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Hexen, Wicca oder was?

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Zu dem besagten Zeitpunkt erreichte mich die E-Mail einer Frau, die sich selbst als Hexe sah und mich fragte, ob wir uns austauschen wollen; mein Hauptgebiet waren damals die Kräuter. Ich freute mich über die Möglichkeit, einen freundschaftlichen Kontakt zu Scilla aufbauen zu können.

Wir verstanden uns gut und schickten oft E-Mails hin und her. Scilla ist der botanische Name für das Blausternchen, und ich denke mal, er passte gut zu meiner neuen E-Mail-Freundin. Wie passend, dass ich mich kurz vor dem Studium entschlossen hatte, mir einen PC zuzulegen, weil ich das Internet erkunden wollte. Scilla war bekennende Christin, fühlte sich aber trotzdem als Hexe. Schnell entwickelte sie eine eigene Homepage, ein Portal, wo sich die Besucher ausgiebig über Hexenrituale, Kräuter, Rezepte etc. informieren konnten. Ich war begeistert, mir gefielen ihre Seiten.

Meine Blausternchenhexe plante ein neues Projekt, das sie Hexennetz nannte, und fragte mich, ob ich da mitmachen wolle. Ich hatte Bedenken, dass meine Web- und PC-Kenntnisse nicht ausreichen würden, um eine Seite im HTML-Format zu erstellen. „Kein Problem”, meinte Scilla, „erstelle die Seite in einem normalen Textformat, ich wandle sie dann in HTML um und füge die Grafiken ein.“

Wow, das hatte etwas – ich als Kräuterhexe Calea in einem Hexennetz! War ich jetzt etwa eine selbst ernannte Hexe? Ich musste schon grinsen, aber das war es doch, was ich wollte. Das Projekt lief an und Scilla stellte mir eine wunderbare Seite mit meinem Vorstellungstext zur Verfügung.

Wir waren insgesamt fünf Hexen, die sich auf der Hexennetz-Homepage vorstellten. Nun wurde unsere Idee realisiert, ich wusste nur nicht, wie, denn Scilla hatte es versäumt, allen mitzuteilen, wie es formal ablaufen sollte. Innerhalb der Hexennetz-Seiten gab es ein Forum, in dem Fragen interessierter Leser beantwortet werden sollten. Ich hatte aber keine Ahnung, inwieweit ich mich dort einbringen konnte. Die technische Seite des Ganzen blieb mir auch noch ein wenig verborgen, und ich hatte Angst, etwas falsch zu machen. Den anderen ging es wohl ähnlich, und die Hexenteamarbeit endete in einem Chaos.

Blausternchen beklagte sich öffentlich im Forum, dass sie die ganze Arbeit alleine machen müsse und die anderen Hexchen Faulpelze seien. Das saß, und nach einigem Hin und Her ohne Einigung flogen die Besen. Miranda, eine andere Hexe des Netzwerkes, benutzte dann auch das Forum, um an Scilla einen Text mit Beschuldigungen zu schicken, der es in sich hatte. Sie wurde darin unter anderem auch wegen ihres christlichen Glaubens angegriffen, eine richtige Hexe sei eben Heidin.

Ich glaubte nicht, was sich da vor meinen Augen abspielte, und wollte vermitteln, machte den Vorschlag zu einem gemeinsamen Arbeitstreffen mit Klärung der Sachlage. Vergebens! Der Kampf war schon zu weit fortgeschritten, und so flogen mit mir noch zwei andere Hexen aus dem Netz. Scilla ist mit der jüngsten Hexe zusammengeblieben. Freiflug! So hatte ich mir mein ‚Hexe-Sein‘ nicht vorgestellt!

So lustig das auch klingen mag – die Wirklichkeit sah anders aus. Innerlich war ich tief betroffen, entwurzelt vom Christentum, und sah für mich keine Chance, eine neue spirituelle Heimat zu finden. Es war mir sehr klar, dass ich gleich gesinnte Menschen um mich herum brauchte, um wieder Ordnung in mein seelisches Chaos zu bekommen.

Ich recherchierte wieder mal im Internet, gab die Begriffe ‚Wicca‘ und ‚Hexen‘ in die Suchmaschine ein, und mein Googeln wurde von Erfolg gekrönt. Eine interessante Homepage, die Shania und Darius ins Netz gestellt hatten, beeindruckte mich.

Als Hohepriester/in und Anhänger/in des Gardner Wicca, stellten sie Wicca als Religion vor und informierten über einen Arbeitskreis, den beide ins Leben gerufen hatten. Von solchen Glaubensgemeinschaften wusste ich, dass sie ihre Mitglieder spirituell fördern und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten. Und was absolut wichtig für mich war – es handelte sich nicht um eine Sekte.

Anfang der 90er wurde Wicca in den USA als eigenständige Religion anerkannt. War das eine Chance für einen Neuanfang für mich, spirituell gefördert und gut aufgehoben im Kreise Gleichgesinnter? Das war meine Vorstellung, wie ich das Heidentum (er)leben wollte: gemeinsam Jahreskreisfeste feiern, fröhlich sein und mich nicht alleine fühlen mit meiner neu entdeckten Religion. Ich hatte noch nie ein Hexenritual zelebriert und war sehr neugierig, wie das sein würde.

Alleine hätte ich mich das nicht getraut. Es gibt unendlich viele Bücher, die über Ritualpraktiken informieren, trotzdem hatte ich zu viele Fragen an die Praxis. Wie ist das mit dem Schutzkreis? Imaginär gezogen oder doch lieber real markiert? Nun, ich hoffte auf einen Neuanfang, wobei ich mehr über diese Dinge erfahren würde.

Und so schrieb ich Shania eine E-Mail und fragte sie, ob ich an ihrem Arbeitskreis teilnehmen könne. Die Antwort kam recht schnell, und es klang geheimnisvoll, was ich dort las. Sie müsse mich erst einmal besser kennenlernen, das könne anfangs durch Austausch in Form von Mailkontakt geschehen. Also schrieb ich, was das Zeug hielt. Warum diese Verzögerung? Ich wollte unbedingt mein erstes Ritual zelebrieren!

Endlich! Nach einigen Wochen wurde meine Geduld belohnt und Shania lud mich zu sich nach Hause ein. Ein erstes Treffen mit dem Arbeitskreis war angesagt, und zwar am 29. Oktober 2000. Aufgeregt machte ich mich auf den Weg zu ihnen, bewaffnet mit Block und Stift zum Schreiben und Räucherstäbchen als Geschenk für die Gastgeber.

Unterwegs kamen mir die abenteuerlichsten Gedanken: Vielleicht erlebe ich schon heute das erste Wicca-Ritual. Oder: Vielleicht ist alles nur gefaked und die Leute gibt es in Wirklichkeit gar nicht. In Zeiten des anonymen Internet ist schließlich alles möglich.

Immer noch nervös schaute ich auf die Anschrift und suchte das Haus, nachdem ich in einer ländlichen Gegend angekommen war. Es war ein ganz simples kleines Einfamilienhaus, umgeben von viel Grün und Stechapfelpflanzen im Garten, so etwas fällt einer Kräuterhexe natürlich auf. Ich nahm all meinen Mut zusammen und klingelte.

„Hallo Calea, ich bin Shania, wir freuen uns, dass du hier bist. Hattest du eine gute Fahrt?“, begrüßte mich die Gastgeberin. Ich sagte ihr nicht, wie nervös ich war. Dann zeigten sich auch die anderen Hexen aus der Arbeitsgruppe, zuerst Shanias Mann Darius, zehn bis fünfzehn Zentimeter kleiner als ich und koboldhaft wirkend, zudem war er ganz in Schwarz gekleidet.

Die Arbeitsgruppe bestand tatsächlich nur aus zwei Personen: Da war Lilith, eine junge Frau von zweiundzwanzig Jahren, und Jörg, dessen Alter ich auf Anfang dreißig schätzte. Sie waren kein Paar, aber das erfuhr ich erst später.

Ich wusste nicht, ob ich mich wohlfühlen könnte oder gleich wieder gehen sollte, befand mich in einem totalen Zwiespalt, wobei jede Intuition ausgeschaltet war.

Von ihren Outfits her waren beide Mädels auf Hexe gestylt, mit kräftiger Schminke, Shania war rothaarig und Lilith hatte tiefschwarzes Haar. Nun, ich denke, beide hatten da mit Farbe etwas nachgeholfen, damals hatte das Ganze für mich etwas einen Touch von Verkleidung. Obwohl Shanias grünes mittelalterliches Gewand mir durchaus recht gut gefiel. Lilith machte eher optisch den Eindruck, als käme sie aus der Gruftiszene. So im Rückblick war der erste Eindruck einigermaßen skurril. Jörg war der Einzige, der ‚normal‘ ausschaute.

Ich war viel zu neugierig, um gleich wieder abzuhauen und die Flucht zu ergreifen. Wahrscheinlich haben die anderen sich auch Gedanken über die Kräuterhexe Calea gemacht, die nur ein wenig geschminkt war, recht bürgerliche Kleidung trug – dazu noch schwarze –, um die überflüssigen Kilos zu kaschieren. Leider konnte ich die nicht wegzaubern und damals auch noch nicht so gut dazu stehen. Und dann noch der Altersunterschied, ich war gute zehn bis fünfzehn Jahre älter als der Durchschnitt.

Es wurde aber noch ganz nett, wir haben alle zusammen gekocht: Gemüse geschnippelt, Kartoffeln geschält und Fleisch gebraten. Keiner von uns war Vegetarier. Jedenfalls schmeckte das Essen richtig gut. Da ich mit dem Auto unterwegs war, habe ich auf den Wein verzichtet und mich mit Wasser begnügt, obwohl mir ein Schluck Rotwein zur Entspannung recht gutgetan hätte. So langsam gewöhnte ich mich an die Situation, und die anderen sich vielleicht auch ein wenig an mich, schließlich war ich eine liebe Hexe!

Nach dem Essen gingen wir in das Wohnzimmer, einen kleinen gemütlichen Raum, in dem wohl alles Mögliche verräuchert wurde. Meine Nase bemühte sich, mir mitzuteilen, um welche Substanzen es sich handelte, aber ich konnte den Duft nicht identifizieren.

Shania zündete einige Räucherstäbchen an, dann sollte die Wicca Arbeitsgruppe tagen.

Die Hohepriesterin beschäftigt sich jetzt nur mit mir, denn die anderen sind schon länger in der Gruppe und mit dem Lehrstoff vertraut. Shania erzählt mir etwas über die Gardner-Wicca-Traditionen und über das Hexenlehrjahr, das mindestens ein Jahr dauert, und nach dem die Hohepriesterin / der Hohepriester entscheiden wird, ob die Schülerin oder der Schüler die nötige Reife hat, um die Initiation zu erhalten. Sie können auch dagegen entscheiden, es liegt in ihrer Hand. Ich müsste mich damit an ihren Mann Darius wenden, da nur gegengeschlechtlich eingeweiht werden kann.

Dann liest sie mir vor, was ich als Erstes lernen und üben müsse, nämlich Salz zu segnen. Ich schreibe mir alles auf, auch den Spruch, den ich auswendig lernen soll. Salz wirkt reinigend, es ist ein Bestandteil von Mutter Erde und wird deshalb dem Erdelement zugeordnet.

Meine Aufgabe war es nun, Assoziationen zum Thema Erde zu finden und darüber zu meditieren, außerdem dreimal täglich Salz zu segnen. Leider ist Geduld nicht unbedingt eine meiner Stärken, und die Übung des Salzsegnens dreimal täglich, und das vier Wochen lang, kann relativ langweilig werden. Heute verstehe ich den Sinn, bin aber trotzdem der Überzeugung, dass jeder Mensch anders ist und auch anders lernt. Mir fehlte ein bisschen die Motivation bei dieser Aufgabe.

Ich kürze das Ganze einmal ab, es gab noch zwei Treffen, in denen wieder kein Ritual stattfand. Dann löste sich die Gruppe überraschend auf, weil die Wiccapriesterin und der Priester sich jeweils in ihre Schüler verliebten.

Beim Odin, da waren die Energien wohl zu heftig! Da Shania und Darius im realen Leben ein Ehepaar waren, stand eine Scheidung und Trennung von Bett und Tisch an. Ich habe mich nach der Auflösung des Arbeitskreises noch einmal mit Shania und ihrem neuen Lebensgefährten Jörg getroffen, ich hatte sie zu mir nach Hause eingeladen. Shania gab mir tatsächlich eine weitere Lernaufgabe, denn ursprünglich wollte ich weiter in Kontakt mit ihr bleiben. Nach diesem Besuch war mir aber klar: Das ist es nicht, was ich will.

Es gab für mich keine Geborgenheit im Kreise vertrauter spiritueller Freunde, sondern nur Unruhe und Unzentriertheit. Ich habe selber schon erlebt, wie heftig erotische Energien im spirituellen Bereich wirken können, jedoch sollte eine Hohepriesterin, die auch eine Lehrerin ist, anders damit umgehen können. Ich fühlte mich sehr alleine mit meinem ‚Anderssein‘. Wo sind denn die Hexen? Wahrscheinlich alle mit ihrem Besen auf dem Weg zum Blocksberg, und die Suche geht weiter!


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