Verduro einen genauen Plan für seinen Angriff fest, den er am späten Abend auszuführen hoffte. Der Wind durfte sich nicht drehen. Dann war alles Weitere das reinste Kinderspiel.

Mit seinen fünfzig Mann verfügte er über eine unbezwingbare Übermacht. Die Tatsache, daß er einen Mitstreiter als Aufwiegler hatte erschießen müssen, fiel dabei nicht ins Gewicht. Bis zum Abend würde auch die „Isabella“-Crew vom Strand verschwunden sein, denn die Kerle würden nicht im Sand nächtigen, wenn sie ihr vertrautes Schiff noch in der Nähe hatten.

Verduro rieb sich die Hände. Die wenigen lächerlichen Gestalten, die an Bord der beiden Schiffe verblieben, sollten ihr blaues Wunder erleben.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 519

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