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II.

„Wie haben deine Eltern es aufgenommen?“, fragte Saskia am Montag, als sie sich nach der Arbeit an „ihrem“ Stand trafen. Sie hatte sich in Schale geworfen, neuer Mantel, hohe Schuhe und ein wenig mehr Augen-Makeup als nötig. Sie wirkte nervös, was für Saskia ungewöhnlich war. Ihr Blick wanderte immer wieder zum Glühweinverkauf hinüber. Doch der Kernige ließ sich heute nicht blicken.

„Hab’s ihnen noch nicht gesagt“, murmelte Josie in ihren Becher. „Wo ist denn dein Naturbursche heute?“

„Mein ...? Warte, du wechselst das Thema. So nicht, meine Liebe.“ Saskia baute sich vor ihr auf, stemmte die Fäuste in die Hüfte. „Du musst es ihnen sagen. Und zwar bald. Dann haben sie wenigstens die Chance, etwas anderes zu planen. Sei fair.“ Sie legte den Kopf schief. „Oder machst du etwa einen Rückzieher? Das ... das wäre schade, aber okay. Wenn du es uns rechtzeitig sagst. Damit wir noch umdisponieren können. Du kennst das ja: Termine, Termine, Termine.“ Sie rollte theatralisch mit den Augen.

„Nein, kein Rückzieher. Bestimmt nicht. Zeit zum Erwachsenwerden.“ Josie grinste und stieß ihren Becher an Saskias. „Hoch die Tassen. Auf unser erstes, gemeinsames Weihnachten.“

Am nächsten Morgen fasste Josie sich ein Herz und rief noch vor der Arbeit bei ihren Eltern an. Schon nach dem ersten Klingelzeichen hob ihre Mutter ab.

„Josie, Schätzchen, wie schön, dass du anrufst. Das war Gedankenübertragung. Ich wollte gerade zum Hörer greifen.“

„Hi, Mama, wie geht‘s dir? Was macht Papa?“

Wie sollte sie das Thema nur aufbringen?

„Gut und gut. Du hör mal, wir wollten mit dir über ...“

Kurz und schmerzlos – mit einem Ruck das Pflaster ab.

„Ich komme dieses Jahr zu Weihnachten nicht nach Hause“, platzte sie heraus.

Atemlose Stille herrschte in der Leitung.

„Aber das ...“

„Mama, ich ...“

„... das ist ja wunderbar, Josie. Da fällt mir gleich ein ganzer Berg vom Herzen. Papa und ich wussten nicht recht, wie du es aufnehmen würdest.“

„Wunderbar?“ Josie fühlte einen schmerzhaften Stich in der Magengrube. Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet. Sie schwieg.

Dafür plapperte ihre Mutter weiter:

„Tomas und Birgit – du erinnerst dich doch an Papas Kollegen, oder? Der mit dem langhaarigen Hund? Egal – jedenfalls haben uns die beiden gefragt, ob wir mit ihnen über Weihnachten eine Karibikkreuzfahrt machen wollen. Tomas hat ein sehr attraktives Angebot gefunden und meinte, zu viert hätten wir eine Menge Spaß. Und die Route ist ein Traum: DomRep, Jamaika, Belize, die Caymans und Mexico – auf den Spuren der Mayas ...“

Den Rest blendete Josie aus. Nun hatte sie es mit Brief und Siegel. Nicht nur lehnte sie freiwillig den letzten Rest Nestwärme ab – nein, ihre Eltern gaben ihr obendrein noch einen kräftigen Schubs in den Rücken. Danke, Mama.

Die folgenden zwei Wochen waren von Partyplanung erfüllt. Mal brachte jemand ein Rezept, mal eine Playlist oder andere Vorschläge für den Heiligen Abend mit, wenn sie sich am Glühweinstand trafen. Ihre lustige Runde etablierte sich schnell als willkommene Stammgäste. Saskia und der Kernige, der mit richtigem Namen Moritz hieß, hatten mehr als genug Gelegenheiten zum Flirten – und die nutzten sie exzessiv.

Die Tage flogen nur so vorbei. Die Aufgaben wurden verteilt, Menüfolgen geschrieben und verworfen. Schließlich einigte man sich auf Fondue mit verschiedenen Salaten. Sie wollten sich früh bei Josie treffen, um alles gemeinsam vorzubereiten – Weihnachtsbaum, Deko und Prickelbrause eingeschlossen. Die Einkaufszettel waren geschrieben, der Baum gekauft, Getränke in großen Mengen angekarrt, als sie in die letzte Arbeitswoche starteten.

„Meinst du, ich kann am Freitag noch jemand mitbringen“, fragte Saskia drei Tage vor Heiligabend.

„Aber klar, einer mehr oder weniger fällt doch gar nicht auf.“ Josie grinste und zog die Augenbrauen hoch. „Stand der Dinge?“

Saskia wurde rot. Ein Umstand, den man bei ihr äußerst selten antraf.

„Es ist noch nichts passiert, wenn du das meinst.“

„Und mit nichts meinst du ...?“

Das Rot verschärfte sich.

„Nicht Nichts-Nichts. Wir waren gestern zusammen was trinken.“

„Nach dem ganzen Glühwein? Kannst du dich überhaupt an irgendetwas erinnern?“

„Na hör mal, so viel hab ich gar nicht getrunken. Und selbst wenn, Moritz war der totale Gentleman.“ Saskia kicherte. „Ganz klassisch mit Abschiedskuss im Türrahmen.“

„Wie romantisch.“ Sarkasmus troff zwischen den Silben heraus, unbeabsichtigt, aber nicht weniger bitter. Josie gönnte ihrer Freundin das verliebte Glück, aber der kleine Teufel Neid saß ihr dennoch im Nacken. Sie war leider eine hoffnungslose Romantikerin. Gerade jetzt zu Weihnachten.

Zu Weihnachten wird alles anders

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