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Kapitel 1

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Es ist ein lauer Sommerabend und ich sitze mit einem Glas gespritzten Wein im Biergarten. Die Ellen habe ich im März dieses Jahres mit Bravour gesungen und Johannes Brahms, der seit letztem Jahr hier in Wien in der Karlsgasse wohnt, damit endgültig zu meinem Mentor gemacht. Er will sich um meine Karriere als Sängerin kümmern und mir mit Rat und Tat zur Seite stehen, wofür ich ihm sehr dankbar bin.


Ich nippe an meinem Wein und lächle versonnen vor mich hin. Ich bin dem Herrn Brahms dankbar und ich bin glücklich.


Ich bin nicht alleine.

Mir gegenüber sitzt Liesl.

Liesl ist kein bisserl musikalisch, aber seit Ewigkeiten meine beste Freundin. Sie ist adrett und blond, ein bisserl rund, hübsch und damit so ziemlich das Gegenteil von mir. Ihr kann ich alles anvertrauen, auch meine geheimsten Gedanken und sie steht mir näher als meine zwei Schwestern und fünf Brüder.


Liesl lächelt mich breit an und ich kann förmlich die Limonade riechen, die an ihrem linken Mundwinkel klebt. Mein Herz klopft und ich habe ganz plötzlich das Bedürfnis sie zu küssen. Stattdessen und um mein klopfendes Herz ein wenig zu besänftigen, greife ich ihre Hand, die auf dem Tisch neben ihrem Limonadenglas liegt. Darauf wartend von mir berührt zu werden, so seltsam dies auch klingen mag. Mein Herz klopft immer noch ganz fürchterlich und ich bin froh, dass sie es ist, die das angespannte Schweigen zwischen uns bricht.



„Du wirst fortgehen, Mitzerl, gell, mit dem Brahms, ich meine natürlich mit dem Herrn Brahms oder wegen dem Herrn Brahms“, sagt sie schlicht, kommt ein wenig ins Stottern und wischt sich mit der Serviette die klebrige Limonade von ihrem linken Mundwinkel weg, was mein Herzklopfen verstärkt. Ich drücke ihre Hand ganz fest und nicke ernst.


„Herr Brahms nimmt meine Karriere seit der Ellen fest in seine Hand. Er ist der Meinung, dass ich eine große Sängerin werden kann, zu Hause auf allen Konzertbühnen dieser Welt. Er hat mir empfohlen, dass ich nach Berlin gehe zur Hochschule der Musik, um meiner Stimme den letzten Schliff zu geben.“

Ich breche ab und versuche ein Lächeln, was mir nicht so recht gelingen mag, denn mein Gesicht fühlt sich ganz steif an. Liesl erwidert meinen Händedruck und lächelt nicht mehr ganz so breit.


„Das brauchst du nicht, deine Stimme ist absolut wundervoll und du wirst mich vergessen, wenn du in Berlin bist oder bei dem Ehepaar von Herzogenberg in Leipzig konzertieren wirst und ganz besonders, wenn du bei der Clara und der Eugenie sein wirst.“

„Clara“, frage ich etwas dümmlich, Liesls Hand loslassend. „Brahms Clara, Clara Schumann“, frage ich und unterdrücke ein Lachen, das in meiner Kehle aufsteigt. Meine Liesl ist in mich verschossen und eifersüchtig auf Clara Schumann und ganz besonders auf deren jüngste Tochter Eugenie.


Meine Liesl liebt mich.


Ich nippe an meinem Wein, lächle vor mich hin und denke daran, wie alles begonnen hat, mit mir als Sängerin, dem Brahms und auch irgendwie mit der Clara und der Eugenie, die ich bald kennenlernen werde, was meinem Liesl, ja so sehr missfällt und sie mich so missmutig anschaut über ihr Almdudler Glas hinweg.


Wie alles begonnen hat am 27. November 1872 hier in Wien.













Geliebte Fillu

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