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2.

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Den Kapitän der „Kroontje“ hielt es schon lange nicht mehr auf dem Achterdeck, denn dort gab es keine Geschütze. Nur beiderseits der Kuhl befanden sich jeweils sechs Neunzehn-Pfünder hinter den längst geöffneten Stückpforten.

Rien van Ommeren war mitten zwischen seinen Männern, fluchte lauthals, wenn Geschosse heranfauchten und einschlugen und hastete von einem Geschütz zum anderen, um das Richten zu übernehmen.

Noch lag die „Kroontje“ auf Kurs West-Nord-West, auf einem langen Kreuzschlag nahe der Küste bei Wenzhou. Doch es war abzusehen, daß die Galeone die Hafenstadt nicht erreichen würde. Der lange Weg von Surabaja war ohne Zwischenfälle verlaufen und ging nun, so nahe vor dem Ziel, im Morgennebel vor der chinesischen Küste der Provinz Zheijiang jäh zu Ende.

Fock-, Fockmars- und Großmarssegel bestanden nur noch aus schwarzen, glimmenden Resten. Die Chinesen hatten ihre verfluchten Brandsätze aus dem Nichts herübergeschleudert, und es hatte den Anschein gehabt, als ob flüssiges Feuer vom Himmel geregnet wäre. Das Besansegel war von Geschossen zerfetzt worden. Lediglich das Großsegel war noch einigermaßen brauchbar, wenn es auch bereits die ersten Risse hatte.

Zum Glück war keiner der insgesamt fünfundzwanzig Männer van Ommerens bislang ernsthaft verwundet worden. Der stämmige, breitschultrige Kapitän mit dem strohblonden Haar und dem gleichfarbigen Vollbart, hatte seine ursprüngliche Annahme revidiert.

Die Chinamänner hatten keineswegs die Fähigkeit, im Nebel zu sehen.

Was sie jedoch hatten, waren hervorragende Kenntnisse der Wetterverhältnisse in diesen küstennahen Breiten. Außerdem beherrschten sie ihre Segler meisterhaft, und sie nutzten offenbar das winzigste Aufreißen der Nebelbänke, um sich zu orientieren.

Hinzu kam ihre Fähigkeit, den Kurs und die Fahrt der einmal gesichteten Galeone zu berechnen, um die Position ständig überwachen zu können.

Nein, im Nebel sehen konnten diese schlitzäugigen Halunken ganz gewiß nicht. Und mit dem Teufel standen sie auch nicht im Bunde. Der bisherige Erfolg ihres Angriffs beruhte ganz einfach auf eben jenem Geschick und auf ihrer geballten Feuerkraft.

Obwohl sie bislang nicht mehr als huschende Schatten und die Feuerlanzen der Mündungsblitze gesehen hatten, war Rien van Ommeren mittlerweile sicher, daß er und seine Männer es mit acht oder neun Seglern zu tun hatten. Anzunehmen, daß es sich um Dschunken handelte. Und deren Besatzungen konnten nur aus Schnapphähnen übelster Art bestehen.

Van Ommeren hatte bislang nur einige wenige Einzelschüsse abfeuern lassen. Denn welchen Sinn hatte es, Munition zu vergeuden, wenn man kein sichtbares Ziel vor Augen hatte?

Doch das mußte anders werden.

Auf der Stelle mußte das anders werden, wenn man nicht jämmerlich absaufen sollte – mit einer wertvollen Ladung an Bord, das Ziel schon greifbar nahe.

„Steuerbordgeschütze feuerbereit!“ meldete der Stückmeister, der in der Reihe der Culverinen an Steuerbord ganz vorn stand. Die gleiche Meldung erfolgte Atemzüge später auch von Backbord.

Rien van Ommeren bestätigte und nickte grimmig.

Noch immer zuckte Mündungsfeuer aus der grauen Suppe, und es war eindeutig, daß die Hundesöhne die schwerfällige Galeone umkreisten wie ein Rudel hungriger Wölfe.

Van Ommeren zögerte nicht mehr. Er hatte sich die Entscheidung während der letzten Viertelstunde immer wieder überlegt, bis er sicher war, daß es keine andere Entscheidung geben konnte, wenn er die Lage grundlegend ändern wollte – möglichst zugunsten der „Kroontje“.

„Geit auf Großsegel!“ brüllte er und fügte ohne Atempause und in der gleichen Lautstärke hinzu: „Werft Treibanker vorn und achtern!“

Die Männer richteten sich an den Geschützen auf, ungeachtet der immer wieder heranorgelnden Geschosse, die jedoch meist zu kurz lagen oder in die Beplankung krachten. Ungläubig starrten die Hands ihren Kapitän an. Hatte er den Verstand verloren? Wollte er sich den gelben Teufeln freiwillig als Opfer darbieten?

„Befehl ausführen!“ brüllte van Ommeren. „Verdammt noch mal, beeilt euch, es ist unsere einzige Chance!“

Sie begriffen es nicht, doch sie gehorchten.

Henk Waterstraat, der Erste Offizier der „Kroontje“, eilte mit langen Sätzen von der Back herbei. Er war ein hochgewachsener schlanker Mann mit dunkelblondem Haar.

„Verdammt noch mal, Rien“, rief er keuchend, „bist du dir darüber im klaren, was dein Befehl bedeutet?“

„Voll und ganz“, antwortete van Ommeren. „Im Gegensatz zu euch allen habe ich ein bißchen nachgedacht. Ob wir Fahrt laufen oder nicht – es ändert nichts darin, daß die Meute uns umkreist und Stück für Stück zu Klump schießt.“

„Ja, und?“ Waterstraat zog die Schultern hoch. „Wo liegt der Vorteil, wenn wir vor Treibanker gehen?“

Er spähte nach oben, denn da zischten immer noch Brandladungen heran und platzten mit hartem, häßlichem Knall. Einige der Geschosse lagen durchaus hoch genug, um gefährlich zu werden.

„Ohne Fahrt“, sagte van Ommeren und blickte den Ersten eindringlich an, „können wir uns auf die Teufel konzentrieren. Wir werden sie durch ihr Mündungsfeuer orten, und wir verpassen ihnen eine volle Breitseite, sobald wir wissen, daß wir zwei oder drei auf einmal erwischen können. Ich sage dir, damit rechnen sie nicht. Sie werden unvorsichtig genug sein, um in die Falle zu gehen.“

Waterstraat rieb sich das bartlose Kinn. Unvermittelt duckte er sich, als ein Geschoß haarscharf über ihre Köpfe hinwegraste.

Rien van Ommeren stand unerschütterlich wie eine Statue.

„Dein Plan gefällt mir“, sagte Henk Waterstraat. „Ich glaube, du hast recht, Rien. Verdammt, ja, zeigen wir diesen chinesischen Himmelhunden, daß sie sich eine holländische Galeone nicht einfach zum Frühstück einverleiben können!“

Vorn und achtern fielen in diesem Augenblick die Treibanker. Die Männer kehrten auf ihre Geschützstationen zurück, und auch jene, die das Großsegel aufgegeit hatten, waren gleich darauf zur Stelle.

„Die Männer müssen Bescheid wissen“, sagte van Ommeren. „Sie müssen wissen, was wir vorhaben. Jeder einzelne soll klar erkennen, worauf es ankommt. Dann schaffen wir es auch.“

„Verstanden“, antwortete Waterstraat. „Ich sage es den Kerls an Backbord.“ Er lief los, ohne eine Antwort des Kapitäns abzuwarten.

Während die Chinesen ihr zermürbendes Schußgeplänkel fortsetzten, klärte Rien van Ommeren die Geschützmannschaften an Steuerbord über seinen Plan auf. Sie begriffen sofort, daß sie damit Aussicht auf Erfolg hatten, und voller grimmiger Entschlossenheit gingen die in Bereitstellung – geduckt und mit angespannten Muskeln an den Culverinen.

Van Ommeren baute sich vor dem Steuerbordniedergang des Achterdecks an der Kuhl-Verschanzung auf und konzentrierte sich auf die Mündungsblitze im wabernden Grau.

Die Zeitabstände zwischen den einzelnen Schüssen betrugen meist etwa zwei bis drei Sekunden. Jedesmal, wenn ein Geschoß in die Beplankung der „Kroontje“ schlug, ging es van Ommeren durch Mark und Bein. Aber er wußte, daß er sich jetzt nicht mehr davon beeindrucken lassen durfte. Kühl und unbeirrbar mußte er den geeigneten Moment abwarten.

Die „Kroontje“ hatte inzwischen merklich an Fahrt verloren. Möglich auch, daß die Angreifer einen Ruderschaden vermuteten. Vielleicht wurden sie unvorsichtig, sobald sie glaubten, einen manövrierunfähigen Gegner vor sich zu haben.

An Steuerbord achteraus riß die Nebelwand unvermittelt auf. Auf einer Breite von höchstens drei Yards wurde die Sicht frei.

Van Ommeren erblickte einen schwarzen Schiffsrumpf, dahinter, seitlich versetzt, einen zweiten. Dschunken. Beide hatten schmutzigbraune Segel. Der Kapitän der „Kroontje“ schaffte es noch, die Entfernung zu schätzen. Fünfzig, sechzig Yards, mehr nicht. Ihre kleinen Geschütze hatten keine größere Reichweite.

In der nächsten Sekunde schloß sich die Nebelwand wieder.

Rien van Ommeren zählte die weiteren Sekunden und schätzte die Fahrt ein, die die Dschunken liefen.

„Klar zum Feuern!“ brüllte er.

Und er kalkulierte richtig.

„Jetzt“, flüsterte er und ballte die Hände vor Anspannung zu Fäusten. „Jetzt müßten sie schießen!“

Er hatte das letzte Wort noch auf den Lippen, als der erste Mündungsblitz aus dem Nebel zuckte. Der zweite folgte nach einem Sekundenbruchteil. Dann noch ein dritter.

„Feuer!“ befahl van Ommeren schneidend. Der letzte Mündungsblitz war noch nicht vollends versiegt.

Die Luntenstöcke senkten sich auf die Zündlöcher. Zischend fraß sich die Glut in das Zündkraut. Puffend stiegen kleine Rauchwolken auf. Die Geschützmannschaften wichen zurück.

Mit ohrenbetäubendem Donner entluden sich die Culverinen. Der Rückstoß ließ die hölzernen Lafetten mit den tonnenschweren Bronzerohren von der Verschanzung wegrumpeln. Die armdicken Brooktaue hielten die Geschütze auf. Hart krängte die „Kroontje“ nach Backbord.

Als sich die Galeone wieder nach Steuerbord neigte, war das zu hören, was die Mienen der Männer an Bord freudig aufhellte.

Krachende Einschläge, gefolgt von Splittern und Bersten und gellenden Schreien.

„Nachladen!“ brüllte van Ommeren.

Die Schreie schienen nicht enden zu wollen. Feuerschein war in Form von hellroten Flecken im Nebel zu erkennen. An drei verschiedenen Stellen.

„Drei auf einen Streich!“ schrie einer der Decksleute und vollführte einen Luftsprung. „Hölle und Teufel, wir haben drei auf einen Streich erwischt!“

Die Männer brüllten ihren Triumph hinaus, und van Ommeren konnte nicht anders, er stimmte mit ein.

Doch der Erfolg war noch nicht sicher. An Backbord setzte das Feuer der Chinesen jetzt um so heftiger ein.

Henk Waterstraat, durch das Beispiel seines Kapitäns vom Ehrgeiz gepackt, ließ die Breitseite zünden, als sich die Mündungsblitze im Nebel verdichteten.

Wieder krachte und splitterte es, und die Schreie von Verwundeten und tödlich Getroffenen erbrachten den Beweis dafür, daß alle sechs Ladungen ihr Ziel gefunden haben mußten.

Mindestens zwei Dschunken mußten es sein, die an Backbord zu den Fischen geschickt worden waren.

Abermals brüllten die Männer an Bord der „Kroontje“ ihren Triumph in den grauen Morgen.

Rien van Ommeren hatte nicht noch einmal das Glück, daß die Nebelwand aufriß. Doch er reagierte blitzschnell auf den einzelnen Mündungsblitz, der an Steuerbord aufzuckte.

„Feuer!“ brüllte er, und die Geschützmannschaften handelten wie ein einziger Kanonier.

Unter Donnergrollen rauschten die mächtigen Geschosse aus den Rohren. Das grellrote Feuer leckte mehrere Yards weit aus den Stückpforten, und als der fettschwarze Pulverrauch auf wölkte, waren zwei schmetternde Einschläge zu vernehmen. Die übrigen Geschosse orgelten weiter auf die See hinaus.

Doch sie waren schon im nächsten Atemzug nicht mehr zu hören, denn das Bersten von Holz, das laute Wirbeln von Trümmerteilen und die Schmerzens- und Todesschreie der Dschunkenbesatzung tilgten jeden anderen Laut.

Stille kehrte ein.

Van Ommeren und Waterstraat hatten die Geschütze nachladen lassen. Sämtliche Männer an Bord der „Kroontje“ horchten atemlos und starrten in den Nebel hinaus.

Minuten verstrichen, und nichts änderte sich. Es blieb still. Kein gedämpfter Befehl war aus der Nebelwatte zu hören, kein Schlagen eines Segels. Und Mündungsfeuer glühte erst recht nicht mehr auf.

Nachdem diese Lage eine Viertelstunde lang angehalten hatte, waren van Ommeren und seine Männer sicher. Hier handelte, es sich um kein stummes Belauern mehr.

Die Schnapphähne hatten die Flucht ergriffen.

Zwei oder drei Dschunken mochten übriggeblieben sein. Und sie hatten sich verdrückt – so still und unbemerkt wie sie aufgekreuzt waren.

Die Männer der „Kroontje“ jubelten, tanzten um ihre Geschütze, hieben sich auf die Schultern und fielen sich in die Arme. Doch ihre Freude währte nicht lange. Denn sie mußten einsehen, daß ihr Schiff ein besseres Wrack war.

Ein Wrack, dessen einziger Vorzug darin bestand, daß es noch keine ernstzunehmenden Lecks unterhalb der Wasserlinie hatte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 528

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